Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung der Bahncard bei der Fahrtkostenerstattung im Baugewerbe

 

Leitsatz (redaktionell)

Parallelurteil zu Senatsurteil vom 7. Februar 1995 – 3 AZR 776/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe §§ 7, 16

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 21.10.1993; Aktenzeichen 3 Sa 242/93)

ArbG München (Urteil vom 08.02.1993; Aktenzeichen 22 Ca 17570/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 21. Oktober 1993 – 3 Sa 242/93 – teilweise aufgehoben und insgesamt neu gefaßt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 8. Februar 1993 – 22 Ca 17570/92 – wird auf die Berufung der Beklagten abgeändert, soweit es die Beklagte zu einem über 645,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Januar 1993 hinausgehenden Betrag verurteilt hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

2. Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, welche Fahrtkosten die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit auf einer auswärtigen Baustelle erstatten muß.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen des Spezialtiefbaus. Der Kläger, der in Lehrte bei Hannover wohnt, ist bei ihr seit dem 11. Juli 1984 beschäftigt. Durch Arbeitsvertrag vom 25. Juli 1984 wurde er als Werkpolier im Tiefbau zu den Bedingungen des Bundesmanteltarifvertrages für das Baugewerbe eingestellt und in die Berufsgruppe I eingruppiert. Als vertraglicher Einstellungsort gilt Hof. Die Parteien vereinbarten, daß der Kläger auch auf auswärtigen Baustellen eingesetzt werden kann. Beide Parteien sind tarifgebunden.

Im Oktober und November 1992 war der Kläger mehrere Wochen lang auf Baustellen der Beklagten in München eingesetzt. Er fuhr mit seinem eigenen Kraftfahrtzeug im Oktober 1992 einmal sowie im November 1992 fünfmal von München aus zum Wochenende nach Lehrte.

In § 7 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) heißt es im Zusammenhang mit Fahrtkostenerstattungen u. a.:

㤠7

Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuß und Auslösung

3. Bau- oder Arbeitsstellen mit täglicher Heimfahrt

3.1 Fahrtkostenabgeltung

Benutzt der Arbeitnehmer für die Fahrt zur Bau- oder Arbeitsstelle (Hin- und Rückfahrt) ein öffentliches Verkehrsmittel, so erfolgt die Fahrtkostenabgeltung durch Erstattung der entstandenen und nachgewiesenen Kosten für das preislich günstigste öffentliche Verkehrsmittel.

Benutzt der Arbeitnehmer für die Fahrt zur Bau- oder Arbeitsstelle (Hin- und Rückfahrt) ein von ihm zur Verfügung gestelltes Fahrzeug, so erfolgt die Fahrtkostenabgeltung durch Zahlung eines Kilometergeldes. …

4. Bau- oder Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt

4.1 Auslösung

Der Arbeitnehmer, der auf einer Bau- oder Arbeitsstelle tätig ist, die mehr als 25 km vom Betrieb entfernt ist, und dem die tägliche Rückkehr zur Wohnung (Erstwohnung) nicht zuzumuten ist, hat für jeden Kalendertag, an dem die getrennte Haushaltsführung hierdurch verursacht ist, Anspruch auf eine Auslösung. …

Die tägliche Rückkehr ist nicht zumutbar, wenn der normale Zeitaufwand für den einzelnen Weg von der Wohnung zur Bau- oder Arbeitsstelle bei Benutzung des zeitlich günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels oder eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Fahrzeugs mehr als 1 1/4 Stunden beträgt.

4.6 Reisegeld- und Reisezeitvergütung

Der Arbeitnehmer, dem eine Auslösung zu zahlen ist, hat – gleichgültig wie er den Weg zurücklegt – Anspruch auf Zahlung des Preises für die Eisenbahnfahrt zweiter Klasse, erforderlichenfalls anderer öffentlicher Verkehrsmittel, sowie auf Zahlung seines Gesamttarifstundenlohnes ohne jeden Zuschlag für die erforderliche Reisezeit,

4.7 Tarifliche Wochenendheimfahrten

Der Arbeitnehmer, dem eine Auslösung zu zahlen ist, hat nach Ablauf von vier Wochen und jeweils nach Ablauf weiterer vier Wochen einer ununterbrochenen Tätigkeit auf einer oder mehreren Bau- oder Arbeitsstellen des Betriebes gemäß Nr. 4.1 Anspruch auf Wochenendheimfahrten zu seiner Wohnung (Erstwohnung) und zurück zur Bau- oder Arbeitsstelle.

Der Arbeitnehmer hat – gleichgültig wie er den Weg zurücklegt – Anspruch auf Zahlung der Fahrtkosten gemäß Nr. 4.6 Abs. 1 von der Bau- oder Arbeitsstelle zu seiner Wohnung (Erstwohnung) und zurück…

4.8 Fahrtkostenersatz für außertarifliche Wochenendheimfahrten

Der Arbeitnehmer, der auf einer Bau- oder Arbeitsstelle gemäß Nr. 4.1 beschäftigt ist, aber keine Auslösung erhält, weil er außerhalb der tariflichen Wochenendheimfahrten das Wochenende zu Hause verbringt, hat Anspruch auf die entstehenden Fahrtkosten und auf die Erstattung der Kosten gemäß Nr. 4.5 Abs. 2, insgesamt jedoch nur bis zur Höhe des Betrages, den er an Auslösung erhalten würde, wenn er den Ort der Bau- oder Arbeitsstelle nicht verlassen hätte. Bei einer Entfernung von mehr als 250 km entfällt die Begrenzung auf den Aus- lösungsbetrag.

…”

Im Oktober 1992 betrug der Preis für eine Rückfahrkarte München-Lehrte der Deutschen Bundesbahn in der zweiten Klasse 336,– DM. Ab November 1992 belief sich der Fahrpreis auf 346,– DM.

Die Beklagte erstattete dem Kläger für die eine Fahrt im Oktober 1992 190,– DM. Für die fünf Fahrten im November 1992 bezahlte sie 865,– sowie 220,– DM für den Erwerb der sog. Bahncard der Deutschen Bundesbahn. Die Beklagte hatte dem Kläger gegenüber vorher angekündigt, daß sie entsprechend verfahren und bei der Erstattung der Fahrtkosten die 50 %ige Ermäßigung berücksichtigen werde, die mit der Benutzung der Bahncard verbunden ist.

Mit seiner am 29. Dezember 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 19. Januar 1993 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung von 865,– DM verlangt. Die Beklagte habe für die fünf Wochenendheimfahrten im November 1992 statt der geschuldeten 1.730,– DM nur 865,– DM gezahlt. Zusätzlich habe sie lediglich 220,– DM als Kosten einer Bahncard erstattet. Der Klageschrift waren Kopien der Abrechnung für November 1992 sowie eines Schreibens vom 6. Dezember 1992 beigefügt, in dem der Kläger den Differenzbetrag zwischen dem vollen Preis von 336,– DM für die Wochenendheimfahrt im Oktober 1992 und den hierfür tatsächlich gezahlten 190,– DM geltend gemacht hatte.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde die Zahlung des vollen Kaufpreises einer Eisenbahnfahrt zweiter Klasse. Nach dem Tarifvertrag dürften individuelle Vergünstigungen nicht berücksichtigt werden. Hierzu gehöre auch die Ermäßigung aufgrund der Benutzung einer Bahncard.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 865,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung muß der Kläger sich die Vergünstigungen entgegenhalten lassen, die sich aus der Benutzung der Bahncard ergeben. Den Tarifvertragsparteien sei es bei der Formulierung der einschlägigen Vorschriften des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe darum gegangen, daß ein Arbeitnehmer bei der Inanspruchnahme der tariflichen Wochenendheimfahrten keine finanziellen Nachteile in Kauf nehmen müsse. Mit dem Grundgedanken der pauschalen Kostenerstattung sei es nicht zu vereinbaren, wenn ein Arbeitnehmer mutwillig überzogene Fahrtkosten geltend mache. Dies sei der Fall, wenn der Kostenerstattungsanspruch nicht auf die ermäßigten Fahrpreise zweiter Klasse bei Verwendung der Bahncard beschränkt bleibe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Forderung auf 791,– DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit beschränkt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er lasse sich auf seine Forderung die von der Beklagten für eine Bahncard gezahlten 220,– DM anrechnen. Seine ursprüngliche Erstattungsforderung habe sich allerdings auf insgesamt 1.011,– DM belaufen. Er habe nicht nur 865,– DM restliche Fahrtkostenerstattung für die fünf Wochenendheimfahrten im November 1992 zu beanspruchen. Es stehe ihm auch der Differenzbetrag von 146,– DM für die eine Wochenendheimfahrt im Oktober 1992 zu. Auch insoweit habe er entgegen der Auffassung der Beklagten rechtzeitig Klage erhoben. Dieser Betrag sei zwar bei der Antragstellung erster Instanz offenbar vergessen worden. In der Sache sei die Forderung aber in der Klage mitenthalten gewesen, wie das beigefügte Schreiben vom 6. Dezember 1992 zeige.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit seiner Revision strebt der Kläger in dem in der Berufungsinstanz zuletzt verfolgten Umfang die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist überwiegend begründet. Er hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für seine Wochenendheimfahrten jeweils einen Anspruch auf Zahlung des vollen Preises für eine Fahrkarte zweiter Klasse bei der Deutschen Bundesbahn. Hieraus ergibt sich allerdings nur ein restlicher Erstattungsanspruch für die fünf Wochenendheimfahrten im November 1992 in Höhe von 645,– DM. Der weiter entstandene Erstattungsanspruch für die eine Wochenendheimfahrt im Oktober 1992 in Höhe von 146,– DM ist nach § 16 Abs. 2 BRTV-Bau verfallen. Insoweit war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

I. Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers richtet sich insgesamt nach § 7.4.6 BRTV-Bau. Der Kläger hat deshalb wegen der von ihm durchgeführten Wochenendheimfahrten „- gleichgültig wie er den Weg zurücklegt – Anspruch auf Zahlung des Preises für eine Eisenbahnfahrt zweiter Klasse”.

1. Der allgemeinverbindliche BRTV-Bau findet auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung. Das beklagte Spezialtiefbauunternehmen fällt in den betrieblichen Geltungsbereich des BRTV-Bau (§ 1.2 Abschn. V Nr. 35). Der BRTV-Bau gilt auch für den Kläger persönlich. Der Kläger erhielt zwar im Jahre 1992 aufgrund einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung das Gehalt eines Poliers. Gleichwohl ist für ihn nicht der Tarifvertrag für Poliere und Schachtmeister, sondern der BRTV-Bau maßgeblich. Er war auch im Jahre 1992 ausschließlich als Werkpolier eingesetzt.

Damit war er tariflich in die Berufsgruppe I des BRTV-Bau einzugruppieren und wurde als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt (§ 5.2.1 in Verb. mit § 5.2.2 BRTV-Bau).

2. Die streitbefangenen Wochenendheimfahrten sind nach § 7.4.6, 1. Halbsatz BRTV-Bau abzurechnen.

a) Dem Kläger war während seiner Arbeit auf Münchener Baustellen nach § 7.4.1 BRTV-Bau eine Auslösung zu zahlen. Er war mehr als 25 km vom Sitz des Betriebes der Beklagten entfernt eingesetzt. Als Betrieb im Sinne der Regelungen über die Fahrtkostenerstattung gilt die Niederlassung, in der der Arbeitnehmer eingestellt wird (§ 7.2.2 BRTV-Bau). Der Kläger war nach seinem Arbeitsvertrag von der Niederlassung Hof der Beklagten eingestellt worden. Hof liegt mehr als 25 km von München entfernt.

Dem Kläger war auch eine tägliche Rückkehr zu seiner Erstwohnung in Lehrte nicht zuzumuten. Er benötigte für den einfachen Weg zwischen München und Lehrte wesentlich mehr als 1 1/4 Stunden (§ 7.4.1 Abs. 4 BRTV-Bau).

b) Der Kläger bezeichnet zwar alle fünf von ihm geltend gemachten Wochenendheimfahrten im November 1992 als außertarifliche Wochenendheimfahrten nach § 7.4.8 BRTV-Bau. Da der November 1992 fünf Wochenenden hatte, dürfte es sich aber bei einer der Wochenendheimfahrten um eine tarifliche Wochenendheimfahrt nach § 7.4.7 Abs. 1 BRTV-Bau gehandelt haben, auf die ein Arbeitnehmer nach vierwöchiger Tätigkeit auf einer auswärtigen Baustelle Anspruch hat. Die Unterscheidung ist jedoch letztlich unerheblich. Die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs richtet sich sowohl bei tariflichen als auch bei außertariflichen Wochenendheimfahrten ausschließlich nach § 7.4.6, 1. Halbsatz BRTV-Bau. Für die tarifliche Wochenendheimfahrt ergibt sich dies aus der ausdrücklichen Verweisung in § 7.4.7 Abs. 4 BRTV-Bau. Für die außertariflichen Wochenendheimfahrten gilt nichts anderes, obwohl die Tarifvertragsparteien hier nicht ausdrücklich auf § 7.4.6 BRTV-Bau verwiesen, sondern nur die Erstattung der entstehenden Fahrtkosten angeordnet haben. Auch bei außertariflichen Wochenendheimfahrten richtet sich der Erstattungsanspruch in der Höhe nach § 7.4.6, 1. Halbsatz BRTV-Bau. Dies haben das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 22. Juli 1981 – 5 Sa 299/81 – nicht veröffentlicht) und der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 18. Januar 1984 – 4 AZR 367/81 – nicht veröffentlicht) einer systematischen und am Sinn und Zweck der Regelungen orientierten Auslegung der im wesentlichen wortgleichen Bestimmungen des BRTV- Bau in der Fassung vom 1. März 1980 (§ 7.6 bis § 7.9 BRTV-Bau) entnommen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auslegung an, zumal die Tarifvertragsparteien das Auslegungsergebnis zustimmend zur Kenntnis genommen und hierauf nicht mit einer Neuregelung der einschlägigen Tarifvertragsbestimmungen reagiert haben (vgl. Brocksiepe/Sperner, BRTV-Bau, 1981, Anm. a zu § 7.4.7, S. 179 f.; Karthaus/Müller, BRTV-Bau, 4. Aufl., Anm. zu § 7.4.8, S. 259).

II. Unter dem „Preis für die Eisenbahnfahrt zweiter Klasse” im Sinne von § 7.4.6, 1. Halbsatz BRTV-Bau ist der volle Fahrpreis zweiter Klasse ohne Berücksichtigung von Vergünstigungen und Sondertarifen zu verstehen.

1. Nach dem Wortlaut von § 7.4.6, 1. Halbsatz BRTV-Bau sind bei Fahrten im Zusammenhang mit Baustellen ohne tägliche Heimfahrt weder tatsächlich entstandene noch möglichst günstige Fahrtkosten zu erstatten. Der Arbeitnehmer soll unabhängig davon, wie und mit welchem Kostenaufwand er die Fahrten zurücklegt, stets den gleichen Erstattungsbetrag erhalten, nämlich den Preis für die Eisenbahnfahrt zweiter Klasse. Anspruchsauslösend ist allein der Umstand, daß der Arbeitnehmer die Reise tatsächlich unternommen hat (Brocksiepe/Sperner, aaO, Anm. e zu § 7.4.5, S. 169; Karthaus/ Müller, aaO, Anm. zu § 7.4.6, S. 251 und § 7.3.1, S. 224).

Mit ihrer Erstattungsregelung haben die Tarifvertragsparteien an die allgemeine Tarifgestaltung bei der Deutschen Bundesbahn angeknüpft. Den Preis, den die Bahn für eine Bahnfahrt zweiter Klasse zwischen Wohnung und Arbeitsort verlangt, soll der Arbeitnehmer erhalten. Ihm sollen nicht einer von mehreren der aufgrund von Tarifvergünstigungen oder Sondertarifen in Betracht kommenden Fahrpreise zugute kommen, sondern der Grundpreis für die Bahnfahrt zweiter Klasse. Der um 50 % ermäßigte Fahrpreis, den ein Fahrgast zu zahlen hat, wenn er eine Bahncard benutzt, ist nicht dieser Grundpreis.

Im übrigen müßte, wenn es auf Fahrpreisermäßigungen ankäme, die vom Arbeitnehmer erkauft werden müssen, geregelt sein, ob und in welcher Weise der Aufwand des Arbeitnehmers ausgeglichen werden soll.

2. Auch der Tarifzusammenhang spricht gegen eine Berücksichtigung der Vergünstigungen einer Bahncard. Den Tarifvertragsparteien war die Möglichkeit bekannt, den Kostenerstattungsanspruch auf die entstandenen und nachgewiesenen Kosten für das preislich günstigste öffentliche Verkehrsmittel zu beschränken (§ 7.3.1 BRTV- Bau). Diesen Weg haben die Tarifvertragsparteien in § 7.4 BRTV- Bau nicht gewählt, sondern statt dessen einen von vornherein feststehenden Preis als Erstattungsbetrag festgelegt. Dies unterstreicht den Willen der Tarifvertragsparteien, einen Erstattungsanspruch unabhängig von Vergünstigungen einzuräumen, die die Arbeitnehmer in Anspruch nehmen können.

3. Die Nichtberücksichtigung der Vergünstigungen einer Bahncard steht auch in Übereinstimmung mit dem in der tariflichen Regelung erkennbaren Sinn und Zweck. Es ging den Tarifvertragsparteien darum, dem Arbeitgeber individuelle Berechnungen zu ersparen, ihm eine feste Kalkulationsgrundlage zu geben und von Anfang an Streit über die Berücksichtigung möglicher Ermäßigungen zu vermeiden. Auch der Arbeitnehmer soll wissen, mit welchem Erstattungsanspruch er bei Familienheimfahrten rechnen kann, die er nicht mit der Bundesbahn durchzuführen braucht.

Dem steht nicht entgegen, daß es sich bei der Einführung der Bahncard um eine abstrakt-generelle Regelung gehandelt hat. Die Ermäßigungen oder Sondertarife bei der Deutschen Bundesbahn beruhen zwar auf abstrakt-generellen Regelungen, welche die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen durch den Arbeitnehmer erfordern, sei es die Mitfahrt in einer Reisegruppe von bestimmter Größe, sei es die Wahl eines bestimmten, späten Abfahrttermines oder eben der Erwerb einer Bahncard durch den Arbeitnehmer. Es spricht aber alles dagegen, daß die Tarifvertragsparteien solche von einer Mitwirkungshandlung des Arbeitnehmers abhängigen Vergünstigungen bei der pauschalen Abrechnungsweise des § 7.4.6 BRTV-Bau berücksichtigt wissen wollten. Es sollen keine tatsächlich entstandenen Fahrtkosten abgerechnet werden. Es bleibt dem Arbeitnehmer überlassen, welches Verkehrsmittel er auswählt und demgemäß auch, ob er für die Benutzung der Deutschen Bundesbahn eine Bahncard erwirbt. Der Arbeitgeber soll verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer in jedem Falle – auch bei der Benutzung des eigenen Pkw – für die Heimfahrt einen bestimmten an den Tarifen der Deutschen Bundesbahn orientierten Betrag zur Verfügung zu stellen. Werden unter bestimmten Bedingungen erhebliche Fahrpreisermäßigungen eingeführt, würde deren Berücksichtigung bei der Kostenerstattung diese Ausgangslage grundlegend verändern.

III. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Wochenendheimfahrt im Oktober 1992 ist nach § 16 Abs. 2 BRTV-Bau verfallen. Der Kläger hat den Erstattungsanspruch, der die Wochenendheimfahrt im Oktober 1992 betrifft, zwar mit Schreiben vom 6. Dezember 1992 rechtzeitig und formgerecht außergerichtlich geltend gemacht. Er hat ihn aber nicht fristgerecht gerichtlich weiterverfolgt. Bis spätestens Ende Februar 1993 hätte er den Anspruch rechtshängig machen müssen. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits wurde er aber erst mit der Berufungserwiderung vom 19. Juli 1993.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe der Klageschrift sein Schreiben vom 6. Dezember 1992 beigefügt. Dadurch ist die den Monat Oktober 1992 betreffende Forderung nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden. In welchem Umfang Forderungen rechtshängig werden, richtet sich nach der Klageschrift selbst, dem dort angekündigten Antrag und dessen Begründung. Hiernach sind aber nur die Kosten für die Wochenendheimfahrten im November 1992 eingeklagt worden.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 269 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Dr. Reinfeld, G. Hauschild

 

Fundstellen

Haufe-Index 951978

BB 1995, 522

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