Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung. Werkvertrag
Normenkette
AÜG Art. 1 § 1 Abs. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 02.07.1996; Aktenzeichen 7 Sa 1948/95) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.07.1995; Aktenzeichen 2 Ca 6042/97) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Juli 1996 – 7 Sa 1948/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt.
Der Kläger war am 26. November 1968 von der B. GmbH (künftig B.) als Elektriker eingestellt worden. Von 1972 bis zum 28. Februar 1994 wurde er ständig bei dem Beklagten eingesetzt. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt 3.774,86 DM brutto.
Ein schriftlicher Vertrag, in dem der Einsatz des Klägers zwischen der B. und dem Beklagten näher geregelt war, ist nicht mehr vorhanden. In den letzten Jahren erfolgte die Tätigkeit des Klägers auf der Grundlage von Einzelverträgen, die zwischen der B. und dem Beklagten jeweils für ein Jahr abgeschlossen wurden. Danach war die B. für das Aufgabengebiet „ST 8” zuständig, das die Instandhaltung und Instandsetzung der Beleuchtungseinrichtungen auf dem Betriebsgelände des Beklagten umfaßte. Der Beklagte beendete die Zusammenarbeit mit der B. mit Ablauf des 28. Februar 1994. Der Kläger wurde von der B. bis zu seiner Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 1995 anderweitig eingesetzt.
Mit der im Juli 1994 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die B. habe ihn nicht aufgrund von Werkverträgen, sondern von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen bei dem Beklagten eingesetzt. Er sei in die Elektrowerkstatt des Beklagten eingegliedert gewesen, dessen Werkstattleiter E. ihn wie die anderen Elektriker des Beklagten behandelt und ihm insbesondere auch Arbeiten zugewiesen habe, die nicht zum Aufgabengebiet „ST 8” gehörten. Da die B. unstreitig keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gehabt habe, gelte gem. Art. 1 § 10 AÜG zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe;
- den Beklagten zu verurteilen, ihn als Arbeiter mit dem Tätigkeitsinhalt Wechsel und Reparatur von Beleuchtungskörpern mit einem wöchentlichen Stundenvolumen von 37 Stunden weiterzubeschäftigen;
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn 18.874,30 DM brutto zu zahlen abzüglich 6.475,80 DM netto nebst 4 % Zinsen aus jeweils 3.774,86 DM brutto, abzüglich 1.204,80 DM netto seit 1. April 1995, abzüglich 1.305,20 DM netto seit 1. Mai 1995, abzüglich 1.305,20 DM netto seit 1. Juni 1995 und abzüglich 1.305,20 DM netto seit 1. Juli 1995.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist mit rechtsfehlerfreier Begründung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger beim Beklagten nicht aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassung, sondern aufgrund eines Werkvertrags beschäftigt wurde und daß deshalb zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis nach Art. 1 § 10 Abs. 1 in Verb. mit § 9 Nr. 1 AÜG entstanden ist. Demzufolge hat das Landesarbeitsgericht auch die Beschäftigungs- und Zahlungsanträge des Klägers zu Recht abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die ständige Rechtsprechung des Senats zur Abgrenzung zwischen Werk- und Arbeitnehmerüberlassungsverträgen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 9. November 1994 – 7 AZR 217/94 – BAGE 78, 252, 258 ff. = AP Nr. 18 zu § 1 AÜG, zu III der Gründe, m.w.N.) zugrunde gelegt. Danach ist die Arbeitnehmerüberlassung dadurch gekennzeichnet, daß dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die er seinen Vorstellungen und Zielen gemäß in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt. Die entliehenen Arbeitskräfte sind vollständig in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen durch. Dagegen beschränkt sich die Vertragspflicht des Verleihers auf die Auswahl des Arbeitnehmers. Sie endet, sobald er dem Entleiher die Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat. Er haftet nur für das Verschulden bei der Auswahl des Arbeitnehmers. Im Gegensatz dazu wird bei einem Werk- und Dienstvertrag ein Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen. Für die Erfüllung der vertraglichen Dienste und des vertraglich geschuldeten Werkes bleibt er seinem Auftraggeber gegenüber verantwortlich. Die zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Leistung eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen als Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers dessen Weisungsbefugnis. Der Werkbesteller kann dem Werkunternehmer oder dessen Erfüllungsgehilfen lediglich solche Anweisungen erteilen, die sich auf die Ausführung des Werkes beziehen (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Maßgeblich für die rechtliche Einordnung der jeweiligen Verträge ist weder die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge noch die von ihnen gewählte Bezeichnung, sondern der wirkliche Geschäftsinhalt. Dieser kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Vertragsausführung maßgebend, weil die Vertragspraxis zuverlässige Rückschlüsse auf das zwischen den Parteien wirklich gewollte erlaubt. Da es somit auf den Willen der Vertragsparteien ankommt, brauchen sich diese allerdings eine von den ausdrücklichen Vereinbarungen abweichende Vertragspraxis nur insoweit zurechnen zu lassen, als sie mit Kenntnis der zum Vertragsabschluß berechtigten Personen erfolgt, wobei auch die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht anzuwenden sind (vgl. dazu insbesondere BAG Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 – BAGE 77, 226, 239 f. = AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B IV 2 c der Gründe, m.w.N.).
II. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Entscheidungsfall läßt keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts erkennen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Bewertung, der Kläger sei im Rahmen eines Werkvertrages tätig gewesen, ausgeführt, bei dem Aufgabengebiet, für das der Kläger im Auftrag der B. bei dem Beklagten tätig war und das mit dem Kürzel „ST 8” bezeichnet wurde, habe es sich um ein abgrenzbares Werk gehandelt. Die B. habe auch hinsichtlich der Gewährleistung das Unternehmerrisiko getragen. Wenn sich der Werkstattleiter E. bei Beanstandungen der Arbeit des Klägers unmittelbar an diesen und nicht an die B. gewandt habe, sei der Kläger in seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe der B. angesprochen worden. Unerheblich sei, daß der Kläger von der B. jedenfalls in den späteren Jahren keine Weisungen über die Durchführung seiner Aufgaben mehr erhalten habe. Denn derartige Weisungen seien wegen der Art des Aufgabengebiets und der Erfahrungen des Klägers nicht mehr erforderlich gewesen. Bei den Anweisungen, die der Kläger im Rahmen seines ihm von der B. übertragenen Aufgabengebiets vom Werkstattleiter E. erhielt, habe es sich um auf die zu erbringende Werkleistung bezogene Weisungen gehandelt, die auf der werkvertraglichen Anweisungsbefugnis des Bestellers beruhten und von einer arbeitsvertraglichen Weisungsbefugnis zu unterscheiden seien. Zwar habe der Kläger zu etwa 20 % seiner Arbeitszeit nach Weisung des Werkstattleiters auch sonstige Tätigkeiten verrichtet, die nicht zum Aufgabengebiet des Werkvertrages gehörten. Dies sei jedoch unerheblich, da nicht habe festgestellt werden können, daß die auf Seiten der B. und des Beklagten zum Vertragsabschluß berechtigten Personen diesen Einsatz geduldet oder zumindest gekannt hätten. Der Kläger habe insoweit keinen Beweis angetreten, obwohl er für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung beweispflichtig sei. Schließlich könne dem Kläger auch nicht darin gefolgt werden, daß er wie die anderen Arbeiter der Werkstatt in den Betrieb des Beklagten eingegliedert gewesen sei. Vielmehr sei der Kläger anders eingesetzt und auch in sonstiger Weise anders behandelt worden als die übrigen Arbeiter der Werkstatt. So habe er beispielsweise nur die kürzere, bei der B. geltende Arbeitszeit einhalten müssen, so daß er freitags frühem mit der Arbeit aufhörte als die Mitarbeiter des Beklagten. Auch die weiteren vom Kläger vorgebrachten Umstände sprächen nicht für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung, weil sie entweder, wie etwa die Abstimmung der Urlaubswünsche des Klägers mit dem Werkstattleiter E. nach den Erfordernissen der zu leistenden Tätigkeit zum Inhalt des Werkvertrages gehörten oder, wie beispielsweise die Verwendung von Material des Beklagten oder die Abrechnung nach Tagessätzen, auch im Rahmen eines Werkvertrages üblich seien.
2. Entgegen den Angriffen der Revision läßt diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit ihr tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, hat die Revision sie nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen, sondern lediglich rechtlich anders als das Landesarbeitsgericht bewertet. Einen Rechtsfehler hat sie damit nicht aufgezeigt. Das Revisionsgericht kann aber nur prüfen, ob der Tatsachenrichter die entscheidungserheblichen Rechtsbegriffe zutreffend erkannt, die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens und einer eventuellen Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei getroffen und ihre Subsumtion unter die Rechtsbegriffe widerspruchsfrei und insbesondere ohne Verstoß gegen die Denkgesetze vorgenommen hat. Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Wilke, U. Zachert
Fundstellen