Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit
Orientierungssatz
Nach der Rechtsprechung des Senats regelt die Vorschrift des § 37 Abs 3 BetrVG den Vorrang des Freizeitausgleichs vor der Abgeltung durch einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung. Danach kommt eine Vergütung der in der Freizeit aufgewendeten Zeit für die Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeiten nur in Betracht, soweit aus betriebsbedingten Gründen die Gewährung des Freizeitausgleichs unmöglich ist.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. November 1998 - 3 Sa 1026/98
- aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Siegen vom 16. Januar 1998 - 1 Ca 278/97 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Vergütungsanspruch eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds anläßlich der Teilnahme einer auswärtigen Betriebsräteversammlung.
Der Beklagte betreibt in Westfalen ca. 50 Sozialeinrichtungen, darunter ein Seniorenzentrum bei L . Die Klägerin ist dort von Montag bis Freitag in der Zeit von 6.30 Uhr bis 12.18 Uhr im Umfange von 5,8 Stunden als Reinigungskraft beschäftigt. Sie gehört dem dreiköpfigen Betriebsrat als stellvertretende Vorsitzende an.
Am 7. Februar 1996 fand in G in der Zeit von 10.00 Uhr bis 15.45 Uhr auf Einladung des Gesamtbetriebsrats eine Betriebsräteversammlung statt. Die Klägerin reiste am 7. Februar 1996 um 8.00 Uhr zur Betriebsräteversammlung an und kehrte am selben Tag um 17.30 Uhr nach L zurück. Vor Reiseantritt hatte sie nicht gearbeitet. Für die Teilnahme an der Betriebsräteversammlung erhielt sie Entgeltfortzahlung für 5,8 Stunden. Daraufhin verlangte die Klägerin für die außerhalb der persönlichen Arbeitszeit aufgewendete Zeit der Teilnahme und der Rückreise von der Betriebsräteversammlung einen Freizeitausgleich von 3,2 Stunden. Dabei hatte sie die Mittagspause und die Zeit von 1,5 Stunden, die ihr von dem Beklagten für die Zeit bis Reiseantritt bereits vergütet war, in Abzug gebracht. Der Beklagte lehnte die Gewährung des Freizeitausgleichs unter Hinweis auf die fehlende Betriebsbedingtheit der außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleisteten Betriebsratstätigkeit ab.
Die Klägerin hat behauptet, die Festlegung von Ort und Zeit der Betriebsräteversammlung seien auf Wunsch des Bezirksgeschäftsstellenführers erfolgt. Sie hat deshalb gemeint, bei der Teilnahme an der auswärtigen Betriebsräteversammlung habe es sich um erforderliche Betriebsratsarbeit gehandelt, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit habe geleistet werden müssen. Der ihr hierfür zustehende Freizeitausgleich habe sich aufgrund der Weigerung des Beklagten in einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung gewandelt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 61,50 DM brutto nebst 4 %
Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 21.
September 1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner dagegen gerichteten Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat für die außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit aufgewendete Zeit für die Teilnahme an einer auswärtigen Betriebsräteversammlung keinen Vergütungsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung sind nicht erfüllt, weil die Gewährung von Freizeitausgleich nach dem Vorbringen der Klägerin nicht aus betriebsbedingten Gründen ausgeschlossen war. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt und deshalb die Berufung des Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen.
1. Die Klägerin kann keine Mehrarbeitsvergütung nach § 37 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz BetrVG verlangen. Nach der Rechtsprechung des Senats regelt die Vorschrift des § 37 Abs. 3 BetrVG den Vorrang des Freizeitausgleichs vor der Abgeltung durch einen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung (BAG 25. August 1999 - 7 AZR 713/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Danach kommt eine Vergütung der in der Freizeit aufgewendeten Zeit für die Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeiten nur in Betracht, soweit aus betriebsbedingten Gründen die Gewährung des Freizeitausgleichs unmöglich ist. Das dient der Begrenzung der Arbeitsbelastung des Betriebsratsmitglieds. Zugleich soll im Interesse der persönlichen Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder weitgehend verhindert werden, daß Betriebsratsmitglieder entgegen dem Ehrenamtsprinzip des § 37 Abs. 1 BetrVG durch ihre Betriebsratstätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben können (vgl. BAG 5. März 1997 - 7 AZR 581/92 - BAGE 85, 224). Das gilt auch bei teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern, die deshalb in aller Regel für ihre Betriebsratstätigkeit ein höheres Freizeitopfer erbringen als vollzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder. Das ist mit höherrangigem Recht vereinbar (BAG 5. März 1997 aaO).
2. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 37 Abs. 3 BetrVG wandelt sich der Anspruch auf Arbeitsbefreiung weder mit Ablauf der Monatsfrist des § 37 Abs. 3 Satz 2 erster Halbsatz BetrVG noch durch eine bloße Untätigkeit des Arbeitgebers in einen Vergütungsanspruch um. Zu Unrecht nimmt das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil an, bei der Monatsfrist des § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG handle es sich um eine Umwandlungsvorschrift. Diese Ansicht findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr entsteht der Vergütungsanspruch nur, wenn die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist.
3. Die betriebsbedingte Unmöglichkeit der Gewährung eines Freizeitausgleichs liegt vor, wenn sich der Arbeitgeber darauf beruft und aus diesem Grund die Gewährung von Freizeitausgleich verweigert. Fehlt es daran, muß das Betriebsratsmitglied den Freizeitausgleichsanspruch gerichtlich geltend machen. In einem solchen Verfahren ist dann zu klären, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Anspruchs erfüllt sind.
4. Nach diesen Grundsätzen ist die Klage schon unbegründet, weil die Klägerin zwar von dem Beklagten Freizeitausgleich verlangt hat, dieser jedoch unter Hinweis auf die fehlende Betriebsbedingtheit der in der Freizeit erbrachten Betriebsratstätigkeit einen Ausgleich verweigerte. Diesen Streit hätte die Klägerin durch eine auf die Gewährung von Freizeitausgleich gerichtete Klage klären lassen müssen. In einem solchen Verfahren wäre festzustellen, ob der Bezirksgeschäftsführer der Beklagten auf die Festlegung
von Ort und Zeit der Betriebsräteversammlung Einfluß genommen hat und ob aufgrund dieser Einflußnahme die Aufwendung von Freizeit für die Erledigung von Betriebsratsarbeit auf betriebsbedingten Gründen beruht.
Dörner Schmidt
Linsenmaier
Nottelmann Hökenschnieder
Fundstellen