Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisekostenvergütung. Monatliche Pauschale. Tarifauslegung. Tarifrecht. Tarifrecht öffentl. Dienst
Orientierungssatz
- Auf die Bestimmung in Nr. 10 der Sonderregelungen für Straßenbauarbeiter nach § 2 Abschn. B Abs. 1 Buchst. a (SR 2a MTArb), nach der die Höhe einer dem Arbeitnehmer zustehenden monatlichen Reisekostenpauschale ein Vielfaches (hier: das Fünffache) des vollen Tagegeldes der Reisekostenstufe A nach dem Bundesreisekostengesetz beträgt, kann für Straßenwärter in Niedersachsen nach der mit Wirkung zum 1. Januar 1997 erfolgten Änderung des § 9 BRKG ein Anspruch nicht mehr gestützt werden.
- Durch das in diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Jahressteuergesetz 1997 wurde die Regelung über Reisekostenstufen und damit auch über die Reisekostenstufe A ersatzlos aus dem Bundesreisekostengesetz gestrichen. Die dadurch entstandene Tariflücke können die Gerichte für Arbeitssachen nicht schließen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2; TVG § 1 Auslegung
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 11. Juni 1999 – 16 Sa 287/99 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben als die Klage auch in Höhe von 109,81 DM abgewiesen wurde.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen (Ems) vom 10. Dezember 1998 – 1 Ca 282/98 – abgeändert und im Leistungsausspruch wie folgt neu gefaßt:
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 196,56 DM zu zahlen.
- Im übrigen werden die Revision des beklagten Landes und die Revision des Klägers zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 9/10, das beklagte Land 1/10.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine pauschale Reisekostenvergütung des Klägers ab dem 1. Januar 1997.
Der Kläger ist seit dem 1. März 1982 bei dem beklagten Land als Straßenwärter beim Straßenbauamt L. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom 6. Dezember 1995, gültig ab dem 1. März 1996 (MTArb), Anwendung. § 38 MTArb lautet auszugsweise wie folgt:
“Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen und Dienstgängen
(1) Für die Erstattung von
a) Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge (Reisekostenvergütung),
…
sind die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen … sinngemäß anzuwenden …”
Nr. 10 SR 2a zu § 38 MTArb lautet auszugsweise:
“Zu § 38 – Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen und Dienstgängen
(1) Der Arbeiter erhält ein Wegegeld für jeden Tag, an dem
a) eine Rückkehr an den Wohnort möglich ist,
b) der Weg in den Fällen der Nr. 4 Abs. 2 Buchst. a zur Wärterstrecke, im übrigen zum Sammelplatz oder zum Arbeitsplatz außerhalb der Arbeitszeit zurückgelegt wird und
c) die kürzeste befahrbare Wegstrecke von der Mitte des Wohnortes in den Fällen der Nr. 4 Abs. 2 Buchst. a bis zur Wärterstrecke, im übrigen bis zum Sammelplatz oder Arbeitsplatz 5 km überschreitet.
…
(2) …
Neben dem Wegegeld wird Reisekostenentschädigung nicht gewährt.
…
(4) Der Arbeiter erhält für jeden Tag, an dem sein Arbeitsplatz so weit von seiner Wohnung entfernt ist, daß er das Mittagessen nicht zu Hause einnehmen kann und die Überbringung an den Arbeitsplatz nicht zumutbar ist, ein Zehrgeld von 4,49 DM.
…
(6) Die Ansprüche der ständigen Lastkraftwagenfahrer, der ständigen Beifahrer, der ständigen Bedienungsmannschaften wandernder maschineller Geräte, der ständigen Angehörigen von Unterhaltungstrupps (Kolonnenarbeiter), der Streckenwarte (Verkehrssicherheitswarte, motorisierten Straßenwarte), der ständigen Baumwarte, der ständigen Bauaufseher sowie der ständigen Meßgehilfen auf Reisekostenvergütungen für Dienstreisen und Dienstfahrten einschließlich Zehrgeld werden durch eine monatliche Pauschvergütung abgegolten. Die Pauschvergütung beträgt das Fünffache des vollen Tagegeldes der Reisekostenstufe A…, im Lande Hessen der Reisekostenstufe II. … Daneben wird Wegegeld nach den Absätzen 1 und 2 gezahlt. Wird aus dienstlichen Gründen eine Übernachtung erforderlich, wird daneben das Übernachtungsgeld nach den Reisekostenvorschriften gezahlt.…”
Nach diesen Bestimmungen zahlte das beklagte Land dem Kläger bis zum 31. Dezember 1996 eine monatliche Pauschalvergütung in Höhe des fünffachen Betrages des vollen Tagegeldes der Reisekostenstufe A…. Dies war nach § 9 Bundesreisekostengesetz (BRKG) ein Betrag von 125,00 DM. § 9 BRKG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung lautete auszugsweise wie folgt:
Ҥ 9
Tagegeld
(1) Das Tagegeld beträgt für eine Dienstreise, die nicht mehr als einen vollen Kalendertag beansprucht, in
Reisekostenstufe A 25,00 DM
Reisekostenstufe B 28,00 DM
Reisekostenstufe C 31,00 DM
bei einer Dienstreisedauer bis zu 12 Stunden gilt Absatz 3.
…
(3) Für eine Dienstreise, die keinen vollen Kalendertag beansprucht oder für den Tag des Antritts und den Tag der Beendigung einer mehrtägigen Dienstreise beträgt das Tagegeld bei einer Dauer der Dienstreise
von mehr als sechs bis acht Stunden drei Zehntel des vollen Satzes,
von mehr als acht bis zwölf Stunden fünf Zehntel des vollen Satzes,
von mehr als zwölf Stunden den vollen Satz.
…”
Durch das Jahressteuergesetz 1997 wurde die Regelung über die Reisekostenstufen A, B und C ersatzlos gestrichen. § 9 BRKG lautet seitdem:
Ҥ 9
Tagegeld
Die Höhe des Tagegeldes für Mehraufwendungen für die Verpflegung des Dienstreisenden bestimmt sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes.”
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG lautet wie folgt:
“Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt
- 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 46,00 Deutsche Mark,
- weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 20,00 Deutsche Mark,
- weniger als 14 Stunden aber mindestens 8 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 10,00 Deutsche Mark
abzuziehen; eine Tätigkeit, die nach 16 Uhr begonnen und vor 8 Uhr des nachfolgenden Kalendertags beendet wird, ohne daß eine Übernachtung stattfindet, ist mit der gesamten Abwesenheitsdauer dem Kalendertag der überwiegenden Abwesenheit zuzurechnen.”
Seit dem 1. Januar 1997 zahlt das beklagte Land an den Kläger einen monatlichen Pauschalbetrag von 50,00 DM. Mit der Klage fordert der Kläger weitere Zahlungen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, wegen der tarifvertraglichen Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften stehe ihm seit dem 1. Januar 1997 ein monatlicher Pauschbetrag in Höhe des Fünffachen des Tagegeldes von 46,00 DM, also 230,00 DM, zu. Durch die grundlegende Änderung der für die Beamten geltenden reisekostenrechtlichen Bestimmungen, auf die der Tarifvertrag verweise, sei eine nachträgliche Tariflücke entstanden. Diese sei vom Gericht durch systemkonforme ergänzende Auslegung zu schließen. Für die Monate Januar 1997 bis April 1998 sei ihm jeweils ein Betrag in Höhe von 180,00 DM monatlich nachzuzahlen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Januar 1997 eine Reisekostenpauschale in Höhe von monatlich 230,00 DM brutto zu zahlen,
- das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 2.880,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die tarifliche Regelung enthalte hinsichtlich des monatlichen Pauschbetrags eine dynamische Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen. Nach Wegfall der ursprünglichen Reisekostenregelungen im Bundesreisekostengesetz sei es nicht mehr verpflichtet, eine Tagegeldpauschale an den Kläger zu zahlen. Die entstandene Tariflücke könne von den Gerichten für Arbeitssachen nicht geschlossen werden, weil es mehrere Möglichkeiten gebe, die Höhe der monatlichen Pauschvergütung zu regeln. Die Entscheidung darüber sei allein von den Tarifvertragsparteien zu treffen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit beziffert – in Höhe von 1.200,00 DM brutto stattgegeben und weiter festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet sei, an den Kläger eine Reisekostenpauschale von monatlich 125,00 DM brutto zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger nicht nur auf der Reisekostenpauschale in Höhe von 230,00 DM bestanden, sondern außerdem hilfsweise Zehrgeld und Wegegeld gefordert. Mit seiner Berufung hat das beklagte Land weiterhin auf vollständige Klageabweisung angetragen und gemeint, auch ein Anspruch des Klägers auf Zehrgeld bestehe nicht. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert. Es hat das beklagte Land verurteilt, an den Kläger 86,75 DM zu zahlen und außerdem festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet sei, an den Kläger ab dem 1. Mai 1999 ein Zehrgeld nach Nr. 10 Abs. 4 SR 2a zu § 38 MTArb zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Rechtsmittel der Parteien hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein zuletzt erhobenes Klagebegehren mit Ausnahme des ersten Hilfsantrags und des Anspruchs auf Wegegeld weiter. Soweit außerdem Feststellung der Zehrgeldverpflichtung gefordert wird, beschränkt der Kläger den Anspruch auf die Zeit ab 1. Mai 1999. Das beklagte Land bittet mit seiner Revision weiterhin um vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg; im übrigen ist sie wie auch die Revision des beklagten Landes unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf einen monatlichen Pauschalbetrag für die Zeit ab dem 1. Januar 1997 abgelehnt. Nr. 10 Abs. 6 SR 2a MTArb beziehe sich auf die bis zum 31. Dezember 1996 geltende Reisekostenregelung in § 9 BRKG, denn dort werde zwischen mehreren Reisekostenstufen gesetzlich unterschieden. Dadurch, daß die Reisekostenstufen im Bundesreisekostengesetz zum 1. Januar 1997 weggefallen seien, sei die tarifliche Regelung nachträglich lückenhaft geworden. Eine Ausfüllung der Lücke durch das Gericht könne nicht erfolgen, weil der Gesetzgeber die Gesamtregelungssystematik des Bundesreisekostengesetzes geändert habe und keine Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, welche von mehreren denkbaren Regelungen die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis der Lücke getroffen hätten.
Der Kläger habe jedoch einen Anspruch gegen das beklagte Land auf Zehrgeld gemäß Nr. 10 Abs. 4 SR 2a zu § 38 MTArb. Anders als Nr. 10 Abs. 6 SR 2a enthalte Nr. 10 Abs. 4 SR 2a zu § 38 MTArb eine eigenständige Anspruchsgrundlage. Sie verlange, daß der Arbeiter das Mittagessen nicht zu Hause einnehmen könne, weil sein Arbeitsplatz zu weit von seiner Wohnung entfernt und die Überbringung an den Arbeitsplatz nicht zumutbar sei. Der Kläger erfülle durch die Art seiner Tätigkeit die Voraussetzungen dieses Anspruchs. Er sei mit einem Lkw des beklagten Landes von Montag bis Donnerstag unterwegs und könne angesichts der kurzen Mittagspause von einer halben Stunde das Mittagessen nicht zu Hause einnehmen. Damit habe er für die Tage von Montag bis Donnerstag einen Anspruch in Höhe von 4,49 DM täglich. Der Kläger habe aber seinen Anspruch auf Zehrgeld innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit gemäß § 72 MTArb geltend zu machen. Da er den Anspruch erstmals mit Schriftsatz vom 27. April 1999 schriftlich erhoben habe, stehe ihm ein Anspruch ab November 1998 zu, und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem Zehrgeld gemäß der Berechnung des Schriftsatzes des beklagten Landes vom 10. Juni 1999 und den tatsächlich gezahlten 50,00 DM monatlich. Dies ergebe für den Kläger für die Monate November 1998 bis April 1999 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 86,75 DM entsprechend dem Berichtigungsbeschluß des Landesarbeitsgerichts zum Urteil vom 11. Juni 1999. Soweit der Kläger den Anspruch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis Oktober 1998 erhebe, sei er wegen Versäumung der sechsmonatigen Ausschlußfrist erloschen.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist mit Ausnahme der Höhe des zuerkannten Zehrgeldes zu folgen.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf eine monatliche Pauschalvergütung von 230,00 DM verneint. Für diese Zahlung besteht seit dem 1. Januar 1997 keine Rechtsgrundlage mehr. Das beklagte Land ist jedoch verpflichtet, dem Kläger statt des verlangten Pauschalbetrags Zehrgeld gemäß Nr. 10 Abs. 4 SR 2a zu § 38 MTArb zu zahlen. Der mit der Klageerweiterung geltend gemachte Zahlungs- und Feststellungsantrag des Klägers ist über den vom Berufungsgericht zugesprochenen Umfang hinaus in Höhe von weiteren 109,81 DM begründet.
- Nach § 38 Abs. 1 Buchst. a MTArb sind für die Erstattung bei Dienstreisen und Dienstgängen (Reisekostenvergütung) die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen mit bestimmten, in der Tarifnorm genannten Maßgaben sinngemäß anzuwenden. Die für die Beamten des Arbeitgebers insoweit geltenden Bestimmungen finden sich in § 98 des Niedersächsischen Beamtengesetzes, das wiederum auf die entsprechende Anwendung der für die Bundesbeamten geltenden Rechtsvorschriften verweist.
- Durch den Wegfall der Reisekostenstufe A… im Bundesreisekostengesetz zum 1. Januar 1997 ist die Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschalvergütung entfallen. Die Reisekostenvergütung nach dem BRKG richtet sich seitdem nicht mehr nach Reisekostenstufen; vielmehr errechnet sie sich nunmehr nach § 9 BRKG, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG für alle Anspruchsberechtigten einheitlich nach der Dauer der Abwesenheit von der Wohnung bzw. dem Tätigkeitsmittelpunkt. Damit läßt sich die Höhe der monatlichen Pauschalvergütung des Klägers seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr bestimmen. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist die tarifliche Regelung nicht dahingehend auszulegen, daß nunmehr der niedrigste der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG genannten Beträge, dh. 10,00 DM, als Bezugsgröße für die Berechnung der monatlichen Pauschvergütung zugrunde zu legen ist. Einer solchen Auslegung steht bereits der Tarifwortlaut entgegen, der eindeutig auf das – nicht mehr gesetzlich geregelte – volle Tagegeld der Reisekostenstufe A verweist. Außerdem ist der Betrag von 10,00 DM in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG mit dem früheren vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A strukturell nicht vergleichbar. Eine vergleichbare Bezugsgröße gibt es in dem seit dem 1. Januar 1997 geltenden Bundesreisekostengesetz jedoch nicht. Dieses enthält, anders als die Vorgängerregelung, keine betragsmäßige Staffelung der Reisekostenvergütung nach Besoldungsgruppen, vielmehr ist die Höhe des Tagegeldes ausschließlich abhängig von der Dauer der Abwesenheit. Zwar war auch nach § 9 BRKG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung die Dauer der Abwesenheit für die Höhe des Tagegeldes von Bedeutung. Es galten aber andere Abwesenheitszeiten als nach der jetzigen Regelung. Nach § 9 BRKG aF war das volle Tagegeld bereits bei einer Abwesenheit von mehr als 12 Stunden bis zu 24 Stunden zu zahlen. Bei einer Abwesenheit von 8 bis 12 Stunden betrug das Tagegeld 5/10, bei einer Abwesenheit von 6 bis 8 Stunden 3/10 des vollen Satzes. Nach § 9 BRKG nF iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG besteht Anspruch auf das volle Tagegeld von 46,00 DM nur bei einer Abwesenheit von 24 Stunden, bei einer Abwesenheit von 14 bis 24 Stunden beträgt das Tagegeld 20,00 DM, bei einer Abwesenheit von 8 bis 14 Stunden 10,00 DM. Damit haben sich die Anspruchsvoraussetzungen für die Reisekostenvergütung nach dem Bundesreisekostengesetz grundlegend geändert. Das niedrigste Tagegeld nach § 9 BRKG nF iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG ist mit dem früheren vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A schon deshalb nicht vergleichbar, weil jenes für eine Abwesenheit zwischen 8 und 14 Stunden gezahlt wird, dieses hingegen für eine Abwesenheit von 12 bis 24 Stunden gezahlt wurde. Auch das volle Tagegeld nach § 9 BRKG nF iVm. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG entspricht nicht dem früheren vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A…, denn es setzt eine Abwesenheit von 24 Stunden voraus, während dieses bereits bei einer Abwesenheit von mehr als 12 Stunden gezahlt wurde. Die seit dem 1. Januar 1997 geltenden Bestimmungen im Bundesreisekostengesetz sind daher mit den bis dahin geltenden Regelungen nicht vergleichbar. Deshalb läßt sich auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, bestimmten Arbeitern eine pauschale Reisekostenvergütung zu gewähren, die sich am vollen Tagegeld der Reisekostenstufe A… orientiert, die Höhe der monatlichen Pauschalvergütung nach der Gesetzesänderung nicht mehr bestimmen.
Die zum 1. Januar 1997 eingetretene Änderung des Bundesreisekostengesetzes war für die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des MTArb nicht vorhersehbar. Zwar mußten sie mit Veränderungen der Höhe des Tagegeldes der Reisekostenstufe A… rechnen. Solche Veränderungen haben sie auch bewußt und gewollt in Kauf genommen, wie die dynamische Verweisung zeigt. Mit einer strukturellen Änderung des Reisekostenrechts, insbesondere dem Wegfall der Reisekostenstufe A…, konnten und mußten sie jedoch nicht rechnen. Daher ist die tarifliche Regelung im MTArb nachträglich lückenhaft geworden. Die entstandene Lücke kann, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, nicht im Wege ergänzender Auslegung durch das Gericht geschlossen werden.
- Zwar sind auch tarifvertragliche Regelungen grundsätzlich einer ergänzenden Auslegung zugänglich, jedenfalls dann, wenn der Tarifvertrag – wie hier – lückenhaft geworden ist. In einem solchen Fall haben die Gerichte die Möglichkeit und Pflicht, die Lücke, ggf. unter Rückgriff auf eine artverwandte und vergleichbare Regelung zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, wie die Tarifvertragsparteien den Sachverhalt bei Kenntnis der Lücke geregelt hätten (BAG 23. Januar 1980 – 4 AZR 105/78 – BAGE 32, 364, 369; 24. Februar 1988 – 4 AZR 614/87 – BAGE 57, 334; 10. Dezember 1986 – 5 AZR 517/85 – BAGE 54, 30, 35; 3. November 1998 – 3 AZR 432/97 – AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 41 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 31; 20. Mai 1999 – 6 AZR 451/97 – AP TVAL II § 42 Nr. 7 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 4, zu B I 2 der Gründe). Diese Auslegung scheidet allerdings aus, wenn verschiedene Möglichkeiten bestehen, die Lücke zu schließen. In diesem Fall muß es allein den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben zu entscheiden, welche Lösungsmöglichkeit gewählt werden soll. Eine Ausfüllung der Lücke durch das Gericht würde einen unzulässigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie bedeuten (BAG 10. Dezember 1986 aaO; 3. November 1998 aaO; 20. Mai 1999 aaO; Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 817; vgl. auch Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 424 ff., 428; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 334 und 335).
- Die Regelungslücke in § 38 MTArb kann auf verschiedene Weise geschlossen werden. Die Tarifvertragsparteien könnten zB als Bezugsgröße für die Berechnung der Pauschalvergütung statt der bisherigen Reisekostenstufe A… einen der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG genannten Beträge wählen und diesen mit einem Multiplikator versehen, der seinerseits nicht unbedingt mit dem bisherigen übereinstimmen müßte. Denkbar wäre auch, daß sich die Tarifvertragsparteien bezüglich der Höhe der Pauschalvergütung vom gesetzlichen Reisekostenrecht lösen und diese eigenständig im Tarifvertrag beziffern. Es gibt daher eine Vielzahl von Möglichkeiten, die entstandene Tariflücke sachgerecht zu schließen. In Anbetracht der bestehenden Tarifautonomie muß die Neuregelung den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben vgl. auch BAG 20. Juli 2000 – 6 AZR 347/99 – NZA 2001, 559 und – 6 AZR 64/99 – ZTR 2001, 182 und 16. November 2000 – 6 AZR 449/99 – nv.).
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage jedoch stattgegeben, soweit der Kläger mit der Klageerweiterung Zahlung und Feststellung begehrt, daß ihm ein Zehrgeld gemäß Nr. 10 Abs. 4 SR 2a zu § 38 MTArb zusteht. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger allerdings Anspruch auf Zehrgeld rückwirkend bis einschließlich Mai 1998.
- Die Tarifvertragsparteien haben in dieser Tarifnorm bestimmt, daß die unter diesen Tarifvertrag fallenden Arbeiter unter bestimmten Voraussetzungen ein Zehrgeld erhalten. Für bestimmte Gruppen von Arbeitern, ua. die Straßenwärter, haben sie in Nr. 10 Abs. 6 SR 2a zu § 38 MTArb geregelt, daß deren Ansprüche auf Reisekostenvergütung einschließlich Zehrgeld anstelle der Einzelabrechnung durch eine monatliche Pauschalvergütung abgegolten werden. Diese Arbeiter sollen also ebenfalls Reisekostenvergütungen und damit Zehrgeld erhalten, lediglich in pauschalierter Form. Entfällt die Regelung über den Pauschalbetrag als Sonderbestimmung für diese Arbeiter, führt dies nicht dazu, daß sie keine Reisekostenvergütungen mehr zu beanspruchen haben. Vielmehr hat dies zur Folge, daß auch für diese Arbeiter, nachdem die Sonderbestimmung nicht mehr anwendbar ist, die allgemeinen Regelungen über die Reisekostenvergütung gelten. Dazu gehört auch die Regelung in Nr. 10 Abs. 4 SR 2a zu § 38 MTArb.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund der Art seiner Tätigkeit von Montag bis Donnerstag erfüllt, weil er angesichts der kurzen Mittagspause von einer halben Stunde das Mittagessen nicht zu Hause einnehmen kann.
Der Kläger hat seinen Anspruch auf Zehrgeld erstmals mit Schriftsatz vom 27. April 1999 geltend gemacht hat. Nachdem § 38 MTArb auf die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen, hier vorliegend diejenigen des Bundesreisekostengesetzes, verweist, ist nach § 3 Abs. 5 BRKG die Reisekostenvergütung innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Jahr bei der Beschäftigungsbehörde schriftlich zu beantragen. Diese Frist verdrängt diejenige des § 72 MTArb. Für Reisekosten gilt nicht die kurze Ausschlußfrist des § 72 MTArb; vielmehr sind die besonderen Ausschlußfristen, der auch für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Vorschriften anzuwenden. Die Verweisung des § 38 MTArb auf die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen beziehen diese Vorschriften in vollem Umfang ein, soweit nicht tariflich etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Daraus ergibt sich zugleich, daß für die Ansprüche der tarifunterworfenen Arbeiter auf Reisekostenvergütung auch die einjährige Ausschlußfrist des § 3 Abs. 5 BRKG gelten soll; diese Ausschlußfrist geht als speziellere Regelung der allgemeinen tariflichen Ausschlußfrist des § 72 MTArb vor (vgl. BAG 10. Juli 1974 – 4 AZR 509/73 – AP BAT § 42 Nr. 4 = EzA BAT § 42 Nr. 2, zu der insoweit inhaltsgleichen Vorschrift des § 70 BAT). Damit steht dem Kläger ein Anspruch auf Zehrgeld entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht erst ab November 1998, sondern ab Mai 1998 zu. Insoweit ergibt sich damit ein Anspruch auf Zehrgeld für den Zeitraum von Mai 1998 bis Oktober 1998 um einen um 109,81 DM erhöhten Betrag, wie sich aus der von dem beklagten Land mit Schriftsatz vom 10. Juni 1999 eingereichten Aufstellung ergibt, somit ein Anspruch des Klägers auf Zehrgeld in Höhe von 196,56 DM.
- Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, R. Kamm, Hinsch
Fundstellen