Leitsatz (redaktionell)
Nach § 17 Abs 5 BAT sind Überstunden grundsätzlich in Freizeit abzugelten, und zwar bis zum Ende des folgenden Monats. Danach hat der Angestellte Anspruch auf Überstundenvergütung. Auch kann der Arbeitgeber mit befreiender Wirkung bezahlte Freizeit gewähren, wenn der Angestellte damit einverstanden ist.
Normenkette
BGB §§ 363-364; TVG § 4 Abs. 3; BAT § 15 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 35 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 30.08.1979; Aktenzeichen 9/2 Sa 767/78) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.06.1978; Aktenzeichen 12 Ca 417/77) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 1. November 1974 als Aufseher in der Justizvollzugsanstalt F Zweigstelle O tätig. Für das Arbeitsverhältnis gilt aufgrund Vereinbarung im Arbeitsvertrag der Bundes-Angestelltentarifvertrag. Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang der Kläger in den Jahren 1976 bis 1978 Überstunden geleistet hat und welche Überstundenvergütung ihm dafür zusteht.
Die Arbeit der Bediensteten im Justizvollzugsdienst des beklagten Landes wird nach näherer Bestimmung durch Dienstpläne im Schichtdienst geleistet. Es wird wechselweise im Frühdienst, Spätdienst, Zwischendienst und Nachtdienst gearbeitet. Außerdem ist Sonntags- und Feiertagsdienst zu leisten. Bis zum 30. November 1976 wurden Arbeitsstunden, die 40 Stunden in der Woche überschritten, als Überstunden mit 125 % des Stundensatzes vergütet. Wurden Überstunden innerhalb eines Monats durch Freizeit abgegolten, so wurde nur der Überstundenzuschlag von 25 % des Stundensatzes gezahlt. Vom 1. Dezember 1976 an änderte das beklagte Land die Abrechnungsweise. Zwar wurde der monatliche Abrechnungsturnus beibehalten, jedoch wurden nunmehr nur solche Arbeitsstunden als Überstunden vergütet, welche die im Dienstplan festgesetzte wöchentliche Arbeitszeit überschritten und für die innerhalb des laufenden Monats kein Freizeitausgleich gewährt wurde.
Der Kläger hat vorgetragen, das beklagte Land müsse die bis zum 30. November 1976 geübte Abrechnungspraxis beibehalten und Überstundenvergütung für die Arbeitszeit zahlen, die 40 Sollarbeitsstunden pro Woche überschreitet. Werde nicht binnen eines Monats Freizeitausgleich gewährt, so sei eine Überstundenvergütung von 125 % des Grundlohns zu zahlen. Das beklagte Land dürfe auch nicht Überstunden vor sich herschieben, um sie irgendwann einmal durch Freizeit auszugleichen. Schließlich dürfe es nicht die Dienstpläne dazu mißbrauchen, wöchentlich von Fall zu Fall Überarbeit anzuordnen.
Im einzelnen hat der Kläger folgende Ansprüche geltend gemacht:
1. Von November 1976 bis Ende Februar 1977 habe er 15 dienstplanmäßig angeordnete Überstunden geleistet. Dafür habe er nur den Lohnzuschlag von 25 % des Grundlohns erhalten. Da er aber innerhalb der tariflich vorgeschriebenen Frist von acht Wochen keinen Freizeitausgleich erhalten habe, stehe ihm auch die Grundvergütung von 9,05 DM pro Stunde, zusammen also ein Betrag von (15 X 9,05 DM =) 135,75 DM zu.
2. Im Juni 1977 habe er - dies wurde vor dem Senat unstreitig gestellt - 24 Überstunden geleistet. Dafür habe er im Juli 1977 Freizeitausgleich erhalten. Das beklagte Land schulde aber noch den Überstundenzuschlag von 2,38 DM die Stunde, also (24 X 2,38 DM =) 57,12 DM.
3. Im Oktober 1977 habe er 23 Überstunden geleistet und dafür weder Freizeitausgleich noch Lohn nebst Überstundenzuschlag erhalten. Die Beklagte schulde noch 125 % des Grundlohns, zusammen 273,70 DM.
4. Im November 1977 habe er 18 Überstunden ohne Freizeitausgleich geleistet und dafür ebenfalls weder Grundlohn noch Überstundenzuschlag erhalten. Das beklagte Land schulde mithin noch 214,20 DM.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 680,77 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1. Januar 1978 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, bis zum 30. November 1976 seien die Überstunden fast ausnahmslos durch Überstundenvergütung abgegolten worden, da von vornherein festgestanden habe, daß ein Ausgleich durch Arbeitsbefreiung nicht möglich sein werde. Erst seit Dezember 1976 sei dies durch eine Stellenvermehrung und die Besetzung freier Stellen geändert worden. Da die Arbeit im Justizvollzug starken Schwankungen unterliege, müsse die regelmäßige Arbeitszeit durch Dienstplan festgesetzt werden. Eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden müsse aber erst in einer Frist von acht Wochen erreicht werden. Überarbeit entstehe nur, wenn die dienstplanmäßige Arbeitszeit einer Woche - infolge unvorhergesehener Personalausfälle - überschritten werden müsse.
Zu den einzelnen Ansprüchen hat das beklagte Land erwidert:
1. Die Überstunden aus der Zeit von Dezember 1976 bis Februar 1977 seien deshalb erst im Frühjahr 1977 abgegolten worden, weil der Kläger im Januar und Februar 1977 wegen Krankheit und Urlaubs nicht gearbeitet habe. Der Kläger habe teils Freizeitabgeltung und teils die Grundvergütung zuzüglich des Überstundenzuschlages erhalten.
2. Für Juni 1977 stehe dem Kläger nur der Zeitzuschlag für vier dienstplanmäßige, durch Freizeit ausgeglichene Überstunden zu. Der Anspruch sei daher nur in Höhe von (4 X 2,38 DM =) 9,52 DM begründet.
3. Für die Zeit bis 23. Oktober 1977 habe der Kläger bei 24 Überstunden für 19 Überstunden Lohn nebst Zuschlag erhalten. Geschuldet werde nur noch der Grundlohn für fünf Stunden, also (5 X 11,90 DM =) 59,50 DM.
4. In der Zeit vom 24. Oktober bis 18. Dezember 1977 habe der Kläger zwei Überstunden geleistet, die durch Freizeit ausgeglichen seien. Geschuldet werde nur noch der Zuschlag von (2 X 2,55 DM =) 5,10 DM.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in voller Höhe stattgegeben. Mit der Berufung hat das beklagte Land dieses Urteil nur angefochten, soweit es zur Zahlung von mehr als 74,17 DM verurteilt worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zur Zahlung weiterer 430,39 DM verurteilt und die Klage in Höhe von 176,21 DM abgewiesen. Insoweit verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet.
1. Für Überstunden in der Zeit vom Dezember 1976 bis Februar 1977 hat der Kläger keine Restansprüche.
a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers für diese Zeit verneint. Es hat angenommen, der Kläger habe zwar 15 in den Dienstplänen nicht vorgesehene Überstunden geleistet, dafür aber auch Freizeitausgleich nebst Überstundenzuschlag von 25 % der Grundvergütung erhalten. Den verspätet gewährten Freizeitausgleich habe der Kläger an Erfüllungs Statt angenommen. Der Anspruch auf Abgeltung durch Bezahlung sei daher erloschen.
Die Revision rügt Verletzung des § 17 Abs. 5 BAT, wonach Überstunden "grundsätzlich" bis zum Ende des nächsten Kalendermonats durch Freizeit auszugleichen sind. Der Zahlungsanspruch sei dadurch entstanden, daß der Freizeitausgleich nicht rechtzeitig gewährt worden sei. Die §§ 363, 364 BGB seien nicht anwendbar. Es fehle an einem entsprechenden Angebot des beklagten Landes. Die Auffassung des Berufungsgerichts führe dazu, daß der eigentlich zu gewährende Freizeitausgleich an die Stelle des nur ersatzweise zu gewährenden Geldausgleichs trete.
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Dabei kann unterstellt werden, daß das beklagte Land gehalten war, dem Kläger nach Ablauf der in § 17 Abs. 5 BAT genannten Frist einen Ausgleich in Geld zu gewähren und daß insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen vorlagen. In diesem Falle hat das beklagte Land dem Kläger eine andere als die geschuldete Leistung angeboten, nämlich Freizeitausgleich; der Kläger hat diese Leistung angenommen; das beklagte Land hat sie gewährt. Diese Art des Ausgleichs erfüllt die Voraussetzungen des § 364 BGB. Der Kläger hat der Tilgung seines Anspruchs auf Geldausgleich zugestimmt, indem er den Freizeitausgleich nebst Überstundenzuschlag annahm.
§ 17 Abs. 5 BAT steht dem entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen. Der Tarifvertrag sieht allerdings grundsätzlich einen Freizeitausgleich für Überstunden vor. Wird diese Form des Ausgleichs nicht oder nicht rechtzeitig gewährt, so sind die Parteien des Arbeitsverhältnisses gleichwohl nicht gehindert, anstatt des dann entstehenden Anspruchs auf Geldausgleich nachträglich einen Freizeitausgleich zu vereinbaren. Auch § 4 Abs. 3 TVG steht einer solchen einvernehmlichen Regelung nicht entgegen. § 17 Abs. 5 BAT macht deutlich, daß die Tarifvertragsparteien den Freizeitausgleich nicht geringer, sondern höher bewertet haben als den Geldausgleich.
Zudem ist das Begehren des Klägers auf eine doppelte Vergütung gerichtet. Er will zu dem bezahlten Freizeitausgleich, den er erhalten hat, nochmals Bezahlung für dieselbe Zeit mit 100 % des Stundensatzes erreichen. Wenn der Kläger die Freistellung nach Ablauf der Ausgleichsfrist des § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT nicht wünschte, so hätte er diese Form des Ausgleichs seiner Überstunden ablehnen müssen. Ein doppelter Ausgleich steht ihm nicht zu.
2. Für Überstunden im Juni 1977 kann der Kläger noch 57,12 DM beanspruchen.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Zuschlags sei wegen sieben Stunden begründet. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes könnten diese sieben Stunden nicht mit einer "Leistungsschuld" aus dem Monat April 1977 belegt werden. Den Zuschlag für weitere vier Stunden habe das beklagte Land anerkannt. Darüber hinaus stehe dem KLäger kein Überstundenzuschlag zu. Der Kläger habe insoweit für den Feiertagsdienst an Fronleichnam und am 17. Juni 1977 eine Vergütung von 135 % des Stundensatzes erhalten. Ein zusätzlicher Überstundenzuschlag sei nur zu zahlen, wenn die Feiertagsarbeit dienstplanmäßig nicht vorgesehen gewesen sei, der Kläger sei aber im Dienstplan eingeteilt gewesen. Da die dienstplanmäßige Arbeitszeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT erst binnen einer Frist von acht Wochen auf eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich zurückgeführt werden müsse, könnten, wenn ein Durchschnitt von 40 Wochenstunden überschritten werde, die Überstunden nicht bestimmten Tagen, etwa Wochenfeiertagen, zugerechnet werden, sondern seien das rein rechnerische Ergebnis bei der Ermittlung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit nach Ablauf des Ausgleichszeitraums gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT.
b) Der Senat kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, konnte sich das beklagte Land nicht rückwirkend von seiner Verwaltungspraxis lösen, eine für die Arbeitnehmer günstigere Berechnung der wöchentlichen Durchschnittsarbeitszeit vorzunehmen. Das beklagte Land rechnete den Bediensteten der Justizvollzugsanstalt F in Abweichung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT bereits dann Überstunden an, wenn eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nicht bis zum Ende des laufenden Monats Monats herbeigeführt werden konnte. Dann aber konnte nach Ablauf des betreffenden Monats auch ein Ausgleich nicht mehr stattfinden. Demzufolge fielen, auch für den Kläger, bereits mit Ablauf des Monats Juni 1977 dienstplanmäßige Überstunden an, für die der Zuschlag zu zahlen war.
Das beklagte Land muß daher dem Kläger 24 Überstunden aus dem Monat Juni 1977 mit dem tariflich vorgeschriebenen Zuschlag abgelten. Ein Ausgleich mit der Minderarbeit im Juli 1977 kann nicht stattfinden.
Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob die Überstunden auf Wochenfeiertage fielen. Die Überstunden sind, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, reine Rechnungsposten, die sich aus der nicht rechtzeitigen Zurückführung der Wochenarbeitszeit auf durchschnittlich 40 Wochenstunden ergeben. Daher erscheint es nur folgerichtig, daß sich nach § 35 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT Feiertags- und Überstundenzuschläge nicht ausschließen.
3. Den Ansprüchen auf Überstundenvergütung für die Monate Oktober und November 1977 hat das Berufungsgericht rechtskräftig stattgegeben (273,70 DM und 214,20 DM). Sie sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens in der Revisionsinstanz.
Hiernach stehen dem Kläger folgende Ansprüche zu:
a) Überstundenzuschlag (25 %) für Juni 1977 57,12 DM
b) Überstundenvergütung (125 %) für
Oktober 1977 273,70 DM
c) Überstundenvergütung (125 %) für
November 1977 214,20 DM
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545,02 DM
Dem Kläger steht dagegen die Überstundenvergütung für die Monate Dezember 1976 bis Februar 1977 in Höhe von 135,75 DM nicht zu.
Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, daß das beklagte Land dem Kläger zusätzlich zu dem im Tenor genannten Betrag von 470,85 DM weitere 74,17 DM (zusammen 545,02 DM) schuldet, die nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits waren, nachdem das beklagte Land insoweit den Anspruch anerkannt hat. Dieser Betrag von 74,17 DM ist bereits in der Entscheidungsformel des Urteils des Landesarbeitsgerichts nicht mehr genannt.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling Engel Falkenstein
Fundstellen
Haufe-Index 438327 |
AP § 17 BAT (Leitsatz 1 und Gründe), Nr 8 |
EzBAT § 17 BAT, Nr 4 (Leitsatz und Gründe) |