Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für “Minderbehinderte” im Saarland. Saarländisches Landesrecht. Verfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Saarländischen Gesetz Nr. 1436 erhalten Arbeitnehmer der Privatwirtschaft, soweit sie die gesetzlichen Voraussetzungen bereits zum Jahreswechsel 1999/2000 erfüllt haben, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 bis ausschließlich 50 vH im Rahmen der Besitzstandswahrung weiterhin drei Arbeitstage Zusatzurlaub. Das Fehlen entsprechender Regelungen für den öffentlichen Dienst läßt nicht den landesrechtlichen Anspruch auf Zusatzurlaub für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft entfallen.
Orientierungssatz
- Im Saarland waren Arbeitgeber der Privatwirtschaft nach dem Saarländischen Gesetz Nr. 186 vom 22. Juni 1950 (geändert durch Gesetz vom 30. Juni 1951) verpflichtet, behinderten Arbeitnehmern drei Arbeitstage Zusatzurlaub zu gewähren, soweit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 bis ausschließlich 50 vH vorlag. Beruhte die Beschädigung nicht auf Kriegs- oder Unfallfolgen, war dazu die Gleichstellung auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens erforderlich. Dieses Gesetz wurde im Jahre 1999 aufgehoben. Arbeitnehmer, die bereits zum Jahreswechsel 1999/2000 Anspruchsberechtigte waren, sind nach dem Saarländischen Gesetz Nr. 1436 in ihrem Besitzstand geschützt.
- Für den öffentlichen Dienst besteht seit dem Jahre 1960 keine entsprechende gesetzliche Regelung mehr. Mit einer Änderung der Beamtenurlaubsverordnung, die zum 1. Januar 1997 in Kraft trat, wurde der entsprechende Zusatzurlaub für Beamte und Richter ersatzlos aufgehoben. Betroffen davon waren auch die behinderten Angestellten des öffentlichen Dienstes, die wegen der Verweisung in § 49 Abs. 1 BAT auf beamtenrechtliche Vorschriften zuvor ebenfalls anspruchsberechtigt waren.
- Die zwischen Ungleichbehandlung der Arbeitgeber der Privatwirtschaft gegenüber dem öffentlichen Dienst ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Der Saarländische Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß im öffentlichen Dienst – im Gegensatz zur Privatwirtschaft – auf der Grundlage tariflicher Vorschriften umfassend ein Erholungsurlaub von sechs Wochen gesichert ist, der den Zusatzurlaub für “Minderbehinderte” überflüssig macht. Das ist nicht willkürlich.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BUrlG § 3 Abs. 1; Saarländisches Gesetz Nr. 186 betreffend die Regelung des Zusatzurlaubs für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, Nr. 186 betreffend die Regelung des Zusatzurlaubs für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950, Nr. 1436 zur Änderung des Gesetzes betreffend die Regelung des Zusatzurlaubs für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft, Nr. 1436 zur Änderung des Gesetzes betreffend die Regelung des Zusatzurlaubs für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft vom 23. Juni 1999; BAT § 49 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 7. März 2001 – 1 Sa 131/99 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 30. September 1999 – 3 Ca 779/99 – weiter abgeändert und insgesamt wie folgt gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab dem Jahr 1997 jährlich 2,5 Arbeitstage als Zusatzurlaub zu dem bereits bestehenden jährlichen Urlaubsanspruch zu gewähren. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen werden die Berufung und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten und zweiten Instanz hat die Klägerin 1/6 und die Beklagte 5/6 zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ab dem Jahre 1997 Urlaub nach den saarländischen Bestimmungen über den Zusatzurlaub in der Privatwirtschaft für “Beschädigte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 bis ausschließlich 50 v.H.” zusteht.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit August 1978 tätig. Mit Bescheid vom 15. Juli 1997 ist sie durch das Landesamt für Jugend, Soziales und Versorgung – Hauptfürsorgestelle – auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens den Kriegs- und Unfallbeschädigten mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH gleichgestellt worden. In Kenntnis der Gleichstellung lehnte die Beklagte es 1997 ab, der Klägerin den gewünschten Zusatzurlaub zu gewähren.
Mit der noch im Jahr 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt
- festzustellen, daß ihr auf Grund des Bescheides des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung vom 15. April 1997 ein jährlicher Zusatzurlaub in Höhe von drei Arbeitstagen erstmals für das Jahr 1997 zusteht;
- auf Grund der unter Ziff. 1 genannten Feststellung die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem Jahre 1997 jährlich drei weitere zusätzliche Urlaubstage zu dem bereits bestehenden jährlichen Urlaubsanspruch zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, der saarländische Gesetzgeber benachteilige die Arbeitgeber der Privatwirtschaft gegenüber der öffentlichen Hand. Das sei verfassungswidrig.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen und das arbeitsgerichtliche Urteil insoweit abgeändert, als der Klägerin mehr als 2,5 zusätzliche Urlaubstage jährlich zugesprochen worden sind. Es hat die Urlaubsdauer vermindert, weil die Klägerin nicht in einer Sechs-Tage-Woche, sondern in einer Fünf-Tage-Woche arbeitet. Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage an.
Entscheidungsgründe
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Schwarz, Heilmann
Vermerk: Richterin am BAG Reinecke ist infolge Krankheit dienstunfähig. Sie ist an der Unterschrift verhindert.
Düwell
Fundstellen
BAGE 2004, 294 |
BB 2003, 160 |
DB 2003, 888 |
ARST 2003, 116 |
ARST 2003, 47 |
EWiR 2003, 577 |
FA 2002, 362 |
NZA 2003, 1400 |
ZTR 2003, 150 |
AP, 0 |
AuA 2002, 467 |
EzA |
ZfPR 2003, 9 |
AUR 2003, 38 |