Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbeugender Brandschutz und Brandschutzsanierung als bauliche Leistungen
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 13.12.1993; Aktenzeichen 16 Sa 1785/92) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 28.10.1992; Aktenzeichen 3 Ca 38/92) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts Vom 13. Dezember 1993 – 16 Sa 1785/92 – insoweit aufgehoben, als es der Klage auf Auskunft für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 30. November 1991 stattgegeben und die Beklagte für den Fall der Nichterteilung der Auskunft zur Zahlung einer DM 47.413,00 übersteigenden Entschädigung verurteilt hat.
2. Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
3. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Klagezeitraum einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne der Sozialkassentarifverträge unterhalten hat und daher zur Auskunftserteilung verpflichtet ist.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes WaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Auskunft nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für den Zeitraum von März 1990 bis November 1991 über die Zahl der beschäftigten Arbeiter, deren Bruttolohnsumme und die entsprechende Höhe der abzuführenden Beiträge sowie für den Fall der Nichterfüllung – auf Zahlung einer Entschädigung – in Anspruch.
Die Beklagte ist im Handelsregister als „Betrieb eines Dienstleistungsunternehmens für die Beratung und Planung bei der Vorbeuge gegen Schäden an Bauwerken und sonstigen Einrichtungen, insbesondere Brandschäden sowie die Durchführung darauf gerichteter Arbeiten” eingetragen. Sie ist Mitglied der Holzberufsgenossenschaft. Auf Briefköpfen firmiert sie mit dem Zusatz „Brandschadensanierung, Brandschutztechnik”.
In einem Schreiben an die Klägerin vom 10. April 1991 hat die Beklagte angegeben, Gegenstand ihres Unternehmens sei der Innenausbau mit brandschutzvorbeugenden und brandschutsfesten Materialien, die in der eigenen Werkstatt vorgefertigt würden. In der Zeit von März bis Dezember 1990 beschäftigte die Beklagte zehn Arbeitnehmer und von Januar bis November 1991 15. Diese Arbeitnehmer sind der zuständigen Krankenkasse als Isolierer gemeldet. In den Jahren 1990 und 1991 führte sie Reinigungsarbeiten in Räumen mit Brandschäden durch. Daneben erledigte sie auch Arbeiten zum Zwecke des vorbeugenden Brandschutzes, wie z.B. das Anbringen von Brandschutzplatten und das Einfüllen von Brandschutzmörtel. Streitig ist der arbeitszeitliche Anteil dieser Arbeiten an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit im Klagezeitraum sowie Art und Umfang der sonstigen Tätigkeiten.
Die ZVK behauptet, die Beklagte erledige zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit vorbeugende Brandschutzarbeiten. Dabei würden Kabel-, Wand-, Rohrdurchbruch-, Stützen- und Unterzugsverkleidungen mit Brandschutzplatten aus Fibersilikat angebracht. Ferner würden Kabelpritschenverkleidungen und Brandschutzabschottungen mit Platten bzw. Brandschutzmörtel vorgenommen sowie Phromalith-Mineralfaserplatten und feuerhemmende Kabelbeschichtungen angebracht.
Nach Meinung der ZVK unterfällt die Beklagte dem betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (im folgenden: VT V).
Der VTV lautet in der im Klagezeitraum geltenden Fassung – soweit vorliegend von Interesse –:
„§ 1 Geltungsbereich
(1) …
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung. Instandsetzung. Instandhaltung. Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
…”
Die ZVK hat beantragt,
1. ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten, in den Monaten
März 1990 bis November 1991
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind.
2. Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1 113.400,00 DM.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie führe höchstens zu 8 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit vorbeugende Brandschutzarbeiten durch. Etwa 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien auf den Handel und den Vertrieb von Baumaterialien, Zuschnitten, Brandschutz Zubehör u. ä. entfallen. Zu 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit seien Reinigungsarbeiten und Brandschadensanierung, bestehend aus Säuberungs- und Aufräumarbeiten sowie Entsorgungsarbeiten ohne baulichen Zusammenhang durchgeführt worden.
Außerdem hätten Lager- und Werkstattarbeiten sowie Auslieferungsarbeiten ohne baulichen Zusammenhang 15 %, Blech- und Schlosserarbeiten ohne baulichen Zusammenhang 6 %, Fuhrleistungen und Auslieferungen ohne baulichen Zusammenhang 6 % und die Fertigung und Herstellung von Brandschutzprodukten, Blechteilen, Zuschnitten u. ä. ohne baulichen Zusammenhang 5 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht. Damit unterfalle sie nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV, weil ihre Arbeitnehmer zu weniger als 50 % bauliche Leistungen im tariflichen Sinne erbracht hätten. Insbesondere seien die Maßnahmen der Brandsanierung rein baufremde Tätigkeiten, weil es sich dabei um reine Säuberungs-, Reinigungs- und Aufräumarbeiten handele.
Des weiteren hält die Beklagte die Klage für unzulässig, weil es sich bei dieser um eine sogenannte Formularklage handele, durch die den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Klageerhebung nicht genügt werde. Weiter rügt sie, das Landesarbeitsgericht habe die Zeugenaussagen zum Teil unzutreffend gewürdigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Revision zugelassen. Mit dieser beantragt die Beklagte, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung für den Zeitraum 1. Januar bis 30. November 1991 richtet. Im übrigen erweist sie sich als unbegründet.
Im Jahre 1990 unterhielt die Beklagte einen Betrieb, der dem Geltungsbereich des VTV unterfiel. Zur Klärung der Frage, ob dies auch in der Zeit von Januar bis November 1991 der Fall gewesen ist, mußte der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin die verlangten Auskünfte für den gesamten Klagezeitraum zu geben. Die Beklagte habe einen Betrieb unterhalten, der auf Grund der überwiegend erbrachten Gesamtarbeitszeit der dort beschäftigten Arbeitnehmer unter den betrieblichen Geltungsbereich den VTV falle. So seien die von der Beklagten unter dem Oberbegriff „vorbeugende Brandschutzmaßnahmen” zusammengefaßten Einzeltätigkeiten bauliche Leistungen im tariflichen Sinne. Auch die von den Zeugen bekundeten Brandsanierungsmaßnahmen seien bauliche Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Sie trügen dazu bei, Gebäude bzw. Gebäudeteile nach vorangegangenen Bränden instand zu setzen und damit wieder der bestimmungsgemäßen Benutzung zuzuführen. Es handele sich nämlich um notwendige Vorbereitungsarbeiten für nachfolgende „eigentliche” Instandsetzungs- und Wiederherstellungsarbeiten. Ohne vorangegangene Reinigung der brandgeschädigten Räumlichkeiten, ohne Beseitigung brandgeschädigter Wand- und Deckenbeschichtungen könnten die entsprechenden Bauwerksteile ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung als Aufenthaltsräume nach Bränden nicht wieder zugeführt werden.
II. Diesen Ausführungen kann der Senat nur teilweise folgen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht von einer zulässigen Klage ausgegangen.
Die Beklagte hat gerügt, bei der Klageschrift handele es sich um eine sogenannte Formularklage, bei der es an der ordnungsgemäßen Angabe des Klagegrundes, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, fehle.
Eine solche nicht ordnungsgemäß erhobene Klage wäre als unzulässig abzuweisen (BAG Urteil vom 11. Februar 1981 – 7 AZR 61/79 – AP Nr. 1 zu § 261 ZPO).
Ob ein solcher Mangel der Klageschrift vorliegt, brauchte der Senat aber nicht abschließend zu entscheiden. Es ist nämlich in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß Mängel im notwendigen Inhalt einer Klageschrift in der Tatsacheninstanz entweder in der mündlichen Verhandlung oder in einem zugestellten Schriftsatz geheilt werden können (BGH ZZP 71, 478; BGHZ 22, 257; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 253 Rz 20; Zöller, ZPO, 18. Aufl., § 253 Rz 23).
Ein möglicher Mangel der Klageschrift bezüglich der Angabe des Klagegrundes wäre spätestens dadurch geheilt worden, daß die ZVK in ihrer, der Beklagten förmlich zugestellten Berufungsbegründungsschrift ihren Klageanspruch begründet hat. Auch der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält die Heilung eines Mangels im notwendigen Inhalt einer Klageschrift (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) auch in der Berufungsinstanz noch für möglich (vgl. auch: BAG Urteil vom 18. März 1992 – 4 AZR 374/91 – AP Nr. 154 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
2. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, daß im Betrieb der Beklagten von März 1990 bis Dezember 1990 alleine auf Grund der Brandschutz arbeiten arbeitszeitlich 54,54 % baugewerbliche Tätigkeiten ausgeführt worden sind und daß die Beklagte deshalb dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen ist, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, wonach Betriebe als Ganzes unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (für alle: BAG Urteil vom 24. August 1994 – 10 AZR 67/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.).
b) Des weiteren ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Bewertung der von den Zeugen K., M., T., A., O., F. und W. als ihre Tätigkeiten geschilderten Arbeitsvorgänge als bauliche Leistungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
So stellen Einbauarbeiten von Baurahmen (Zeuge K.), Arbeiten für den Brandschutz, wie Phromalith-Arbeiten und Wand- und Deckendurchbrüche (Zeuge M.), das Anbringen von Brandschutzplatten aus Fibersilikat (Zeuge T.), von Kästen aus Promatek für Kabel, Stahlträger und Lüftungskanäle (Zeuge A.), die Durchführung von Brandabschottungen und Kabelpritschenbeschichtungen (Zeuge F.) sowie der Einbau von gas-, wasser- und feuerfesten Baurahmen für Kabel (Zeuge O.) Arbeiten dar, die dem Brandschutz dienen. Solche Brandschutzarbeiten sind grundsätzlich bauliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV.
Nach dieser Tarifvorschrift gelten als Betriebe des Baugewerbes diejenigen, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Nach der Verkehrsauffassung ist ein Bauwerk nicht schon mit der Fertigstellung des Rohbaus baulich vollendet, sondern erst dann, wenn es bestimmungsgemäß benutzt werden kann (BAG Urteil vom 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Zur Möglichkeit einer bestimmungsgemäßen Benutzung gehört auch, daß alle für einen ordnungsgemäßen Brandschutz erforderlichen Maßnahmen durchgeführt worden sind. Damit dienen auch alle diejenigen Arbeiten, die an einem Gebäude im Rahmen des vorbeugenden Brandschutzes vorgenommen werden, der Fertigstellung von Bauwerken im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV (so auch: BAG Urteil vom 26. Januar 1994 – 10 AZR 603/92 –, nicht veröffentlicht).
Daß das Landesarbeitsgericht die vom Zeugen W. durchgeführten Ausbesserungsarbeiten auf Baustellen und den von ihm erledigten Transport von Material zu Baustellen als bauliche Leistungen betrachtet hat, ist ebenfalls zutreffend. Ausbesserungsarbeiten an Bauwerken dienen nämlich deren Instandsetzung bzw. Instandhaltung im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Der Transport von Material zu Baustellen ist als für eine sachgerechte Ausführung der baulichen Leistungen notwendige Nebenarbeit ebenfalls als baugewerbliche Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV anzusehen (BAGE 55, 78 = AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Auf Grund des zeitlichen Umfangs dieser von den Zeugen geschilderten baulichen Leistungen (54,54 % der Gesamtarbeitszeit) ist das Landesarbeitsgericht zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, daß in der Zeit von März bis Dezember 1990 im Betrieb der Beklagten zu über 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit baugewerbliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erbracht worden sind, so daß die Beklagte in diesem Zeitraum dem betrieblichen Geltungsbereich unterfällt und somit zur Auskunftserteilung nach § 27 Abs. 1 VTV an die ZVK verpflichtet ist.
III. Soweit das Landesarbeitsgericht davon ausgeht, auf Grund des von ihm festgestellten Sachverhalts stehe auch fest, daß die Beklagte im Jahre 1991 arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht habe, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.
Die von der Beklagten durchgeführten sogenannten Brandsanierungsarbeiten stellen, so wie sie von den Zeugen H., K., M., O. und F. geschildert worden sind und wie sie das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, keine baulichen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV dar.
Der Senat kann nämlich der Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Abreißen von Tapeten, das Abstemmen und Entfernen von Putz sowie die Reinigung von Räumen, Inventar, Fenstern, Treppen und Fußböden, die Schuttentsorgung und die Entrümpelung von Räumen stellten bauliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV dar, nicht folgen.
Diese Tätigkeiten dienen nicht der Erstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung bzw. der Beseitigung des durch den Brand beschädigten Bauwerkes.
Für die den Betrieb prägende Zweckbestimmung ist der Zweck der Gesamtleistung entscheidend (BAG Urteil vom 24. August 1994 – 10 AZR 974/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Daher muß darauf abgestellt werden, welchem Zweck die von der Beklagten im Rahmen der sogenannten Brandsanierung erledigten einzelnen Arbeitsvorgänge dienen.
Zweck der von der Beklagten durchgeführten Brandsanierungsmaßnahmen ist zunächst nicht die Beseitigung der Brandschäden, verbunden mit der Neuerstellung bzw. Instandsetzung oder Instandhaltung des geschädigten Bauwerkes, sondern nur die Beseitigung der durch den Brand beschädigten oder zerstörten Gegenstände, wie zum Beispiel Putz, Tapeten, Fußböden, Fenster oder Möbel. Dies stellt aber für sich alleine noch keine baugewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV dar.
Diese Tätigkeiten sind aber auch nicht zwangsläufig notwendige Vorarbeiten für eine Instandsetzung bzw. Neuerstellung des brandgeschädigten Bauwerkes. In vielen Fällen wird sich nämlich erst nach der Entfernung des „Brandschuttes” durch die Beklagte herausstellen, ob bauliche Leistungen an dem ausgebrannten Gebäude möglich sind bzw. aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus überhaupt durchgeführt werden sollen.
Hinzu kommt, daß zur Instandsetzung des brandgeschädigten Bauwerkes auch Betriebe herangezogen werden können, die nach den Bestimmungen des VTV nicht dessen betrieblichem Geltungsbereich unterliegen. So wird es nicht selten vorkommen, daß ausschließlich Betriebe des Dachdeckerhandwerks, des Glaserhandwerks, des Malerhandwerks, des Parkettlegerhandwerks oder des Schreinerhandwerks die durch einen Brand entstandenen Schäden beseitigen. Da diese Betriebe aber nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unter fallen, § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV, scheidet in solchen Fällen die Bewertung der Brandsanierungsarbeiten durch die Beklagte als notwendige Vorarbeit für eine dem VTV unterfallende Tätigkeit aus.
Daß die Wiederherstellung der durch den Brand geschädigten Räumlichkeiten in der Regel nicht, der unmittelbare Zweck der von der Beklagten durchgeführten Brandsanierungsarbeiten war, sondern nur dann, wenn ein Kunde ausdrücklich einen Auftrag zur Wiederherstellung des Gebäude- oder Gebäudeteiles gegeben hatte, ergibt sich u.a. auch aus der Aussage des Zeugen F., der erklärt hat, daß die Wiederinstandsetzung der ausgebrannten Räume „je nach Auftragserteilung” durch ihn erfolgt sei.
Wenn das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommt, im Jahre 1991 seien im Betrieb der Beklagten zumindest 62,78 %, d.h. 75,16 Mannmonate, der betrieblichen Gesamtarbeitszeit bauliche Leistungen erbracht worden, so beruht dies auf der unzutreffenden Annahme, daß mit den Mannmonaten, mit denen sogenannte Brandsanierung durchgeführt wurde, bauliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erbracht worden sind. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Zeugen K., M., O. und F. insgesamt 29.4 Mannmonate mit Brandsanierungsarbeiten beschäftigt waren. Bringt man diese als nichtbauliche Leistungen zu betrachtenden Arbeitszeiten von den nach Meinung des Landesarbeitsgerichts insgesamt geleisteten baulichen Leistungen in Höhe von 75,16 Mannmonaten in Abzug, so verbleiben lediglich 45,76 Mannmonate bauliche Leistungen im Jahre 1991. Ausgehend von der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Gesamtarbeitszeit von 121 Mannmonaten stellt dies nicht die überwiegende Arbeitszeit dar.
Demnach ist das Landesarbeitsgericht auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen für das Jahr 1991 zu Unrecht davon ausgegangen, daß es sich bei der Beklagten um einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne des § 1 Abs. 2 VTV gehandelt hat.
Der Senat konnte den Rechtsstreit aber nicht nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend entscheiden, weil es möglich ist, daß das Landesarbeitsgericht durch weitere Sachaufklärung zur Feststellung gelangt, daß die Beklagte im Jahre 1991 auch unter Außerachtlassung der für die Bausanierungsarbeiten aufgewendeten 29,4 Mannmonate überwiegend bauliche Leistungen erbracht hat. Das Landesarbeitsgericht wird dafür gegebenenfalls die bislang nicht vernommenen Zeugen zu vernehmen haben.
IV. Deshalb mußte das angefochtene Urteil bezüglich der Verurteilung zur Auskunft und hilfsweise zur Entschädigungszahlung für das Jahr 1991 aufgehoben und insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Konten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Im übrigen war die weitergehende Revision zurückzuweisen.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Bock, Hermann, Tirre
Fundstellen