Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschaftsurlaub und Übergangsgeld

 

Orientierungssatz

Eine allgemeine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Leistungen und deren Anspruchsvoraussetzungen besteht nicht. Auch die Einführung des Mutterschaftsurlaubs ändert daran nichts. Der Arbeitnehmer muß wissen, was an tariflichen Rechten für ihn niedergelegt ist. Es hieße die Fürsorgepflicht überspannen, wenn man den Arbeitgeber generell für verpflichtet hielt, den Arbeitnehmer auf die Möglichkeit tariflicher Ansprüche gegen den Arbeitgeber hinzuweisen.

 

Normenkette

BGB § 276; BAT § 62 Abs. 3 Nr. 2 b; MuSchG § 8a Fassung: 1968-04-18

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.10.1982; Aktenzeichen 11 Sa 896/82)

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 21.04.1982; Aktenzeichen 2 Ca 2068/81)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten aus Verletzung der Fürsorgepflicht Schadenersatz verlangen kann, weil ihr bei Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum Ende des Mutterschaftsurlaubs der Anspruch auf Übergangsgeld nach § 62 Abs. 3 Ziff. 2 b BAT entgangen ist.

Die Klägerin war seit dem Jahre 1980 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) Anwendung. Die Klägerin erhielt zuletzt eine Vergütung von monatlich 2.795,-- DM brutto.

Am 21. Januar 1981 wurde die Klägerin von einem Sohn entbunden. Im Anschluß an die Mutterschutzfrist nahm sie Mutterschaftsurlaub bis zum 21. Juli 1981 in Anspruch. Am 16. Juni 1981 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs. Mit Schreiben vom 14. Juli 1981 beantragte sie Übergangsgeld. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, weil die Klägerin die Kündigung nicht innerhalb von drei Monaten nach der Niederkunft ausgesprochen und daher die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Ziff. 2 b BAT nicht erfüllt habe.

Bereits im Februar 1981 hatte die mit der Erledigung von Personalangelegenheiten bei der Beklagten betraute Frau B den Ehemann der Klägerin angerufen und ihn darauf aufmerksam gemacht, daß die Klägerin Beihilfe für die im Zusammenhang mit der Geburt entstandenen Kosten beantragen könne. Der Ehemann der Klägerin hat daraufhin am 17. Februar 1981 den Beihilfeantrag abgegeben und sich bei dieser Gelegenheit mit Frau B unterhalten. Über den Inhalt dieses Gesprächs besteht zwischen den Parteien Streit.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihr zum Schadenersatz verpflichtet, weil ihr der Anspruch auf Übergangsgeld entgangen sei. Sie hat vorgetragen, ihr Ehemann habe in dem Gespräch mit Frau B am 17. Februar 1981 auch das Übergangsgeld beantragen wollen. Frau B habe jedoch erklärt, das Übergangsgeld könne erst nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses beantragt werden, die Kündigung könne noch kurz vor Beendigung des Mutterschaftsurlaubs ausgesprochen werden. Aufgrund dieser Auskunft habe sie es unterlassen, die Kündigung innerhalb von drei Monaten nach der Niederkunft auszusprechen. Dadurch sei ihr der Anspruch auf das Übergangsgeld entgangen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie

5.591,14 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß die Verwaltungsangestellte B die von der Klägerin behauptete Erklärung abgegeben habe. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, von sich aus auf die tariflichen Rechte aufmerksam zu machen, die der Klägerin im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, dem Mutterschaftsurlaub und einer möglichen Kündigung zugestanden hätten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach §§ 62 ff. BAT hat, weil sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Niederkunft das Arbeitsverhältnis gekündigt hat (§ 62 Abs. 3 Ziff. 2 b BAT).

2. Das Berufungsgericht hat weiter auch zu Recht angenommen, daß sich an dieser Frist durch das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl. I S. 797) nichts geändert hat. Die tarifliche Regelung ist durch die Einführung des Mutterschaftsurlaubs nicht lückenhaft geworden. Das hat der erkennende Senat durch Urteil vom 13. Oktober 1982 (- 5 AZR 214/81 - AP Nr. 1 zu § 8 a MuSchG 1968) entschieden.

In der Revisionsinstanz hat die Klägerin auch nicht mehr geltend gemacht, daß ihr aus dem Tarifvertrag ein Anspruch auf Übergangsgeld zustehe.

II. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht aus Schadenersatz herleiten.

1. Eine allgemeine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf tarifvertragliche Leistungen und deren Anspruchsvoraussetzungen besteht nicht. Es hieße die Fürsorgepflicht überspannen, wenn man den Arbeitgeber generell für verpflichtet hielte, den Arbeitnehmer auf die Möglichkeit tariflicher Ansprüche gegen den Arbeitgeber hinzuweisen (BAG Urteil vom 26. Juli 1972 - 4 AZR 365/71 - AP Nr. 1 zu § 4 MTB II).

Etwas anderes folgt auch nicht aus den von der Revision angeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Mai 1963 und vom 22. November 1963 (- 1 AZR 66/62 und 1 AZR 17/63 - AP Nr. 5 und 6 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst). Das Bundesarbeitsgericht hat darin zwar unter gewissen Voraussetzungen eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers angenommen. Dabei handelte es sich jedoch um Versorgungsansprüche mit den weitreichenden Folgerungen bei Versäumung notwendiger Schritte. Dabei ist aber ausgesprochen worden, dem Arbeitgeber dürfe nur das zugemutet werden, was von ihm nach den Umständen erwartet werden könne (vgl. zuletzt auch BAG Urteil vom 24. Mai 1974 - 3 AZR 422/73 - AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL).

2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß durch die Einführung des Mutterschaftsurlaubs keine allgemeine Hinweispflicht auf mögliche tarifliche Ansprüche entstanden ist. Auch das hat der erkennende Senat inzwischen entschieden (vgl. Urteil vom 13. Oktober 1982 - 5 AZR 214/81 - AP Nr. 1 zu § 8 a MuSchG 1968). Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens hatte nur die unverändert weiter geltenden tariflichen Bestimmungen zu beachten. Insoweit muß der Arbeitnehmer aber wissen, was an tariflichen Rechten für ihn niedergelegt ist. Unklarheiten über die Voraussetzungen der Ansprüche ergeben sich aus den tariflichen Regelungen nicht. Ob diese sich wegen der Einführung des Mutterschaftsurlaubs im Wege einer Anpassung änderten, war eine Frage, die zu beurteilen nicht der Beklagten oblag. Die Beklagte konnte und mußte ebenso wie die Klägerin davon ausgehen, daß die Regelungen unverändert weiter galten. Hierauf hinzuweisen, hatte sie keinen Anlaß.

3. Ein solcher Anlaß ist auch nicht aus den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zu entnehmen. Die Revision meint, da die Klägerin bereits auf die Beihilfefähigkeit habe hingewiesen werden müssen, sei für die Beklagte erkennbar gewesen, daß die Klägerin über die ihr zur Verfügung stehenden Rechte nicht ausreichend informiert sei. Insoweit hätte es zur Fürsorgepflicht der Beklagten gehört, die Klägerin auch auf ihre Rechte aus § 62 BAT hinzuweisen. Ob hierzu dann Veranlassung bestanden hätte, wenn die Klägerin der Beklagten bereits innerhalb von drei Monaten nach der Niederkunft ihre Absicht bekanntgegeben hätte, nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs nicht mehr weiter zu arbeiten, kann dahinstehen. Daß die Klägerin eine dahingehende Absicht vor der am 16. Juni 1981 ausgesprochenen Kündigung bekannt gegeben hat, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin auch nicht mit dem Begehren um Auskunft an die Beklagte herangetreten. Aus diesem Grunde kommt auch eine Haftung aus etwa falsch erteilter Auskunft nicht in Betracht.

Dr. Thomas Michels-Holl Schneider

Dr. Krems Nitsche

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440079

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