Entscheidungsstichwort (Thema)
Omnibusfahrer. Anspruch auf Fahrtunterbrechungen
Orientierungssatz
Der Arbeitgeber ist bei Omnibusfahrern im öffentlichen Personennahverkehr nicht verpflichtet, in den Dienstplänen Fahrtunterbrechungen ausschließlich nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV vorzusehen, wenn die Linienlänge nicht mehr als 50 Kilometer und der durchschnittliche Abstand zwischen den Haltestellen nicht mehr als drei Kilometer beträgt. Es können auch Fahrtunterbrechungen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV geplant werden.
Normenkette
Fahrpersonalverordnung (FPersV) § 1; Fahrpersonalgesetz (FPersG) § 2; BGB § 618 Abs. 1; EGV 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 Art. 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. April 2012 – 3 Sa 138/11 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gestaltung von Fahrtunterbrechungen in den Dienstplänen der Beklagten.
Der Kläger ist als Omnibusfahrer im Linienverkehr bei der Beklagten beschäftigt, die den öffentlichen Personennahverkehr in Stuttgart betreibt. Die Linienlänge beträgt nicht mehr als 50 Kilometer, der durchschnittliche Abstand zwischen den Haltestellen nicht mehr als drei Kilometer. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bezirkstarifvertrag für die kommunalen Nahverkehrsbetriebe Baden-Württemberg (BzTV-N BW) vom 13. November 2001 Anwendung. In diesem ist ua. bestimmt:
„§ 23 |
Besondere Bestimmungen für AN im Fahrdienst |
Besondere Bestimmungen für AN im Betriebs- und Verkehrsdienst – einschließlich Verkehrs- und Fahrmeister – (Fahrdienst) ergeben sich aus der Anlage 3. |
…” |
Die Anlage 3 zum BzTV-N BW „Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst”) lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 2 |
(1) |
Die Dienstschicht umfasst die reine Arbeitszeit (einschließlich der in § 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Zeiten), die Pausen und die Wendezeiten. … |
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… |
§ 4 |
… |
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(2) |
Die nach dem ArbZG oder nach der Fahrpersonalverordnung zu gewährende Pause kann durch Arbeitsunterbrechungen (z. B. Wendezeiten) abgegolten werden, wenn deren Gesamtdauer mindestens ein Sechstel der durchschnittlich im Dienst- und Fahrplan vorgesehenen reinen Fahrzeit (Lenkungsoder Kurbelzeit) beträgt. Arbeitsunterbrechungen unter acht Minuten werden bei der Ermittlung der Pausen nicht berücksichtigt. |
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Protokollerklärungen zu Satz 2: |
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a) |
Die Summe der Arbeitsunterbrechungen von mindestens acht Minuten muss in jeder Dienstschicht des Fahrbediensteten mindestens die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen erreichen. |
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… |
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§ 8 |
Der Dienstplan muss alle planmäßigen Dienste und freien Tage enthalten. Die ihm zugrunde liegende durchschnittliche Arbeitszeit ist zu vermerken. Er ist an geeigneter, allen beteiligten AN zugänglicher Stelle auszulegen.” |
Die Beklagte wendet bei der Dienstplangestaltung sowohl die sogenannte Blockpausenregelung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV als auch die sogenannte Sechstelregelung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV an.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Fahrtunterbrechungen in seinen Dienstplänen nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV gestaltet werden dürfen. Die beiden Varianten der Fahrtunterbrechung in § 1 Abs. 3 FPersV stünden in einem Verhältnis der Exklusivität zueinander, da der durchschnittliche Abstand zwischen den Haltestellen nicht gleichzeitig mehr und weniger als drei Kilometer betragen könne.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass Dienstpläne für ihn so gestaltet sein müssen, dass sie Fahrtunterbrechungen nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV enthalten,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die nach der Fahrpersonalverordnung erforderlichen Fahrtunterbrechungen in der Weise zu gestalten, dass sie einen geringeren Umfang als ein Sechstel der jeweils für die Dienstschicht vorgesehenen Lenkzeit betragen.
Die Beklage hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, § 1 Abs. 3 FPersV lasse, wie sich aus dem Wort „auch” in § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV ergebe, die Blockpausen- und die Sechstelregelung zu. Ihr stehe bei der Dienstplangestaltung somit ein Wahlrecht zu.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Feststellungsanträge des Klägers sind zwar zulässig, aber unbegründet.
I. Der Hauptantrag ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Er bedarf allerdings der Auslegung. Soweit der Kläger nach dem Wortlaut des Antrags die Feststellung begehrt, dass seine Dienstpläne so gestaltet sein müssen, dass sie Fahrtunterbrechungen nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV enthalten, würde der Streit der Parteien durch ein der Klage stattgebendes Urteil nicht geklärt. Zwischen den Parteien ist gerade streitig, wie § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV auszulegen ist. Der Kläger hat jedoch zur Erläuterung des Antrags ausweislich des Protokolls bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt, gemeint sei, dass die Dienstplangestaltung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV und nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV erfolgen solle. Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht das Feststellungsbegehren des Klägers so verstanden, dass die Fahrtunterbrechungen in den Dienstplänen für ihn ausschließlich nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV gestaltet werden dürfen. Dieser Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist der Kläger mit der Revisionsbegründung nicht entgegengetreten.
II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei Omnibusfahrern im öffentlichen Personennahverkehr, wenn die Linienlänge nicht mehr als 50 Kilometer und der durchschnittliche Abstand zwischen den Haltestellen nicht mehr als drei Kilometer beträgt, in den Dienstplänen Fahrtunterbrechungen ausschließlich nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV vorzusehen.
1. Da der Kläger die Feststellung einer gegenwärtig bestehenden Verpflichtung zur Dienstplangestaltung begehrt, ist auf den erhobenen Anspruch das zur Zeit der Revisionsentscheidung geltende Recht anzuwenden (BAG 18. November 2008 – 9 AZR 737/07 – Rn. 16 mwN, BAGE 128, 288). Deshalb kommt nicht die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Verordnung zur Durchführung des Fahrpersonalgesetzes (FPersV) vom 27. Juni 2005 (BGBl. I S. 1882) idF vom 19. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2835), in Kraft getreten am 23. Dezember 2011, sondern die nach Verkündung des Berufungsurteils mit Wirkung zum 7. Juni 2013 in Kraft getretene FPersV idF des Art. 1 der Verordnung vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1395) zur Anwendung. Allerdings ist der Wortlaut von § 1 Abs. 3 FPersV seit dem 31. Januar 2008 (sh. hierzu BGBl. I S. 54) unverändert geblieben. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der FPersV findet sich in § 2 des Fahrpersonalgesetzes (FPersG) idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 640), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 (BGBl. I S. 1558) geändert worden ist.
2. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 618 Abs. 1 BGB iVm. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates.
a) Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitgeber Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Diese Pflicht des Arbeitgebers wird durch die Normen des europäischen und des nationalen Arbeitsschutzrechts konkretisiert. Deren Einhaltung wird damit zugleich arbeitsvertraglich geschuldet. Das wirkt sich auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 Satz 1 GewO) aus. Dieser hat die im Interesse des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer festgelegten Grenzen der höchstzulässigen Arbeitszeiten einzuhalten (st. Rspr., vgl. BAG 18. November 2008 – 9 AZR 737/07 – Rn. 18, BAGE 128, 288; 11. Juli 2006 – 9 AZR 519/05 – Rn. 35, BAGE 119, 41). Zu beachten sind auch die Regelungen des Fahrpersonalrechts über die höchstzulässigen Lenkzeiten und deren Unterbrechungen nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006. Dem steht nicht entgegen, dass das Fahrpersonalrecht nicht nur dem Gesundheitsschutz, sondern auch der Sicherheit im Straßenverkehr dient und die unionsrechtlichen Vorschriften zusätzlich den Schutz des grenzüberschreitenden Wettbewerbs bezwecken (BAG 18. November 2008 – 9 AZR 737/07 – aaO).
b) Eine unmittelbare Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 kommt hier allerdings nicht in Betracht. Diese gilt nach Art. 3 Buchst. a nicht für Beförderungen im Straßenverkehr mit Fahrzeugen, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr verwendet werden, wenn die Linienstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Dies ist bei den Linien, „auf” denen der Kläger als Omnibusfahrer eingesetzt wird, der Fall. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bedarf es nicht. Die richtige Anwendung des Unionsrechts ist bezüglich der Ausnahme von Fahrzeugen, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr verwendet werden, wenn die Linienstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt, im Sinne der Doktrin vom acte clair derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. hierzu EuGH 6. Oktober 1982 – C-283/81 – [CILFIT] Slg. 1982, I-3415; ErfK/Wißmann 14. Aufl. Art. 267 AEUV Rn. 33 mwN).
c) Auch eine Anwendung von Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 kraft Bezugnahme in der FPersV scheidet aus. Zwar bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 2 FPersV, dass Fahrer von Fahrzeugen, die zur Personenbeförderung dienen, nach ihrer Bauart und Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen einschließlich Fahrer zu befördern, und im Linienverkehr mit einer Linienlänge bis zu 50 Kilometern eingesetzt sind, Fahrtunterbrechungen nach näherer Maßgabe der Art. 4, 6 bis 9 und 12 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 einzuhalten haben. § 1 Abs. 1 FPersV gibt dementsprechend vor, unter welchen Voraussetzungen in der Bundesrepublik Deutschland Unionsrecht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die – wie hier – nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 fallen (vgl. BAG 18. November 2008 – 9 AZR 737/07 – Rn. 28, BAGE 128, 288). Jedoch regelt der Eingangssatz von § 1 Abs. 3 FPersV bereits dem Wortlaut nach mit der Formulierung „Abweichend von Absatz 1 …” eine Ausnahme und trifft bezüglich der Fahrtunterbrechungen, die Fahrer von Omnibussen im Linienverkehr mit einer Linienlänge bis zu 50 Kilometern einzuhalten haben, eine abweichende Sonderregelung (Andresen/Winkler Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für Kraftfahrer 4. Aufl. § 1 FPersV Rn. 12). Rechtstechnisch wird durch den Eingangssatz von § 1 Abs. 3 FPersV in Bezug auf die Fahrtunterbrechungen wieder derjenige Rechtszustand herbeigeführt, der bei unmittelbarer Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 gölte, nämlich dass diese Verordnung für Fahrzeuge, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr verwendet werden, nicht gilt, wenn die Linienstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Hierbei handelt es sich um ein typisches, eindeutiges Regel-Ausnahme-Verhältnis. Den Worten „Abweichend von Absatz 1 …” im Eingangssatz von § 1 Abs. 3 FPersV kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in Bezug auf Fahrtunterbrechungen keine andere Bedeutung beigemessen werden.
3. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 1 Abs. 3 FPersV, der auf Grundlage von § 2 Nr. 3 Buchst. a FPersG erlassen wurde. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 FPersV weder dem Wortlaut, der Systematik noch dem Willen des Verordnungsgebers entnehmen, dass die beiden Varianten der Fahrtunterbrechung in § 1 Abs. 3 FPersV in einem Verhältnis der Exklusivität zueinander stünden. Die FPersV bindet als Gesetz im materiellen Sinne die Normadressaten genauso wie ein förmliches (Parlaments-)Gesetz (vgl. Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie 7. Aufl. Rn. 226), sodass sie auch entsprechend auszulegen ist (vgl. zur Allgemeinverbindlicherklärung: BAG 29. September 2010 – 10 AZR 523/09 – Rn. 15).
a) Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der durchschnittliche Abstand zwischen den Haltestellen nicht gleichzeitig mehr und weniger als drei Kilometer betragen kann. Dieser Umstand schließt es jedoch nicht aus, dass im Falle eines durchschnittlichen Haltestellenabstands von nicht mehr als drei Kilometern gleichwohl Fahrtunterbrechungen nicht nur nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV, sondern auch nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV zulässig sind.
b) Das Wort „auch” in § 1 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 FPersV bezieht sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die Verordnung (EG) Nr. 561/2006, die nach dem Eingangssatz des § 1 Abs. 3 FPersV für Fahrer von Omnibussen im Linienverkehr mit einer Linienlänge bis zu 50 Kilometern nicht gilt. Dieses Wort bezieht sich auf Fahrtunterbrechungen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV.
aa) Beträgt der durchschnittliche Haltestellenabstand nicht mehr als drei Kilometer, sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 FPersV als Fahrtunterbrechungen auch Arbeitsunterbrechungen ausreichend, soweit diese nach den Dienst- und Fahrplänen in der Arbeitsschicht enthalten sind (zB Wendezeiten). Das Wort „auch” in dieser Vorschrift bewirkt, dass der Verordnungsgeber die Blockpausenregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV nicht noch einmal im Normtext der Nr. 2 ausdrücklich aufführen musste. Es dient dazu, dass der Wortlaut von § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV kürzer gefasst werden konnte.
bb) Diese Auslegung von § 1 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 FPersV entspricht auch dem Willen des Verordnungsgebers, der in § 1 Abs. 3 FPersV generell Fahrtunterbrechungen für Fahrer von Omnibussen im Linienverkehr mit einer Linienlänge bis zu 50 Kilometern regelte. Der Verordnungsgeber wollte bei einem durchschnittlichen Haltestellenabstand von nicht mehr als drei Kilometern durch die Wahl des Wortes „auch” den Arbeitgebern eine größere Flexibilität bei der Gestaltung von Dienstplänen ermöglichen, indem er angeordnet hat, dass anstatt von Fahrtunterbrechungen nach der Blockpausenregelung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV) als Fahrtunterbrechungen auch Arbeitsunterbrechungen gemäß der Sechstelregelung in § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV ausreichend sind (vgl. Rang Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr 18. Aufl. S. 120). Dies ergibt sich aus der amtlichen Verordnungsbegründung, wie sie Gegenstand des parlamentarischen Verfahrens zum Zwecke der Zustimmung des Bundesrats nach Art. 80 Abs. 1, Abs. 2 GG war. Die zum 31. Januar 2008 in Kraft getretene Neufassung von § 1 Abs. 3 FPersV, die auch heute noch gilt, sollte nach der amtlichen Begründung klarstellen, dass „bei Haltestellenabständen von weniger als drei Kilometern bestimmte Arbeitsunterbrechungen auch als Fahrtunterbrechungen nach der Nummer 1 oder 2 gelten” (BR-Drs. 604/07 S. 65). Diesen Willen hat das seinerzeit federführende Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in den mit den zuständigen Länderbehörden abgestimmten „Hinweisen zu den Sozialvorschriften im Straßenverkehr” (Stand 1. Dezember 2011, letztmalig überarbeitet am 12. Juli 2013, im Internet abrufbar unter http://www.bag.bund.de) in Abschn. 7.2.2 „Fahrtunterbrechungen bei durchschnittlichem Haltestellenabstand von nicht mehr als 3 km [§ 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV]”) bestätigt, indem dort ausgeführt wird, dass „Fahrtunterbrechungen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 FPersV zulässig” sind. Auch im Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit, dass auch bei einem durchschnittlichen Haltestellenabstand von nicht mehr als drei Kilometern Blockpausen zulässig sind (Heimlich/Hamm/Grun/Fütterer Fahrpersonalrecht 3. Aufl. § 1 FPersV Rn. 15; Andresen/Winkler Fahrpersonalgesetz und Sozialvorschriften für Kraftfahrer 4. Aufl. § 1 FPersV Rn. 13; vgl. auch Rang Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr 18. Aufl. S. 119 f.).
4. Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 4 Abs. 2 der Anlage 3 zum BzTV-N BW, wonach unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen die nach dem Arbeitszeitgesetz oder nach der Fahrpersonalverordnung zu gewährende Pause durch Arbeitsunterbrechungen abgegolten werden kann. Damit haben die Tarifvertragsparteien lediglich von der in § 1 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 FPersV enthaltenen Öffnungsklausel bezüglich der Gestaltung von Fahrtunterbrechungen und Pausen Gebrauch gemacht. Im Übrigen wird aus dem Wort „kann” deutlich, dass keine von § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV abweichende und die darin eingeräumte Wahlmöglichkeit einschränkende Regelung im Tarifvertrag vereinbart wurde.
III. Auch der Hilfsantrag des Klägers ist unbegründet. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Beklagte berechtigt ist, die nach der Fahrpersonalverordnung erforderlichen Fahrtunterbrechungen in der Weise zu gestalten, dass sie einen geringeren Umfang als ein Sechstel der jeweils für die Dienstschicht vorgesehenen Lenkzeit betragen. Zwar ist in § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV ebenso wie in § 4 Abs. 2 der Anlage 3 zum BzTV-N BW geregelt, dass Arbeitsunterbrechungen als Fahrtunterbrechungen nur unter der Voraussetzung ausreichend sind, dass die Gesamtdauer der Arbeitsunterbrechungen mindestens ein Sechstel der vorgesehenen Lenkzeit beträgt. § 1 Abs. 3 Nr. 2 FPersV zwingt den Arbeitgeber jedoch nicht zu einer solchen Gestaltung der Fahrtunterbrechungen. Vielmehr sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 FPersV Fahrtunterbrechungen im Rahmen einer Blockpausenregelung zulässig, ohne dass die Gesamtdauer der Fahrtunterbrechungen mindestens ein Sechstel der jeweils für die Dienstschicht vorgesehenen Lenkzeit betragen muss.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Anthonisen, Klose, Neumann-Redlin
Fundstellen
Haufe-Index 7225888 |
BB 2014, 2356 |