Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Zulage. betriebliche Übung

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 18.8.1988, 6 AZR 361/86.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 13.03.1986; Aktenzeichen 9 Sa 215/85)

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 31.10.1984; Aktenzeichen 3 Ca 238/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer monatlichen Zulage.

Der 1951 geborene Kläger ist seit Oktober 1982 in der Hochschule für Gestaltung in O des beklagten Landes als Lehrer beschäftigt. Er nimmt neben den an der Hochschule tätigen Professoren eigenständige Unterrichtsaufgaben in künstlerischen und gestalterisch-technischen Fächern wahr. Dazu führt er selbst Kurse und Seminare durch. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge Anwendung. Die Parteien haben als Nebenabrede in § 5 ihres Vertrages vom 11. August 1982 verabredet, daß sich die Eingruppierung nach Abschnitt A Unterabschnitt III Nr. 2 des Erlasses vom 13. Juli 1973 - I A 26-056/1241-50 - und den diesen Erlaß ändernden oder ergänzenden Regelungen richtet. Das beklagte Land zahlte dem Kläger seit seiner Einstellung monatlich eine allgemeine Zulage nach dem Tarifvertrag über Zulagen vom 17. Mai 1982 in Höhe von 100,-- DM. In einer von der Hochschule für Gestaltung - Personalstelle - aus Anlaß der Einstellung des Klägers erstellten "Festsetzung der Vergütung eines Angestellten und Kassenanweisung" vom 1. Oktober 1982, die an die das Gehalt zahlende Universitätskasse F gerichtet war und dem Kläger durchschriftlich zur Kenntnis übersandt wurde, ist unter II "Vergütungszeit, Vergütungsgrundlagen und Versicherungspflicht" zu Nr. 2.3 Zulage vermerkt "lt. TV über Zulagen an Angestellte vom 17.5.1982 = 100,-- DM".

Mit einem am 29. März 1984 zugegangenen Schreiben ohne Datum teilte der Kanzler der Hochschule für Gestaltung dem Kläger die Streichung der Zulage ab 1. April 1984 mit, weil die tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Gegen die Einstellung der Zulagenzahlung wehrt sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Er hat gemeint, die Zahlung der Zulage sei zum Vertragsinhalt geworden. Sie sei ihm unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Tarifvertrag gewährt worden. Darin liege eine einzelvertragliche Absprache. Zumindest habe das beklagte Land durch die eineinhalbjährige Zahlung der Zulage eine betriebliche Übung geschaffen, an die es gebunden sei. Die Zulage habe mangels Widerrufsvorbehalts nur auf dem Wege einer Änderungskündigung gestrichen werden können. Eine solche sei nicht ausgesprochen worden. Sie sei jedenfalls auch nicht sozial gerechtfertigt und mangels Beteiligung der Personalvertretung unwirksam. Schließlich werde die Gewährung von Zulagen an den Hochschulen des Landes unterschiedlich behandelt. So sei an der Universität Frankfurt von einer Einstellung der Zulage ab 1. April 1984 nichts bekannt. Das Land sei zumindest unter dem Gesichtspunkt des Gewohnheitsrechts, der betrieblichen Übung, des Vertrauensschutzes und des Bestandsschutzes zur Weiterzahlung verpflichtet. Es könne auch nicht von einem Irrtum auf seiten des Landes gesprochen werden. Bereits 1978 habe der zuständige Personalsachbearbeiter der Hochschule für Gestaltung von dem damaligen Verwaltungsleiter der Hochschule die Ordnungsmäßigkeit der Zahlung bestätigt erhalten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedin-

gungen im Zusammenhang mit dem dem Kläger am

29. März 1984 zugegangenen Schreiben der Hochschule

für Gestaltung O unwirksam ist.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Kläger falle als Lehrkraft nicht unter die Anlage 1 a zum BAT. Er habe daher auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Zulage nach dem Zulagen-TV. Dem für den Abschluß des Arbeitsvertrages allein zuständigen Hessischen Kultusminister sei die abweichende Zahlungspraxis der Hochschule nicht bekannt gewesen. Der Widerruf einer irrtümlich gezahlten Zulage, auf die tariflich kein Anspruch bestehe, sei ohne weiteres möglich. Aus der Vergütungsfestsetzung könne der Kläger keine Rechte herleiten. Hierbei handele es sich lediglich um die Umsetzung der vertraglichen Vergütungsvereinbarung, die allein für die Abrechnung und Bestimmung der Höhe der Bezüge auf der Grundlage des Arbeitsvertrages Bedeutung habe. In der Zahlung der Zulage könne auch nicht die Vereinbarung einer Nebenabrede gesehen werden. Die Hochschule sei für eine derartige Abrede nicht legitimiert. Im übrigen sei die erforderliche Schriftform nicht gewahrt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch aus dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982. Denn der Kläger sei Lehrkraft im Sinne der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen, für die die Anlage 1 a zum BAT nicht gelte. Dementsprechend falle der Kläger auch nicht unter den Geltungsbereich des Zulagentarifvertrages, der auf Angestellte begrenzt sei, die unter die Anlage 1 a und 1 b fielen. Die Parteien hätten auch nicht die Anwendung des Zulagen-TV einzelvertraglich vereinbart. Der Arbeitsvertrag enthalte keine entsprechende Klausel. Das beklagte Land habe einer derartigen Vereinbarung auch nicht konkludent zugestimmt, indem es in Kenntnis der Zahlung diese nicht unterbunden habe. Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß hinsichtlich des Abschlusses des Arbeitsvertrages für das beklagte Land nicht die Hochschule für Gestaltung, sondern der Hessische Kultusminister vertretungsberechtigt gewesen sei. Diesem sei die Zahlung der Zulage jedoch nicht bekannt gewesen, wie die Aussage des Zeugen P ergeben habe. Eine vertragliche Vereinbarung über die Anwendung des Zulagen-TV sei auch nicht durch die Übersendung einer Durchschrift der "Festsetzung der Vergütung eines Angestellten und Kassenanweisung" zustande gekommen. Dieser Anzeige komme keine eigenständige vertragliche Bedeutung zu. Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Weiterzahlung der Zulage aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung oder aus dem der Gleichbehandlung mit seinen Arbeitskollegen, die vor dem 1. Januar 1979 bereits in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land gestanden hätten.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Kläger hat keinen tariflichen Anspruch auf monatliche Zulage nach § 2 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom 17. Mai 1982, wonach u.a. Angestellte der Vergütungsgruppen V b bis II a eine allgemeine monatliche Zulage von 100,-- DM erhalten. Denn dieser Tarifvertrag gilt nach seinem § 1 nur für Angestellte, die unter die Anlage 1 a und 1 b zum BAT fallen. Der Kläger fällt nicht unter die Anlage 1 a zum BAT. Denn er ist Lehrkraft im Sinne der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a, wie das Landesarbeitsgericht im einzelnen zutreffend ausgeführt hat (BAG Urteil vom 18. August 1988 - 6 AZR 361/86 - m.w.N. - zur Veröffentlichung bestimmt).

2. Der Kläger hat auch keinen übertariflichen Anspruch auf Zahlung einer Zulage aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung. Weder aus der Zahlung der Zulage in der Vergangenheit noch aus der Vergütungsfestsetzung folgt ein konkludentes Angebot des beklagten Landes auf Abschluß eines Vertrages, das der Kläger stillschweigend angenommen hätte. Bei der Vergütungsfestsetzung handelt es sich vielmehr um einen verwaltungsinternen Vorgang, in dem die beschäftigende Dienststelle der die Vergütung auszahlenden Dienststelle neben der Festsetzung der Vergütung sozialrechtliche Angaben und zahlungstechnische Hinweise übermittelt. Bei der Übersendung einer Durchschrift dieser Festsetzung an den betroffenen Arbeitnehmer fehlte dem Absender das Erklärungsbewußtsein, dem Arbeitnehmer eine Zulage anzubieten (Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., Einführung vor § 116 Anm. 1 b; MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., vor § 116 Rz 12). Das war für den Empfänger der Durchschrift erkennbar (Palandt/Heinrichs, aaO, Einführung vor § 116 Anm. 4 b; MünchKomm-Kramer, aaO, vor § 116 Rz 17; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., vor § 116 Rz 12, 13; BGH NJW 1984, 2279, 2280; BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB). Insbesondere der abschließende Hinweis, in dem der Arbeitnehmer verpflichtet wird, die Richtigkeit der Festsetzung zu überprüfen und ggf. zu beanstanden, läßt den Charakter der Festsetzung als ein die bisherigen vertraglichen Absprachen umsetzendes Rechenwerk deutlich werden. Das gilt auch für die in der Rubrik II.2.3 vermerkte Zulage "lt. TV". Dieser Teil der Vergütungsfestsetzung konnte vom Kläger nur so verstanden werden, daß seine Dienststelle davon ausgegangen ist, die Bestimmungen des Zulagentarifvertrages seien erfüllt. Ein Angebot auf Gewährung einer übertariflichen Leistung kann darin nicht gesehen werden.

3. Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Weiterzahlung der bisher geleisteten Zulage aufgrund einer betrieblichen Übung.

a) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost; BAGE 49, 299 = AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub; Senatsurteile vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung und vom 12. November 1987 - 6 AZR 173/85 - unveröffentlicht). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 40, 126, 133 = AP, aaO; BAGE 49, 290 = AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 51, 113 = AP Nr. 21 zu § 242 BGB Betriebliche Übung) kommt es für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder nicht. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hegt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf diesen Willen schließen durfte. Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung entscheidend ist daher die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB). In Arbeitsverhältnissen des öffentlichen Dienstes gelten die Grundsätze allerdings nach inzwischen ebenfalls gefestigter Rechtsprechung nicht uneingeschränkt. Denn die an Weisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber durch die Festlegungen des Haushalts gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind viel stärker als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Im Zweifel gilt Normvollzug (BAG Urteil vom 6. März 1984 - 3 AZR 340/80 - AP Nr. 16 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 49, 31 = AP Nr. 19 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; Senatsurteile vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP, aaO, und vom 12. November 1987 - 6 AZR 173/85 -). Unter diesen Umständen kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes daher selbst bei langjährigen Leistungen nicht ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte annehmen, ein gezahltes übertarifliches Entgelt oder die Gewährung sonstiger Vergünstigungen sei Vertragsbestandteil geworden und werde auf Dauer weitergewährt.

b) Diese Grundsätze auf den Streitfall angewandt, kann sich der Kläger nicht auf eine betriebliche Übung berufen. Zwar hat das beklagte Land dem Kläger und seinen Kollegen über Jahre hinweg eine ihnen nach dem Vertrag nicht zustehende Zulage gezahlt. Weitere zusätzliche konkrete Anhaltspunkte, die den Schluß auf einen dauerhaften Bindungswillen des beklagten Landes zulassen, liegen nach dem Vortrag der Parteien nicht vor. Der Vergütungsfestsetzung kommt auch insoweit keine Bedeutung zu. Der Hinweis auf die Prüfungspflicht des betroffenen Arbeitnehmers verdeutlicht die Korrigierbarkeit der Festsetzung und damit den Willen des Landes, jedenfalls für die Zukunft keine endgültige und dauerhaft bindende Leistung erbringen zu wollen.

4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Sein Vorbringen hierzu unter Berufung auf eine unterschiedliche Behandlung in der Universität Frankfurt am Main ist substanzlos. Die Kollegen des Klägers in der Hochschule für Gestaltung erhalten die Zulage seit April 1984 ebenfalls nicht mehr.

5. Hat der Kläger demnach zu keiner Zeit seines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Zahlung der Zulage erhalten, so konnte der Beklagte ohne Ausspruch einer Änderungskündigung und ohne Beteiligung des Personalrats die Leistung einstellen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Dr. Röhsler Schneider Dörner

Fürbeth Spiegelhalter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440754

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