Entscheidungsstichwort (Thema)

Untertagedienst eines Bergmannsversorgungsscheininhabers und VBL

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage in welchem Umfang Untertagedienstzeiten eines Bergmannsversorgungsscheininhabers bei der VBL-Versorgung zur berücksichtigen sind.

2. Auslegung des § 2 des Tarifvertrages über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer der Länder vom 31.7.1955/4.2.1957 und des § 5 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 4.11.1966.

 

Normenkette

TVG § 1; BAT § 46; BergVSG NW § 9 Fassung 1971-04-14; BergVSG NW § 9 Fassung 1983-12-20; BergVSG NW § 9 Fassung 1948-07-10; BergVSG NW § 9 Fassung 1954-06-14

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 13.01.1987; Aktenzeichen 6 Sa 1413/86)

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 13.05.1986; Aktenzeichen 2 Ca 161/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, in welchem Umfang Untertagedienstzeiten eines Bergmannsversorgungsscheininhabers bei der VBL-Versorgung zu berücksichtigen sind.

Der im Jahre 1925 geborene Kläger war in der Zeit vom 14. Oktober 1947 bis zum 15. Mai 1948 und vom 4. September 1950 bis zum 15. Juni 1955 im Lande Nordrhein-Westfalen im Bergbau unter Tage beschäftigt. Er ist Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheines. Am 1. Juli 1962 trat er in die Dienste des beklagten Landes bei der Z in G. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in seiner jeweiligen Fassung und den diesen ergänzenden Tarifverträgen. Während seiner Beschäftigung war der Kläger bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zusatzversichert. Am 31. März 1985 trat er in den Ruhestand. Seit dem 1. April 1985 bezieht er Knappschaftsrente und von der VBL eine Versorgungsrente von zunächst 1.171,22 DM und seit dem 1. Juli 1985 von 1.113,24 DM. Bei der Ermittlung der Versorgungsrente legte die VBL lediglich die Zeiten voll zugrunde, für die Beiträge und Umlagen entrichtet wurden. Die Beschäftigungszeit als Bergmann berücksichtigte sie zur Hälfte. Insgesamt berücksichtigte sie auf diese Weise 34 Jahre der gesamtversorgungsfähigen Zeit.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß gemäß § 9 Abs. 3 des Gesetzes über einen Bergmannsversorgungsschein im Land Nordrhein-Westfalen die unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten voll berücksichtigt werden müssen. Er hätte alsdann die Höchstgrenze der gesamtversorgungsfähigen Zeit von 35 Jahren erreicht. Seine Versorgungsrente wäre dann von April bis Dezember 1985 monatlich um 41,96 DM höher ausgefallen. Er hat zunächst versucht, im Schiedsverfahren gegen die VBL den Unterschiedsbetrag durchzusetzen. Das Oberschiedsgericht der VBL hat durch Schiedsspruch vom 9. Mai 1985 - OS 22/84 - die Ansprüche abgelehnt. Darauf hat der Kläger von dem beklagten Land verlangt, für die Berücksichtigung seiner Vordienstzeiten einzustehen.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, daß das beklagte Land

verpflichtet ist, ihm eine Zusatzver-

sorgung zu gewähren, bei der seine in

dem Bergmannsversorgungsschein dokumen-

tierten früheren Untertagezeiten als

gesamtversorgungsfähige Dienstzeiten im

Sinne der Satzung der VBL in voller Hö-

he behandelt werden;

2. das beklagte Land zu verurteilen, an ihn

für die Monate April 1985 bis Dezember

1985 einen Unterschiedsbetrag von 377,64

DM zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, der Klageantrag zu 1. sei unzulässig, da der Kläger neben der Leistungsklage kein besonderes Feststellungsinteresse habe. Im übrigen habe der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner Vordienstzeiten, zumindest brauche es für diese Forderung nicht einzustehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision, mit der es seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die unter Tage verbrachten Vordienstzeiten bei der Berechnung der Zusatzversorgung in vollem Umfang berücksichtigt werden.

I. Die Feststellungsklage ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZP0 zulässig.

II. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land kein Anspruch auf Versicherung der unter Tage verbrachten Dienstzeiten zu.

1. Das beklagte Land hat die sich aus den Versorgungstarifverträgen ergebenden Verpflichtungen erfüllt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß sich das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag und den ihn ergänzenden Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung richtet. Nach § 46 BAT in der Fassung vom 23. Februar 1961, der bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses galt, hat der Kläger Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages.

b) Sowohl nach dem Tarifvertrag über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer der Länder vom 31. Juli 1955/4. Februar 1957 (VersTV 1955/57) als auch nach dem diesen Tarifvertrag ablösenden Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 4. November 1966 (VersTV 1966) mit späteren Änderungen hat der Kläger allein Anspruch auf Abschluß einer Versicherung bei der VBL mit Begründung seines Arbeitsverhältnisses. Nach § 2 VersTV 1955/57 m. spät. Änd. waren Arbeitnehmer nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen bei der VBL zu versichern, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben und jährlich mindestens 1.115 Stunden beschäftigt sind. Nach § 5 VersTV 1966, der nach seinem zeitlichen Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis des Klägers ab 1. Januar 1967 erfaßt und zuletzt für den Kläger in der Fassung vom 21. Februar 1984 gegolten hat, ist ein Arbeitnehmer bei der VBL nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern, wenn er das 17. Lebensjahr vollendet hat und die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten beträgt, sofern die Wartezeit nach der Satzung der VBL noch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres vollendet werden kann. In beiden Fällen ist für den Beginn der Versicherungspflicht auf die Satzung der VBL abzustellen. Nach § 25 der bis zum 31. Dezember 1966 geltenden VBL-Satzung beginnt die Versicherung mit dem Eintritt der Pflichtversicherungsvoraussetzungen und nach § 26 VBL- Satzung in der ab 1. Januar 1967 geltenden Fassung beginnt die Versicherung mit dem Zeitpunkt, der auf der Anmeldung als Versicherungsbeginn angegeben ist, jedoch nicht vor Beginn des Zeitraums, für den Beiträge entrichtet worden sind. Auch in der Folgezeit hat sich hieran nichts geändert. Durch Beschluß des Verwaltungsrats der VBL vom 3. März 1977 ist ab 1. Juli 1978 nicht mehr auf Beiträge, sondern auf Umlagen abzustellen, da inzwischen die Beitragspflicht entfallen war.

Diese Verpflichtung hat das beklagte Land erfüllt.

2. Weitergehende Verpflichtungen ergeben sich nicht aus § 9 Abs. 2 BVSG NW.

a) Das Gesetz über einen Bergmannsversorgungsschein im Land Nordrhein-Westfalen (Bergmannsversorgungsscheingesetz - BVSG NW) ist wegen der Anrechnung von Vordienstzeiten wiederholt geändert worden. § 9 Abs. 3 BVSG NW vom 10. Juli 1948 in der Fassung vom 14. Juni 1954 (GV NW, 215) sah allein vor, daß im neuen Beschäftigungsbetrieb bei der Bemessung des Urlaubs und des Tariflohns die im Bergbau unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten den Inhabern eines Bergmannsversorgungsscheins als gleichwertige Berufsjahre anzurechnen sind. Bei Begründung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bestand mithin nur eine eingeschränkte Anrechnungsverpflichtung. Seit dem Inkrafttreten von § 9 Abs. 3 BVSG in der Fassung vom 14. April 1971 (GV NW, 124) sind im neuen Beschäftigungsbetrieb bei der Bemessung des Urlaubs, des Tariflohns und sonstiger Leistungen und Zuwendungen die im Bergbau unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten den Inhabern eines Bergmannsversorgungsscheins als gleichwertige Berufsjahre oder als gleichwertige Zeiten der Betriebszugehörigkeit anzurechnen. Diese Rechtslage ist auch durch § 9 Abs. 3 BVSG NW in der Fassung vom 20. Dezember 1983 (GV NW, 635) nicht mehr geändert worden.

b) Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind zwar "sonstige Leistungen" im Sinne von § 9 Abs. 3 BVSG NW. Der Arbeitgeber braucht die unter Tage verbrachten Zeiten eines Bergmannsversorgungsscheininhabers bei der Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung jedoch nur zu berücksichtigen, wenn die Entstehung oder die Höhe eines Versorgungsanspruchs von der Dauer der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit abhängt (vgl. BAG Urteil des Senats vom 26. Oktober 1978 - 3 AZR 604/77 - AP Nr. 15 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW; BAGE 46, 25, 31 = AP Nr. 23, aa0). Die Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Zusatzversicherung für den Arbeitnehmer abzuschließen und vom tatsächlich erzielten Verdienst Beiträge oder Umlagen abzuführen, hängt nicht von der Dauer der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit ab. Die Dauer der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit hat auf die Entstehung dieser Verpflichtungen keinen Einfluß. Die Verpflichtung knüpft an andere Tatbestandsmerkmale als an die der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit.

Aus dem Zweck des Bergmannsversorgungsscheingesetzes Nordrhein-Westfalen läßt sich eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Verpflichtung des Arbeitgebers nicht herleiten. Zwar sollen durch die Berücksichtigung von Untertagedienstzeiten in Folgearbeitsverhältnissen für die an der Gesundheit geschädigten Arbeitnehmer Anreize geschaffen werden, aus dem Bergbau abzukehren und eine Beschäftigung in der übrigen Wirtschaft zu suchen. Die Verpflichtung der Folgearbeitgeber kann aber nicht so weit gehen, den Inhabern eines Bergmannsversorgungsscheins Ansprüche zu verschaffen, die gegenüber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern nicht bestehen, und die nicht von der Dauer der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit abhängen.

In einem ähnlich gelagerten Fall ist der Senat allerdings davon ausgegangen, daß der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zur Anrechnung von Bergbauzeiten bei Berechnung der Versorgungsleistungen verpflichtet ist. Er hat einem Landesarbeitsgericht aufgegeben zu ermitteln, in welchem Umfang ein weiterer Folgearbeitgeber Versorgungsleistungen des Landes Nordrhein-Westfalen oder der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder bei Berechnung der Ruhegeldleistungen berücksichtigen darf (vgl. BAGE 46, 25, 34 = AP Nr. 23 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW, zu III 2 c der Gründe). An dieser Rechtsprechung kann der Senat nicht mehr festhalten. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung knüpfen zwar häufig an die Dauer der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit an. Bei der Verschaffung von Leistungen durch die VBL ist dies aber gerade nicht der Fall. Das hat der Senat in der erwähnten Entscheidung und in dem angegebenen Zusammenhang übersehen.

III. Das beklagte Land ist auch nicht verpflichtet, die Gewährleistung dafür zu übernehmen, daß die VBL die unter Tage verbrachten Dienstzeiten versichert. Zur Versicherung der unter Tage verbrachten Dienstzeiten ist die VBL nicht verpflichtet, so daß es auf die Möglichkeiten der Gewährleistung nicht mehr ankommt.

Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst erfolgt im Wege privat-rechtlicher Versicherung durch Abschluß von Versicherungsverträgen durch den Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmer und deren Hinterbliebenen (§ 2 VBL-Satzung). Nach Eintritt eines Versorgungsfalles wird eine Gesamtversorgung auf der Grundlage der gesamtversorgungsfähigen Zeit und des gesamtversorgungsfähigen Entgelts gezahlt (§ 41 Abs. 1 VBL-Satzung). Gesamtversorgungsfähige Zeiten sind die bis zum Beginn der Versorgungsrente zurückgelegten Beitrags- und Umlagemonate (§ 42 Abs. 1 VBL-Satzung). Umlagemonate sind solche Zeiten der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers, in denen der Arbeitgeber eine monatliche Umlage nach Maßgabe des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes des versicherten Arbeitnehmers zu zahlen hat (§ 29 Abs. 1 VBL-Satzung). Im Rahmen der gesamtversorgungsfähigen Zeit sind bei einem Versorgungsrentenberechtigten, der eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält, solche Zeiten zu berücksichtigen, die der Ermittlung der in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechneten Versicherungsjahre einschließlich der Zuschlagszeiten zugrunde liegen (§ 42 Abs. 2 lit. a VBL-Satzung). Insoweit erfolgt die Berücksichtigung zur Hälfte. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Zusatzversorgungsrente des Klägers nach diesen Grundsätzen berechnet worden ist.

Die VBL ist durch § 9 Abs. 3 BVSG NW in den verschiedenen Fassungen nicht gezwungen, unter Tage verbrachte Vordienstzeiten zu berücksichtigen. Auf sie ist § 9 Abs. 3 BVSG NW nicht anzuwenden, da sie nicht Arbeitgeber des Versorgungsberechtigten, sondern sein Versicherer ist.

Dr. Heither Schaub Griebeling

Fieberg Arntzen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438471

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