Leitsatz (redaktionell)
Schließen zwei Verkäufergruppen zum Ausgleich ihrer unterschiedlich hohen individuellen Provisionseinkünfte auf Veranlassung des Arbeitgebers eine sog. Topfvereinbarung und wird diese später gekündigt, so kann sich für diejenigen Verkäufer, die ohne Topfvereinbarung erheblich geringere Provisionseinkünfte haben, ein Anspruch auf Anhebung ihrer Vergütung aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Arbeitsvergütung.
Die Beklagte produziert Automobile und handelt mit Gebrauchtfahrzeugen. Der Kläger war seit dem 1. Mai 1968 als Gebrauchtwagenverkäufer in ihrer Niederlassung Stuttgart beschäftigt. Bis 1971 war der Kläger im PKW-Geschäft tätig. Auf Wunsch der Beklagten wechselte er sodann in den Verkauf von gebrauchten Nutzfahrzeugen und blieb seitdem in dieser Sparte.
Die Rechtsbeziehungen der Parteien richteten sich in den ersten Jahren nach dem Anstellungsvertrag vom 23. April 1968. Mit Wirkung vom 1. Juli 1978 wurde dieser durch einen Anstellungsvertrag vom 1. Juni 1978 ersetzt. Nach beiden Verträgen setzte sich das Monatsgehalt des Klägers zusammen aus einem Fixum von zuletzt 1.200,00 DM und aus Provisionen gemäß den geltenden Provisionsbestimmungen. Im Vertrag vom Juni 1978 garantierte die Beklagte dem Kläger eine Monatsprovision in Höhe von 1.600,00 DM.
Die maßgeblichen "Provisionsbestimmungen für Gebrauchtfahrzeug-Verkäufer" beruhen auf einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Nach Ziff. 1.1. ihrer Regelungen werden Verkaufsgeschäfte und Vermittlungsgeschäfte verprovisioniert. Gemäß Ziff. 2.1. werden die Provisionen aus dem Verkaufserlös bzw. aus dem sog. Vermittlungs-Verkaufserlös errechnet. Die Provisionssätze sind laut Ziff. 2.2.1. für das PKW- und das LKW-Geschäft (bis auf eine unbedeutende Ausnahme) dieselben. Unstreitig ist der Nutzfahrzeugbereich deutlich schwieriger zu bearbeiten und weniger umsatz- und provisionsträchtig als der PKW-Bereich. Seit Anfang der sechziger Jahre existieren deshalb in sämtlichen Niederlassungen der Beklagten innerhalb Deutschlands sog. Topfgemeinschaften der im Gebrauchtwagengeschäft tätigen - insgesamt zwischen 900 und 1000 - Verkäufer. Durch entsprechende Vereinbarungen wird festgelegt, daß alle Verkäufer nach einem bestimmten Schlüssel am jeweiligen Gesamt-Provisionsaufkommen beteiligt sind. Es gibt keinen Gebrauchtwagenverkäufer der Beklagten, mit dem nicht von Beginn seiner Tätigkeit an eine derartige Absprache getroffen wurde. Den Verteilungsschlüssel bestimmte bis 1985 die Beklagte. Seitdem verständigen sich die Verkäufer auf ihn untereinander, um ihn anschließend von der Beklagten genehmigen zu lassen.
In den Provisionsbestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung heißt es unter Ziff.2.2.1. Nr. 5: "Sofern bei abschlußreifer Vorlage des Geschäftes eine von der Firma akzeptierte Topf-Vereinbarung einer Verkäufergemeinschaft besteht, findet diese Anwendung".
Der Kläger war bis 1993 an insgesamt sechs solcher Vereinbarungen beteiligt. Zum Neuabschluß kam es immer dann, wenn die Personen der Gebrauchtwagenverkäufer in der Niederlassung Stuttgart wechselten. Die letzte Abrede stammt vom 20. Januar 1993 und lautet - wie jedenfalls die drei seit 1986 vorangegangenen auch -:
"Die nachstehend Genannten vereinbaren mit der Mercedes-Benz AG, daß alle Provisionen, die zu ihren Gunsten aus Verkaufsgeschäften, die ab dem 01.01.93 abschlußreif vorgelegt werden, anfallen, gemäß dem folgenden Verhältnis von der Mercedes-Benz AG mit befreiender Wirkung ausgezahlt werden, ohne Rücksicht darauf, ob eine getrennte oder gemeinsame Bearbeitung der Geschäfte erfolgte.
Herr Martin A. |
12,5 |
% |
Herr Tino B. |
12,5 |
% |
...
(es folgen einschließlich des Klägers
weitere sechs Personen, jeweils mit
der Angabe 12,5 %)
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1. |
Wenn eine/r oder mehrere der am Topf Beteiligten gemäß Ziffer 3 bis 6 des Anstellungsvertrages abwesend sind und Ausgleichszahlung zu beanspruchen haben, fällt der Provisionsanteil des Abwesenden am Topf von 40 % der MBAG zu. Der verbleibende Rest wird im Verhältnis der Anteile der Anwesenden aufgeteilt. |
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2. |
Wird eine gleichwertige Ersatzkraft gestellt, fällt der auf den Abwesenden entfallende Topfanteil an die MBAG. |
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3. |
Die Regelung nach Ziffer 2 gilt für einen Nachwuchsverkäufer nur dann, wenn dieser mindestens 6 Monate Ausbildung einschließlich der Ausbildungszeit in der Gebrauchtwagenabteilung absolviert hat. |
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4. |
Diese Vereinbarung tritt ab 01.01.93 in Kraft. Eine Änderung dieser Vereinbarung kann nur jeweils zum Monatsende erfolgen." |
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Unterzeichnet ist die Vereinbarung von zwei Vertretern der Beklagten und allen acht Verkäufern. Der Betriebsrat hat auf der Urkunde vermerkt, daß er sie zur Kenntnis genommen habe.
Mit einem der Beklagten überreichten Schreiben vom 18. Juni 1993 kündigten alle sechs an der Abrede beteiligten PKW-Verkäufer die Topfgemeinschaft "zum nächstzulässigen Termin, dem 31.07.1993". Zur Begründung gaben sie an, daß der Kläger und der zweite Nutzfahrzeugverkäufer "die bis 31.12.1993 befristete Topfvereinbarung und die danach in Kraft tretende Trennung des Topfes" nicht akzeptiert hätten. Am 23. Juni 1993 übersandte die Beklagte dem Kläger und seinem Kollegen eine Kopie des Kündigungsschreibens und erklärte, für sie als Nutzfahrzeugverkäufer gelte ab dem 1. August 1993 "Einzelprovisionierung".
In der Zeit von 1990 bis Ende 1993 betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen des Klägers aus Fixum und Provisionen 193.072,00 DM. Im Jahre 1994 erzielte der Kläger demgegenüber 112.860,87 DM, im Jahre 1995 - bis zum 30. November - 72.310,78 DM an Einkünften.
Ende 1995 haben die Parteien ihre rechtlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt. Nach ihrem Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 1995 wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. Oktober 1995 als kaufmännischer Angestellter mit einer monatlichen Vergütung von 7.100,00 DM brutto weiterbeschäftigt.
Mit Schriftsatz vom 16. November 1993 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Sie war ursprünglich darauf gerichtet festzustellen, daß die Kündigung der sog. Topfgemeinschaft vom 18. Juni 1993 unwirksam sei, und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Anteil an den Provisionen der Topfgemeinschaft Abrechnungen zu erteilen und den sich aus diesen ergebenden Betrag abzüglich tatsächlicher Vergütungen an ihn auszuzahlen. Mit Teilurteil vom 7. Dezember 1994 hat das Arbeitsgericht die Klage mit ihrem Feststellungsantrag abgewiesen und dem Abrechnungsverlangen als der ersten Stufe des Leistungsantrags stattgegeben. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung hat die Beklagte Abrechnung erteilt. Der Kläger hat daraufhin die Hauptsache (in erster Stufe) für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dem nicht angeschlossen. Auf ihre Berufung hat das Landesarbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 9. November 1995 auch bezüglich des Abrechnungsantrags abgewiesen. Der Antrag sei, da von Beginn an unbegründet, nicht erledigt. Dazu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, jedenfalls aus der Topfvereinbarung vom 20. Januar 1993 vermöge der Kläger, nachdem sie wirksam gekündigt worden sei, keine Rechte mehr herzuleiten. Ob er höhere Vergütungsansprüche für die Zeit ab August 1993 auf andere rechtliche Grundlagen stützen könne, sei nicht zu entscheiden. Das Urteil des Landesarbeitsgericht wurde rechtskräftig. Auf der zweiten Stufe hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Januar 1996 erstinstanzlich Klage auf Zahlung der Differenzbeträge zwischen seinem durchschnittlichen Jahresgehalt der Jahre 1990 bis 1993 und seinen tatsächlichen Bezügen im Jahre 1994 und in der Zeit vom 1. Januar bis 30. November 1995 erhoben. Der Kläger hat sein Begehren zum einen auf eine Zusage des damaligen Niederlassungsleiters der Beklagten gestützt. Der Kläger hat behauptet, dieser habe ihm im Zusammenhang mit seinem Wechsel vom PKW- ins Nutzfahrzeuggeschäft erklärt, die Topfgemeinschaft bleibe bestehen, daran werde sich nichts ändern. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Klageanspruch ergebe sich zudem aus einer 30 Jahre währenden betrieblichen Übung. Zumindest folge er, nachdem die Topfvereinbarung weggefallen sei, aus § 612 Abs. 2 BGB oder doch aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Auch sei der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Die Beklagte selbst habe die PKW-Verkäufer gedrängt, die Topfvereinbarung zu kündigen. Überdies stelle das Verhalten der Beklagten eine positive Vertragsverletzung dar. Sie habe ab 1993 den Nutzfahrzeugbereich in das Gebrauchtwagenzentrum Köngen verlagert und habe diesen Bereich in der Niederlassung Stuttgart Ende 1995 - ebenso wie schon ein Jahr zuvor die Reparaturabteilung für Nutzfahrzeuge - gänzlich geschlossen. Dadurch habe sie seinem Anstellungsvertrag die wirtschaftliche Grundlage entzogen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 184.882,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Zahlungsklage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß dem Kläger der Fortbestand der Topfgemeinschaft mit dem von ihm behaupteten Erklärungsinhalt zugesagt worden sei. Sie hat die Ansicht vertreten, auch sonstige Rechtsgrundlagen für den Klageanspruch bestünden nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage durch Schlußurteil vom 23. September 1996 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr in vollem Umfange stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zum überwiegenden Teil nicht begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. September 1995 einen Anspruch auf Aufstockung seiner individuellen Provisionssummen um die Differenz zu seinem durchschnittlichen Gehalt bei Geltung der Topfvereinbarung. Dies ergibt sich aus einer wegen des Wegfalls der Topfvereinbarung gebotenen ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrages.
I. Die Klage ist zulässig. Ihr steht die Rechtskraft des Berufungsurteils vom 9. November 1995 nicht entgegen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht mit diesem Urteil die Klage auf Feststellung, daß die Hauptsache in erster Stufe erledigt sei, abgewiesen. Damit steht rechtskräftig fest, daß die ursprüngliche Klage auf Erteilung einer Abrechnung unbegründet war. Davon ist jedoch der Zahlungsanspruch nicht berührt. Mit der rechtskräftigen Abweisung des Auskunftsanspruchs ist selbst über den aus derselben Grundlage hergeleiteten Zahlungsanspruch noch nicht rechtskräftig entschieden (BGH NJW 1969, 880; BGH NJW 1969, 1486; BGH NJW 1991, 1893 f.; Zöller-Greyer, ZPO, 20. Aufl., § 254 Rz 9, m.w.N.).
Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn das Berufungsgericht, das den Abrechnungsanspruch verneint, auch den in erster Instanz noch anhängigen Zahlungsantrag an sich zieht und ihn mit der Begründung abweist, ihm fehle nunmehr jede materiellrechtliche Grundlage. Zum einen hat aber das Landesarbeitsgericht im Urteil vom 9. November 1995 ausdrücklich nur über den Abrechnungsanspruch befunden, zum anderen hat der Kläger seinen Zahlungsanspruch auch auf andere Grundlagen als die rechtliche Weiterexistenz der Topfgemeinschaft gestützt.
II. Die Klage ist zum größten Teil begründet. Anspruchsgrundlage ist eine Vergütungsregelung, wie sie sich in ergänzender Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Abreden aus dem Arbeitsvertrag vom Juni 1978 ergibt.
1. Aus der letzten Topfvereinbarung vom 20. Januar 1993 vermag der Kläger für den streiterheblichen Zeitraum nach dem 31. Juli 1993 keine Rechte mehr herzuleiten. Mit der Kündigung der Vereinbarung durch die sechs an ihr beteiligten PKW-Verkäufer hat diese ihre Wirksamkeit für die Zeit nach Ablauf der einmonatigen Kündigungsfrist verloren.
a) Die Vereinbarung stellt weder einen Gesellschaftsvertrag im Sinne des § 705 BGB dar noch hat sie zur Bildung einer Bruchteilsgemeinschaft der Beteiligten im Sinne des § 741 BGB geführt.
Die acht beteiligten Gebrauchtwagenverkäufer haben sich nicht gegenseitig dazu verpflichtet, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in bestimmter Weise zu fördern. Sie haben untereinander überhaupt keine Rechte und Pflichten begründet. Eine Gesellschaft nach Maßgabe der §§ 705 ff. BGB hat deshalb zwischen ihnen nicht bestanden.
Ihnen stand auch kein Recht gemeinschaftlich zu. Sie haben stets jeder für sich Provisionsansprüche gegen die Beklagte erworben und dieser lediglich gestattet, damit zum Zwecke der Erfüllung in bestimmter Weise zu verfahren. Die §§ 741 ff. BGB finden keine Anwendung. Auf gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtliche Fragen einer Kündigung bzw. eines Aufhebungsverlangens der sechs PKW-Verkäufer vom 18. Juni 1993 kommt es nicht an.
b) Die Topfvereinbarung vom 20. Januar 1993 ist eine Abrede sui generis gemäß §§ 305, 362 BGB. Mit Wirkung für und gegen alle auf Verkäuferseite an ihr Beteiligten legt sie in deren Verhältnis zueinander und im Verhältnis zur Beklagten fest, welche Quote am monatlichen Gesamt-Provisionsaufkommen den einzelnen Verkäufern zusteht. Das Gesamtaufkommen wird aus den je individuell erworbenen Provisionsansprüchen der Verkäufer gegen die Beklagte gebildet. Die Vereinbarung über die Verteilungsquote stellt sich dar als gemeinschaftliche Abrede über den Eintritt der Erfüllungswirkung. Alle Beteiligten haben für den Fall, daß ihr individueller monatlicher Provisionsanspruch über die auf sie entfallende Quote hinausginge, die Beklagte ermächtigt, die ihnen geschuldete Leistung bis zum Erreichen der Quote durch Auskehr an jeweils diejenigen Gläubiger zu bewirken, deren individueller Anspruch geringer ausgefallen war. Die Gesamtschuld der Beklagten wurde dadurch nicht erhöht, sondern nur umverteilt. Die Ermächtigung und der in ihr liegende mittelbare Forderungsverzicht waren kollektivrechtlich unbedenklich. Laut der Öffnungsklausel in Ziff. 2.2.1. Nr. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung findet eine von der Beklagten akzeptierte "Topfvereinbarung einer Verkäufergemeinschaft" Anwendung.
c) Die betreffende Abrede und Ermächtigung konnte vereinbarungsgemäß gekündigt bzw. widerrufen werden. Zwar heißt es in Ziff. 4 der Vereinbarung vom 20. Januar 1993, es könne "eine Änderung" jeweils nur zum Monatsende erfolgen. Zutreffend hat aber das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 9. November 1995 angenommen, daß die beteiligten Verkäufer damit zugleich eine einseitige Lösungsmöglichkeit vereinbart haben. Anderenfalls wäre die Aufnahme des betreffenden Passus in den Urkundstext nicht erforderlich gewesen. Eine einvernehmliche Änderung ist stets möglich. Das Kündigungsschreiben der sechs PKW-Verkäufer vom 18. Juni 1993 hat deshalb die Topfvereinbarung vom 20. Januar 1993 mit Ablauf des 31. Juli 1993 wirkungslos werden lassen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem zweiten Berufungsurteil die Auffassung vertreten, eben diese Möglichkeit einer Kündigung der gemeinschaftlichen Erfüllungsabrede führe wegen der in ihr liegenden Umgehung der §§ 1, 2 KSchG zur Nichtigkeit sämtlicher Vegütungsabsprachen zwischen den Parteien. Durch die entsprechende Ausgestaltung der Topfvereinbarung stünden über 40 % des durchschnittlichen Einkommens des Klägers zur Disposition Dritter. Darin liege ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Es seien deshalb die Vereinbarungen über Provisionsanspruch, Provisionshöhe und Provisionsverteilung im Arbeitsvertrag, in der Gesamtbetriebsvereinbarung und der Topfvereinbarung, die nicht isoliert betrachtet werden dürften, insgesamt gemäß § 134 BGB nichtig. Der Vergütungsanspruch des Klägers folge stattdessen aus § 612 Abs. 2 BGB.
Dem kann nicht gefolgt werden. Zwar entspricht der Ansatz des Landesarbeitsgerichts der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Ist das Recht zur einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen vertraglich vereinbart, so handelt es sich - unabhängig von der gewählten Bezeichnung - um den Vorbehalt eines Widerrufs. Dessen Ausübung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts, der zur Umgehung des Kündigungsschutzes führt, ist unwirksam (BAG Urteil vom 7. Oktober 1982 - 2 AZR 455/80 - BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung). Zum einen besteht die Konsequenz daraus aber nicht in der Unwirksamkeit der vertraglichen Regelungen, deren Widerruf der Arbeitgeber sich vorbehalten hat, sondern in der Unwirksamkeit des Vorbehalts (vgl. BAG, aaO). Zum anderen gelten Kündigungsschutzvorschriften nur im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In Ziff. 4 der Topfvereinbarung haben sich dagegen - zumindest auch - die auf Verkäuferseite Beteiligten den Widerruf der Erfüllungsabrede vorbehalten. Von Verkäuferseite aus ist er auch ausgeübt worden. Zwischen den Verkäufern untereinander gelten §§ 1,2 KSchG nicht. Das bedeutet, daß insoweit die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nicht gegen zwingende Kündigungsschutzvorschriften verstößt. Das bedeutet ferner, daß mit der späteren Ausübung des Widerrufs die Erfüllungsabrede vom 20. Januar 1993 - wie dargelegt - hinfällig geworden ist. Die arbeitsvertraglichen Vergütungsregelungen zwischen dem Kläger und der Beklagten blieben davon ebenso unberührt wie die Provisionsbestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung. Diese bilden weiterhin die rechtliche Grundlage für Ansprüche des Klägers auf Arbeitsvergütung. § 612 Abs.2 BGB ist nicht anwendbar.
3. Der Kläger vermag seinen Klageanspruch auch nicht auf die von ihm behaupteten Erklärungen des - bereits verstorbenen - Leiters der Niederlassung Stuttgart aus dem Spätsommer des Jahres 1968 zu stützen. Auch wenn dieser mit Blick auf einen möglichen Wechsel des Klägers in den LKW-Bereich geäußert haben sollte, er - der Kläger - brauche sich über eine Auflösung der Topfgemeinschaft keine Gedanken zu machen, an deren Bestand werde sich nichts ändern, so ist eine solche Erklärung im Hinblick auf ihre zeitliche Geltung und einen späteren Vergütungsumfang zu unbestimmt, als daß aus ihr noch im Jahre 1993 konkrete Erfüllungsansprüche hergeleitet werden könnten.
4. Der Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus einer betrieblichen Übung oder einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten. In beiderlei Hinsicht hat der Kläger zu den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht ausreichend vorgetragen.
5. Ein Anspruch des Klägers auf eine höhere als die an ihn seit dem 1. Januar 1994 gezahlte Arbeitsvergütung folgt dagegen gemäß § 157 BGB aus dem Arbeitsvertrag der Parteien selbst. Mit dem Wegfall der Topfvereinbarung vom 20. Januar 1993 ist die Vergütungsabrede der Parteien aus dem Jahre 1978 lückenhaft geworden. Die Parteien haben nicht geregelt, was geschehen und gelten solle, falls eine solche Vereinbarung einmal nicht mehr zustandekäme. Die Beklagte beruft sich darauf, eben darin bestehe die vertragliche Regelung. Der Kläger habe das Risiko eines möglichen Wegfalls der Topfvereinbarung gekannt und sich auf diese gleichwohl eingelassen. Durch ihren tatsächlichen späteren Wegfall sei das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung im Verhältnis der Parteien zueinander deshalb nicht berührt. Angesichts der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit verbiete sich ein Eingriff in das Leistungsgefüge durch die Gerichte. Dem Kläger stünden nach Wegfall der Topfvereinbarung lediglich die sich aus Ziff. 2 des Arbeitsvertrages und den Provisionsbestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung ergebenden Vergütungsansprüche zu. Diese habe sie - unstreitig - erfüllt.
Die Ansicht der Beklagten wird § 157 BGB und der dort gesetzlich normierten Forderung nach Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht gerecht.
a) Vertragsauslegung bedeutet nicht nur Ermittlung des Sinngehalts der im Vertragstext selbst niedergelegten Parteierklärungen. Sie bezweckt vielmehr die Feststellung des Vertragsinhalts auch in solchen Punkten, zu denen die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, deren Regelung aber gleichwohl zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich ist (BAGE 5, 221, 223; BGB - RGRK-Piper, 12. Aufl., § 157 Rz 97, m.w.N.). Die entsprechende Unvollständigkeit der vertraglichen Regelung darf allerdings nicht gewollt gewesen, der Parteiwille nicht gerade in ihr zum Ausdruck gekommen sein (Piper, aaO, Rz 100, m.w.N.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - § 157 BGB nicht beachtet und die Möglichkeit zur Ergänzung der Vertragsauslegung nicht geprüft. Der Senat kann die unterbliebene Prüfung und ggf. die ergänzende Vertragsauslegung selbst vornehmen. Die maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind unstreitig, weitergehende Feststellungen stehen nicht zu erwarten. Insoweit besteht revisionsrechtlich kein Unterschied zur einfachen Vertragsauslegung (BGH NJW 1997, 652). Die ergänzende Vertragsauslegung gehört zwar wie diese in den Bereich der tatrichterlichen Feststellung (BAGE 5, 221, 223; BGHZ 111, 110, 115). Sie ist aber nicht dem Tatrichter vorbehalten. Die Entscheidung, ob eine Regelungslücke besteht und wie die Vertragspartner sie bei deren Kenntnis geschlossen hätten, kann aufgrund ausreichender tatrichterlicher Feststellungen auch durch das Revisionsgericht getroffen werden. Es geht nicht um die Aufklärung eines - nicht festgestellten - tatsächlichen Parteiwillens. Es geht um eine an objektiven Maßstäben orientierte Bewertung des Inhalts der getroffenen Vereinbarungen und der aus ihnen abgeleiteten Rechtsfolgen mit dem Ziel zu ermitteln, was die Parteien im Falle des Erkennens der Regelungslücke bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten (BGH NJW 1998, 1219/1220, m.w.N.). Diese Bewertung ist zwar nicht nur Anwendung einer Rechtsnorm im Sinne des § 550 ZPO, sondern enthält zugleich auch Elemente der Tatsachenfeststellung, soweit es um die Würdigung und Gewichtung der maßgeblichen Anknüpfungstatsachen geht. Demzufolge ist die tatrichterliche Auslegung nur eingeschränkt revisibel. Dies hat aber nicht zur Folge, daß das Revisionsgericht in seiner eigenen - ergänzenden - Auslegung beschränkt wäre und die Sache an den Tatrichter zurückverweisen müßte. Vielmehr räumt ihm die bei Entscheidungsreife durch § 565 Abs. 3 ZPO auferlegte Pflicht zur Sachentscheidung zugleich die hierzu erforderliche tatrichterliche Kompetenz ein (BGHZ 122, 308, 316). Eine Zurückverweisung kommt daher nur dann in Betracht, wenn die tatsächliche Auslegungsgrundlage behebbar unvollständig ist oder wenn es um die Ermittlung von Erfahrungswissen oder Verkehrssitten geht (BGH NJW 1998, 1219, 1220, m.w.N.). Beides ist vorliegend nicht der Fall.
c) Es kann nicht angenommen werden, daß im Streitfall die Parteien im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewollt haben, bei Wegfall einer den Kläger beteiligenden Topfvereinbarung solle dessen Provisionsanspruch sich ausschließlich nach dem Vertragswortlaut und den Provisionsbestimmungen der Gesamtbetriebsvereinbarung richten. Unstreitig gibt es in sämtlichen deutschen Niederlassungen der Beklagten seit Beginn der sechziger Jahre Topfvereinbarungen, die jeweils sämtliche Gebrauchtwagenverkäufer erfassen. Auch der Kläger war seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses an diesen Vereinbarungen beteiligt. Als er im Jahre 1971 auf Bitten der Beklagten vom PKW- in den LKW-Bereich wechselte, stand für beide Parteien fest, daß er sich damit finanziell - wäre er nur auf die Provisionsbestimmungen verwiesen - erheblich verschlechtern würde. Daß sein deutlich geringeres Provisionsaufkommen als LKW-Verkäufer durch die Topfvereinbarungen dem der PKW-Verkäufer angeglichen würde, war - dies hat die Beklagte nicht bestritten - ausschlaggebend für seine Entscheidung, der Bitte der Beklagten nachzukommen. Die Beklagte war am Zustandekommen und an der Ausgestaltung der Topfabrede in einem Umfang beteiligt, daß diese entgegen der Ansicht der Revision nicht als separate Vereinbarung des Klägers mit Dritten gänzlich außerhalb der Vertragsbeziehungen der Parteien verstanden werden kann. Es widerspricht aller Erfahrung, daß ohne eine entsprechende Steuerung durch die Beklagte sich sämtliche Gebrauchtwagenverkäufer bundesweit zu solchen Topfgemeinschaften zusammengeschlossen hätten und die PKW-Verkäufer ausnahmslos bereit gewesen wären, auf ihre individuell höheren Provisionsforderungen zugunsten der LKW-Verkäufer zu verzichten. Die Beklagte hat im übrigen bis 1985 selbst die jeweiligen Verteilungsschlüssel bestimmt und sich seitdem deren Genehmigung vorbehalten. Diese Genehmigung wiederum ist nach Ziff. 2.2.1. Nr. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung Voraussetzung dafür, daß die jeweilige Topfabrede neben den kollektivrechtlichen Provisionsbestimmungen zur Anwendung gelangen kann. Die Existenz einer Topfgemeinschaft zwischen PKW- und LKW-Verkäufer ist deswegen durchaus nicht ohne Zutun der Beklagten ein wesentlicher Faktor für die reale Höhe der Verkäufervergütungen. Unter diesen Umständen und bei Würdigung der beiderseitigen Interessen ist die Annahme nicht berechtigt, die Parteien hätten von Regelungen für den Fall einer endgültigen Beendigung der Topfgemeinschaft bewußt Abstand genommen. Deren Fehlen ist unbeabsichtigt und planwidrig.
d) Damit ist zu fragen, wie die Parteien vom Standpunkt ihrer entgegengesetzten Interessen aus den offen gebliebenen Punkt billigerweise geregelt hätten, hätten sie an seine Regelungsbedürftigkeit gedacht. Die Antwort muß innerhalb des durch den Vertrag selbst gezogenen Rahmens gesucht werden. Das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung darf nicht im Widerspruch zu dem im Vertrag ausgedrückten Parteiwillen stehen (Lehmann/Hübner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 16. Aufl., § 30 VI 5 b; Piper, aaO, Rz 103).
aa) Im Anstellungsvertrag vom 1. Juni 1978 haben die Parteien in Ziff. 3, 4 und 5 die Vergütung des Klägers für die Zeiten von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen geregelt. Der KIäger erhielt danach - neben seinem Fixum - eine "Ausgleichszahlung" in Höhe von "1/250 des in den letzten 12 Kalendermonaten ... erzielten Provisionseinkommens (incl. Ausgleichszahlung)" für jeden ausgefallenen Arbeitstag. Zugleich bestimmt Ziff. 1.2. der Gesamtbetriebsvereinbarung, daß der Angestellte "nicht bearbeitungszuständig" - und damit nicht provisionsberechtigt - ist "für Geschäfte jeglicher Art während eines Zeitraumes, für den er Ausgleichszahlung gemäß Ziff. 3 bis 6 des Anstellungsvertrages zu beanspruchen hat". Weiter ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß nach Ziff. 1 der Topfvereinbarung vom 20. Januar 1993 und der vorangegangenen Abreden der Provisionsanteil eines nach Ziff. 3 bis 6 des Anstellungsvertrages abwesenden Beteiligten der Beklagten und den übrigen Beteiligten zufiel.
bb) Die Parteien haben folglich eine gesonderte Vergütungsregelung für solche Zeiten getroffen, in denen der Kläger Provisionsansprüche nicht erwarb und an der Verteilung des Gesamtaufkommens nicht beteiligt war. Die Situation des Klägers nach Wegfall der Topfvereinbarung stellt sich ähnlich dar, wie wenn er von der Verteilung des Provisionsaufkommens dauerhaft ausgeschlossen worden wäre. Es liegt deshalb nahe, daß die Parteien, hätten sie diesen Fall geregelt, eine ähnliche Vergütungsregelung getroffen hätten, wie für die Zeiten von Abwesenheiten. Zu berücksichtigen ist aber, daß es nicht um die Vergütung von Abwesenheitszeiten, sondern um die Vergütung von Arbeitsleistung geht. Für diese sollte der Kläger grundsätzlich auf Provisionsbasis entlohnt werden. Es erweist sich damit nur eine solche Regelung als interessengerecht, die beide Aspekte beachtet: den Ausfall der Ausgleichsabrede und die gemeinsame Entscheidung der Parteien für eine Vergütung auf Provisions-ebene.
cc) Eine diesen Anforderungen genügende Vertragsregelung muß dahin gehen, daß der Kläger für die von ihm getätigten Geschäfte primär auf der Grundlage der für ihn geltenden Provisionsbestimmungen als LKW-Verkäufer vergütet wird, er aber darüber hinaus einen Ausgleich für seine erheblichen Einkommenseinbußen erhält. Interessengerecht ist dieser Ausgleich dann, wenn er dem Kläger zeitanteilig die Differenz zwischen seinen individuell erarbeiteten Provisionsansprüchen in der Zeit vor Kündigung der Topfvereinbarung und der Provisionssumme gewährt, die an ihn im selben Zeitraum auf der Grundlage der Topfvereinbarung tatsächlich ausgezahlt wurde. In einer solchen Regelung sind beide Elemente, die individuelle Leistung des Klägers als LKW-Verkäufer und der Wegfall der Topfabrede, angemessen berücksichtigt. Um die entsprechende Bestimmung ist das Vertragswerk der Parteien aus dem Jahre 1978 darum im Wege der Auslegung zu ergänzen. Nach dieser Maßgabe hat der Kläger Anspruch auf Erhöhung der von der Beklagten bislang geleisteten Vergütung.
dd) Was das konkrete Zahlenwerk betrifft, so hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, in der Zeit von November 1992 bis einschließlich Mai 1993 hätten ihm nach Maßgabe der geltenden Provisionsbestimmungen nur insgesamt 28.490,00 DM zugestanden. Wegen der Topfvereinbarung seien im gleichen Zeitraum an Provisionen tatsächlich ausbezahlt worden 61.563,00 DM. Die monatliche Durchschnittsdifferenz beläuft sich auf 6.614,60 DM. Der auf diese Weise sich ergebende Differenzbetrag ist als der Wert zu behandeln, um den die tatsächlichen Einkünfte des Klägers im streitbefangenen Zeitraum monatlich zu erhöhen sind. Der Kläger macht Ansprüche ab dem 1. Januar 1994 geltend. Die grundlegende Vertragsänderung der Parteien mit dem Übergang zum vollen Festgehalt trat mit Wirkung vom 1. Oktober 1995 in Kraft. Dazwischen liegen 21 Monate. Im Umfange von 21 x 6.614,60 DM = 138.906,60 DM brutto nebst Zinsen ist der Klaganspruch begründet. Im übrigen war die Klage abzuweisen.
Vors. Ri. a. BAG
Griebeling kann
wegen Krankheit
nicht unterschreiben
Fundstellen
Haufe-Index 440280 |
BB 1999, 60 |
DB 1999, 587 |
ARST 1999, 37 |
FA 1998, 390 |
NZA 1999, 306 |
RdA 1999, 225 |
SAE 1999, 116 |
AP, 0 |