Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 13, 20 Abs. 1, Art. 29; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 09.12.1991; Aktenzeichen 9 Sa 56/91) |
ArbG Berlin (Urteil vom 20.06.1991; Aktenzeichen 57 Ca 9999/90) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 9. Dezember 1991 – 9 Sa 56/91 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 Einigungsvertrag (im folgenden Nr. 1 Abs. 2 EV) ab 3. Oktober 1990 geruht und mit Ablauf des 2. Juli 1991 geendet hat.
Der am 22. April 1940 geborene Kläger war seit dem 1. August 1980 im Ministerium für Leichtindustrie der ehemaligen DDR beschäftigt. Auf dem Gebiet der früheren DDR bestanden bis Ende 1989 insgesamt fünfzehn spezielle Wirtschaftsministerien, einschließlich des Ministeriums für Leichtindustrie (MfL). Während es bis April 1990 noch sieben unterschiedliche Ministerien für Wirtschaft gab, existierten von April 1990 bis zum 2. Oktober 1990 in diesem Bereich nur noch das Ministerium für Wirtschaft (MfW), in das die speziellen Wirtschaftsministerien integriert wurden, das Ministerium für Handel und Tourismus (MHT) sowie die Energieabteilung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit (MUNER). 1100 Mitarbeiter aus den bis April 1990 aufgelösten Ministerien wurden personalmäßig im MfW geführt, in der Regel jedoch nicht mehr beschäftigt. Der organisatorische Aufbau des MfW wurde seit Frühjahr 1990 fortlaufend verändert, bis er weitgehend dem Organisationsplan des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) entsprach.
Mit Schreiben vom 24. September 1990 teilte das BMWi dem Kläger u.a. mit, es sei wegen Umstrukturierung und Wegfalls von Aufgaben der zentralen Verwaltungseinrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik nicht möglich, alle bestehenden Beschäftigungsverhältnisse nach dem 3. Oktober 1990 unverändert weiterzuführen. Auch sein Arbeitsverhältnis werde aufgrund des Einigungsvertrages mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 ruhen und im Falle der Vollendung des 50. Lebensjahres mit Ablauf des 2. Juli 1991 enden, wenn er nicht bis dahin weiterverwendet werden könne oder vorher das Rentenalter erreiche.
Am 3. Oktober 1990 erließ die Beklagte eine Organisationsverfügung, die sie im Dienstgebäude aushängen ließ. In dieser Verfügung heißt es u.a.:
„Mit dem Wirksamwerden des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 treten folgende Regelungen in Kraft:
- Die bisherigen Ministerien für Wirtschaft (MfW) sowie für Handel und Tourismus (MHT) sind aufgelöst; die Dienstgeschäfte gehen mit sofortiger Wirkung auf das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) über. Das gleiche gilt für die Dienstgeschäfte der Energieabteilung des bisherigen Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit (MUNER).
Das Bundesministerium für Wirtschaft errichtet eine Außenstelle in Berlin. Die Außenstelle ist Bestandteil des Ministeriums und führt die Bezeichnung
Der Bundesminister für Wirtschaft – Außenstelle Berlin –
Die Außenstelle hat ihren Sitz im Dienstgebäude des bisherigen Ministeriums für Wirtschaft.
…”
Für die Außenstelle Berlin des BMWi galt zunächst die vorläufige Arbeitsverteilung vom 3. Oktober 1990. Nach deren Inhalt wurden die sieben beim BMWi bestehenden Abteilungen um jeweils zwei bis sechs bei der Außenstelle angesiedelte Referate ergänzt. Die den fachlich zuständigen Unterabteilungs- und Abteilungsleitern des BMWi zugeordneten Referate wurden im wesentlichen von Mitarbeitern des BMWi geleitet, teilweise in Personalunion von in Bonn tätigen Referatsleitern.
Mit Hausverfügung vom 18. Dezember 1990 richtete die Beklagte für die Außenstelle Berlin mit Wirkung zum 1. Januar 1991 auf Dauer angelegte Organisationseinheiten ein. Sie stellte rund 400 Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen für die Außenstelle ein, 50 der neueingestellten Mitarbeiter werden in Bonn eingesetzt. Sämtliche in Berlin weiterbeschäftigten Arbeitnehmer sind unterhalb der Referatsleiterebene tätig.
Aufgabe der in der Außenstelle Berlin arbeitenden Referate ist es, die besonderen wirtschaftspolitischen Aspekte des Beitrittsgebietes zu berücksichtigen.
Der Kläger hat im wesentlichen die Auffassung vertreten, das MfW der ehemaligen DDR sei nicht aufgelöst und abgewickelt, sondern überführt worden. Die Einrichtung, in der er früher beschäftigt worden sei, sei in die Unterabteilung ZA des BMWi integriert worden. Die einzelnen Referate des ehemaligen MfW müßten als Teileinrichtung interpretiert werden. Da der Einigungsvertrag nur die Abwicklung von Teileinrichtungen, nicht jedoch die Teilabwicklung von Einrichtungen gestatte, müsse sich die Beklagte aufgrund ihrer Schreiben so behandeln lassen, als habe sie die jeweiligen Referate insgesamt fortgeführt.
Darüber hinaus habe der Eintritt des Ruhens des Arbeitsverhältnisses außer der tatsächlichen Abwicklung die Bekanntgabe der Auflösungsentscheidung zur Voraussetzung. Eine solche Bekanntgabe sei jedoch nicht erfolgt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis nicht mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 ruht, sondern unbefristet zur Beklagten fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen vorgetragen, das BMWi habe per Organisationsverfügung vom 3. Oktober 1990 die Auflösung des MfW mit Wirkung zum selben Tage verfügt. Jedoch greife nicht diese Auflösungsentscheidung, sondern vielmehr die Regelung im Einigungsvertrag unmittelbar in Individualrechte des Klägers ein. Auf die Bekanntmachung der Auflösungsentscheidung des BMWi komme es daher nicht an. Gleichwohl sei eine Bekanntmachung hier durch den Aushang der Organisationsverfügung ausreichend erfolgt. Auch sei der Kläger auf die Rechtsfolge des Ruhens und schließlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch das Schreiben vom 24. September 1990 hingewiesen worden. Das MfW sei nach dem Beitritt der ehemaligen DDR in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr fortgeführt worden. Die ab 1. Januar 1991 für die Außenstelle geltende Hausverfügung vom 18. Dezember 1990 habe die Abwicklungsarbeiten endgültig abgeschlossen.
Schließlich treffe es nicht zu, daß die Einrichtung, der der Kläger angehört habe, nunmehr Bestandteil der Unterabteilung ZA des BMWi sei. Aus dem Personalbestand des MfL, dem der Kläger zuletzt angehört habe, seien im Juli 1990 225 Mitarbeiter in Struktureinheiten des neugebildeten MfW eingesetzt gewesen. Zu diesen Arbeitnehmern habe der Kläger jedoch nicht gehört, sondern zu den 131 Mitarbeitern des B-Bereiches Leichtindustrie, denen eine Aufgabe im MfW nicht angeboten worden sei und die auch Organisationseinheiten des MfW nicht zugeteilt worden seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ruhte ab dem 3. Oktober 1990 und endete mit Ablauf des 2. Juli 1991. Die Voraussetzungen nach Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag lagen jeweils vor.
I. Gemäß Nr. 1 Abs. 2 EV bestanden die Arbeitsverhältnisse der in den gemäß Art. 13 Abs. 2 EV ganz oder teilweise auf den Bund überführten Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer nach Nr. 1 Abs. 1 EV zum Bund. Die Arbeitsverhältnisse der übrigen Arbeitnehmer ruhten vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an.
Die Arbeitsverhältnisse der Werktätigen des öffentlichen Dienstes der DDR gingen nicht durch den Wegfall des ursprünglichen Vertragspartners am 3. Oktober 1990 unter. Das ergibt sich aus dem Einigungsvertrag selbst. Dem steht die frühere gesetzliche Regelung der ehemaligen DDR nicht entgegen. Nach § 38 Abs. 1 AGB-DDR waren die Arbeitsrechtsverhältnisse zwischen dem Werktätigen und dem „Betrieb” zu vereinbaren. § 13 Abs. 1 des Rahmenstatuts für die Industrieministerien vom 9. Januar 1975 (GBl. I S. 133) kennzeichnete Ministerien als juristische Person. Die Ministerien waren zur Teilnahme an vermögensrechtlichen Beziehungen berechtigt und damit selbst Vertragspartner der dort beschäftigten Werktätigen. Diese Bestimmungen verloren allerdings mit dem Wirksamwerden des Beitritts ihre Geltung. Die nach bundesdeutschem Recht nicht rechtsfähigen Vertragsparteien auf Arbeitgeberseite gingen unter. Obgleich im Protokoll zum Einigungsvertrag zu Art. 13 Abs. 2 (BGBl. 1990 II S. 905) klarstellend ausgeführt ist, daß in überführten Einrichtungen „geeignetes Personalentsprechend den Notwendigkeiten der Aufgabenerfüllung in angemessenem Umfang zu übernehmen” sei, ist mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 84, 133, 147) im Ergebnis davon auszugehen, daß mit der Überführung der Arbeitsvertragsparteien auf neue Träger öffentlicher Verwaltung als juristische Personen bundesdeutschen Rechts die Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes übergingen. Die dazu notwendigen dienstrechtlichen Maßgaben des Kapitels XIX knüpfen an die organisationsrechtlichen Regelungen des Art. 13 EV an. Danach unterstehen Einrichtungen oder Teileinrichtungen, die bis zum Wirksamwerden des Beitritts Aufgaben erfüllten, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vom Bund wahrzunehmen sind, den zuständigen obersten Bundesbehörden. Diese hatten die Überführung oder Abwicklung zu regeln.
1. Die Überführung einer Einrichtung gemäß Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Sie konnte formfrei ergehen, also auch konkludent verlautbart werden. Die bloße Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer indiziert allerdings nicht die Überführungsentscheidung, wenn die Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten befaßt wurden.
Die Entscheidung zur Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung durfte von den zuständigen obersten Bundesbehörden gemäß Art. 13 Abs. 2 EV bereits vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 gefällt werden. Hierzu ermächtigte der Einigungsvertrag selbst, wie sich aus der Fußnote zu Nr. 1 Abs. 2 EV ergibt. Danach gingen die Vertragsparteien des Einigungsvertrages davon aus, daß ein Hinausschieben des Ruhensbeginns besonders regelungsbedürftig sei. Folglich wurde die Entscheidung gemäß Art. 13 EV bis zum Wirksamwerden des Beitritts zumindest für den Bundesbereich als Normalfall angesehen.
2. Die Überführungsentscheidung gemäß Art. 13 EV konnte eine Einrichtung als ganze oder eine Teileinrichtung betreffen, die ihre Aufgabe selbständig erfüllen konnte. Dies setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Soweit Einrichtungen ganz oder teilweise überführt wurden, bestanden die Arbeitsverhältnisse gemäß Art. 20 EV in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV jeweils zum neuen Träger öffentlicher Verwaltung fort. Wenn Nr. 1 Abs. 2 EV eine teilweise Überführung einer Einrichtung als Grund des aktiven Fortbestehens der Arbeitsverhältnisse vorsieht, ist damit entsprechend dem dargestellten Normzweck die Überführung einer Einrichtung im Sinne von Art. 13 EV gemeint. Die Organisationsentscheidung nach Art. 13 EV war weder personen- noch arbeitsplatzbezogen. Sie betraf funktionsfähige Organisationseinheiten, die vor dem 3. Oktober 1990 die Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung und selbständiger Aufgabenerfüllung besaßen. Dementsprechend gibt Art. 13 Abs. 1 Satz 3 EV in Verbindung mit den Regelungen der Anlage I die Mindesterfordernisse überführungsfähiger Teileinrichtungen vor.
Bei der Feststellung einer organisatorischen Abgrenzbarkeit der Teileinrichtung ist nicht abzustellen auf die für jede öffentliche Einrichtung typischen internen Untergliederungen wie Abteilung, Referat oder Dezernat, die lediglich zu Zwecken der Geschäftsverteilung gebildet werden. Entscheidend ist vielmehr, daß der betroffene Teil als organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit auch nach außen mit einem gewissen Grad an Selbständigkeit erscheint, ohne daß ihm damit zugleich eine eigene Rechtspersönlichkeit oder ein Behördencharakter zukommen müßte (vgl. BVerfGE 84, 133, 151). Auf eine organisatorische Eigenständigkeit lassen eine eigene interne Geschäftsverteilung sowie eine zumindest teilweise selbständige Wahrnehmung von Dienst- und Organisationsangelegenheiten innerhalb des der betroffenen Einheit zugewiesenen Aufgabenbereichs schließen.
3. Wurde bis zum 3. Oktober 1990 keine (positive) Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung bzw. der nicht überführten Teile ein. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. In diesem Falle ruhten die Arbeitsverhältnisse der in der abzuwickelnden (Teil-)Einrichtung Beschäftigten gemäß Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 oder 3 EV kraft Gesetzes ab dem 3. Oktober 1990, sofern und soweit nicht durch eine Entscheidung der Beginn des Ruhens der Arbeitsverhältnisse um bis zu drei Monate hinausgeschoben worden war oder dies die Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechts durchbrochen hätte. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde.
Die Voraussetzungen, unter denen eine Einrichtung abgewickelt werden durfte, nennt der Einigungsvertrag nicht ausdrücklich. Sie ergeben sich aber aus der Wortwahl der Vertragsparteien, dem Normzusammenhang und den tatsächlichen Umständen, die Grund der Regelungen waren. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu klargestellt, daß die Abwicklung einer Einrichtung nach rechtlichem Sprachgebrauch ihre Auflösung voraussetzt. Eine Übertragung auf einen anderen Hoheitsträger reicht nicht aus. Die Einrichtung darf als organisatorische Einheit nicht fortbestehen (BVerfGE 84, 133, 150 ff.). Die Abwicklung einer Einrichtung ist jedoch nicht immer kurzfristig zu leisten. Ein derartiger Liquidationsvorgang kann vielfach erst nach Monaten abgeschlossen werden. Die am Ende stehende Auflösung der Einrichtung als realer Vollzug war deshalb keine Voraussetzung. Des Eintritts des Ruhens der Arbeitsverhältnisse am 3. Oktober 1990, 0.00 Uhr.
Die Auflösung trat automatisch ein, wenn keine Überführungsentscheidung getroffen wurde. Nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 2 EV waren sowohl die Überführung als auch die Abwicklung „zu regeln”. Diese Regelungspflicht bestand in jedem Falle. War entschieden worden, die Einrichtung vollständig oder teilweise zu überführen, war die Überführung zu regeln. Unterblieb die (positive) Überführungsentscheidung, war die Liquidation der Einrichtung zu regeln. Mangels Überführung ruhten die Arbeitsverhältnisse vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an, auf jeden Fall aber drei Monate später. Diese gesetzliche Folge trat somit immer dann ein, wenn es an einer positiven Organisationsentscheidung fehlte, also auch im Falle bloßer Untätigkeit der Behörden. Dementsprechend hat das BVerwG (Urteil vom 12. Juni 1992, a.a.O.) mit Recht ausgeführt, eine Zusammenschau von Art. 13 und 20 EV nebst den erwähnten dienstrechtlichen Vorschriften der Anlage I lasse keinen anderen Schluß zu, als daß eine Abwicklung der von diesen Vorschriften erfaßten Einrichtung nur durch ihre Überführung zu verhindern gewesen sei, die Abwicklung also keine hierauf gerichtete negative, sondern nur das Fehlen einer auf die Überführung gerichteten positiven Entscheidung oder eines entsprechenden konkludenten Handelns voraussetzte.
II. Der Kläger gehörte zu den „übrigen” Arbeitnehmern im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV. deren Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes ruhte und nach neun Monaten endete.
1. Der Kläger war Arbeitnehmer im Sinne von Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 EV, denn er war aufgrund eines Arbeitsrechtsverhältnisses im Sinne der Vorschriften des AGB der DDR in der öffentlichen Verwaltung „beim Wirksamwerden des Beitritts” beschäftigt. Die zentralen Staatsorgane der DDR zählten zur öffentlichen Verwaltung. Ob der Kläger bis zum 2. Oktober 1990 auch tatsächlich beschäftigt wurde, kann dahingestellt bleiben, denn allein der rechtliche Bestand des Beschäftigungsverhältnisses am 2. Oktober 1990 war rechtserheblich.
2. Die Einrichtung, in der der Kläger tätig war, ist nicht überführt worden.
a) Die Außenstelle Berlin des BMWi hat nach den fehlerfreien Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht das MfW in im wesentlichen unveränderter Organisationsform fortgeführt. Vielmehr sind die bisherigen Aufgaben des MfW mit dem 3. Oktober 1990 weggefallen. Mit diesem Datum sind auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nicht nur die zentralstaatlichen Zuständigkeiten entfallen, sondern auch die Staatsorgane, deren Entscheidungen vom MfW umzusetzen waren. An deren Stelle sind – jedenfalls auf der zentralstaatlichen Ebene – keine neuen Staatsorgane und Kompetenz Zuweisungen getreten. Vielmehr erfolgte eine räumliche Erweiterung der bundesstaatlichen Zuständigkeit des BMWi. Die Aufgaben eines DDR-Ministeriums als Leitungsorgan der nachgeordneten Kombinate und VEB gingen mit der Ablösung der zentralen Planwirtschaft durch die soziale Marktwirtschaft unter. Andere Aufgaben fallen nunmehr in die Zuständigkeit der neuen Bundesländer.
Die äußeren Anzeichen deuten nicht darauf hin, daß eine Überführung vorliegt. Die Außenstelle des BMWi weist nach den Feststellungen des LAG nicht den Organisationsaufbau eines Ministeriums auf. Weder steht an der Spitze dieser Dienststelle ein Minister, noch sind die Entscheidungsebenen der Abteilungen und Unterabteilungen vorhanden. Die nach wie vor existierende untere Ebene der Referate leistet Zuarbeit für die Entscheidungsträger des BMWi. Diese Praxis verstößt nicht gegen Art. 29 EV, in dem es u.a. heißt, die gesamtdeutsche Regierung werde dafür Sorge tragen, daß die gewachsenen außenwirtschaftlichen Beziehungen der DDR im Rahmen der fachlichen Zuständigkeit organisatorisch angemessen geregelt werden. Diesem Wortlaut ist keine Pflicht der Bundesregierung zu entnehmen, das für diese Aufgaben vormals zuständige Ministerium der ehemaligen DDR (zumindest insoweit) fortzuführen.
b) Für eine teilweise Überführung spricht nicht die Beschäftigung von rund 400 Arbeitnehmern des ehemaligen MfW in den alten Diensträumen nach dem 1. Januar 1991. Insofern fehlt es an einer Indizwirkung, weil dieses Vorgehen der Beklagten Nr. 1 Abs. 2 EV und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 84, 133, 153 ff.) sowie der Pflicht gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EV, die Abwicklung zu regeln, entsprach. Jedenfalls ist eine Überführung angesichts der unstreitigen Aufgaben und Organisation der Außenstelle vom LAG mit Recht verneint worden. Sollte die Beklagte gemeint haben, sie habe den Ruhensbeginn einzelner Arbeitsverhältnisse gemäß Fußnote 2 zu Nr. 1 Abs. 2 EV hinausschieben können, folgte hieraus keine Überführungsentscheidung hinsichtlich des MfW. Tatsächlich wurde die gegenteilige Entscheidung über die Abwicklung des MfW als Ganzes ausdrücklich vor dem 3. Oktober 1990 gefällt und mit ihrer Umsetzung begonnen.
c) Die Überführung eines Teiles des MfW als Teileinrichtung im Sinne von Art. 13 EV ist nicht ersichtlich, weil Referaten eine genügende Eigenständigkeit nicht zukommt. Referaten eines Ministeriums fehlt die für eine Teileinrichtung erforderliche Fähigkeit, sich selbst zu verwalten und zu versorgen. Sie haben nicht die Möglichkeit einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung. Die Auffassung der Revision, ein Referat könnte als Teileinrichtung überführt werden, würde zudem Sinn und Zweck des Art. 13 Abs. 2 EV widersprechen, eine rasche Abwicklung zu ermöglichen (vgl. Germelmann, NJ 1992, 390). Allein im Bereich des MfW hätte die Beklagte bis zum Wirksamwerden des Beitritts über die Auflösung oder Überführung von ca. 130 Referaten entscheiden müssen. Darüber hinaus war der Kläger nach den Feststellungen des LAG bereits vor dem 3. Oktober 1990 nicht einem Referat zugeordnet, das mit einer ähnlichen Bezeichnung in der Außenstelle Berlin existiert. Diese Feststellungen hat der Kläger mit einer Verfahrensrüge nicht angegriffen.
III. Die kraft Gesetzes eingetretene Abwicklung einer Einrichtung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Hiervon ist allerdings die Mitteilung an die betroffenen Beschäftigten der abzuwickelnden (Teil-)Einrichtung über das gemäß Nr. 1 Abs. 2 EV eingetretene Ruhen ihrer Arbeitsverhältnisse zu trennen. Das Ruhen der Arbeitsverhältnisse trat zwar zeitgleich mit dem Wirksamwerden des Beitritts ein, war somit in seiner Entstehung von einer Bekanntgabe unabhängig, doch konnte sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen. Dem Kläger wurde das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses bereits mit Schreiben vom 24. September 1990 angekündigt. Seinem Interesse, über das Ruhen seines Arbeitsverhältnisses nicht im unklaren gelassen zu werden, wurde hinreichend Rechnung getragen.
IV. Die Nichtüberführung einer Einrichtung ist arbeitsgerichtlich auf Willkür überprüfbar. Ließ der Arbeitgeber die Abwicklung willkürlich eintreten, hat er die betroffenen Arbeitnehmer so zu stellen, wie sie bei Überführung der Einrichtung gestanden hätten. Eine erhebliche Rüge willkürlichen Verhaltens der Beklagten hat der Kläger aber nicht vorgetragen.
V. Die Rechtsfolge des Ruhens und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der gesetzlichen Wartezeit betraf alle Arbeitnehmer der abzuwickelnden (Teil-)Einrichtung, sofern dies nicht zur Durchbrechung der Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechts geführt hätte (BVerfGE 84, 133, Leitsatz 3, der Gesetzeskraft besitzt). Hingegen kommt dem Lebensalter des Klägers keine Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit zu.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Ascheid zugleich für den an der Unterschriftsleistung verhinderten Richter Dr. Schliemann, Müller-Glöge, Dr. Haible, Wolf Mache
Fundstellen