Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH. Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH für Beitragsschulden zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sonstiges
Orientierungssatz
Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haften für Beitragsschulden der Vor-GmbH zu den Sozialkassen des Baugewerbes bei Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH unmittelbar und anteilig entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen.
Normenkette
GmbHG § 11; TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe § 24
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der Beitragsschulden des Beklagten bei der Klägerin.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes WaG (im folgenden: ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt den Beklagten zusammen mit seinen Mitgesellschaftern auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen aus dem Zeitraum von Januar bis April 1994 in Höhe eines Restbetrages von 3.779,19 DM in Anspruch.
Der Beklagte gründete zusammen mit den Mitgesellschaftern Dieter Z… und Bernd M… durch notariellen Vertrag vom 18. November 1993 die M… Bau GmbH. Gegenstand des Unternehmens sollte die Erbringung von Bauleistungen sein. Auf das Stammkapital von 58.000,00 DM erbrachte der Beklagte seine Stammeinlage iHv. 10.000,00 DM.
Zum 1. Dezember 1993 übernahm die M… Bau GmbH i.G. die Firma M… & Me… Bau GmbH. Eine Eintragung der M… Bau GmbH in das Handelsregister erfolgte nicht. Durch Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. November 1995 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M… Bau GmbH in Gründung eröffnet. Der Gesamtvollstreckungsverwalter erklärte im Januar 1996 die Masseunzulänglichkeit.
Die ZVK vertritt die Auffassung, der Beklagte hafte als Gesamtschuldner neben seinen Mitgesellschaftern auf die volle noch ausstehende Beitragssumme iHv. 3.779,19 DM. Da die GmbH in Gründung vermögenslos sei, könne der Beklagte als Gesellschafter der Vor-GmbH unmittelbar in Anspruch genommen werden. Die Haftung sei auch in voller Höhe und nicht nur anteilig entsprechend seiner Stammeinlage zum Stammkapital iHv. 17,25 % und damit 651,91 DM gegeben.
Die ZVK hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner neben den gesondert in Anspruch genommenen Dieter Z…, Bernd M… und Diethard Me…, an sie weitere 3.127,28 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, er hafte als Gesellschafter der Vor-GmbH allenfalls in Höhe des Anteils seiner Stammeinlage am Stammkapital und damit nur iHv. 651,91 DM.
Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 651,91 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der ZVK zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die ZVK ihr Klagebegehren auf Zahlung weiterer 3.127,28 DM weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die ZVK hat gegen den Beklagten als Gesellschafter der Vor-GmbH – entsprechend seiner Beteiligung am Stammkapital – nur Anspruch auf den bereits rechtskräftig ausgeurteilten Betrag der Beitragsschulden der Vor-GmbH in Höhe von 651,91 DM. Eine Haftung des Beklagten in Höhe der gesamten Klageforderung scheidet aus.
Zugunsten der ZVK kann mit dem Landesarbeitsgericht unterstellt werden, daß diese gegen die Vor-GmbH auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe einen Beitragsanspruch in Höhe von 3.779,19 DM erworben hat. Der Beklagte haftet für diese Beitragsschuld jedoch nicht in voller Höhe als Gesamtschuldner mit den übrigen Mitgesellschaftern, sondern nur entsprechend seinem Gesellschaftsanteil an der Vor-GmbH.
Nach der nunmehr übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts, die auch vom Senat geteilt wird und in dem den Parteien bekannten Urteil vom 15. Dezember 1999 (– 10 AZR 165/98 – BAGE 93, 151) zusammenfassend gewürdigt wurde, haften die Gesellschafter einer Vor-GmbH für alle Verbindlichkeiten der Vor-Gesellschaft grundsätzlich entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Allerdings handelt es sich insoweit um eine Innenhaftung gegenüber der Vor-Gesellschaft selbst, nicht jedoch um eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Diese müßten sich vielmehr an die Vor-GmbH halten und könnten gegebenenfalls deren Ausgleichsansprüche gegen die Gesellschaft pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.
Von dem Haftungskonzept der Innenhaftung ist allerdings dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Vor-GmbH vermögenslos ist. In diesem Falle können die Gesellschafter unmittelbar in Anspruch genommen werden, jedoch entsprechend dem grundlegenden Haftungskonzept ebenfalls nur in Höhe ihres Anteils am Gesellschaftsvermögen.
- Eine solche Vermögenslosigkeit der M… Bau GmbH i.G., die zu einer unmittelbaren Haftung des Beklagten gegenüber der ZVK führt, ist vorliegend gegeben. Der Beklagte ist demgemäß zur Zahlung an die ZVK rechtskräftig verurteilt worden, und zwar in Übereinstimmung mit der aufgezeigten Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes in Höhe seines Anteils am Gesellschaftsvermögen.
Eine weitergehende Haftung kommt nicht nach § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht, da sich die Handelndenhaftung nur auf die durch Rechtsgeschäft begründeten Verbindlichkeiten, nicht jedoch – wie vorliegend – auf Verbindlichkeiten bezieht, die auf Grund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages entstanden sind.
Auch sind die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung unter dem Gesichtspunkt der sogenannten “unechten Vor-GmbH” nicht gegeben, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betrieb nach Aufgabe der Eintragungsabsicht fortgeführt wurde.
Eine unbeschränkte Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH für Beitragsschulden gegenüber der ZVK läßt sich auch nicht mit den Besonderheiten des Sozialkassenverfahrens begründen, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert wurde.
Zwar bringt das dargestellte, allgemeine Haftungskonzept der Gesellschafter einer Vor-GmbH für nicht rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten in den Fällen, in denen eine der ZVK zunächst nicht bekannte Anzahl von Gesellschaftern nur entsprechend ihren Anteilen am Gesellschaftsvermögen haftet, durchaus Schwierigkeiten bei der Realisierung der Beitragsansprüche mit sich. Diese können durch die Uneinbringlichkeit von Forderungen begründet sein oder durch praktische Probleme bei der Inanspruchnahme gegebenenfalls einer Vielzahl von Schuldnern. Andererseits ist darauf Bedacht zu nehmen, daß bereits die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gesellschafter in den Fällen der Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH schon den Interessen der Gläubiger an einer effizienten Verfolgung ihrer Ansprüche Rechnung trägt. Damit ist in diesem Haftungskonzept bereits der Umstand, daß bei der Verfolgung von Beitragsansprüchen im Baugewerbe in zahlreichen Fällen die Inanspruchnahme der Gesellschafter einer Vor-GmbH notwendig ist, berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende unbeschränkte Haftung läßt sich jedoch aus den Gegebenheiten des Sozialkassenverfahrens nicht begründen. Im Hinblick auf die durchgehend von den obersten Gerichtshöfen des Bundes vertretene Haftungskonzeption bietet sich deshalb eher eine Anpassung der tariflichen Vorgaben an.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Marquardt, Schlegel, Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 901882 |
DStZ 2001, 835 |
EWiR 2001, 759 |
FA 2001, 316 |
KTS 2001, 651 |
NZA 2001, 1247 |
SAE 2002, 73 |
EzA |
GmbHR 2001, 919 |