Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf der Anrechnung von Kindererziehungszeiten beruhende gesetzliche Altersrente und Gesamtversorgungssystem
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems kann die gesetzliche Altersrente auch insoweit angerechnet werden, wie sie auf der Anerkennung von Kindererziehungszeiten beruht.
Normenkette
BetrAVG § 5; GG Art. 3, 6; Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 11. Juli 1985 (HEZG); AVG §§ 2a, 28a; SGB VI § 3 Nr. 1, §§ 56, 249
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 24.08.1994; Aktenzeichen 11 Sa 918/94) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 15.04.1994; Aktenzeichen 8 Ca 8908/93) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. August 1994 – 11 Sa 918/94 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Altersunterstützung.
Der am 5. Dezember 1921 geborene Kläger war vom 2. Juli 1956 bis zum 30. Juni 1985 bei der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands angestellt. Seit dem 1. Juli 1985 bezieht er gesetzliche Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie eine Altersunterstützung nach Maßgabe der Unterstützungsrichtlinien der beklagten Gruppenunterstützungskasse, deren Mitglied die frühere Arbeitgeberin des Klägers ist.
Die Altersunterstützung, die sich zunächst auf 4.183,27 DM brutto belaufen hatte, wurde von der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 1987 um 21,90 DM gekürzt. Um diesen Betrag hatte sich zum gleichen Zeitpunkt der gesetzliche Rentenanspruch erhöht aufgrund der Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Bei ihrer Anrechnung stützte sich die Beklagte auf § 8 Abs. 1 Nr. 3 ihrer Unterstützungsrichtlinien 1980 in der Fassung vom 1. Januar 1986.
Dort heißt es:
Ҥ 8
Neuberechnung der Unterstützung
”
Weiter heißt es in den Unterstützungsrichtlinien 1980/1986 im hier wesentlichen:
Ҥ 6
Berechnung der Unterstützung
- Die Unterstützung beträgt für jedes volle Jahr der Anmeldungszeit 2 v.H. des Bemessungsentgeltes.
- Die Zurechnungszeit bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit wird mit 1,5 v.H. des Bemessungsentgeltes für jedes volle Jahr angerechnet.
- Die Unterstützung darf 60 v.H. des Bemessungsentgeltes nicht übersteigen.
- Die Unterstützung darf zusammen mit den anrechenbaren Leistungen als Gesamtversorgung 75 v.H. des Bemessungsentgeltes nicht übersteigen.
§ 7
Anrechnung von Leistungen
Der Kläger, der mit der gesetzlichen Rente und der Altersunterstützung der Beklagten eine Gesamtversorgung in Höhe von 75 % des Bemessungsentgeltes erreicht, hat geltend gemacht, die Neuberechnung der Altersunterstützung sei unzulässig. Er habe deshalb in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1987 und dem 31. Dezember 1993 eine um insgesamt 1.908,24 DM zu niedrige Altersunterstützung erhalten. Auch für die Zukunft müsse die Beklagte die entsprechende Anrechnung unterlassen. Im übrigen sei § 7 Abs. 1 der Unterstützungsrichtlinien 1980/86 zu unbestimmt und deshalb unwirksam. Außerdem handele es sich bei den in Frage stehenden Rentenanteilen nicht um Erwerbsersatzeinkommen, das nach dem Willen der Richtlinie anzurechnen sei, sondern um eine Transferleistung des Staates als Ausgleich für die Leistungen, die der Kindererziehende für das Funktionieren des Systems der gesetzlichen Altersversorgung erbracht habe. Es sei verfassungswidrig, dem Kläger diesen Ausgleich über eine Anrechnung auf die Altersunterstützung wieder zu entziehen. Eine Anrechnung sei auch nach § 5 Abs. 2 BetrAVG ausgeschlossen. Es handele sich hier um einen Rentenanteil, der nach seiner Funktion so zu behandeln sei, als habe der Kläger allein für die betreffenden Zeiten die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erbracht.
Die Beklagte verstoße bei ihrer Anrechnungsentscheidung auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, indem sie – dies ist unstreitig – eine Anrechnung des auf Kindererziehungszeiten entfallenden Rentenanteils auf die Altersunterstützung nur dann vornehme, wenn der betreffende Rentner eine Vollversorgung erreicht habe, während im übrigen eine Anrechnung unterbleibe.
Der Kläger hat beantragt,
- den beklagten Verein zu verurteilen, an den Kläger 1.908,24 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Dezember 1993 zu zahlen;
- festzustellen, daß der beklagte Verein die anteilige (dynamisierte) gesetzliche Rente für Kindererziehungszeiten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht mit der von ihm gezahlten Altersunterstützung verrechnen darf.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. § 5 Abs. 2 BetrAVG stehe der Anrechnung der auf Kindererziehungszeiten entfallenden gesetzlichen Altersrente nicht entgegen. Die Rentenanteile aus Kindererziehungszeiten beruhten nicht auf eigenen Beiträgen des Versicherten. Sie seien vielmehr so zu behandeln, als beruhten sie auf Pflichtbeiträgen. Es entspreche der Billigkeit, daß eine Anrechnung dann nicht vorgenommen werde, wenn das versorgungsfähige Arbeitsentgelt wegen Teilzeitarbeit gemindert gewesen sei oder eine Vollversorgung nicht erreicht werde. Auch verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegenüber der Anrechnung nicht.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Sachantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte war berechtigt, die auf die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten zurückgehende Erhöhung der gesetzlichen Rente zum Gegenstand einer Neuberechnung und Minderung der Altersunterstützung nach ihren Unterstützungsrichtlinien zu machen.
A. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag zu 2. (§ 256 Abs. 2 ZPO). Bei dem von der Beklagten geltend gemachten Verrechnungsrecht handelt es sich um eine für die Entscheidung über den Klageantrag zu 1. vorgreifliche Rechtsbeziehung. Besteht dieses Verbot, steht die Begründetheit des Klageantrages zu 1. dem Grunde nach fest.
B. Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte war und ist berechtigt, die auf Kindererziehungszeiten entfallende anteilige gesetzliche Rente bei der Berechnung des Altersunterstützungsanspruchs des Klägers mindernd zu berücksichtigen.
I. Die Beklagte war nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Unterstützungsrichtlinien der Beklagten in der am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Fassung (URL 1986) befugt, die Altersunterstützung zum 1. Januar 1987 neu zu berechnen. Der Erhöhung der gesetzlichen Altersrente des Klägers zum 1. Januar 1987 lag keine Anpassung der gesetzlichen Rente an die Kaufkraftentwicklung zugrunde, die nach § 8 Abs. 3 URL 1986 nicht zu einer Neuberechung der Altersunterstützung führen darf. Rechtsgrund der Erhöhung der gesetzlichen Rente war vielmehr eine gesetzliche Neuregelung. Durch das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (HEZG) vom 11. Juli 1985 wurde die rentenbegründende und rentensteigernde Anrechnung von Kindererziehungsjahren eingeführt, die auch dem Kläger zugute kam.
II. Bei der im Zusammenhang mit der Einführung der Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten im Jahre 1985 neu berechneten gesetzlichen Altersrente des Klägers handelt es sich um eine anrechenbare Leistung, nämlich um eine “Geldleistung aus der Sozialversicherung ohne Leistungen für Kinder und ohne Beitragszuschüsse” (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 URL 1986).
1. Der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Nr. 1 URL 1986 ist eindeutig. Alles das, was seitens der gesetzlichen Sozialversicherung an Geldleistungen dem Leistungsempfänger zugewendet wird, soll bei der Berechnung der Gesamtversorgung angerechnet werden. Lediglich Leistungen für Kinder, die also im Ergebnis nicht dem Leistungsempfänger, sondern einem Kind des Leistungsempfängers zugute kommen sollen, und Beitragszuschüsse sind ausgenommen.
2. Diese Regelung ist hinreichend bestimmt.
a) Nach dem Urteil des Senats vom 5. September 1989 (– 3 AZR 654/87 – AP Nr. 32 zu § 5 BetrAVG), auf das sich der Kläger beruft, müssen Bestimmungen, die eine Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen vorsehen, die Anrechnungstatbestände für den Vertragspartner erkennbar und eindeutig beschreiben. Aus dieser Entscheidung kann der Kläger für sich nichts herleiten. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 URL 1986 ist hinreichend bestimmt. Es kann allenfalls fraglich sein, ob unter diese Anrechnungsbestimmung auch Sozialleistungen fallen, die nach § 5 BetrAVG auch im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems nicht anrechnungsfähig sind. Dies ist aber keine Frage der Bestimmtheit der Regelung, sondern von deren gesetzeskonformer Auslegung.
b) Die Anrechnungsregelung ist auch nicht deshalb unbestimmt, weil sie dem Kassenvorstand die Befugnis einräumt, über den Umfang der Anrechnung nähere Bestimmungen zu treffen. Die vom Kläger in Bezug genommene Regelung in den Unterstützungsrichtlinien betrifft nicht die Anrechnung von Geldleistungen aus der Sozialversicherung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 URL 1986, sondern Knappschaftsrenten und sonstige Versorgungsbezüge nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 URL 1986. Ob diese Regelung hinreichend bestimmt ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
3. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinien ist die zum 1. Januar 1987 neu berechnete gesetzliche Rente des Klägers in vollem Umfang, also einschließlich des auf die Kindererziehungszeiten entfallenden Rentenanteils, anzurechnen.
a) Es handelt sich insgesamt um eine “Geldleistung aus der Sozialversicherung”. Die gesamte Altersrente wird vom Träger der Sozialversicherung auf der Grundlage sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften gezahlt. Die rentensteigernde Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten beruhte ursprünglich auf den durch das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (HEZG) in das AVG eingefügten § 2a und § 28a. Die heute geltenden Rechtsgrundlagen sind § 3 Nr. 1, § 56 und § 249 SGB VI (vgl. hierzu BVerfGE 87, 1, 8; Hauck/Klattenhoff, SGB VI, Stand: 1. September 1995, K § 56 Rz 7; GK-SGB VI-Wolff, Stand: Januar 1992, § 56 Rz 13).
b) Die Leistung aus der Sozialversicherung erfolgt auch nicht “für Kinder”, soweit die Rente auf Kindererziehungszeiten beruht. Zu den Leistungen für Kinder gehören solche Zahlungen, wie z.B. Kinderzuschüsse, die dem Zweck dienen, die Aufwendungen teilweise auszugleichen, die Anspruchsberechtigten durch die Betreuung und den Unterhalt von Kindern entstehen (BAG Urteil vom 21. August 1980 – 3 AZR 63/79 – AP Nr. 5 zu § 5 BetrAVG). Bei dem auf der Anrechnung von Kindererziehungszeiten beruhenden Anteil der gesetzlichen Altersrente handelt es sich demgegenüber um eine Leistung des Sozialversicherungsträgers an den Rentenempfänger um der Leistung willen, die der Rentenempfänger im Interesse der Allgemeinheit erbracht hat. Dies wird in der amtlichen Begründung zum Entwurf des HEZG deutlich (BT-Drucks. 10/2577, S. 28):
“Frauen und Männer, die Kinder erziehen, erbringen mit der Kindererziehung eine Leistung, die im Interesse der Allgemeinheit liegt. Diese Leistung findet in vielen Bereichen eine Anerkennung… Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch ist eine Anerkennung der mit der Kindererziehung verbundenen Leistung nicht enthalten; dies ist um so mehr ein Mangel, als in Familien mit kleinen Kindern vielfach ein Ehegatte – häufig die Frau während der Erziehung gar nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, eigene Rentenansprüche aufzubauen. Demgegenüber können in Familien ohne Kinder oder mit bereits erwachsenen Kindern beide Ehegatten ohne Einschränkungen erwerbstätig sein und einen vollen eigenen Rentenanspruch erwerben.
Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit. Die Tätigkeit in der Familie und bei der Kindererziehung erfährt hierdurch eine deutliche Aufwertung.”
c) Die volle Anrechnung der gesetzlichen Altersrente des Klägers steht auch in Übereinstimmung mit dem Zweck der Anrechnungsbestimmung im Rahmen der dem Kläger versprochenen Betriebsrente. In einem Gesamtversorgungssystem, wie es die Unterstützungsrichtlinien regeln, sollen sich solche anderweitigen Leistungen anspruchsmindernd auswirken, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der versprochenen Betriebsrente stehen. Dieser Zusammenhang besteht bei Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einem betrieblichen Ruhegeld, die jeweils an die Erwerbstätigkeit während des Arbeitslebens anknüpfen und einen am früheren Arbeitseinkommen orientierten Lebensunterhalt sicherstellen sollen. Nichts anderes gilt auch für die auf das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgehenden Rentenerhöhungen. Sie beruhen zwar nicht auf tatsächlicher Erwerbstätigkeit. Das Gesetz wollte jedoch erreichen, daß Kindererziehungszeiten, in denen ein Elternteil keine oder nur eine geringe Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung erdienen konnte, wie anwartschaftsbegründende Zeiten der Erwerbstätigkeit behandelt werden (vgl. BSGE 69, 101, 104; Voskuhl, Die soziale Sicherung der Frau in der Bundesrepublik – Grundzüge der 84er Reform – in Neue Bewährungsproben für die betriebliche Altersversorgung, 1985, S. 84, 92). Leistungsempfänger, die aufgrund der Kindererziehung gehindert waren, einer vollen anwartschaftsbegründen Erwerbstätigkeit nachzugehen, sollen nicht besser oder anders gestellt werden, als durchgängig voll erwerbstätige Arbeitnehmer, sondern im Grundsatz ebenso.
III. Eine Anrechnung des auf Kindererziehungszeiten beruhenden Teils der gesetzlichen Rente des Klägers steht nicht im Widerspruch zu § 5 Abs. 2 BetrAVG.
1. Dieser Rentenanteil beruht nicht auf eigenen Beiträgen des Klägers (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG). Hierbei kommt es nur darauf an, wer die Mittel für die anderen Versorgungsbezüge aufgebracht hat. Betriebstreue oder in einem früheren Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistungen, die dort zu einem ersten Betriebsrentenanspruch geführt haben, sind keine eigenen Beiträge i.S. des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG (BAGE 66, 282 = AP Nr. 36 zu § 5 BetrAVG). Entsprechendes gilt für Rentenanteile, die auf Kindererziehungszeiten zurückgehen. Die Leistungen, die ein Arbeitnehmer während Kindererziehungszeiten erbracht hat, sind keine eigenen Beiträge für die sich hieraus ergebende Rentensteigerung. Die Mittel für diese Versorgungsbezüge müssen von der Versichertengemeinschaft bzw. dem den Versorgungsaufwand refinanzierenden Staat aufgebracht werden.
2. Die Anrechnungsmöglichkeit ergibt sich darüber hinaus auch aus § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG. Der auf Kindererziehungszeiten zurückgehende Rentenanteil gilt als auf Pflichtbeiträgen beruhender Teil der gesetzlichen Rente. Diese sich heute unmittelbar aus § 56 Abs. 1 SGB VI ergebende Rechtslage gilt auch rückwirkend für die Zeit vor dem 1. Januar 1986 (§ 249 SGB VI; vgl. GK-SGB VI-Wolff, § 56 Rz 13; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II-Sozialgesetzbuch VI-, 3. Aufl., Stand: 7/94, § 56 Rz 7). Daß der frühere Arbeitgeber des Rentenempfängers für diesen Anteil keine eigenen Mittel aufwenden mußte, ist unerheblich. Entscheidend ist, wie sich im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG ergibt, daß auch der Arbeitnehmer hierfür keine eigenen Beiträge erbringen mußte. Wer die Rentenanteile finanziert hat, die nicht auf den eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, ist für die Anwendung von § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG ohne Belang. Es kommt nicht darauf an, ob dies der die Versorgung erbringende oder ein früherer oder späterer Arbeitgeber gewesen ist, oder ob Bundeszuschüsse für die Rentenleistungen notwendig waren (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 5 Rz 85, m.w.N.).
IV. Die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung verstößt weder gegen Art. 119 EG-Vertrag, noch gegen Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG, noch gegen Art. 6 GG. Die von der Neuregelung durch das Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung begünstigten Arbeitnehmer werden durch eine solche Anrechnung nicht ohne sachlichen Grund schlechter behandelt als Arbeitnehmer ohne Kinder in vergleichbarer Lage. Dies gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch im Zusammenhang mit der vom Senat für rechtswirksam gehaltenen Regelung des § 2 Abs. 4 URL 1986, die dazu führt, daß sich Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses, also auch Zeiten eines Erziehungsurlaubs, nicht betriebsrentensteigernd auswirken (Senatsurteil vom 15. Februar 1994 – 3 AZR 708/93 – AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
1. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers zu bestimmen, welche Versorgung er verspricht. Er kann auch eine nach Betriebstreue sich steigernde Geldleistung in Aussicht stellen, die durch einen bestimmten Gesamtversorgungsumfang begrenzt ist. Ein Arbeitgeber verspricht damit letztlich für den Fall, daß die nach dem Arbeitsvertrag vorgesehene volle Gegenleistung erbracht wird, die Erhaltung eines nach dem letzten Verdienst berechneten Lebensstandards, der aus den verschiedenen typischen Versorgungsleistungen gespeist wird. In einem solchen Versorgungsversprechen ist es angelegt, ohne daß demgegenüber der Einwand sachwidriger Ungleichbehandlung erhoben werden könnte, daß von einem bestimmten Umfang der Betriebstreue und der Erwerbstätigkeit an die Leistung des Arbeitgebers geringer wird, weil die gesetzliche Rentenanwartschaft während des bestehenden Arbeitsverhältnisses trotz Erreichung der Gesamtversorgungsobergrenze weiter ansteigt.
2. Um hier sachwidrige Auszehrungen der erdienten Betriebsrentenanwartschaft im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems zu verhindern, beschränkt § 5 Abs. 2 BetrAVG die Versorgungsleistungen, die der Arbeitgeber berücksichtigen darf. Hierzu gehört die Sozialversicherungsrente aus den genannten Gründen auch insoweit, wie sie auf Kindererziehungszeiten zurückgeht, nicht.
3. § 5 Abs. 2 BetrAVG begrenzt die Anrechnungsmöglichkeiten in einem Gesamtversorgungssystem allerdings nicht abschließend. Begrenzungen können sich auch aus sonstigen Gesetzen oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Hierzu gehören insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot (BAGE 59, 217, 221 = AP Nr. 28 zu § 5 BetrAVG, zu II 2b der Gründe; BAGE 66, 282, 287 = AP Nr. 36 zu § 5 BetrAVG, zu II 2a der Gründe). Auch unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten ist das vom Kläger angestrebte Anrechnungsverbot jedoch nicht zu rechtfertigen.
a) In die sozialversicherungsrechtliche eigentumsgleiche Rechtsposition des Klägers wird durch die Anrechnung nicht eingegriffen. Die gesetzliche Rente bleibt ihm in vollem Umfang erhalten.
b) Die Anrechnung im Rahmen der betrieblichen Rente ist weder willkürlich, noch geschlechtsdiskriminierend oder berücksichtigt unzureichend die Zielsetzung aus dem Bereich der Familienförderung. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der gesetzlichen Rente. Es ging dem Gesetzgeber darum, Leistungsempfängern, die durch Kindererziehung daran gehindert waren, in vergleichbarer Weise wie kinderlose Arbeitnehmer durch Erwerbstätigkeit gesetzliche Rentenanwartschaften zu erwerben, jedenfalls in etwa diesen Arbeitnehmern gleichzustellen. Wer eine aufgrund von Kindererziehungszeiten gesteigerte gesetzliche Rente erhält, soll nicht schlechter aber auch nicht besser stehen als einer der aufgrund fehlender Kindererziehungspflichten entsprechend länger erwerbstätig sein konnte. Dies wäre aber der Fall, rechnete man die gesetzliche Altersrente im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems nicht auf den Betriebsrentenanspruch an, soweit er auf der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten beruht: Ein Arbeitnehmer, der wie der Kläger bei ansonsten unveränderten Bedingungen wegen fehlender Kindererziehungspflichten entsprechend länger erwerbstätig war, würde aufgrund der aus diesem Grund gesteigerten gesetzlichen Rente ebenso wie der Kläger eine Minderung der Altersunterstützung hinnehmen müssen. Auch er hätte die Gesamtversorgungsobergrenze bereits erreicht, so daß eine Verbesserung der gesetzlichen Rente sich mindernd auf die zusätzliche Altersunterstützung auswirken müßte. Damit liegt in der Anrechnung der auf Kindererziehungszeiten zurückgehenden Rentenanteile keine geschlechtsbezogene oder ansonsten willkürliche Ungleichbehandlung. Die Anrechnung ist die Folge aus dem in den Unterstützungsrichtlinien geregelten Gesamtversorgungssystem, die jeden Arbeitnehmer in gleicher Weise treffen kann.
V. Die Beklagte verstößt schließlich auch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie die Rentenerhöhung aus Kindererziehungszeiten bei solchen Arbeitnehmern nicht anrechnet, die die Gesamtversorgungsobergrenze nicht erreicht haben. Soweit es um Arbeitnehmer geht, die von einer Tätigkeit bei einem Mitglied der Beklagten aus in den Ruhestand getreten sind, eine Vollversorgung aber nicht erreicht haben, ergibt sich die fehlende Anrechnungsmöglichkeit bereits aus der Unterstützungsrichtlinie: Geldleistungen aus der Sozialversicherung wirken sich nur dann auf die Altersunterstützung mindernd aus, wenn sie zusammen mit der durch Betriebstreue erdienten Altersunterstützung die Gesamtversorgungsobergrenze überschreiten.
Soweit die Erreichung der Gesamtversorgungsobergrenze auf einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und der daraus folgenden ratierlichen Kürzung des Anspruchs auf Altersunterstützung beruht, gilt nichts anderes. Es besteht ein sachlicher Grund, Arbeitnehmer, welche die Vollversorgung erreicht haben, anders zu behandeln, als solche, bei denen dieses Versorgungsziel noch nicht erreicht worden ist.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Martschin, Michels
Fundstellen
Haufe-Index 872257 |
BAGE, 345 |
BB 1996, 1173 |
NZA 1996, 761 |
AP, 0 |