Entscheidungsstichwort (Thema)

Sprungrevision. Zustimmung zur Einlegung. Prozeßrecht

 

Orientierungssatz

  • Die Erklärung des “Einverständnisses mit der Zulassung der Sprungrevision” genügt grundsätzlich nicht als Zustimmung zur Einlegung dieses Rechtsmittels gemäß § 76 Abs. 1 ArbGG.
  • Die Zustimmung zur Einlegung muß spätestens bei Ablauf der Revisionsfrist vorliegen. Das spätere prozessuale Verhalten des Sprungrevisionsbeklagten kann deshalb für die Auslegung seiner Erklärung nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung sein.
 

Normenkette

ArbGG §§ 76, 74 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 30.11.2001; Aktenzeichen 36 Ca 7274/01)

 

Tenor

  • Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30. November 2001 – 36 Ca 7274/01 – wird als unzulässig verworfen.
  • Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf eine Zulage für die Pflege gelähmter Patienten zusätzlich zu der ihm gewährten sogenannten Intensivzulage und in diesem Zusammenhang über die Auslegung der Protokollerklärung Nr. 1 zur Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst (Anlage 1b zum BAT).

Der Kläger ist als Krankenpfleger beim Beklagten tätig und im Klinikum G… auf der Station, einer anästhesiologischen Intensivstation, eingesetzt. Er führt dort die Grund- und Behandlungspflege an Patienten durch, die regelmäßig ins künstliche Koma versetzt wurden und somit bewußtlos sind.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 13. März 2001 die Zahlung weiterer 90,00 DM brutto pro Monat. Der Beklagte lehnte das klägerische Begehren unter dem 22. März 2001 ab.

  • Der Kläger hat beantragt:
  • Der Beklagte wird verurteilt, 1.170,00 DM brutto nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB an den Kläger zu bezahlen.
  • Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger monatlich ab Oktober 2001 für die Dauer seiner Beschäftigung auf der anästhesiologischen Intensivstation des Klinikums G… sowohl die Zulage gemäß der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 Buchst. d als auch nach Abs. 1a der Anlage 1b zum BAT zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Sprungrevision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.

Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2001 hat der Kläger sein Einverständnis mit der Zulassung der Sprungrevision erklärt. Das Arbeitsgericht hat sodann der Klage stattgegeben und die Sprungrevision für den Beklagten zugelassen. Mit dieser begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

  • Die Sprungrevision des Beklagten ist unzulässig.

    • Zwar wurde die Sprungrevision vom Arbeitsgericht zu einer in § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArbGG genannten Rechtsstreitigkeit auf Antrag des Beklagten im Urteil zugelassen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Auch wurde die Sprungrevision fristgerecht eingelegt und begründet (§ 74 Abs. 1 ArbGG aF iVm. § 26 Nr. 7 EGZPO). Der Beklagte hat jedoch innerhalb der Revisionsfrist nicht etwa das Original der Zustimmung des Klägers zur Sprungrevision (§ 76 Abs. 1 Satz 3 ArbGG), sondern lediglich dessen “Einverständnis mit der Zulassung der Sprungrevision” vom 25. Oktober 2001 nachgereicht. Diese Erklärung genügt nicht (vgl. BAG 28. Oktober 1986 – 3 AZR 218/86 – AP ArbGG 1979 § 76 Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 76 Nr. 5).

      Die Erklärung des Klägers kann auch nicht als Zustimmung zur Sprungrevision ausgelegt werden. Der Kläger bzw. seine Prozeßbevollmächtigten haben durchaus zwischen einer “Zustimmung zur Sprungrevision” und einer solchen “zur Zulassung der Sprungrevision” unterschieden. Während seine Prozeßbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2001 zu Protokoll erklärt hat, “daß sie heute eine Zustimmung zur Sprungrevision nicht erklären werde”, wurde im Schriftsatz vom 25. Oktober 2001 gerade nicht die “Zustimmung zur Sprungrevision”, sondern das “Einverständnis mit der Zulassung der Sprungrevision” erklärt. Auch das Arbeitsgericht hat die Erklärung vom 25. Oktober 2001 ersichtlich nicht als Zustimmung zur Sprungrevision aufgefaßt, denn es hat unter III. der Entscheidungsgründe trotz des bereits vorliegenden Schriftsatzes vom 25. Oktober 2001 nochmals auf das Erfordernis der Zustimmung des Klägers hingewiesen.

    • Mit dem Umstand, daß der Kläger zunächst keine Verwerfung der Sprungrevision, sondern deren Zurückweisung (als unbegründet) beantragt hat, läßt sich keine abweichende Auslegung der Erklärung vom 25. Oktober 2001 begründen. Die Voraussetzung der Zustimmung muß spätestens bei Ablauf der Revisionsfrist vorliegen (vgl. GK-ArbGG/Ascheid Stand November 2002 § 76 Rn. 3; Germelmann/Matthes/Prütting/-Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 76 Rn. 17; Hauck ArbGG § 76 Rn. 9). Der Schriftsatz des Klägers vom 26. April 2002 liegt demgegenüber außerhalb der Revisionsfrist.
  • Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Lindemann, Kay Ohl

 

Fundstellen

Haufe-Index 892018

DB 2003, 564

NZA 2003, 344

AP, 0

EzA-SD 2003, 13

EzA

NJOZ 2003, 2088

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