Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendung bei Arbeitgeberwechsel
Leitsatz (redaktionell)
Ein Angestellter einer Stiftung eines evangelischen Krankenhauses hat nach der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen "Ordnung über eine Zuwendung für kirchliche Angestellte vom 12. Oktober 1973" keinen Anspruch auf eine Zuwendung, wenn er zu einer als eingetragener Verein organisierten Forschungsgesellschaft wechselt, auch wenn diese öffentliches Dienstrecht anwendet und sie ausschließlich öffentlich-rechtliche Körperschaften zu Mitgliedern hat.
Normenkette
BAT § 22; ZuwAngTVtr § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für das Kalenderjahr 1992 einen tariflichen Anspruch auf eine Zuwendung hat.
Die Klägerin war im Kalenderjahr 1992 bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.335,80 DM beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 1992 aufgrund Eigenkündigung der Klägerin.
Sie ist seit dem 1. Januar 1993 als Angestellte von der Forschungsgesellschaft für A e.V. in D übernommen worden. Die Forschungsgesellschaft wird in der Rechtsform eines privatrechtlichen Vereins betrieben. Mitglieder sind der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen und andere Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Forschungsgesellschaft wird aus öffentlichen Mitteln finanziert und wendet deshalb den BAT und das übrige öffentliche Dienstrecht an.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen Anwendung. Dazu gehört auch die "Ordnung über eine Zuwendung für kirchliche Angestellte vom 12. Oktober 1973" (ZuwendungsTV-KF), die inhaltlich den Bestimmungen des im öffentlichen Dienst geltenden Zuwendungstarifvertrages vom 12. Oktober 1973 entspricht. § 1 ZuwendungsTV-KF lautet u.a.:
§ 1
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr
eine Zuwendung, wenn er
1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht...
und
2. seit dem 1. Oktober ununterbrochen als Ange-
stellter ... im kirchlichen oder öffentlichen
Dienst gestanden hat
...
und
3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März
des folgenden Kalenderjahres aus seinem Ver-
schulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
...
(4) In den Fällen des Abs. 1 Nr. 3 ... wird die
Zuwendung auch gezahlt, wenn
1. der Angestellte im unmittelbaren Anschluß an
sein Arbeitsverhältnis von demselben Arbeitge-
ber oder von einem anderen Arbeitgeber des
kirchlichen oder öffentlichen Dienstes in ein
Rechtsverhältnis der in Abs. 1 Nr. 2 genannten
Art übernommen wird,
...
Protokollnotizen:
...
2. Öffentlicher Dienst i.S. des ..., des Abs. 4
Nr. 1 ... ist eine Beschäftigung
a) beim Bund, bei einem Land, bei einer Ge-
meinde oder bei einem Gemeindeverband oder
bei einem sonstigen Mitglied eines Arbeit-
geberverbandes, der der Vereinigung der
kommunalen Arbeitgeberverbände angehört,
b) bei einer Körperschaft, Stiftung oder An-
stalt des öffentlichen Rechts, die den BAT
oder einen Tarifvertrag wesentlichen glei-
chen Inhalts anwendet.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe eine Zuwendung gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 ZuwendungsTV-KF in Höhe eines Bruttogehaltes zu, weil ihre Tätigkeit bei der Forschungsgesellschaft mit ihren öffentlich-rechtlichen Trägern und der Finanzierung aus öffentlichen Mitteln eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst darstelle. Dies ergebe sich auch aus dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 31. Januar 1983 (D II 4-221 293 -7/53-GMBl. 1983 S. 88) zu § 29 Abs. 3 BBesG und aus dem Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 1983 (B 4125-1.6.2 -IV 1-MBl NW. 1983 S. 1162). Aus diesem folge, daß bei einem unmittelbarem Übertritt zu diesen Forschungseinrichtungen außerhalb des öffentlichen Dienstes eine Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV vom 12. Oktober 1973 zu zahlen sei, weil diese privatrechtlichen Forschungseinrichtungen einem Arbeitgeber im öffentlichen Dienst gleichgestellt würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.335,80 DM
brutto nebst 4 % Zinsen ab dem 16. April 1993 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I. Die Klägerin hat für das Kalenderjahr 1992 keinen Anspruch auf eine Zuwendung nach § 1 des ZuwendungsTV-KF. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 ZuwendungsTV-KF besteht dieser Anspruch nur, wenn der Angestellte nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres auf eigenen Wunsch ausscheidet. Die Klägerin hat ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten jedoch selbst zum 31. Dezember 1992 gekündigt und ist damit auf eigenen Wunsch vor dem 31. März 1993 bei der Beklagten ausgeschieden (vgl. BAG Urteil vom 11. Januar 1995 - 10 AZR 180/94 - n.v.).
2. Entgegen der Auffassung der Revision besteht auch gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 ZuwendungsTV-KF kein Anspruch auf eine Zuwendung. Danach wird in den Fällen des Abs. 1 Nr. 3 die Zuwendung auch gezahlt, wenn der Angestellte in unmittelbarem Anschluß an sein Arbeitsverhältnis von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes als Angestellter übernommen wird. Die Auslegung dieser Tarifnorm ergibt, daß die Forschungsgesellschaft für A e.V., von der die Klägerin im unmittelbaren Anschluß an ihr Arbeitsverhältnis zur Beklagten ab dem 1. Januar 1993 als Angestellte übernommen worden ist, kein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes i.S. des § 1 Abs. 4 Nr. 1 ZuwendungsTV-KF ist.
a) Nach der zu dieser Tarifregelung vereinbarten Protokollnotiz Nr. 2 wird der Begriff "öffentlicher Dienst" dahin bestimmt, daß eine Beschäftigung vorliegen muß a) beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder bei einem Gemeindeverband oder bei einem sonstigen Mitglied des Arbeitgeberverbandes, der der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände angehört, oder b) bei einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts, die den BAT oder einen Tarifvertrag wesentlichen gleichen Inhalts anwendet. Mit dieser tariflichen Bestimmung des Begriffs "Beschäftigung im öffentlichen Dienst" durch die Protokollnotiz Nr. 2 haben die Tarifvertragsparteien abschließend festgelegt, von welchem Arbeitgeber der Angestellte unmittelbar übernommen werden muß, damit der Anspruch auf die Zuwendung bei einem Arbeitgeberwechsel erhalten bleibt (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1990 - 6 AZR 268/89 -, BAGE 66, 323 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag).
b) Die Forschungsgesellschaft für A e.V. wird in Form eines privatrechtlichen Vereins betrieben und unterfällt damit vom Wortlaut her nicht dieser Bestimmung. Die Beschäftigung bei einem in einer privatrechtlichen Rechtsform organisierten Arbeitgeber gilt nach der Protokollnotiz Nr. 2 nicht als Beschäftigung im öffentlichen Dienst, weil es sich weder um eine der in Nr. 2 a) der Protokollnotiz genannten Gebietskörperschaften noch um eine sonstige Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes i.S. der Nr. 2 b) der Protokollnotiz handelt.
c) Entgegen der Auffassung der Revision kann eine weitergehende Anwendung dieser Tarifnorm auf privatrechtlich organisierte Arbeitgeber, wie sie die Forschungsgesellschaft darstellt, auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Tarifregelung hergeleitet werden. Die Tarifvertragsparteien haben bewußt darauf abgestellt, daß die Beschäftigung in unmittelbarem Anschluß an das bisherige Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes erfolgen muß. Mit der Differenzierung zwischen einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und außerhalb des öffentlichen Dienstes haben die Tarifvertragsparteien dem Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes Rechnung getragen, indem sie einen Anspruch auf Zuwendung gegen den bisherigen Arbeitgeber auch dann gewähren, wenn das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst fortgesetzt wird (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1990, aaO, m.w.N.). Dieser Gedanke der Einheit des öffentlichen Dienstes trägt jedoch dann nicht, wenn der Angestellte zu einem privatrechtlich organisierten Arbeitgeber wechselt. Hier handelt es sich um einen Arbeitgeberwechsel, der gerade nicht von der Einheit des öffentlichen Dienstes umfaßt wird, auch wenn der private Arbeitgeber öffentliches Dienstrecht anwendet (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1983 - 5 AZR 5/82 - n.v.).
Auch der Umstand, daß an der Forschungsgesellschaft ausschließlich öffentlich-rechtliche Institutionen beteiligt sind und sie aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, vermag den von den Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz abschließend definierten Begriff der Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht zu erfüllen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz Nr. 2 anders als z.B. in § 29 B Abs. 7 Satz 3 BAT keine Gleichstellung mit der Tätigkeit im öffentlichen Dienst vorgenommen, wenn ein privatrechtlich organisierter Arbeitgeber die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge oder sonstige dem öffentlichen Dienstrecht vergleichbare Regelungen anwendet oder Körperschaften des öffentlichen Rechts durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in sonstiger Weise an ihm beteiligt sind. Daraus, daß eine Gleichstellung der Beschäftigung im öffentlichen Dienst mit einer Tätigkeit im Dienst eines sonstigen Arbeitgebers i.S. des § 1 Abs. 4 Nr. 1 ZuwendungsTV-KF von den Tarifvertragsparteien gerade nicht vorgenommen worden ist, muß entnommen werden, daß die Tätigkeit im Dienste eines sonstigen Arbeitgebers nicht unter eine Beschäftigung bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes fällt. Schließlich läßt sich auch entgegen der Ansicht der Revision aus dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 31. Januar 1983 (D II 4 - 221 293-7/53-GMBl. 1983 S. 88) zu § 29 Abs. 3 BBesG und aus dem Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 1983 (B 4125 - 1.6.2 IV 1) kein entgegengesetzter Wille der Tarifvertragsparteien herleiten. Zwar werden in dem Rundschreiben und dem Runderlaß im Ergebnis nicht-öffentlich-rechtliche Forschungseinrichtungen dem öffentlichen Dienst gleichgestellt und damit ein Anspruch auf Zuwendung nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungstarifvertrag gewährt. An diese Regelungen ist die Beklagte nicht gebunden. Das Rundschreiben des Bundesministers des Innern gilt schon deswegen nicht, weil § 29 Abs. 3 BBesG mit Wirkung vom 1. Januar 1990 durch das Fünfte Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990 (BGBl. I S. 967) ersatzlos gestrichen worden ist. Der Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen verpflichtet darüber hinaus nur die seinem Geschäftsbereich unterstehenden Einrichtungen, eine Tätigkeit bei den genannten privaten Forschungseinrichtungen wie eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zu behandeln. Die Beklagte als Stiftung der Evangelischen Kirche unterfällt dieser Anordnung jedoch nicht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Matthes Hauck Böck
Lindemann Paul
Fundstellen
NZA 1996, 990 |
NZA 1996, 990-991 (LT1) |
RdA 1996, 263 (L1) |
AP § 611 BGB Kirchendienst (LT1), Nr 23 |
AP Nr 16 zu §§ 22, Zuwendungs-TV (L1) |
AR-Blattei, ES 960 Nr 55 (LT1) |
ArbuR 1996, 277 (L1) |
EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer, Nr 42 (LT1) |
EzBAT, TV-Zuwendung Nr 33 (LT1) |