Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau einer Überversorgung
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Vgl. Urteil des Senats vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 –.
Normenkette
BetrAVG § 1 Ablösung, §§ 2, 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, Abs. 2 Sätze 1, 4; BetrVG §§ 77, 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 23.04.1990; Aktenzeichen 12 Sa 1621/89) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 03.08.1989; Aktenzeichen 1 Ca 192/89) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. April 1990 – 12 Sa 1621/89 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 3. August 1989 – 1 Ca 192/89 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte die Betriebsrente des Klägers wirksam auf ca. 100 % seiner letzten Nettobezüge begrenzt hat, während zuvor 75 % der letzten Bruttobezüge maßgebend waren.
Der Kläger, geboren am 4. August 1926, war seit dem 15. April 1953 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Energieversorgung, beschäftigt. Er trat am 1. April 1988 in den Vorruhestand und am 1. April 1989 in den Ruhestand. Seither bezieht er von der Beklagten ein betriebliches Ruhegeld in Höhe von anfänglich 1.237,62 DM. Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe eine um mindestens 260,28 DM höhere monatliche Rente zu.
Die betriebliche Altersversorgung der Beklagten war ursprünglich in vertraglichen Regelungen niedergelegt. Die „Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung” vom 1. September 1952 sahen dienstzeit- und endgehaltsabhängige Versorgungsleistungen vor; das Ruhegeld betrug nach zehnjähriger Dienstzeit 30 % und stieg mit jedem weiteren angefangenen Dienstjahr um 1,5 % bis zum Höchstbetrag von 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens. Ruhegeldfähig war das zuletzt bezogene Diensteinkommen (§§ 6, 7 der Richtlinien). Ein Rechtsanspruch auf die in den Richtlinien vorgesehenen Leistungen war ausgeschlossen (§ 1 der Richtlinien). § 13 der Richtlinien enthielt eine nach Dienstzeiten gestaffelte Gesamtversorgungsobergrenze; danach durfte die Gesamtversorgung aus betrieblicher Versorgung und aus Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung von der Vollendung des 29. Dienstjahres an 75 % des ruhegeldfähigen Diensteinkommens nicht übersteigen. Sämtliche Versorgungsbezüge waren dynamisiert (§ 12 der Richtlinien); änderten sich die Gehalts- und Lohntarife, so änderten sich entsprechend auch die Versorgungsbezüge.
Diese Richtlinien wurden durch eine Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1959 abgelöst. Die begünstigten Arbeitnehmer erhielten nunmehr einen Rechtsanspruch auf die vorgesehenen Leistungen. Im übrigen blieben die früheren Richtlinien inhaltlich im wesentlichen unverändert, insbesondere blieb es bei der bisherigen Obergrenze der Gesamtversorgung von 75 % des ruhegeldfähigen Bruttoeinkommens (§ 8 Versorgungsordnung 1959). Auch die Dynamisierung der Versorgungsbezüge blieb erhalten.
Die Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1959 wurde mehrmals geändert (u.a. 1973, 1978 und 1979). Die Höchstbegrenzungsklausel blieb unverändert.
Durch Betriebsvereinbarungen vom 9. Dezember 1980 wurde das Versorgungswerk in die Ruhegeldordnungen I und II aufgespalten. Die Ruhegeldordnung I gilt für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zur Beklagten vor dem 1. Januar 1981 begründet wurden (§ 16); für diese Arbeitnehmer blieb es zunächst – zum Teil abweichend von der bisherigen Regelung gestaffelt – bei der Obergrenze der Gesamtversorgung von 75 % des ruhegeldfähigen Diensteinkommens (§ 8). Das ruhegeldfähige Diensteinkommen berechnet sich aus der monatlichen Grundvergütung, zu der diverse Zulagen zählen, einer Entschädigung für Dienstbereitschaft sowie 1/12 des zuletzt gezahlten Weihnachtsgeldes (§ 7 Nr. 1).
Die Ruhegeldordnung II, die für die seit dem 1. Januar 1981 eingetretenen Mitarbeiter gilt, enthält zwar ebenfalls eine Höchstbegrenzungsklausel der erreichbaren betrieblichen Versorgungsbezüge von bis zu 75 % des ruhegeldfähigen Diensteinkommens. Die Gesamtversorgungsobergrenze wurde für diese Arbeitnehmergruppe jedoch abweichend von der Regelung der Ruhegeldordnung I in zweifacher Hinsicht wie folgt begrenzt:
„§ 8
…
2a) Die Gesamtsumme aller Versorgungsbezüge – eingeschlossen die Leistungen anderer Unternehmen aus früheren Arbeitsverhältnissen und die der gesetzlichen Rentenversicherung (Pflichtversicherung) – sind nach oben auf 75 % des ruhegeldfähigen Einkommens beschränkt. Übersteigen die Gesamtbezüge diese Grenze, so vermindern sich die Versorgungsleistungen der EWE um den Unterschiedsbetrag gemäß Absatz 1.
2b) Die Netto-Bezüge eines Ruhegeldempfängers aufgrund einer früheren Tätigkeit bei der EWE einschließlich betrieblicher Altersversorgung aus früheren Beschäftigungsverhältnissen und Sozialversicherungsrenten aus einer Pflichtversicherung dürfen 90 % der Netto-Bezüge eines vergleichbaren aktiven Mitarbeiters nicht übersteigen. Gegebenenfalls übersteigende Netto-Bezüge führen zur Kürzung des EWE-Ruhegeldes…”
Die Dynamisierung der Versorgungsbezüge entsprechend der Lohn- und Gehaltsentwicklung blieb erhalten.
Durch eine weitere, in einem Einigungsstellenverfahren zustandegekommene Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 wurde die Gesamtversorgungsobergrenze der Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 geändert. Die maßgebliche Bestimmung lautet jetzt:
„2a) Die Netto-Bezüge aus monatlichem Ruhegeld einschließlich etwaiger betrieblicher Altersversorgung aus früheren Beschäftigungsverhältnissen und Sozialversicherungsrenten aus einer Pflichtversicherung dürfen 100 % der Netto-Bezüge nicht übersteigen, die sich aus dem ruhegeldfähigen Diensteinkommen gemäß § 7 Abs. 1 der Ruhegeldordnung und einem weiteren 1/30 der monatlichen Grundvergütung im Sinne von § 7 Abs. 1 der Ruhegeldordnung aus dem Durchschnitt der letzten 36 Monate des aktiven Beschäftigungsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles ergeben. Ein etwaiger Versorgungsausgleich bleibt unberücksichtigt.
Bei der Ermittlung der Netto-Bezüge gemäß § 7 Abs. 1 der Ruhegeldordnung werden folgende gesetzliche Abzüge (Arbeitnehmeranteile) im Zeitpunkt des Eintrittes des Versorungsfalles berücksichtigt:
Lohnsteuer – jeweilige persönliche Steuerklasse (I – VI) Kirchensteuer Krankenversicherung (BKK-Beitrag) Rentenversicherung Arbeitslosenversicherung”
Versorgungsfälle bis zum 31. Dezember 1986 wurden von dieser Änderung ausgenommen.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand berechnete die Beklagte das Ruhegeld des Klägers wie folgt:
„Begrenzung nach § 8 der Ruhegeldordnungen I + II
- Ruhegeld und Sozialversicherungsrenten höchstens 75 % der Bezüge von Ziffer 2 (von DM 5.199,10) DM 3.899,33
- Witwengeld und Sozialversicherungsrenten höchstens 60 % des sich unter Ziffer 5 a ergebenden Betrages DM
- abzüglich der Rente aus der Rentenversicherung von monatlich DM 2.297,50
- Das Höchst-Ruhegeld/Witwengeld beträgt ab DM 1.601,83 gekürztes Ruhegeld netto ab 1.4.89 DM 1.237,62
Der Kläger ist mit dieser Berechnung nicht einverstanden. Er ist der Auffassung, die Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 sei ihm gegenüber unwirksam. Maßgebend sei für ihn die Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980. Danach ergebe sich für ihn ein monatlich 260,28 DM höheres Ruhegeld. Eine weitere Kürzung müsse er nicht hinnehmen. Die Neuregelung schmälere seine erdiente Anwartschaft. Der bei der Ablösung erreichte Teilwert müsse ihm erhalten bleiben. Die zusätzlich erbrachte Betriebstreue wirke sich anderenfalls für ihn nur nachteilig aus. Die Neuregelung verletze die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes. Er habe sich auf die ursprünglich erreichbare Versorgung eingerichtet. Schließlich fehle eine Härteregelung für rentennahe Jahrgänge.
Der Kläger hat, soweit im Revisionsverfahren noch im Streit, beantragt
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, die ihm ab Eintritt des Versorgungsfalles (1.4.1989) zustehenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der bisherigen Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.383,64 DM netto für die Zeit vom 1. April 1989 bis April 1990 einschließlich zu zahlen und darüber hinaus festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, entsprechend der Tenorierung in der Entscheidung I. Instanz ihm zustehende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der bisherigen Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die alte Regelung mit der Obergrenze von 75 % der ruhegeldfähigen Bruttobezüge habe in vielen Fällen zu Überversorgungen geführt. Die seit 1959 um über 50 % angestiegene Belastung der Einkünfte der aktiven Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialabgaben habe dazu geführt, daß die Geschäftsgrundlage der früheren Versorgungsordnung erschüttert worden sei. Ursprünglich sei angestrebt worden, den Arbeitnehmern eine Versorgung zu sichern, die ihnen die Beibehaltung ihres im Berufsleben erreichten Lebensstandards gewährleiste. Es könne nicht hingenommen werden, daß sich die aktiven Arbeitnehmer mit geringeren Einkünften als die Rentner zufrieden geben müßten. Im Jahre 1959 habe die Obergrenze von 75 % der ruhegeldfähigen Bruttobezüge zu einer angemessenen Angleichung von Rentnern und Aktiven geführt. Der Versorgungsgrad habe 93,4 % betragen. Er sei bis 1986 auf 104,4 % gestiegen und durch die Einführung der Netto-Obergrenze nur auf 97,7 % gesenkt worden, liege also nach wie vor höher als die ursprünglich angestrebte Vollversorgung. Unter den gegebenen Umständen sei das Begehren des Klägers nicht schutzwürdig. Selbst als rentennaher Jahrgang habe er keine höhere Gesamtversorgung erwarten können, als er im aktiven Dienst an Arbeitsentgelt erreicht habe.
Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß seine Betriebsrente nach der Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 berechnet wird. Die Einführung der Netto-Obergrenze der Gesamtversorgung ist wirksam.
I. Hinsichtlich des Änderungsmittels, also der Eignung einer Betriebsvereinbarung zur Änderung einer vorhergehenden Betriebsvereinbarung, bestehen keine Bedenken. Insoweit wird auf das Urteil des Senats vom 23. Oktober 1990 (– 3 AZR 260/89 – DB 1991, 449 = BB 1991, 699, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I der Gründe), das dieselbe Versorgungsordnung betrifft, Bezug genommen.
Daß die Versorgung bei der Beklagten ursprünglich in vertraglichen Regelungswerken niedergelegt war, hat auf das Ergebnis keinen Einfluß. Die erste Betriebsvereinbarung vom 22. Dezember 1959, welche die betriebliche Einheitsregelung der Richtlinien vom 1. September 1952 ablöste, war eine umstrukturierende Betriebsvereinbarung. Der Gesamtaufwand für die betriebliche Altersversorgung im Unternehmen der Beklagten wurde nicht geschmälert. Diese Betriebsvereinbarung konnte daher an die Stelle der bisherigen vertraglichen Regelung treten (BAG Großer Senat, Beschluß vom 16. September 1986 – BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972).
II. Eine nachfolgende Betriebsvereinbarung kann nicht schrankenlos in die Rechte der begünstigten Arbeitnehmer eingreifen (Urteil des Senats vom 23. Oktober 1990, aaO, zu I der Gründe, m.w.N.). Den Gerichten obliegt eine Rechtskontrolle. Die Änderungsgründe sind gegen die Bestandsschutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer abzuwägen (Urteil des Senats vom 17. März 1987, BAGE 54, 261 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Die Absenkung der früheren Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % des ruhegeldfähigen Bruttoeinkommens auf 100 % des ruhegeldfähigen Nettoeinkommens hält der Prüfung anhand der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes stand.
1. Es trifft zu, wie der Kläger vorträgt, daß die Einführung der Netto-Obergrenze in seinem Falle in den nach § 2 Abs. 1 BetrAVG berechneten Besitzstand eingreift, den er zur Zeit der Ablösung bereits erdient hatte.
Der Kläger hatte am 31. Dezember 1986, als die Neuregelung der Gesamtversorgungsobergrenze in Kraft trat, nach der Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 die für die Vollversorgung (Betriebsrente und Sozialversicherungsrente) in Höhe von 75 % der letzten Bruttobezüge erforderliche Betriebstreue erbracht. Er hatte bis dahin mehr als 33 Dienstjahre (1953 bis 1986) zurückgelegt und damit einen Satz von 66 % des ruhegeldfähigen Bruttoeinkommens erdient; die Gesamtversorgung aus gesetzlicher Rente und Betriebsrente durfte bei Eintritt des Versorgungsfalls lediglich 75 % der rentenfähigen Bruttobezüge nicht übersteigen. Auch wäre eine zeitanteilige Kürzung wegen Nichterreichung des 65. Lebensjahres, wie die Beklagte meint, nicht in Betracht gekommen. Eine Altersgrenze von 65 Jahren sieht die Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 nicht vor. Der Kläger konnte schon im März 1986 seinen Betriebsrentenanspruch nicht mehr steigern (§ 6 der Ruhegeldordnung I).
2. Eingriffe in den erdienten Besitzstand sind nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig. Auch insoweit wird zur näheren Begründung auf das Urteil vom 23. Oktober 1990, aaO, (zu II 1 b der Gründe) verwiesen. Hier hat die Beklagte keine wirtschaftliche Notlage geltend gemacht, sondern eine Überversorgung ihrer Arbeitnehmer (Urteil vom 23. Oktober 1990, aaO, zu II 1 c der Gründe). Zum Abbau der Überversorgung ist die Einführung der Nettobegrenzung gerechtfertigt, auch soweit der erdiente Teilbetrag geschmälert wird.
a) Jede betriebliche Versorgungsordnung, gleich ob sie vertraglich oder durch Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist, verfolgt das Ziel, den begünstigten Arbeitnehmern eine über die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehende Versorgung zu gewährleisten. Das Versorgungsziel kann sich auf geringfügige Verbesserungen der nach den Sozialversicherungsgesetzen gegebenen Versorgungslage beschränken. Versorgungsziel kann auch sein, den ausscheidenden Arbeitnehmern den im aktiven Dienst erreichten Lebensstandard zu sichern und das betriebliche Versorgungssystem so auszugestalten, daß – näherungsweise – die Gesamtversorgung dem bisher erzielten Arbeitseinkommen entspricht. Darüber hinaus sind dem Senat Versorgungsordnungen bekannt geworden, die weniger durch den Gedanken der Vollversorgung der Rentner bestimmt sind als durch den Gedanken des nachträglichen Entgelts für geleistete Dienste und die ohne Rücksicht auf die zuletzt verfügbaren Einkünfte der aktiven Arbeitnehmer Versorgungsleistungen vorsehen, bei denen von vornherein deutlich wird, daß eine Überversorgung eintritt (BAGE 47, 130 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung). Auch die Obergrenze einer Gesamtversorgung wird gelegentlich erheblich über das zuletzt erreichte Aktiveinkommen hinaus festgesetzt (vgl. Urteil des Senats vom 24. April 1990 – 3 AZR 309/88 – DB 1990, 2172 = NZA 1990, 936).
b) Versorgungszusagen, die von vornherein die Möglichkeit eröffnen, eine Gesamtversorgung zu erreichen, die über die letzten effektiven Arbeitseinkünfte hinausgeht, können nicht im Nachhinein allein mit der Begründung eingeschränkt werden, es sei eine sozial unerwünschte Überversorgung eingetreten. Dazu gibt weder das Vertragsrecht, etwa die Lehre von der Geschäftsgrundlage, noch das Betriebsverfassungsrecht, etwa mit dem Ablösungsprinzip, eine rechtliche Handhabe. Wer eine Überversorgung vertraglich verspricht, muß sie auch erbringen, wer eine Überversorgung durch Betriebsvereinbarung normiert, muß sie ebenfalls erbringen. Er kann sie nicht allein um einer geänderten Beurteilung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit willen (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) mit rückwirkender Kraft beseitigen.
c) Im Streitfall hat die Beklagte mit ihrer Versorgungsordnung, die insoweit von 1959 bis 1986 unverändert galt, keine Versorgung ihrer Rentner angestrebt, die über die letzten Einkünfte der aktiven Arbeitnehmer hinausgehen sollte. Im Jahre 1959 erreichte die Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % der letzten Bruttobezüge einen Versorgungsgrad, der geringfügig unter dem lag, was die Arbeitnehmer an Nettoeinkünften erzielten. Die Arbeitnehmer konnten damals mit Abzügen von ca. 15 % ihrer Bruttobezüge rechnen. Da seither die Abgabenbelastung der Löhne auf über 30 % angestiegen ist, die Versorgungsberechtigten aber Sozialabgaben nur in vergleichsweise geringerer Höhe aufzubringen haben und sie außerdem weitgehende Steuervergünstigungen genießen, entspricht die im Jahre 1986 erreichte Versorgung der Ruheständler mit einem Versorgungsgrad von über 100 % nicht mehr dem, was mit dem Versorgungswerk erreicht werden sollte: Eine an den Effektiveinkünften der aktiven Arbeitnehmer orientierte Vollversorgung ist nicht mehr gewährleistet. Der mit der ursprünglichen Versorgungsordnung verfolgte Zweck wird verfehlt. Die Versorgungsregelung kann infolge der äußeren Einflüsse, insbesondere durch den Anstieg der Lohnbelastung seit 1959 um über 50 %, ihr ursprüngliches Ziel nicht mehr erreichen.
3. Unter den gegebenen Umständen ist es den Betriebsparteien erlaubt, die Versorgungsordnung an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Dabei steht ihnen ein Regelungsspielraum zu. Sie dürfen selbst in schon erdiente Versorgungsrechte eingreifen, um das ursprüngliche Regelungsziel wiederherzustellen. Jedenfalls werden die rechtlichen Grenzen des Eingriffs dann nicht überschritten, wenn die Summe aller Versorgungsleistungen auf 100 % der letzten Aktivenbezüge begrenzt wird. Höhere Leistungen sind von der Versorgungszusage nicht gedeckt, sondern durch die Abgabenentwicklung entstanden, die das Unternehmen weder vorhersehen noch beeinflussen konnte. Eine ablösende Betriebsvereinbarung, welche die Folgen dieser Entwicklung korrigiert und den ursprünglich gewollten Versorgungsgrad wiederherstellt, ist rechtlich nicht zu beanstanden (BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 b der Gründe, und Urteil vom 17. März 1987, BAGE 54, 261, 273 = AP, aaO, zu II 3 c (1) der Gründe). Die neue Regelung enthält dann gegenüber der Ausgangslage keine Verschlechterung, sondern nur deren Verwirklichung. Ein Eingriff, der diese Grenze einhält, ist nicht unverhältnismäßig, sondern vom Regelungsermessen der Betriebsparteien gedeckt.
a) Das Berufungsgericht vertritt hierzu die Auffassung, die Absenkung der Gesamtversorgungsobergenze sei unbillig, weil die Beklagte nicht substantiiert dargelegt habe, daß ihr die Erfüllung der in der Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 eingegangenen Verpflichtung nicht mehr zuzumuten sei. Das Landesarbeitsgericht stellt insoweit auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beklagten ab und läßt außer Betracht, daß schon der Abbau einer nicht geplanten, ungewollten Überversorgung zur Leistungskürzung berechtigen kann. Unter dem Gesichtspunkt der vom Berufungsgericht erörterten Erschütterung der Geschäftsgrundlage ist dies kein Fall der Äquivalenzstörung, also des unverhältnismäßigen Auseinanderklaffens von Leistung und Gegenleistung, sondern ein Fall der Zweckverfehlung: Die Leistungsverpflichtung der Beklagten geht über dasjenige hinaus, was als Ziel der Zusage erreicht werden sollte (BAG Urteil vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu I 2 der Gründe).
b) Das Berufungsgericht hat ferner die Auffassung vertreten, die Nettobegrenzung durch die Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie die Versorgungsanwartschaften stärker kürze, als zum Abbau der Überversorgung erforderlich sei. Das ergebe sich einmal daraus, daß nicht mehr das zuletzt bezogene Aktiveneinkommen maßgeblich sein solle, sondern das im Durchschnitt der letzten drei Jahre erzielte Arbeitsentgelt. Unverhältnismäßig sei auch, daß die Neuregelung 60 % des tariflichen Urlaubsgelds in Gestalt eines 14. Monatsgehalts unberücksichtigt lasse. Höchstbetrag der Gesamtversorgung sei danach ein fiktiver Betrag, der etwa 250,– DM unter demjenigen liege, den der aktive Arbeitnehmer im Streitfall zuletzt tatsächlich als Summe aller Bezüge erhalte.
Diese Begründung überzeugt nicht: Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, daß ein berechtiger Abbau von Überversorgungen nicht zum Anlaß genommen werden darf, die Erwartungen der begünstigten Arbeitnehmer im Übermaß einzuschränken. Der Eingriff darf nicht über das sachlich Gebotene hinausgehen. Wieweit der Eingriff reichen darf, muß aber nach dem ursprünglichen Leistungsziel bestimmt werden. Hieran gemessen gehen die Eingriffe durch die abändernde Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 nicht zu weit:
(1) Die bis zum 31. Dezember 1986 geltende Versorgungsobergrenze von 75 % der zur Zeit des Ausscheidens erreichten ruhegeldfähigen Bruttobezüge sollte ersichtlich nicht bewirken, daß jedem begünstigten Arbeitnehmer exakt die Summe von Einkünften als Versorgung erhalten blieb, die er persönlich als aktiver Arbeitnehmer nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben erreichte. Mit der Bruttovergütung als Vergleichsmaßstab ließ sich ein solches Ergebnis schon mit Rücksicht auf die unterschiedliche Belastung der Arbeitnehmer mit Steuern und Abgaben nicht erreichen. Angesichts der unterschiedlichen Belastungen der Arbeitseinkünfte konnten die Aktivenbezüge nur annähernd erhalten bleiben. Die Gesamtversorgungsobergrenze von 75 % der letzten Bruttobezüge baute auf einer Schätzung auf, die – gemessen an einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweiligen letzten Nettoeinkünfte – zu einer geringfügigen Unter- oder Überversorgung führen konnte, aber den- noch das eigentliche Ziel erreichte, nämlich einen Einbruch im Lebensstandard der Arbeitnehmer mit dem Eintritt in den Ruhestand zu verhindern.
Auch die Nettoklausel der Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 erreicht nicht exakt, sondern nur näherungsweise das Ziel einer Versorgung in der Höhe der letzten Nettobezüge als aktiver Arbeitnehmer. Insofern ist dem Kläger beizupflichten. Die Abweichungen sind jedoch nicht so einschneidend, daß die neue Regelung deshalb unverhältnismäßig wäre.
(2) Soweit nach der Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 nicht mehr das letzte, sondern das im Durchschnitt der letzten drei Jahre erzielte Arbeitsentgelt maßgebend ist, kann dies zu einer Senkung der Bemessungsgrundlage führen. Das muß jedoch nicht so sein. Die Durchschnittsberechnung kann auch verhindern, daß sich Lohneinbrüche in der letzten Zeit vor dem Eintritt in den Ruhestand nachteilig auf die Versorgungshöhe auswirken. Eine Durchschnittsberechnung trägt dem Gedanken einer angemessenen Erhaltung des Lebensstandards durchaus Rechnung.
(3) Ferner erscheint es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht unangemessen, daß bei der Ermittlung des letzten ruhegeldfähigen Einkommens das von der Beklagten zu zahlende Urlaubsgeld in Höhe eines 14. Monatsgehalts unberücksichtigt bleibt. Nach der Ruhegeldordnung I vom 9. Dezember 1980 wurde das Urlaubsgeld nicht berücksichtigt. Daran hat die Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 nichts geändert. Insoweit enthält die Neuregelung keine Verschlechterung. Zudem wird der Lebensstandard eines Ruheständlers nicht durch das Urlaubsgeld bestimmt. Diese Zuwendung soll den aktiven Arbeitnehmern zufließen, damit sie sich erholen und ihre Arbeitsfähigkeit für die Zukunft sichern können, ohne dafür übermäßige Einschränkungen in ihrer Lebensführung hinnehmen zu müssen.
(4) Schließlich ist bei der Bewertung des Eingriffsumfangs auch von Bedeutung, daß die betriebliche Altersversorgung der Beklagten nicht statisch auf den Eintritt des Versorgungsfalls festgeschrieben ist. Die Betriebsrenten nehmen an der Lohn- und Gehaltsentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern teil. Insofern sind die Rentner nicht ungünstiger, sondern wegen ihrer Steuervorteile eher günstiger gestellt als die aktiven Arbeitnehmer. Die Betriebsrenten können jedenfalls keine realen Kaufkrafteinbußen erleiden.
Zum anderen soll nach der Neuregelung nicht verglichen werden, was die Rentner als Bruttobezüge erhalten. Die abändernde Betriebsvereinbarung vom 5. März 1986 sieht ausdrücklich vor, daß eine Kürzung nur insoweit vorzunehmen ist, wie die Nettobezüge aus monatlichem Ruhegeld und anderen anrechenbaren Versorgungsbezügen 100 % der letzten ruhegeldfähigen Nettobezüge des aktiven Arbeitnehmers zuzüglich 1/30 der monatlichen Grundvergütung übersteigen. Der Hinweis des Klägers, er müsse auch als Rentner Steuern zahlen und Abgaben entrichten, geht daher fehl.
III. Der Kläger beruft sich auch auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dieser Einwand gegen die Wirksamkeit der Neuregelung überzeugt nicht.
1. Schon in seinem Beschluß vom 8. Dezember 1981 (BAGE 36, 327 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, mit Anm. von Herschel) hat der Senat entschieden, daß durch Betriebsvereinbarung eine Netto-Obergrenze von 100 % eingeführt werden darf. Das Vertrauen der Arbeitnehmer auf eine Gesamtversorgung von mehr als 100 % des letzten Nettoeinkommens sei nicht schutzwürdig; das gelte selbst für erdiente Besitzstände, weil die Rückführung auf 100 % des letzten Nettoeinkommens maßvoll und durch dringende Gründe geboten sei (BAGE 36, 327, 340 ff. = AP, aaO, zu III 2 b der Gründe; ebenso Urteil des Senats vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP, aaO, zu I 2 b (2) der Gründe; Urteil vom 17. März 1987, BAGE 54, 261, 273 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 c (1) der Gründe).
An dieser Auffassung hält der Senat fest. Auch im Streitfall konnten die begünstigten Arbeitnehmer nach der Gestaltung der alten Versorgungsordnung nicht darauf vertrauen, die Fehlentwicklung, die Überversorgungen begünstigte, werde unverändert aufrechterhalten.
2. Der Kläger hält dem entgegen, im Streitfall sei das Vertrauen der Arbeitnehmer auf den Fortbestand der alten Regelung deshalb anders zu beurteilen, weil in den Ruhegeldordnungen I und II vom 9. Dezember 1980 hinsichtlich des Abbaus von Überversorgungen Unterschiede gemacht worden seien. Nur die ab Januar 1981 eintretenden Mitarbeiter hätten eine Nettobegrenzung auf 90 % der Aktivenbezüge hinnehmen müssen (§ 8 Abs. 2 b der Ruhegeldordnung II). Da den zuvor eingetretenen Arbeitnehmern die ursprüngliche Begrenzungsklausel erhalten worden sei, hätten diese Arbeitnehmer darauf vertrauen dürfen, daß ihre erreichbare Versorgung nicht durch eine ungünstigere Anrechnungsklausel geschmälert werde.
Dieser Einwand überzeugt ebenfalls nicht. Betriebsvereinbarungen sind durch spätere Betriebsvereinbarungen abänderbar. Sie sind Ausdruck von Verhandlungsergebnissen und geprägt durch den Regelungs- und Ermessensspielraum der Verhandlungspartner. Eine verschlechternde Neuregelung in einer Betriebsvereinbarung, die einen Teil der Arbeitnehmer schont und einem anderen Teil Einbußen zumutet, kann nicht das Vertrauen begründen, die vergleichsweise bessere Gestaltung sei damit auch künftig unantastbar. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber erklärt, er beabsichtige, den Altbestand von Versorgungsberechtigten auch künftig zu schonen. Solche Erwartungen müßten in rechtlich verbindlicher Weise festgelegt werden, etwa durch den Ausschluß der Kündigung der Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 5 BetrVG). Im übrigen unterliegt nicht nur die Zusammensetzung der für den Abschluß von Betriebsvereinbarungen zuständigen Gremien und Personen, sondern auch die Bewertung der innerbetrieblichen Lohngestaltung und Lohngerechtigkeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) Änderungen. Deswegen muß auch eine Gruppe, die bisher von nachteiligen Neuregelungen verschont blieb, damit rechnen, daß – im Rahmen des geltenden Rechts und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben – ihre bisher günstigere Position in der Zukunft beseitigt wird und ebenfalls nachteiligen Änderungen unterliegen kann. Die bisher begünstigte Gruppe kann sich nicht darauf verlassen, daß die Zusammensetzung des Betriebsrats unverändert bleibt, sie kann nicht verhindern, daß etwa jüngere Arbeitnehmer in der Besserstellung der älteren Kollegen eine Ungleichbehandlung sehen, die ihnen nicht als gerecht erscheinen will.
3. Schließlich macht der Kläger geltend, es fehle eine Härteregelung, jedenfalls eine angemessene Übergangsfrist. Er sei ein rentennaher Jahrgang gewesen. Deswegen sei die Neuregelung ihm gegenüber unwirksam. Auch dies überzeugt nicht.
In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Senat auf die Rentennähe eines Arbeitsnehmers dann hingewiesen, wenn dieser von einer Leistungseinschränkung besonders hart und ungleich nachteiliger als andere Arbeitnehmer betroffen wurde (z.B. BAGE 36, 327, 341 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 b der Gründe). Davon kann aber keine Rede sein, wenn die Obergrenze der Gesamtversorgung auf das Niveau zurückgeführt wird, dessen Überschreitung schlechthin nicht schutzwürdig ist. Selbst wenn es zuträfe, wie der Kläger vorträgt, daß er mit der Überversorgung gerechnet und sich hierauf eingestellt habe, verdient er keinen Schutz. Eine Verbesserung seines Lebensstandards lediglich aufgrund einer Fehlentwicklung und des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis konnte er berechtigt nicht erwarten; ein Vorteil aus dieser Fehlentwicklung war ihm auch nicht versprochen worden.
Unterschriften
Griebeling, Dr. Wittek, Kremhelmer, Seyd, Paul
Fundstellen