Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Begründungsfrist für eine selbständige Anschlußberufung
Leitsatz (amtlich)
Wer eine selbständige Anschlußberufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO eingelegt hat, muß sie innerhalb der Frist für die Begründung der Hauptberufung begründen (§ 522 a Abs. 2 ZPO). Die Frist des § 519 Abs. 2 ZPO steht ihm nicht zur Verfügung. Die besondere Begründungsfrist des § 522 a Abs. 2 ZPO kann nicht eigenständig verlängert werden. Nach Ablauf der Frist für die Begründung der Hauptberufung bleibt dem Berufungsbeklagten nur die Möglichkeit einer erneuten Anschließung, bei der es sich notwendigerweise um eine unselbständige Anschlußberufung nach § 522 Abs. 1 ZPO handelt.
Normenkette
ZPO § 522 Abs. 2, § 522a Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 1998 – 6 Sa 1215/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger war vom 1. Oktober 1971 bis zum 14. Juli 1994 bei der Beklagten tätig. Er wurde zunächst als Meister eingestellt, war dann seit dem 1. Juli 1979 Technischer Betriebsleiter und wurde durch Verfügung des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 7. Dezember 1983 zum Notgeschäftsführer der Beklagten bestellt. Im Mai 1994 wurde der Kläger als Notgeschäftsführer abberufen. Im Zuge der daraufhin folgenden Rechtsstreitigkeiten einigten sich die Parteien durch gerichtlichen Vergleich vom 17. September 1996 im Rechtsstreit – 6 Sa 534/96 – dahingehend, das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen ende aufgrund einvernehmlicher Vertragsaufhebung mit dem 14. Juli 1994. Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger rückständiges Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 8.000,00 DM brutto zu zahlen. Weiter heißt es im Vergleich:
„Darüber hinausgehende geldwerte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und Geschäftsführerverhältnis bestehen beiderseits nicht, – ausgenommen sind etwaige beiderseitige Ansprüche aus Versorgungs- bzw. Versicherungsverträgen, ihrem Abschluß und der Entrichtung der Prämien.”
Hintergrund dieser Vereinbarung waren die folgenden Vorgänge:
Die Beklagte hatte dem 1940 geborenen Kläger ursprünglich eine Versorgungszusage über 100,00 DM monatlich erteilt. Der Versorgungsanspruch war 1973 auf 200,00 DM, 1984 auf 300,00 DM und 1985 schließlich auf 750,00 DM erhöht worden. Die Beklagte, die den Standpunkt eingenommen hatte, die letzten beiden Erhöhungen der Versorgungszusage seien wegen fehlenden Gesellschafterbeschlusses unwirksam gewesen, hatte die zur Deckung der Versorgungszusage abgeschlossenen Verträge gekündigt und deren Rückkaufswert eingezogen. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte müsse diese Versicherung wegen der von ihm erdienten unverfallbaren Anwartschaft in einem Wert von 518,79 DM monatlich wiederherstellen.
Der Kläger hatte darüber hinaus in seiner Funktion als Geschäftsführer der Beklagten für sich eine Unfallversicherung und eine Lebensversicherung abgeschlossen, deren Freigabe die Beklagte zu ihren Gunsten verlangt.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, bei der IDUNA-Lebensversicherungs AG zugunsten des Klägers eine Rentenanwartschaft, die dem Kläger ab dem 1. Januar 2005 eine monatlich wiederkehrende Rente in Höhe von 276/399 von 750,00 DM, das sind 518,79 DM, verschafft, zu begründen und über die begründete Rentenanwartschaft einen Nachweis vorgenannter Lebensversicherungsgesellschaft vorzulegen,
hilfsweise, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten des Klägers bei einem deutschen Lebensversicherungsunternehmen eine Rentenanwartschaft in vorgenannter Höhe zu begründen,
weiter hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Januar 2005 eine Rente in Höhe von monatlich 518,79 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat widerklagend beantragt,
- den Kläger zu verurteilen, gegenüber der Gerling-Konzern Versicherungsgesellschaft, Köln, die Freigabe aller Rechte und Ansprüche aus der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Unfallversicherung Nr. zugunsten der Beklagten zu erklären,
- den Kläger zu verurteilen, gegenüber der Gerling-Konzern Versicherungsgesellschaft, Köln, die Freigabe aller Rechte und Ansprüche aus der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung Nr. zugunsten der Beklagten zu erklären,
- den Kläger zu verurteilen, gegenüber der Gerling-Konzern Versicherungsgesellschaft, Köln, die Freigabe aller Rechte und Ansprüche aus der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung Nr. zugunsten der Beklagten zu erklären,
- hilfsweise, den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 56.984,70 DM nebst 10,5 % Zinsen hieraus seit dem 12. Mai 1994 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Durch Urteil vom 25. September 1997 hat das Arbeitsgericht Klage und Widerklage abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 9. Oktober 1997, der Beklagten am 8. Oktober 1997 zugestellt worden. Mit am 31. Oktober 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz ist der Beklagten am 4. November 1997 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 6. November 1997, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat die Beklagte „Anschlußberufung” eingelegt und für die mündliche Verhandlung angekündigt, sie werde die Zurückweisung der Berufung sowie die Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern entsprechend ihren Anträgen und Hilfsanträgen aus I. Instanz beantragen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18. November 1997 seine Berufung begründet und einen eingeschränkten Sachantrag angekündigt. Die Beklagte hat mit am 28. November 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 27. November 1997 beantragt, die Frist zur Begründung der Anschlußberufung sowie die Frist zur Erwiderung auf die gegnerische Berufung jeweils bis zum 9. Januar 1998 zu verlängern. Das Landesarbeitsgericht hat am 1. Dezember 1997 die Berufungsbeantwortungsfrist wie beantragt verlängert. Im übrigen hat es auf die Kommentierung von Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 522 a Rz 7, verwiesen.
Mit am 9. Januar 1998 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß es sich bei der mit ihrem Schriftsatz vom 6. November 1997 eingelegten „Anschlußberufung” nicht um eine Anschlußberufung im eigentlichen und engeren Sinne handele. Sie sei als eigenständige Berufung eingelegt und nur deshalb als „Anschluß”-Berufung bezeichnet worden, weil im Zeitpunkt der Abfassung der Berufungsschrift die gegnerische Berufung bereits vorgelegen habe. Vorsorglich hat die Beklagte zugleich erneut Anschlußberufung eingelegt, geänderte Sachanträge angekündigt und sie begründet. Der Kläger hat danach seine Berufung zurückgenommen. Die verbliebene Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 27. Januar 1998 als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die ihre letzten Sachanträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ihre Berufung zu Recht verworfen. Die Beklagte hat ihre Berufung nicht rechtzeitig begründet (§ 522 a Abs. 2 ZPO).
I. Die Beklagte hat am 6. November 1997 Anschlußberufung nach § 521 bis § 522 a ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG eingelegt. Es handelte sich hier nicht um eine selbständige Berufung. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend den Schriftsätzen der Beklagten entnommen.
1. Bei der Auslegung von Prozeßhandlungen gilt grundsätzlich ein großzügiger Maßstab. Es kommt insbesondere nicht entscheidend darauf an, ob ein rechtsunkundiger Kläger sich der rechtstechnisch richtigen Ausdrücke bedient, wie sie von einem Juristen erwartet werden können. Eine hieran orientierte weite Auslegung von Prozeßhandlungen findet jedoch dort ihre Grenzen, wo es darum geht, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu bewahren (BAG Urteil vom 11. September 1956 – 3 AZR 163/54 – BAGE 3, 107, 108 f. = AP Nr. 8 zu § 3 KSchG; Urteil vom 30. November 1961 – 2 AZR 295/61 – BAGE 12, 75, 76 f. = AP Nr. 3 zu § 5 KSchG; Urteil vom 21. Dezember 1967 – 2 AZR 105/67 – AP Nr. 33 zu § 3 KSchG). Auch bei der Einlegung eines Rechtsmittels führt die falsche Bezeichnung noch nicht zu dessen Unzulässigkeit. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Form des zulässigen Rechtsmittels gewahrt worden ist und der Prozeßbevollmächtigte trotz andersartiger Bezeichnung erkennbar das Richtige gemeint hat oder es unzweifelhaft ist, daß er den zulässigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie das Gericht und der Prozeßgegner die Prozeßerklärung auffassen mußten (BAG Urteil vom 15. November 1963 – 1 AZR 221/63 – AP Nr. 1 zu § 345 ZPO).
2. Das Landesarbeitsgericht hat aus den Schriftsätzen der Beklagten vom 6. und 27. November 1997 zutreffend den Schluß gezogen, die Beklagte habe bewußt das Rechtsmittel der Anschlußberufung nach §§ 521 ff. ZPO eingelegt.
Die Beklagte hat ihr Rechtsmittel im Schriftsatz vom 6. November 1997 ausdrücklich und durch Sperrung und eingerückte Schreibweise herausgehoben als „Anschlußberufung” bezeichnet. Sie hat zwar nach den ausformulierten Anträgen angekündigt, die Begründung der „Berufung” bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Diese nicht weiter herausgehobene Kennzeichnung ihres Rechtsmittels führt jedoch nicht zu einer Widersprüchlichkeit des Inhaltes der Rechtsmittelschrift. Die Beklagte hat durch ihre Schreibweise deutlich gemacht, mit welcher Bezeichnung sie ihr Rechtsmittel qualifizieren wollte. Bei dem abschließenden Hinweis handelt es sich bei verständiger Würdigung nur um eine Kurzkennzeichnung ohne eigenständige Bewertung. Dies wird auch aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 27. November 1997 deutlich, in dem ausdrücklich beantragt wird, die Frist zur Begründung der Anschlußberufung, nicht der eigenen Berufung, und die Frist zur Erwiderung auf die gegnerische Berufung zu verlängern.
Diese Qualifikation des Rechtsmittels ist vom Kläger auch entsprechend verstanden worden, wie sich aus dessen Antrag im Schriftsatz vom 18. November 1997 ergibt, die Anschlußberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Umstand, daß die von der Beklagten eingelegte Anschlußberufung innerhalb der für die Beklagte laufenden Berufungsfrist eingelegt worden ist, ist demgegenüber ohne eigenen Aussagewert. Die Beklagte hat ihr als Anschlußberufung bezeichnetes Rechtsmittel auch innerhalb der für die Hauptberufung laufenden Frist eingelegt, die erst am 9. November 1997 abgelaufen ist. Das Rechtsmittel erfüllt deshalb auch die Voraussetzungen einer selbständigen Anschlußberufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO. Der Schriftsatz der Beklagten vom 6. November 1997 läßt nicht erkennen, daß es der Beklagten nicht auf die Einhaltung dieser Rechtsmittelfrist, sondern der eines eigenen Rechtsmittels ankam. Diesem Schriftsatz kann kein Hinweis darauf entnommen werden, der Begriff der Anschlußberufung sei nur untechnisch, als zweite Berufung, verwendet worden. Die Beklagte kann nicht geltend machen, es entspreche bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden „dem allgemeinen Sprachgebrauch auch und gerade des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz”, das zeitlich später, aber noch innerhalb der regulären Berufungsfrist eingelegte Rechtsmittel als Anschlußberufung zu bezeichnen. Das Gesetz unterscheidet zwischen der eigenständigen Berufung und der Anschlußberufung auch dann, wenn die zweite Berufung innerhalb der Rechtsmittelfrist der Erstberufung eingelegt worden ist. Angesichts dessen hat die durch eine rechtskundige Person vertretene Partei dafür einzustehen, daß die in ihrem Namen vorgenommene Prozeßhandlung ihrem Willen entsprechend gekennzeichnet wird. Es geht hier nicht um eine Unterscheidung zwischen einem unzulässigen und einem zulässigen Rechtsmittel, bei dem der Prozeßbevollmächtigte den falschen Begriff für das tatsächlich Gewollte wählt. In einem solchen Fall müssen der Prozeßgegner und das Gericht regelmäßig davon ausgehen, daß der Handelnde das zulässige und in seinem Interesse Liegende tun will. Sind dagegen zwei zulässige rechtliche Möglichkeiten eröffnet, können
Gericht und Prozeßgegner grundsätzlich nur aus der Wahl des Begriffs darauf schließen, welche dieser Möglichkeiten gewählt worden ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich aus dem Verhalten im übrigen ergibt, daß nicht der begrifflich gekennzeichnete, sondern ein anderer Rechtsbehelf eingelegt werden sollte. Daran fehlt es im Falle der am 6. November 1997 eingelegten Anschlußberufung.
II. Das Landesarbeitsgericht hat diese Anschlußberufung zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist.
1. Die Beklagte hat ihre Anschlußberufung nicht innerhalb der Frist des § 522 a Abs. 2 ZPO begründet, der nach § 64 Abs. 6 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anzuwenden ist.
a) Nach § 522 a Abs. 2 1. Alternative ZPO muß eine Anschlußberufung, die vor Ablauf der Frist für die Einlegung der Hauptberufung eingelegt worden ist, bis zum Ablauf der Frist für die Begründung der Hauptberufung begründet werden. Für diese selbständige Anschlußberufung, wie sie die Beklagte eingelegt hat, gilt nicht die einmonatige Begründungsfrist vom Tage der Einlegung der Anschlußberufung an, wie sie für die selbständige Berufung maßgeblich ist (RG Urteil vom 25. November 1937 – IV 133/37 – RGZ 156, 240, 242; BGH Urteil vom 27. April 1995 – VII ZR 218/94 – NJW 1995, 2362; Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., § 522 a Rz 10; Thomas/ Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 522 Rz 6; wohl auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 138 VI; a.A. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, § 522 a Rz 13; Rimmelspacher, JR 1988, 93, 96; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 522 a Rz 16).
Solange die Hauptberufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen worden ist, ist es für die rechtliche Behandlung der Anschließung ohne Bedeutung, ob sie innerhalb der Berufungsfrist oder erst danach erfolgt ist. Bis dahin werden die selbständige und die unselbständige Anschließung vom Gesetz gleich behandelt. Für beide Rechtsbehelfe gilt, daß sie auch zulässig sind, wenn eine Beschwer nicht vorliegt. Sie sind auch zu dem ausschließlichen Zweck gestattet, den Klageantrag zu erweitern, neue Ansprüche geltend zu machen, eine Widerklage zu erheben oder ausschließlich die Änderung der Entscheidung im Kostenpunkt anzustreben. Form und Begründung dieses einheitlichen Rechtsmittels richten sich nach § 522 a ZPO sowie, was die Begründungsfrist angeht, nach § 522 a Abs. 2 ZPO. Diese Rechtslage ändert sich erst dann, wenn die Hauptberufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. Nunmehr gewinnt die Frage Bedeutung, ob eine unselbständige oder selbständige Anschlußberufung eingelegt worden ist. Erstere verliert ihre Wirkung mit dem Wegfall der Hauptberufung. Bei einer selbständigen Anschlußberufung wird der Berufungsbeklagte und Anschlußberufungskläger so behandelt, als habe er die Berufung selbständig eingelegt (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die innerhalb der Berufungsfrist erfolgte Anschließung kann also nach Wegfall der Hauptberufung für sich allein weiterbetrieben werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß mit der Anschließung ein Ziel verfolgt worden ist, das auch mit einer eigenständigen Berufung hätte verfolgt werden können. Außerdem bleiben für den ursprünglich als Anschlußberufung eingelegten Rechtsbehelf die in § 522 a ZPO aufgestellten Formerfordernisse maßgebend, was insbesondere bedeutet, daß die Anschließung innerhalb der in § 522 a Abs. 2 ZPO vorgeschriebenen Frist begründet werden muß (RG Urteil vom 25. November 1937, aaO).
Rimmelspacher (JR 1988, 93, 96) wendet demgegenüber insbesondere ein, es gebe keinen Sachgrund, warum ein Anschlußrechtsmittel nur unter strengeren Voraussetzungen weiterverfolgt werden könne, als sie bei Einlegung als selbständiges Rechtsmittel hätten beachtet werden müssen. Deshalb dürfe ein Anfechtungsbegehren, das alle Zulässigkeitsvoraussetzungen eines eigenständigen Rechtsmittels erfülle, nicht deshalb verworfen werden, weil es nicht alle Voraussetzungen des Anschlußrechtsmittels erfüllt habe und nur deshalb nicht mehr erfüllen könne, weil die Verknüpfung von Anschluß- und Hauptrechtsmittel inzwischen gelöst sei. Deshalb müsse der Berufungsführer einer selbständigen Anschlußberufung stets die Möglichkeit haben, seine Berufung auch innerhalb der allgemeinen Berufungsbegründungsfrist zu begründen.
Dem folgt der Senat nicht. Rimmelspacher vernachlässigt den Umstand, daß der Rechtsmittelbeklagte in einem Zeitpunkt, in dem er ein selbständiges Rechtsmittel hätte einlegen können, sich nur dem bereits eingelegten Rechtsmittel seines Gegners angeschlossen hat. Damit hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, daß er sein Begehren nach einer ihm günstigeren Entscheidung hauptsächlich deshalb verfolgt, weil sein Gegner ein Rechtsmittel eingelegt hat. Diese Triebfeder seines Handelns entfällt, wenn das Hauptrechtsmittel wegfällt, ohne daß darüber sachlich entschieden wird (Fenn, Die Anschlußbeschwerde im Zivilprozeß und im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1961, S. 133). Aus dieser Verknüpfung ergibt sich, wie Fenn (aaO) zu Recht angenommen hat, die Befugnis auch desjenigen, der ein selbständiges Anschlußrechtsmittel eingelegt hat, beim Wegfall des Hauptrechtsmittels zu erklären, daß sein Anschlußrechtsmittel wirkungslos bleiben solle. Der Führer des Anschlußrechtsmittels kann durch einseitige Erklärung die Umwandlung der selbständigen Anschlußberufung in eine eigenständige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO verhindern. Daraus folgt aber zugleich, daß die Anschlußberufung so lange, wie § 522 Abs. 2 ZPO noch nicht eingreift, weil die Hauptberufung noch anhängig ist, abschließend nach den Regeln über das Anschlußrechtsmittel zu behandeln ist. Ist in dieser Zeit das Anschlußrechtsmittel unzulässig geworden, etwa weil es nicht rechtzeitig begründet worden ist, kann nach Rücknahme oder Verwerfung des Hauptrechtsmittels nicht aus diesem unzulässigen Anschlußrechtsmittel eine zulässige Berufung werden.
b) Die Beklagte hat die Frist des § 522 a Abs. 2 ZPO nicht eingehalten. Die Berufungsbegründungsfrist für den Kläger ist am 1. Dezember 1997 abgelaufen. Die Beklagte hätte deshalb ihre Anschlußberufung bis zu diesem Tag begründen müssen. Dies ist nicht geschehen.
2. Das Fristversäumnis der Beklagten ist auch nicht durch ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten des Landesarbeitsgerichts verursacht worden. Die Beklagte hat zwar innerhalb der Frist für die Begründung der Anschlußberufung beantragt, diese Frist bis zum 9. Januar 1998 zu verlängern. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Antrag jedoch durch seine Bezugnahme auf die Kommentierung bei Thomas/Putzo (ZPO, 21. Aufl., § 522 a Rz 7) zu Recht abgelehnt. Eine eigenständige Verlängerung der Frist für die Begründung der Anschlußberufung nach § 522 a Abs. 2 ZPO ist von Rechts wegen ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. § 522 a Abs. 3 ZPO nimmt ausdrücklich Bezug auf § 519 Abs. 3 und § 519 Abs. 5 ZPO. Auf § 519 Abs. 2 ZPO, die Regelung über die Frist für die Begründung der Berufung und die Möglichkeit, diese Frist zu verlängern, wird nicht verwiesen.
Der Führer einer Anschlußberufung bedarf der Möglichkeit einer eigenständigen Verlängerung seiner Berufungsbegründungsfrist auch nicht, weil er die Möglichkeit hat, durch erneute Einlegung der Anschlußberufung sein Ziel zu erreichen. Dabei handelt es sich zwar notwendigerweise um eine unselbständige Anschlußberufung, die in ihrem Bestand in jedem Fall davon abhängig ist, daß die Hauptberufung nicht wegfällt. Diese auch im Falle der Beklagten wirksam gewordene Schwächung der Rechtsposition für denjenigen, der ursprünglich eine selbständige Anschlußberufung eingelegt hat, muß hingenommen werden. Der Anschlußberufungskläger hat den Weg der Anschließung und nicht den Weg der eigenständigen Berufung gewählt. Er muß, will er sich die Vorteile des § 522 Abs. 2 ZPO erhalten, die Vorschriften für die Einlegung und die Begründung des Anschlußrechtsmittels erfüllen. Der Berufungsbeklagte ist frei in seiner Entscheidung, sich gegen das anzufechtende Urteil eigenständig zu wehren, weil er es in keinem Fall für hinnehmbar hält. Wählt er diesen Weg nicht, sondern geht es ihm in erster Linie um eine besondere Form der Abwehr des Hauptrechtsmittels, dann muß er auch dessen besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllen (ebenso OLG Köln, Beschluß vom 4. Juni 1975 – 6 U 54/72 – JMBl. NW 1975, 265; Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., § 522 a Rz 7; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 138 V; Alternativkommentar zur ZPO/Ankermann, § 522 a Rz 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 522 a Rz 5). Die Gegenauffassung (Rimmelspacher, aaO; Stein/Jonas/Grunsky, aaO) geht von der vom Senat nicht geteilten Grundthese aus, daß der Führer einer selbständigen Anschlußberufung auch das Recht hat, seine Anschlußberufung innerhalb einer für ihn laufenden eigenständigen und deshalb auch verlängerbaren Berufungsbegründungsfrist nach § 519 Abs. 2 ZPO zu begründen.
III. Da das Landesarbeitsgericht nach alledem die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen hat, war deren Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Kremhelmer, Bott, Bepler, Reissner, Martschin
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.09.1998 durch Kaufhold, Regierungssekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436215 |
BAGE, 367 |
BB 1999, 910 |
DB 1999, 968 |
NJW 1999, 2919 |
ARST 1999, 238 |
FA 1999, 162 |
FA 1999, 196 |
NZA 1999, 611 |
RdA 1999, 356 |
SAE 1999, 207 |
AP, 0 |