Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsantrag des Arbeitgebers. Ausschluß bei Kündigung wegen Betriebsübergang
Orientierungssatz
Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs 1 Satz 2 KSchG ist nur zulässig, wenn die ordentliche Kündigung nach § 1 Abs 2 KSchG sozialwidrig, nicht aber bereits aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
Normenkette
KSchG §§ 9-10; BGB § 613a
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 02.09.1987; Aktenzeichen 2 Sa 18/87) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 20.01.1987; Aktenzeichen 2 Ca 337/86) |
Tatbestand
Der am 24. Dezember 1939 geborene und verheiratete Kläger, 2 Kinder, schloß am 29./31. Juli 1985 einen als Dienstvertrag bezeichneten Vertrag mit der Firma E KG, wonach er ab 1. Oktober 1985 als Gesamtleiter für Technik im Bereich Fördertechnik tätig sein sollte. In dem Vertrag heißt es u. a.:
2.1 Herr P wird als Gesamtleiter für Technik im
Bereich Fördertechnik eingestellt. Der Bereich um-
faßt die Abteilungen: Entwicklung, Konstruktion,
technische Planung, Arbeitsvorbereitung, Auftrags-
steuerung, Produktions- und Qualitätswesen und ist
direkt der Geschäftsführung unterstellt. Die Über-
tragung der einzelnen Aufgaben auf Herrn P
erfolgt stufenweise und jeweils in gegenseitiger Ab-
stimmung. Spätestens 30 Monate nach Eintritt erhält
Herr P die volle Verantwortung für die Gesamt-
leitung Technik, Bereich Fördertechnik.
2.2 Die Aufnahme der Tätigkeit für die Firma erfolgt am
01.10.1985.
2.3 Aufgrund der Position im Betrieb, der Aufgabenstellung
und der Eigenverantwortlichkeit ist Herr P
"Leitender Angestellter" gemäß § 5 Abs. 3 BVG.
2.4 Ab 01.04.1986 wird Herrn P Gesamt-Prokura
erteilt. Die Beschränkungen innerhalb der Firma ergeben
sich aus der Bestellungsurkunde zum Prokuristen.
3.1 Das Dienstverhältnis kann beiderseits nur mit einer
Frist von 12 Monaten schriftlich zum Quartalsende ge-
kündigt werden. Eine fristlose Kündigung gilt gleich-
zeitig vorsorglich als fristgemäße Kündigung zum nächst
zulässigen Zeitpunkt.
3.6 Die Firma ist berechtigt, Herrn P im Falle einer
Kündigung jederzeit gegen Weiterzahlung des zuletzt
vereinbarten monatlichen Bruttogehalts und unter An-
rechnung eines noch bestehenden Urlaubsanspruchs von
der Dienstleistung freizustellen.
3.9 Soweit das Dienstverhältnis durch Gerichtsbeschluß
aufgelöst wird, gilt § 9 und 10 KSchG."
Der Kläger war vorher bereits für die Firma E KG als freier Mitarbeiter tätig. Unter dem 14. Juli 1985 hatte er sein Einverständnis mit einer Reihe von Vertragsbedingungen erklärt, welche ihm die Firma E KG durch Schreiben vom 24. Juni 1985 angeboten hatte.
Gemäß einer Grundsatzvereinbarung mit der Firma L AG vom 9. August 1985 verpflichtete sich die Firma E KG die gesamte Abteilung Fördertechnik mit sämtlichen Aktiven und Passiven zum Stichtag 31. Dezember 1985 in die W Fördertechnik GmbH & Co. KG einzubringen. In Erfüllung dieser Verpflichtung schloß die Firma E KG am 21. Dezember 1985 mit der W Fördertechnik GmbH & Co. KG einen Einbringungsvertrag. Die E KG übereignete ihre Betriebsgrundstücke in R und R-M, sie übertrug sämtliche beweglichen Gegenstände (Betriebs- und Einrichtungsgegenstände, Lagerbestände, Produkte), das Know-how und die Schutzrechte an die W Fördertechnik GmbH & Co. KG, die sich zudem verpflichtete, in alle Anstellungs- und Arbeitsverhältnisse sowie in die laufenden Verträge einzutreten.
Neben der W Fördertechnik GmbH & Co. KG besteht noch eine E GmbH & Co. KG, vertreten durch die E W Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH, die sich mit Großküchentechnik befaßt.
In der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 31. März 1986 erhielt der Kläger vertragsgemäß ein monatliches Bruttogehalt von 10.850,-- DM, ab 1. April 1986 belief sich sein Monatsgehalt auf 12.500,-- DM brutto. Nach seinem Eintritt in die Firma wurde der Kläger mit der Planung des Werkes R-West mit einem vorgesehenen Investitionsvolumen von 20 bis 25 Mio. DM beauftragt. Im Mai/Juni 1986 wurde ihm der Bereich Arbeitsvorbereitung im Werk M übertragen und ihm der Leiter der Arbeitsvorbereitung Sch unterstellt. Im Rahmen seiner Tätigkeit unterlag er lediglich der Kontrolle durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten. Er gehörte auch dem sogenannten Führungskreis bei der Beklagten an, der unmittelbar unter der Geschäftsführung und über den Abteilungsleitern eingeordnet ist.
Der Beirat der Firma W Fördertechnik Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH und der der Beklagten, dessen Zustimmung hierfür erforderlich ist, beschloß am 6. Februar 1985, dem Kläger ab 1. April 1986 Gesamtprokura für beide Firmen zu erteilen. Mit Schreiben vom 18. April 1986 teilte der Geschäftsführer der Beklagten deren Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. K mit, der Kläger erhalte Gesamtprokura. Zugleich beauftragte er ihn, alles weitere zu veranlassen. Unter dem 16. Mai 1986 stellte eine Firma F Druck R der Beklagten u. a. einhundert Visitenkarten mit dem Namen des Klägers in Rechnung, die den Aufdruck "Dipl.-Ingenieur Prokurist" tragen. Diesen Auftrag hat der Kläger erteilt.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1986 kündigte die W Fördertechnik GmbH & Co. KG (im folgenden als Beklagte bezeichnet) das seit 29./31. Juli 1985 bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1987 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung von seiner Dienstleistung frei. Zu dieser Kündigung war der Betriebsrat nicht angehört worden.
Am 12. November 1986 bat der Kläger die Beklagte um Ausstellung eines Zwischenzeugnisses, das er selbst entworfen und in dem er seine Position umschrieben hatte. Zur Ausstellung dieses Zeugnisses kam es nicht.
Der Kläger hat in I. Instanz sowohl die W Fördertechnik GmbH & Co. KG, damalige Beklagte zu 1) - die jetzige Beklagte, als auch die E GmbH & Co. KG, damalige Beklagte zu 2), verklagt. Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen die damalige Beklagte zu 2) abgewiesen, ein Rechtsmittel hiergegen hat der Kläger nicht eingelegt.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei kein leitender Angestellter gewesen. Seine tatsächliche Dienststellung und der Inhalt des Dienstvertrages hätten sich nicht gedeckt. Die Kündigung sei daher schon unwirksam, weil der Betriebsrat nicht nach § 102 BetrVG gehört worden sei. Gründe, die die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG hätten rechtfertigen können, lägen nicht vor.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch erheblich, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
ihm und der Beklagten durch die Kündigung der Beklagten
vom 27. Juni 1986 nicht beendet sei.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und außerdem begehrt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 30. Juni 1987 gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger sei leitender Angestellter gewesen, so daß eine Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG nicht notwendig gewesen sei. Sie hat sich hierbei auf den Arbeitsvertrag und den unstreitigen Sachverhalt berufen und darüber hinaus insbes. geltend gemacht:
Soweit der Kläger für den Bereich Arbeitsvorbereitung verantwortlich gewesen sei, habe ihm das Personal sowohl in personeller als auch in fachlicher Hinsicht unterstanden. Der Kläger habe auch im Innenverhältnis selbständig handeln können, er habe Prokura und zwar wie alle zum Führungskreis gehörenden Personen Gesamtprokura, gehabt, es habe lediglich noch an der Eintragung zum Handelsregister gefehlt. Die Prokuraerteilung sei dem Kläger im April 1986 eröffnet worden.
Dem Kläger sei die Organisation der Betriebsdatenerfassung unter Einschaltung eines Arbeitskreises in alleiniger Verantwortung übertragen worden. Er habe diesen Arbeitskreis einberufen und habe auch einen Anforderungskatalog aufgestellt. Er sei auch Mitglied der "paritätischen Kommission" als Arbeitgebervertreter gewesen. Diese Kommission habe Einsprüche bearbeitet, Entlohnungsarten festgelegt und Richtbeispiele für die Lohnfindung in der Fertigung erstellt.
Der Kläger habe zudem die Gründung von Arbeitskreisen im Rahmen der betrieblichen Organisation "Arbeitsfortschrittsverfolgung und Lagerverwaltung" übernommen. Die Organisation Lagerverwaltung Werk M sei Aufgabe des Klägers gewesen. Die Organisation habe unmittelbaren Einfluß auf das Betriebsergebnis.
Dem Kläger seien hinsichtlich Maschinenauslastung, Multimomentaufnahmen, Untersuchung der Gemeinkostenlöhne und Einleitung entsprechender Maßnahmen Kapazitätsuntersuchungen übertragen worden.
Hinsichtlich der Durchführung der Werksplanung "Neubau R -West" habe der Kläger insbesondere folgende Punkte zu erarbeiten und festzulegen gehabt: Baukörper, Fertigungsabläufe, Maschinenaufstellung, Festlegung der im Neubau durchzuführenden Arbeitsgänge, Personalbedarfsplan, Produktionsplan bis zum Jahre 1990 im Hinblick auf die Aufteilung der Fertigung Werk M und Werk R-West neu, Verhandlungen mit der Stadt R. Der Kläger habe die Verhandlungen mit der Stadt R auch selbständig geführt und den Entscheidungsgremien eigenverantwortlich Entscheidungsgrundlagen geliefert. Die Verhandlungen mit der Stadt R habe er bis zur Vertragsreife geführt.
Der Kläger habe in dem ihm übertragenen Bereich mit der Planung des Kassettenlagers für Rohstoffe begonnen und bereits Verhandlungen mit Anbietern in die Wege geleitet und teilweise auch durchgeführt. Es sei um die Beschaffung von Anlagegütern mit einem Wert von mehr als 500.000,-- DM je Einheit gegangen. Die Verhandlungen seien vom Kläger ohne interne Abklärung direkt mit den jeweiligen Lieferanten aufgenommen worden.
Der Kläger habe an wöchentlichen Gesprächen der leitenden Angestellten teilgenommen. In diesem Zusammenhang seien ihm strengst vertrauliche Unterlagen, die nur für die Geschäftsführung und die leitenden Angestellten bestimmt gewesen seien, ausgehändigt worden.
Der Kläger habe in seinem Aufgabenbereich Zugriff zu jeder Information im Zusammenhang mit dem technischen Bereich gehabt. Er hätte Einsicht in die Personal- und Geschäftsunterlagen der Arbeitsvorbereitung, Kostenstelle 216, nehmen können.
Er habe Entlohnungsformen für NC-Einrichter entworfen, die an Stelle von Zeitlohn Prämienlohn vorgesehen hätten. Er habe Transportabläufe im Betrieb untersucht und Änderungsvorschläge über die ihm unterstellten Meister vorgelegt. Er habe damit sogar in die Kompetenz der Betriebsleitung eingegriffen.
Zum Kündigungsgrund hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe eine Schlüsselposition innegehabt, in den ihm eigenverantwortlich übertragenen Teilbereichen habe er arbeitgeberähnlichen Gestaltungsspielraum gehabt. Es hätte daher ein Vertrauensverhältnis zur Geschäftsführung bestehen müssen. Dies sei jedoch so gestört gewesen, daß eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr möglich gewesen sei. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe erklärt, er könne nicht offen sprechen, wenn der Kläger dabei sei.
Hinsichtlich des Auflösungsantrages bedürfe es keines Tatsachenvortrages, da der Kläger dem Personenkreis des § 14 Abs. 2 KSchG zuzurechnen sei.
Der Kläger hat Zurückweisung des Auflösungsantrages begehrt und geltend gemacht, er sei nicht zur Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt gewesen. Im übrigen hat er wie folgt erwidert:
Ihm sei Prokura weder mündlich noch schriftlich erteilt worden. Das Schreiben vom 18. April 1986 sei ihm niemals zur Kenntnis gegeben worden. Noch am 18. Juni 1986 sei ihm auf die Frage, wann ihm Prokura erteilt werde, von Herrn W nach Rücksprache mit Herrn H mitgeteilt worden, es sei alles in die Wege geleitet. Selbst wenn er aber Prokura gehabt hätte, so hätte er diese Funktion im Unternehmen nicht ausgeübt. Allein der Titel ohne Aufgabenbereich genüge nicht. Zudem gehe es im vorliegenden Fall nur um eine Gesamt- und nicht um eine Einzelprokura.
Er habe hinsichtlich des Arbeitskreises keine alleinige Verantwortung getragen, er sei nur paritätisches Mitglied gewesen. Die verantwortliche Organisation habe der Personalabteilung obgelegen.
Er sei in der paritätischen Kommission nur stellvertretendes Ersatzmitglied gewesen und nicht ordentliches Mitglied. Das Gremium habe sich mit der Erstellung von Richtbeispielen befaßt.
Die Tätigkeit hinsichtlich der Arbeitsfortschrittsverfolgung und Lagerverwaltung sei kein Indiz für eine leitende Funktion, es handelte sich um eine reine Sachtätigkeit. Der Arbeitskreis bezüglich der Neuorganisation der Lagerverwaltung sei geleitet worden von einem Herrn F. Dieser habe disziplinarisch einem Herrn H unterstanden.
Von einem Auftrag betreffend Kapazitätsuntersuchungen sei ihm nichts bekannt.
Hinsichtlich des Werkes R-West habe er nur eine Ent scheidungsgrundlage erstellen sollen für die Geschäftsführung, die allein verantwortlich gewesen sei. Hinsichtlich der Grundstücke habe er über Preise und Konditionen nicht verhandelt, sondern lediglich über die Größe und Lage der Grundstücke.
Er habe zwar an den wöchentlichen Gesprächen der leitenden Angestellten teilgenommen. Diese seien aber nicht auf diesen Personenkreis beschränkt gewesen, es hätten auch andere Mitarbeiter teilgenommen. Anspruch auf Informationserteilung in seinem Arbeitsbereich habe jeder Angestellte, dies sei kein Indiz für eine leitende Stellung.
Die Visitenkarten habe er nicht verwandt, da er noch keine Prokura gehabt habe, es habe sich nur um eine vorläufige Maßnahme gehandelt.
Das Arbeitsgericht hat hinsichtlich das in das Berufungs- und Revisionsverfahren gelangten Rechtsstreites wie folgt entschieden:
1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis
zwischen dem Kläger und der Beklagten (Ziff. 1)
vom 27. Juni 1986 nicht beendet ist, sondern un-
verändert weiter fortbesteht.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Auflösungsantrag der Beklagten Ziff. 1 wird
zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Sie hat in der Berufungsbegründung ausgeführt, sie wende sich gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, der Auflösungsantrag sei unbegründet, ihr Hinweis auf eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses sei rechtsunerheblich, gegen die Annahme, § 14 Abs. 2 KSchG sei nicht anwendbar und dagegen, daß die Nichterteilung der Prokura feststehe.
Sie hat im wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz wiederholt und beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts in Ziffern 1, 3
und 4 des Entscheidungstenors abzuändern,
2. das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsver-
hältnis zum 30. Juni 1987 gegen Zahlung einer
angemessenen Abfindung aufzulösen.
Der Kläger hat beantragt, die Berufung und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Anträge der Beklagten ließen mit Ausnahme des Auflösungsantrages nicht erkennen, in welchem Umfang sie Abänderung des erstinstanzlichen Urteils begehre.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages hat er geltend gemacht, er sei nicht leitender Angestellter gewesen. Der Auflösungsantrag sei unbegründet, weil die Beklagte keine diesen rechtfertigenden Tatsachen vorgetragen habe. Außerdem sei die Kündigung nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Sie sei im Rahmen der Umstrukturierung des Unternehmens infolge der Übernahme durch die Firma L AG erfolgt. Diese habe die Gesellschaftermehrheit und alle Leitungsbefugnisse übernommen. In einem Rundschreiben sei darauf hingewiesen worden, die technische Geschäftsführung werde zu gegebener Zeit durch eine von der Beklagten und der Firma L AG ausgesuchte Führungskraft besetzt. Der Betriebsübergang sei der wesentliche bestimmende Grund für die Kündigung gewesen.
Die Beklagte hat dem widersprochen und geltend gemacht: Die Kündigung sei nicht nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Sie sei nicht wegen Umstrukturierung des Unternehmens erfolgt, insbesondere habe die L AG die Beklagte nicht übernommen. Die Firma L AG halte nur 49 % des Kapitals. Ausschlaggebend für die Kündigung sei allein das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH W gewesen. W habe einfach kein Vertrauen zum Kläger mehr gehabt und habe sich nicht mehr offen äußern können, wenn der Kläger anwesend gewesen sei.
Soweit der Kläger sich auf ein Schreiben der E KG vom Januar 1986 berufe, übersehe er, daß er nicht zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei, sondern zum Gesamtleiter. Einen Anspruch auf die Position eines Geschäftsführers, die in diesem Schreiben allein angesprochen sei, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt gehabt.
Das Landesarbeitsgericht hat zur Vorbereitung des Termins gemäß § 56 ArbGG eine Frau R, die Sekretärin des Geschäftsführers W, unter Angabe eines voraussichtlichen Beweisthemas zur Sitzung geladen. Frau R hat sich wegen eines Auslandsaufenthaltes schriftlich zu dem Beweisthema geäußert. Der Kläger hat der Verwertung dieses Schreibens der als Zeugin geladenen Sekretärin R widersprochen.
Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Arbeitsverhältnis auf deren Antrag gegen Zahlung einer Abfindung von DM 25.000,-- zum 30. Juni 1987 aufgelöst und im übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger begehrt mit der Revision, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die auf die Begründetheit des Auflösungsantrages der Beklagten nach § 9 KSchG begrenzte Revision ist nicht begründet.
I. Soweit der Kläger geltend macht, die Berufung der Beklagten sei bereits unzulässig gewesen, die Revision daher begründet, kann ihm nicht gefolgt werden.
1. Die Beklagte hat rechtswirksam und unbeschränkt gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist. Die genaue Antragsformulierung der Beklagten in der Berufungsbegründung, das Urteil des Arbeitsgerichts in Ziffern 1 (erg.: Feststellungsklage), 3 und 4 (erg.: Auflösungsantrag und Kosten) abzuändern, erfaßte auch die Frage der Rechtswidrigkeit der Kündigung. Der Vortrag der Beklagten, die Auflösung werde als Hauptantrag weiterverfolgt, kann im Zusammenhang mit Antragstellung und den Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht dahin ausgelegt werden, die Berufung werde auf die Frage der Auflösung beschränkt. Die Beklagte wollte durch diese Formulierung anscheinend nur andeuten, daß es ihr wirtschaftlich vorrangig um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses geht.
2. Der Kläger beruft sich weiter erfolglos darauf, die Berufung sei hinsichtlich des Antrages 1) (Unwirksamkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit) unzulässig gewesen, weil die Beklagte entgegen § 519 Abs. 3 ZPO nur pauschal vorgetragen habe. Das ist schon deswegen unerheblich, weil der Streitgegenstand im Revisionsverfahren aufgrund der insoweit eingeschränkten Revisionszulassung durch den Senat auf den Auflösungsantrag der Beklagten nach § 9 KSchG begrenzt ist. Diese Überprüfung hängt nicht davon ab, ob das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Antrages zu 1) statt als unbegründet zurückzuweisen als unzulässig hätte verwerfen müssen.
II. Die Revision ist auch in der Sache nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht ist unter Zugrundelegung des Vortrages des Klägers im Rahmen der Prüfung des § 9 KSchG zu Recht davon ausgegangen, die Kündigung sei sozialwidrig und nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hat zwar rechtsfehlerhaft dahingestellt sein lassen, ob die Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam ist. Der Senat kann aber insoweit selbst entscheiden, da der dahingehende Vortrag des Klägers eine abschließende Entscheidung ermöglicht.
1. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist nur zulässig, wenn seine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig, nicht aber bereits aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist (BAGE 32, 122 = AP Nr. 4 zu § 9 KSchG 1969; Senatsurteile vom 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 -, BAGE 35, 30 = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969 und vom 27. Mai 1982 - 2 AZR 96/80 - DB 1984, 620; vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 109; Herschel/ Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 9 Rz 12, 30; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 9 Rz 13, 14 sowie in Anm. zu AP Nr. 4 zu § 9 KSchG 1969; KR-Etzel, 2. Aufl., § 102 BetrVG Rz 191; Neumann, AR-Blattei (D), Kündigungsschutz VI E I 2; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 599; teilweise a. A. KR-Becker, § 9 KSchG Rz 27; Sieg, SAE 1980, 62).
Von diesem Grundsatz ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Wie es im Ergebnis ohne Rechtsfehler angenommen hat, kommen neben einer Sozialwidrigkeit andere Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung vom 27. Juni 1987 nicht in Betracht.
2. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler ausgeführt, der Betriebsrat habe zur beabsichtigten Kündigung des Klägers nicht nach § 102 BetrVG angehört werden müssen. Die unterbliebene Mitwirkung nach § 105 BetrVG führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. KR-Etzel, aa0, § 105 BetrVG Rz 38, m. w.N.).
a) Der Kläger war leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Voraussetzungen danach sind erfüllt, wenn der Angestellte nach Dienststellung und Dienstvertrag im wesentlichen eigenverantwortlich Aufgaben wahrnimmt, die ihm regelmäßig wegen deren Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung des Betriebes im Hinblick auf besondere Erfahrungen und Kenntnisse übertragen werden. Die in § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG enthaltene Umschreibung des Personenkreises der leitenden Angestellten genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot (BVerfG Beschluß vom 24. November 1981 - 2 BvL 4/80 - AP Nr. 27 zu § 5 BetrVG 1972).
aa) Nach der Rechtsprechung des BAG (BAGE 26, 36 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972; BAGE 32, 381 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972) ist es erforderlich, daß leitende Angestellte spezifische unternehmerische Teilaufgaben wahrnehmen, die im Hinblick auf die Gesamttätigkeit des Angestellten und in Gesamtheit der Unternehmeraufgaben erheblich sind, und daß der Angestellte bei deren Erfüllung einen eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum hat. Dabei haben die Tatsachengerichte bei Gesamtwertung der für die Charakterisierung eines Angestellten als leitenden Angestellten maßgebenden Merkmale einen Beurteilungsspielraum. Dies ergibt bei § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zwangsläufig mehr oder weniger einen Gegnerbezug zur Arbeitnehmerschaft, deren Feststellung in jedem Einzelfall jedoch nicht erforderlich ist (BAG Beschluß vom 29. Januar 1980, aa0). Eine reine Vorgesetztenstellung reicht nicht aus (BAGE 26, 403 = AP Nr. 6 zu § 5 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 80/73 - AP Nr. 11 zu § 5 BetrVG 1972), ist im Rahmen von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG aber auch nicht einmal erforderlich (BAG Beschluß vom 17. Dezember 1974 - 1 ABR 105/73 - AP Nr. 7 zu § 5 BetrVG 1972). Eine Letztverantwortlichkeit im Unternehmen wird nicht verlangt (BAG Beschluß vom 10. Februar 1976 - 1 ABR 61/74 - AP Nr. 12 zu § 5 BetrVG 1972).
bb) Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der von einem Angestellten wahrzunehmenden unternehmerischen Teilaufgaben ist das Unternehmen, die Bedeutung dieser Aufgabe bestimmt sich nach den Auswirkungen auf den Bestand und die Entwicklung des Betriebes. Auf die Zahl der einem Angestellten unterstellten Mitarbeiter und die Wahrnehmung von Aufgaben auf einer bestimmten Leitungsebene im Unternehmen kommt es nicht an (BAGE 51, 1 = AP Nr. 32 zu § 5 BetrVG 1972).
b) Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze beachtet und abgestellt auf die dem Kläger von Beginn an allein und überwiegend obliegende Tätigkeit betreffend die Neugestaltung des Werkes R-West mit einem Investitionsvolumen von 20 - 25 Mio. DM und die ihm ab Mai 1986 zudem übertragene Aufgabe im Bereich Arbeitsvorbereitung im Werk M, die ihm personell und fachlich übertragen und die mit der Erteilung der Gesamtprokura verbunden war. Es hat zutreffend darauf abgestellt, der Kläger habe selbständig und eigenverantwortlich eine Entscheidungsgrundlage für die Geschäftsführung und den Beirat erarbeitet, was ausreicht, da eine letztverantwortliche Funktion nicht gegeben sein muß.
Das Berufungsgericht hat die Aufgaben des Klägers rechtsfehlerfrei als besonders bedeutsam für den Bestand und die Entwicklung des Betriebes der Beklagten gesehen.
Die Rügen der Revision greifen nicht durch. Soweit der Kläger darauf hinweist, die Neuplanung des Werkes R-West sei keine ihm r e g e l m ä ß i g obliegende Aufgabe gewesen und könne daher für seine Funktion nicht als entscheidend angesehen werden, übersieht er, daß er nach Nr. 2.1 des Arbeitsvertrages stufenweise in seine Gesamtverantwortung einbezogen werden sollte, was spätestens nach 30 Monaten der Fall gewesen wäre. Die ihm mit der Neuplanung übertragene bedeutsame Aufgabe lag damit bereits im Bereich dessen, was er später regelmäßig zu verrichten gehabt hätte und kann nicht losgelöst vom übrigen Vertragsinhalt gesehen werden. Der Kläger kann sich insoweit mit Erfolg auch nicht auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 25. März 1976 (- 1 ABR 192/75 - AP Nr. 13 zu § 5 BetrVG 1972) berufen, wonach eine leitende Funktion nicht angenommen werden kann, wenn dem Angestellten während der Probezeit die Befugnisse noch nicht voll übertragen werden. Abgesehen davon, daß der Kläger nicht innerhalb der Probezeit beschäftigt war, war er bereits vertragsadäquat mit entsprechenden Befugnissen beschäftigt. Auch ist es nicht entscheidend, welchen Einfluß die Firma L AG auf die Beklagte nahm, da es nach der Rechtsprechung auf die Stellung im Unternehmen und hier auf die Bedeutsamkeit der Aufgaben für den Betrieb ankommt. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist es unerheblich, wer letztverantwortlich die entsprechenden Daten setzt. Soweit der Kläger argumentativ auf die Gründe der Entscheidung BAGE 26, 403 = AP, aa0, abstellt, ist diese Entscheidung schon deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger nicht auf der Ebene eines Abteilungsleiters eingesetzt war, sondern auf der eines Gesamtleiters, die zwischen Geschäftsführung und Abteilungsleitung angesiedelt war.
3. Das Landesarbeitsgericht hat auch ohne Rechtsfehler ausgeführt, der Auflösungsantrag des beklagten Arbeitgebers habe nach § 14 Abs. 2 KSchG keiner Begründung bedurft, was bei Geschäftsführern, Betriebsleitern und ähnlichen leitenden Angestellten, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, der Fall ist.
a) Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG genannten ähnlichen leitenden Angestellten müssen eine dem Geschäftsführer oder Betriebsleiter vergleichbare Funktion ausüben. Sie müssen daher ebenfalls unternehmensbezogene Aufgaben wahrnehmen, einen eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum besitzen und durch die Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern eine Vorgesetztenstellung besitzen.
Das Merkmal der selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsberechtigung ist unter Beachtung des Sinnes und Zwecks der gesetzlichen Regelung dahin zu verstehen, daß der Angestellte nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch im Innenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber selbständig und eigenverantwortlich über die Einstellung oder die Entlassung einer bedeutenden Anzahl von Arbeitnehmern entscheiden kann (herrschende Meinung: BAG Urteil vom 11. März 1982 - 6 AZR 136/79 - AP Nr. 28 zu § 5 BetrVG 1972, m.w.N.; KR-Becker, aa0, § 14 KSchG Rz 30; Hueck, aa0, § 14 Rz 8). Es genügt hierbei, daß sich die selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis nur auf eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern bezieht, der Angestellte braucht nicht hinsichtlich aller im Betrieb tätigen Personen entsprechend befugt zu sein (KR-Becker, aa0, § 14 Rz 29, m.w.N.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen unter Anknüpfung an die Feststellungen zu § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG rechtsfehlerfrei bejaht und die Einstellungsbefugnis für einen Teil der Arbeitnehmer des Betriebes, nämlich denen im Bereich Arbeitsvorbereitung M, aus der Erteilung der Gesamtprokura hergeleitet. Auch insoweit überzeugen die Angriffe der Revision nicht.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dem Kläger sei Gesamtprokura rechtswirksam nach § 48 HGB erteilt worden, wenn auch die nur deklaratorische Eintragung im Handelsregister noch nicht erfolgt gewesen sei und sich durch die spätere Kündigung erübrigt habe. Die Schlüsse des Berufungsgerichts aus der Tatsache der Bestellung der Visitenkarten auf Kosten der Beklagten sind in sich schlüssig und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht § 286 ZPO nicht verletzt. Aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, das Berufungsgericht habe auch die schriftliche Äußerung der als Zeugin beigeladenen Sekretärin R verwertet. Die dahingehenden Behauptungen des Klägers sind reine Vermutungen und finden im Urteil keine Stütze. Auf die Vernehmung der als Zeugin geladenen Sekretärin kam es nicht mehr an, da das Landesarbeitsgericht aufgrund anderer Tatsachen überzeugt war. Das Gericht hatte auch keinen Beweisbeschluß erlassen, sondern die Zeugin nur vorsorglich nach § 56 ArbGG geladen. Wenn der Kläger sich auf das Zeugnis der auf Veranlassung der Beklagten nur vorsorglich geladenen Sekretärin hätte berufen wollen, hätte er zunächst einen entsprechenden Beweisantrag stellen müssen.
4. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings nicht beachtet, daß ein anderer Unwirksamkeitsgrund, der einen Auflösungsantrag der Beklagten ausgeschlossen hätte, zu bejahen gewesen wäre, wenn die Kündigung des Klägers wegen eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 4 BGB erfolgt wäre. Dies führt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils, denn der Senat kann insoweit in der Sache selbst entscheiden.
a) Der Kläger kann sich im Rahmen der durch die Revisionszulassung begrenzten Entscheidung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch auf die Gründe stützen, die er erstmals in zweiter Instanz als Berufungsbeklagter zu § 613 a Abs. 4 BGB vorgebracht hat. Soweit seiner Kündigungsschutzklage rechtskräftig stattgegeben worden ist, ist die rechtliche Qualifikation des Unwirksamkeitsgrundes nicht bindend für die Entscheidung über den Auflösungsantrag.
b) Macht der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 613 a Abs. 4 BGB geltend, dann hat er darzulegen und bei Bestreiten des Arbeitgebers zu beweisen, daß die Kündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist (Senatsurteil vom 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - AP Nr. 47 zu § 613 a BGB).
aa) Der Vortrag des Klägers zu § 613 a Abs. 4 BGB in der Tatsacheninstanz rechtfertigt nicht die Annahme eines Betriebsübergangs. Er hat nur vorgetragen, die Kündigung sei wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, sie sei im Rahmen der Übernahme durch die Firma L AG erfolgt. Nunmehr werde die Unternehmenspolitik der Firma L AG durchgesetzt. In einem Rundschreiben vom Januar 1986 an die Mitarbeiter der Firma E heiße es, "die technische Geschäftsführung werde zu gegebener Zeit durch eine von uns und der Firma L AG ausgesuchte Führungskraft besetzt." Auf den Vortrag der Beklagten, die Beklagte sei nicht von der Firma L AG übernommen worden, diese halte am Kapital der Beklagten nur eine Beteiligung von 49 %, das Rundschreiben beziehe sich auf die technische Geschäfts f ü h r u n g, auf den Geschäftsführer, und nicht die Position eines Gesamtleiters Technik, hat der Kläger lediglich erwidert, unstreitig (?) habe die neue Inhaberin der Beklagten, die Firma L AG, alle Leitungsbefugnisse, da sie an der Gesellschaft die Mehrheit gehabt habe. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gesellschafteranteile sei es zum Betriebsübergang und zum Übergang der Leitungsbefugnisse gekommen.
bb) Diese Darstellung des Klägers ist unzureichend. Es ist schon unklar, welchen "Betriebsübergang" der Kläger überhaupt meint, ob er von der Übernahme der Firma E KG durch die Beklagte ausgeht oder von einer anschließenden Übernahme der Kapitalmehrheit an der Beklagten durch die Firma L AG. Im ersteren Falle läge ein Betriebsübergang zwar vor, die von ihm behauptete pauschale "Umstrukturierung" deutet jedoch auf unternehmerische Maßnahmen hin, die auch im Rahmen eines Betriebsübergangs von dem neuen Betriebsinhaber getroffen werden können. Eine Koppelung mit dem Betriebsübergang und somit für die Behauptung des Klägers sprechende tatsächliche Anhaltspunkte liegen auch schon deshalb nicht vor, weil dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch am 18. April 1986, also 4 1/2 Monate nach Betriebsübergang, Prokura erteilt worden ist. Im Falle der Übernahme der Kapitalmehrheit durch die L AG lägen die Voraussetzungen nach § 613 a Abs. 1 BGB nicht vor, da es auf den Übergang des Betriebes, auf die Betriebsmittelübertragung, nicht aber auf die Mehrheitsverhältnisse im Kapital ankommt (vgl. Soergel/Kraft, BGB, 11. Aufl., § 613 a Rz 8 und MünchKomm-Schaub, BGB, § 613 a Rz 18: ein reiner Gesellschafterwechsel genügt nicht).
5. Rechtsfehler bei Bemessung der Abfindungssumme sind nicht erkennbar, insbesondere ist es unzutreffend, daß eine nichtarbeitsvertragliche beratende Vortätigkeit nach gesetzlichen Bestimmungen anzurechnen ist.
a) Nach §§ 10 Abs. 1, 9 KSchG hat das Gericht bei der Auflösung eine angemessene Abfindung festzusetzen, und zwar bis zu einem Betrag von zwölf Monatsverdiensten. Der in § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG festgelegte Grundsatz der Angemessenheit besagt, daß das Gericht das ihm bei der Festsetzung zustehende Ermessen nicht frei, sondern gebunden an die in dem Grundsatz der Angemessenheit der Abfindung enthaltene Wertung festzusetzen hat (vgl. KR-Becker, aa0, § 10 Rz 24; Hueck, aa0, § 10 Rz 7, jeweils m.w.N.).
b) Bei dem Begriff der angemessenen Abfindung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Anwendung des Ermessens ist in der Revisionsinstanz nur dahin überprüfbar, ob die Voraussetzungen und Grenzen richtig beachtet sind, das Revisionsgericht kann jedoch nicht sein Ermessen an das des Berufungsgerichts setzen (vgl. KR-Becker, aa0, § 10 Rz 71; Hueck, aa0, § 10 Rz 7; Herschel/Löwisch, aa0, § 10 Rz 9; BAG Beschluß vom 12. August 1954 - 2 AZR 182/54 - AP Nr. 17 zu § 72 ArbGG 1953; BAGE 9, 131, 135 = AP Nr. 7 zu § 7 KSchG, zu 3 der Gründe; BAGE 21, 221, 229 = AP Nr. 19 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu 5 der Gründe; BAG Urteil vom 26. August 1976 - 2 AZR 377/75 - AP Nr. 68 zu § 626 BGB; BAGE 24, 141 = AP Nr. 9 zu § 72 BetrVG).
c) Entgegen früherer gesetzlicher Regelung normiert das geltende Kündigungsschutzgesetz keine Bemessungsfaktoren. Als die beiden wichtigsten Daten werden weiterhin jedoch das Lebensalter des Arbeitnehmers und die Dauer des Arbeitsverhältnisses angesehen. Daneben können die übrigen Sozialdaten (Familienstand, unterhaltsberechtigte Kinder, Gesundheitszustand) sowie die Arbeitsmarktlage beachtet werden (vgl. KR-Becker, aa0, § 10 Rz 45, 52, 54; Herschel/Löwisch, aa0, § 10 Rz 12 -14). Darüber hinaus ist es herrschende Meinung, daß auch das Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung, der Umstand, ob der Arbeitnehmer den Kündigungssachverhalt oder die Auflösungsgründe schuldhaft herbeigeführt hat, zu berücksichtigen ist (vgl. KR-Becker, aa0, § 10 Rz 56, 57; Hueck, aa0, § 10 Rz 9; Herschel/Löwisch, aa0, § 10 Rz 17; Neumann, aa0, VI H I 1).
d) Das Landesarbeitsgericht hat gegen diese Grundsätze nicht verstoßen, sondern es hat alle maßgebenden Gesichtspunkte beachtet.
Hillebrecht Schliemann Ascheid
Schulze Nipperdey
Fundstellen