Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung eines ABM-Arbeitnehmers
Normenkette
BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen; AFG §§ 93, 97
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 04.07.1991; Aktenzeichen 2 Ca 477/91) |
LAG Hamm (Teilurteil vom 02.04.1192; Aktenzeichen 4 (18) Sa 1223/91) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. April 1992 – 4 (18) Sa 1223/91 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 4. Juli 1991 – 2 Ca 477/91 – teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger bei der Kommunalen Zusatzversorgung Westfalen-Lippe (ZKW) für die Zeit vom 1. März 1987 bis 31. Dezember 1988 nachzuversichern oder, wenn dies nicht möglich ist, ihn so zu stellen, als ob er für diesen Zeitraum bei der ZKW versichert worden wäre.
3. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Arbeitgeber den Kläger für die Zeit vom 1. März 1987 bis 31. Dezember 1988 bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW) versichern muß oder, wenn dies nicht möglich ist, ihn so stellen muß, als ob er versichert worden wäre.
Der am 7. Mai 1950 geborene Kläger ist bei dem Beklagten seit 1. März 1987 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, der als Mitglied des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) in der Sozialarbeit tätig ist.
Das Arbeitsverhältnis wurde im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Arbeitsamtes Bielefeld begründet und war zunächst bis zum 28. Februar 1989 befristet. Durch Vereinbarung der Parteien wurde der Arbeitsvertrag bis 31. Dezember 1989 verlängert.
Am 1. Oktober 1989 schlossen die Parteien einen weiteren schriftlichen Arbeitsvertrag. Hierin heißt es u.a.:
„1. Herr G wird mit Wirkung vom 1.3.87 als Buchhalter für die Gesellschaft eingestellt. …
…
8. Herr G wird durch die Geschäftsstelle bei der kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW) als Versicherter angemeldet. Diese zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung regelt sich nach dem Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) und der Satzung der ZKW in den jeweils gültigen Fassungen.”
Daraufhin meldete der Beklagte den Kläger rückwirkend ab 1. Januar 1989 bei der ZKW zur Zusatzversorgung an und entrichtete für ihn die vorgeschriebenen Beiträge.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, ihn ab 1. März 1987 bei der ZKW anzumelden. Er sei rückwirkend fest angestellt worden. Die Versicherungspflicht ergebe sich außerdem aus § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G). Die rückwirkende Anmeldung zur ZKW sei bei dem Beklagten auch üblich gewesen. Der Anspruch auf Nachversicherung ergebe sich daher auch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung.
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihn bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW) unter der Mitgliedsnummer 7650 und Versicherungs-Nr. 252112.2 für den Zeitraum vom 1. März 1987 bis 31. Dezember 1988 entsprechend seinem Bruttoeinkommen nachzuversichern,
hilfsweise festzustellen,
daß der Beklagte verpflichtet ist, ihn so zu stellen, als ob eine rückwirkende Versicherung bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe für den Zeitraum 1. März 1987 bis 31. Dezember 1988 entsprechend seinem Bruttoeinkommen möglich wäre.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, in dem Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1989 sei dem Kläger keine Nachversicherung ab 1. März 1987 versprochen worden. Nr. 1 des Vertrages stelle lediglich die Betriebszugehörigkeit ab 1. März 1987 fest und habe für die Anmeldung bei der ZKW keine Bedeutung. Für die Zeit der Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme könne der Kläger nicht versichert werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger kann vom Beklagten verlangen, im Versorgungsfall so gestellt zu werden, als wäre er in der Zeit vom 1. März 1987 bis 31. Dezember 1988 bei der ZKW versichert worden. Der Beklagte ist verpflichtet, entweder den Kläger nachzuversichern, oder wenn dies nicht möglich ist, ihm im Versorgungsfall eine entsprechende Zusatzrente zu zahlen.
1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat einen einheitlichen Antrag gestellt. Die Kennzeichnung der Anträge als Haupt- und Hilfsantrag ist mißverständlich. Der Kläger möchte erreichen, daß er die Versicherungsleistungen erhält, die er erhalten hätte, wenn er in der Zeit vom 1. März 1987 bis 31. Dezember 1988 bei der ZKW versichert worden wäre. Wie dieses Ziel erreicht wird, ob durch Nachversicherung bei der ZKW oder durch ergänzende Zahlungen des Beklagten, ist für den Kläger nicht entscheidend.
Ein solcher einheitlicher Alternativantrag ist zulässig. Der Kläger braucht nicht das Prozeßrisiko dafür zu übernehmen, ob seine Versorgung über eine Nachversicherung bei der ZKW möglich ist (vgl. Urteil des Senats vom 29. November 1979, BAGE 32, 200, 202 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL, zu I der Gründe).
2. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat für die fragliche Zeit einen vertraglichen Anspruch auf Versicherung bei der ZKW. Dies folgt aus Nr. 8 Satz 1 in Verbindung mit Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 1. Oktober 1989.
a) Die Verpflichtung des Beklagten, den Kläger bei der Zusatzversorgungskasse anzumelden, für ihn Beiträge oder Umlagen zu zahlen, ihm also eine zusätzliche Altersversorgung zu verschaffen, folgt dem Grunde nach aus Nr. 8 Satz 1 des Vertrages. Die Verpflichtung als solche ist nicht im Streit. Tatsächlich hat der Beklagte den Kläger bei der ZKW auch angemeldet.
b) Über den Zeitpunkt, von dem ab der Kläger angemeldet werden soll, sagt Nr. 8 des Arbeitsvertrages ausdrücklich nichts. Aus der Verwendung der Gegenwartsform „wird … angemeldet” läßt sich kein Aufschluß gewinnen, für welchen Zeitraum der Kläger angemeldet werden soll, ob rückwirkend oder nur für die Zukunft. Der Arbeitgeber war in jedem Falle verpflichtet, den Kläger anzumelden. Die Verpflichtung des Beklagten, den Kläger für zurückliegende Zeiträume anzumelden, wird durch diese Zeitform nicht ausgeschlossen. Tatsächlich hat der Beklagte den Kläger auch rückwirkend angemeldet, allerdings nur ab 1. Januar 1989.
Der Vertrag muß als Ganzes gesehen werden. Aufschluß darüber, ab welchem Zeitpunkt der Kläger angemeldet werden sollte, gibt Nr. 1 des Arbeitsvertrages. Die Vereinbarung im Vertrag vom 1. Oktober 1989 über die Einstellung des Klägers „mit Wirkung vom 1.3.87” beschreibt nicht nur den tatsächlichen Zustand. Diese Regelung verändert auch die Rechtslage. Wäre nur die Beschreibung des tatsächlichen Zustandes gemeint, hätten die Parteien auf die voraufgegangenen Befristungen verwiesen und im Anschluß an die Befristungen, also mit Wirkung vom 1. Oktober 1989 an, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart. Dann wäre auch klargestellt worden, daß der Kläger erst von diesem Zeitpunkt an die Rechte geltend machen kann, die sich nur aus einem unbefristet vereinbarten Arbeitsverhältnis ergeben können. Gerade so sind die Parteien hier aber nicht verfahren. Sie haben mit der Vereinbarung, der Kläger werde mit Wirkung vom 1. März 1987 eingestellt, dem Kläger ersichtlich die Rechtsstellung einräumen wollen, die er als Arbeitnehmer hat, der am 1. März 1987 unbefristet eingestellt wurde. Insoweit hat die Vereinbarung rechtsändernden Charakter.
Auch der Zweck der Vereinbarung kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck. Der Kläger sollte nach Beendigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernommen werden. Damit ist das Ziel der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Fall des Klägers erreicht worden. Der Beklagte hat sich von der Eignung des Klägers überzeugt. Dann liegt es auch nahe, dem Kläger von Anfang an die Rechtsstellung zuzubilligen, die er bei einer Einstellung ohne Erprobung in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gehabt hätte. Der Kläger durfte die Vereinbarung in Nr. 1 des Arbeitsvertrages als Anerkennung seiner Eignung verstehen und die rückwirkende Einstellung als Zusage, alle Rechte aus einem von Anfang an unbefristeten regulären Arbeitsverhältnis zu erhalten.
Überdies könnte sich der Kläger auch auf die „Unklarheitenregel” berufen. Sollte sich der Inhalt eines Vertrages nicht eindeutig ermitteln lassen, muß sich der Arbeitgeber, der in der Regel die Verträge entwirft, an einer für ihn ungünstigen Auslegung festhalten lassen, wenn er bei seinem Arbeitnehmer das Vertrauen in eine bestimmte Regelung erweckt hat (vgl. BAG Urteil vom 25. Mai 1973 – 3 AZR 405/72 – AP Nr. 160 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Die Unklarheitenregel gilt auch für Formulararbeitsverträge (BAG Urteil vom 16. Oktober 1991 – 5 AZR 35/91 – AP Nr. 1 zu § 19 BErzGG, zu II 2 b der Gründe; MünchKomm-Kötz, BGB, Bd. 1, 2. Aufl., § 23 AGBG Rz 2; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 7. Aufl., § 23 Rz 4 a).
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Weinmann, Hayser
Fundstellen