Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung auf das Tarifniveau in anderem Tarifgebiet. Tarifliche Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag. Blankettverweisung. Auslegung eines Tarifvertrages. “Tarifniveau” eines anderen Tarifgebiets. Berücksichtigung der späteren Tarifentwicklung. Tarifauslegung. Tarifrecht
Normenkette
TVG § 1 Auslegung; Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie, Großbäckereien ua. in den fünf neuen Bundesländern einschließlich ehemals Berlin-Ost vom 12. Juni 1995 (ETV 1995) § 2; diesem nachfolgender Entgelttarifvertrag vom 10. September 1999 (ETV 1999) § 2
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 11.02.2000; Aktenzeichen 5 Sa 530/99) |
ArbG Eberswalde (Urteil vom 23.06.1999; Aktenzeichen 5 Ca 2867/98) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 11. Februar 2000 – 5 Sa 530/99 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Höhe der tariflichen Vergütung des Klägers.
Der Kläger ist als Bäcker bei der Beklagten, einer Großbäckerei, beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie, den Betrieben der Großbäckereien und den Betrieben, die Brot und Backwaren vertreiben sowie, in den Verkaufsfilialen der genannten Betriebe in den neuen Bundesländern, insbesondere die nachgenannten Tarifverträge dieses Tarifgebiets (nachfolgend: Brotindustrie).
Der Kläger ist in die Tarifgruppe H (105 %) nach § 4 des Entgeltrahmentarifvertrages vom 26. Februar 1991 (nachfolgend: ERTV) eingruppiert. Das auf eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden (= 173 Stunden im Monat) bezogene tarifliche Arbeitsentgelt (§ 3.1 ERTV, § 3 Nr. 1, § 5 Nr. 6.1 des Manteltarifvertrages vom 19. September 1997 – nachfolgend MTV –) war für die Zeit vom 1. März 1995 bis zum 31. August 1999 in dem Entgelttarifvertrag vom 12. Juni 1995 (nachfolgend: ETV 1995) geregelt. Dessen § 2 bestimmt für die Tarifgruppen “G (100 %)” und “H (105 %)” als “Arbeitsentgelt … monatlich brutto”:
|
1.3.95 |
1.12.95 |
1.4.96 |
1.11.96 |
1.4.97 |
1.11.97 |
1.4.98 |
1.7.98 |
Gruppe G (100 %) DM |
2.490,-- |
2.640,-- |
2.790,-- |
2.990,-- |
3.140,-- |
3.340,-- |
3.440,-- |
x |
Gruppe H (105 %) DM |
2.615,-- |
2.772,-- |
2.930,-- |
3.140,-- |
3.297,-- |
3.507,-- |
3.612,-- |
x |
x) Die Gruppe G (100 %) wird zum 1.7.1998 auf das Tarifniveau im Tarifgebiet Hessen erhöht; die übrigen Gruppen werden entsprechend in Relation angepaßt.
…
Nach dem den ETV 1995 ablösenden Entgelttarifvertrag vom 10. September 1999 (ETV 1999) beträgt das Monatsentgelt in der Gruppe H (105 %) ab 1. September 1999 3.780,00 DM brutto.
Bis zum 30. Juni 1998 erhielt der Kläger jeweils die tariflichen Monatsentgelte der Gruppe H. Ab 1. Juli 1998 betrug der tarifliche Ecklohn für die Arbeitnehmer in der Brotindustrie nach dem von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Lohn- und Gehaltstarifvertrag Hessen für dieses Bundesland vom selben Tage 21,18 DM (§ 3 Lohngr. 4). Die Beklagte zahlte dem Kläger als tarifliches Arbeitsentgelt seit diesem Zeitpunkt den Betrag, der sich aus der Multiplikation von 105 % des vorgenannten Stundenlohns (Ecklohns) mit der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit in Hessen (38-Stunden-Woche = 165 Stunden im Monat) ergibt, nämlich – auf volle DM aufgerundet – 3.670,00 DM.
Mit seiner am 29. Dezember 1998 erhobenen Klage fordert der Kläger eine Vergütungsdifferenz für die Monate Juli bis September 1998 in Höhe von 540,43 DM brutto. Er hat die Ansicht vertreten, die tarifliche Verweisung in § 2 ETV 1995 “auf das Tarifniveau im Tarifgebiet Hessen” meine die Bezugsgröße “hessischer Tarifstundenlohn”. Sein tarifliches Monatsentgelt nach dem ETV 1995 belaufe sich demgemäß auf 3.847,00 DM (105 % des tariflichen Ecklohns in Hessen multipliziert mit 173 Stunden, abgerundet auf volle DM).
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 540,43 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 29. Dezember 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das “Tarifniveau” im Sinne von § 2 ETV 1995 sei der Monatsecklohn eines Arbeiters in der Brotindustrie in Hessen.
Das Arbeitsgericht hat unter Einbeziehung der in der Sache – 4 AZR 180/00 – (– 1 Ca 2868/98 –) eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien des ETV 1995 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, Kiefer, Görgens
Fundstellen