Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung auf das Tarifniveau in anderem Tarifgebiet. Tarifliche Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag. Blankettverweisung. Auslegung eines Tarifvertrages. “Tarifniveau” eines anderen Tarifgebiets. Berücksichtigung der späteren Tarifentwicklung. Tarifauslegung. Tarifrecht
Normenkette
TVG § 1 Auslegung; Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie, Großbäckereien ua. in den fünf neuen Bundesländern einschließlich ehemals Berlin-Ost vom 12. Juni 1995 (ETV 1995) § 2; diesem nachfolgender Entgelttarifvertrag vom 10. September 1999 (ETV 1999) § 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Höhe der tariflichen Vergütung der Klägerin.
Die Klägerin ist als Verpackerin bei der Beklagten, einer Großbäckerei, beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Brot- und Backwarenindustrie, den Betrieben der Großbäckereien und den Betrieben, die Brot und Backwaren vertreiben, sowie in den Verkaufsfilialen der genannten Betriebe in den neuen Bundesländern, insbesondere die nachgenannten Tarifverträge dieses Tarifgebiets (nachfolgend: Brotindustrie).
Die Klägerin ist in die Tarifgruppe F (95 %) nach § 4 des Entgeltrahmentarifvertrages vom 26. Februar 1991 (nachfolgend: ERTV) eingruppiert. Das auf eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden (= 173 Stunden im Monat) bezogene tarifliche Arbeitsentgelt (§ 3.1 ERTV, § 3 Nr. 1, § 5 Nr. 6.1 des Manteltarifvertrages vom 19. September 1997 – nachfolgend MTV –) war für die Zeit vom 1. März 1995 bis zum 31. August 1999 in dem Entgelttarifvertrag vom 12. Juni 1995 (nachfolgend: ETV 1995) geregelt. Dessen § 2 bestimmt für die Tarifgruppen “G (100 %)” und “F (95 %)” als “Arbeitsentgelt … monatlich brutto”:
|
1.3.95 |
1.12.95 |
1.4.96 |
1.11.96 |
1.4.97 |
1.11.97 |
1.4.98 |
1.7.98 |
Gruppe G (100 %) DM |
2.490,-- |
2.640,-- |
2.790,-- |
2.990,-- |
3.140,-- |
3.340,-- |
3.440,-- |
x |
Gruppe F (95 %) DM |
2.366,-- |
2.508,-- |
2.651,-- |
2.841,-- |
2.983,-- |
3.173,-- |
3.268,-- |
x |
x) Die Gruppe G (100 %) wird zum 1.7.1998 auf das Tarifniveau im Tarifgebiet Hessen erhöht; die übrigen Gruppen werden entsprechend in Relation angepaßt.
…
Nach dem den ETV 1995 ablösenden Entgelttarifvertrag vom 10. September 1999 (ETV 1999) beträgt das Monatsentgelt in der Gruppe F (95 %) ab 1. September 1999 3.420,00 DM brutto.
Bis zum 30. Juni 1998 erhielt die Klägerin jeweils die tariflichen Monatsentgelte der Gruppe F. Ab 1. Juli 1998 betrug der tarifliche Ecklohn für die Arbeitnehmer in der Brotindustrie nach dem von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Lohn- und Gehaltstarifvertrag Hessen für dieses Bundesland vom selben Tage 21,18 DM (§ 3 Lohngr. 4). Die Beklagte zahlte der Klägerin als tarifliches Arbeitsentgelt seit diesem Zeitpunkt den Betrag, der sich aus der Multiplikation von 95 % des vorgenannten Stundenlohns (Ecklohns) mit der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit in Hessen (38-Stunden-Woche = 165 Stunden im Monat) ergibt, nämlich – auf volle DM aufgerundet – 3.320,00 DM.
Mit ihrer am 22. Dezember 1998 erhobenen Klage fordert die Klägerin eine Vergütungsdifferenz für die Monate Juli bis September 1998 in Höhe von 410,57 DM brutto. Sie hat die Ansicht vertreten, die tarifliche Verweisung in § 2 ETV 1995 “auf das Tarifniveau im Tarifgebiet Hessen” meine die Bezugsgröße “hessischer Tarifstundenlohn”. Ihr tarifliches Monatsentgelt nach dem ETV 1995 belaufe sich demgemäß auf 3.480,00 DM (95 % des tariflichen Ecklohns in Hessen multipliziert mit 173 Stunden, abgerundet auf volle DM).
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 410,57 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das “Tarifniveau” im Sinne von § 2 ETV 1995 sei der Monatsecklohn eines Arbeiters in der Brotindustrie in Hessen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Bott, Kiefer, Görgens
Fundstellen
Haufe-Index 901903 |
ZTR 2002, 27 |