Entscheidungsstichwort (Thema)
Stillegung eines Betriebsteils. Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Parallelsache zu – 2 AZR 666/93 – zur Veröffentlichung bestimmt.
Normenkette
KSchG 1969 §§ 1-2; BGB § 613a; ArbGG § 60 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 02.08.1993; Aktenzeichen 6 Sa 319/92) |
ArbG Neumünster (Urteil vom 15.07.1992; Aktenzeichen 2c Ca 268/92) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 2. August 1993 – 6 Sa 319/92 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Fleischverarbeitung. Der Kläger war seit dem 22. Oktober 1969 in dem von der Beklagten betriebenen Schlachthof B als Schlachter beschäftigt. Er arbeitete in der Betriebsabteilung Rindfleischzerlegung, in der im Auftrag der Muttergesellschaft der Beklagten, der N Rindfleischhälften nach den Kundenwünschen zerlegt und anschließend versandfertig verpackt werden. Ursprünglich waren in dieser Abteilung nur eigene Arbeitnehmer der Beklagten beschäftigt, später wurden die Arbeiten teilweise auch durch sog. Fremdzerleger erledigt, die der Beklagten von Drittfirmen zugeleitet wurden. In den vergangenen Jahren hat die Zerlegeabteilung durch Eigenkündigungen eine Reihe qualifizierter Mitarbeiter verloren. Diese ehemaligen Mitarbeiter sind häufig als Fremdzerleger wieder an ihrem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt worden. Anfang 1992 beschäfigte die Beklagte in der Rindfleischzerlegung nur noch neun eigene Mitarbeiter, hingegen insgesamt 28 Fremdzerleger.
Im Jahr 1991 entschloß sich die N in Abstimmung mit der Beklagten, alle Arbeiten in der Rindfleischzerlegung und der angegliederten Verpackungsabteilung in B durch ein Fremdunternehmen auf der Basis eines sog. Werkrahmenvertrages erledigen zu lassen. Die N teilte dem im Betrieb der Beklagten in B bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 20. September 1991 folgendes mit:
„Hiermit möchten wir Sie davon in Kenntnis setzen, daß wir uns aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen entschlossen haben, die Zerlegetätigkeit in B, die bisher sowohl von firmeneigenen Mitarbeitern als auch – durch Beauftragung eines Fremdunternehmens – von externen Zerlegern durchgeführt wird, zum baldmöglichen Zeitpunkt ausschließlich auf ein Fremdunternehmen zu übertragen. Von diesem Vorhaben werden voraussichtlich neun Mitarbeiter betroffen sein.
Wir schlagen vor, über die sich hieraus ergebenden personellen Maßnahmen kurzfristig ein gemeinsames Gespräch zu führen.”
Ein Gespräch mit dem Betriebsrat fand am 1. November 1991 statt. Am 15./22. Januar 1992 schloß die „Firma N, Betriebsstätte B, Abteilung Zerlegung” mit der Firma E / S GmbH (im folgenden E/S) einen Werkrahmenvertrag. Gegenstand des Vertrages sollte nach § 1 Abs. 1 die „selbständige und eigenverantwortliche Durchführung von Tätigkeiten auf dem Gebiet der Zerlegung und Bearbeitung von Fleisch sowie der damit verbundenen Arbeiten durch den Auftragnehmer” sein. Nach § 2 sollte „der Auftraggeber … dem Auftragnehmer die für die Auftragsdurchführung erforderlichen Räumlichkeiten nebst Maschinen, Strom und Wasser in der Betriebsstätte B unentgeltlich zur Verfügung stellen und ihm die Mitbenutzung der vorhandenen Sozialräume und der Kantine gegen Entgelt bzw. Kostenerstattung” gestatten. Die „benötigten Arbeitsgeräte, Arbeitsmaterialien und Arbeitskleidung” sollte der Auftragnehmer auf eigene Kosten stellen. Die E/S war ausweislich des Handelsregisters erst im Juni 1991 unter anderem Namen und mit anderem Unternehmensgegenstand eingetragen worden. Erst durch Gesellschafterbeschluß vom 18. Januar 1992 sind die Firma in „E /S GmbH” und der Unternehmensgegenstand in „Innerei-Fleischer-Betrieb mit Ausbein- und Zerlegearbeiten …” geändert worden.
Mit Schreiben vom 27. Januar 1992 unterrichtete die Beklagten den Betriebsrat darüber, die Umstellungsmaßnahme solle zum nächstmöglichen Zeitpunkt, spätestens zum 1. April 1992 vorgenommen werden, und es sei beabsichtigt, die in der Rinderzerlegung beschäftigten Schlachter im Wege der Änderungskündigung im Betrieb auf andere Arbeitplätze zu versetzen. Die – erheblichen – Einkommensminderungen sollten den Arbeitnehmern für die Dauer von 12 Monaten durch eine entsprechende Zulage ausgeglichen werden. Auf das Schreiben vom 27. Januar 1992 hin, das sowohl einen Antrag auf Zustimmung nach § 99 BetrVG als auch eine Anhörung nach § 102 BetrVG enthielt, verweigerte der Betriebsrat durch ein an die N gerichtetes Schreiben vom 30. Januar 1992 die Zustimmung. Inzwischen hat der Betriebsrat den Versetzungen rückwirkend zum 1. April 1992 zugestimmt. Mit Schreiben vom 5. Februar 1992 kündigte die Beklagte dem Kläger und den anderen in der Rinderzerlegung beschäftigten Mitarbeitern und bot ihm – wie den anderen – zugleich an, ihn zu geänderten Bedingungen als Mitarbeiter in einer anderen Abteilung bei einer Einkommenssicherung für 12 Monate weiterzubeschäftigen. Der Kläger nahm die Änderung der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt an und erhob Klage auf Feststellung, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten sozial ungerechtfertigt sei.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe die Abteilung Rindfleischzerlegung geschlossen und die Arbeiten einem Werkunternehmer übertragen, die Arbeitnehmer der E/S seien vielmehr als Leiharbeitnehmer bei der Beklagten tätig. Diese Arbeitnehmer seien voll in den Arbeitsablauf integriert und unterlägen Weisungen der Beklagten. Da die Zerlegemengen abhängig von den Bestellungen durch die Kunden seien, sei auch die Arbeitszeit der Arbeitnehmer der E/S im Betrieb der Beklagten von deren Anordnungen abhängig. Die Zerlegeabteilung sei unter Regie der Beklagten weiterhin voll in Betrieb. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei deshalb sozial ungerechtfertigt. Der Betriebsrat sei auch vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Jedenfalls sei es vertretbar, schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten davon auszugehen, daß diese ihre Zerlegeabteilung nach § 613 a BGB auf die E/S übertragen habe, so daß die Änderungskündigung bereits aus diesem Grunde sozial ungerechtfertigt sei.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Februar 1992 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Übertragung sämtlicher Arbeiten der Zerlegeabteilung auf die E/S habe zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt. Wenn sie sich entschlossen habe, einen Betriebsteil stillzulegen und die entsprechenden Arbeiten auf einen Werkunternehmer zu übertragen, so sei diese Maßnahme jedenfalls nicht als willkürlich anzusehen. Sie arbeite nach der Umstellung wirtschaftlicher, dies zeige sich schon daran, daß sich die Zerlegeleistung pro Arbeitsplatz erhöht habe.
Bei den Mitarbeitern der E/S handele es sich nicht um Leiharbeitnehmer. Allein diese Firma plane den Personaleinsatz und organisiere die Auswahl der Zerleger, die für den einzelnen Auftrag beschäftigt würden. Der Auftrag sei jeweils nur dahin konkretisiert, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge von Zerlegearbeiten durchzuführen. Weisungen erteile sie den Mitarbeitern des Werkunternehmers nicht. Die freien Zerleger seien darüber hinaus als selbständige Subunternehmer mit eigener Gewerbeerlaubnis aufgrund des Werkrahmenvertrages tätig und seien nicht in den Produktionsprozeß eingegliedert.
Auch ein Betriebsübergang liege nicht vor. Wenn der E/S die Nutzung von Maschinen, Strom und Wasser unentgeltlich zur Verfügung gestellt werde, liege darin kein Erwerb des Betriebs aufgrund eines Rechtsgeschäfts. Die Nutzung beschränke sich auf den durch den Werkrahmenvertrag übernommenen Auftrag und eigene Aufträge anderer Firmen dürfe die E/S mit den Einrichtungen nicht ausführen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach den Klageanträgen erkannt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Zu Unrecht rügt die Revision eine Verletzung des § 551 Nr. 7 ZPO. Das angefochtene Urteil ist zwar erst später als fünf Monate nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verkündet worden. Dies stellt jedoch keinen revisiblen Verfahrensfehler, erst recht keinen absoluten Revisionsgrund i.S. des § 551 Nr. 7 ZPO dar. Die Revision möchte offensichtlich den Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 (GmS-OGB 1/92) entsprechend auf den Fall angewandt wissen, daß ein arbeitsgerichtliches Urteil nicht binnen fünf Monaten nach der letzten mündlichen Verhandlung verkündet wird. Dazu besteht jedoch kein Anlaß. § 60 Abs. 1 Satz 2 ArbGG stellt lediglich eine Ordnungsvorschrift dar, ein Verstoß kann die Anfechtbarkeit des verkündeten Urteils nicht begründen (BAG Urteil vom 21. August 1967 – 3 AZR 383/66 – AP Nr. 122 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 60 Rz 18). Abgesehen davon ist der Verkündungstermin wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen der Parteien hinausgeschoben worden, und die Beklagte selbst hat noch mehrere Monate nach der letzten mündlichen Verhandlung um eine weitere Verschiebung des Verkündungstermins gebeten. Ein Verfahrensverstoß des Landesarbeitsgerichts liegt daher nicht vor.
II. Im Ergebnis zu Recht nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten sei unwirksam.
1. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung sei tatsächlich nicht wegen Teilbetriebsstillegung, sondern wegen des Übergangs eines Betriebsteils auf die E/S ausgesprochen worden und deshalb nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam. Die Abteilung Rindfleischzerlegung sei als selbständiger Betriebsteil i.S.v. § 613 a Abs. 1 BGB anzusehen. Es handele sich um eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebs, in der bestimmte arbeitstechnische Teilzwecke verfolgt würden, die auch nach Übertragung der Betriebsmittel von der E/S hätten weiterverfolgt werden sollen. Der übertragene Betriebsteil sei ein Produktionsbetrieb. Die für die Produktion von Rindfleisch wesentlichen Betriebsmittel, insbesondere die Räumlichkeiten und Maschinen, seien auf die E/S übertragen worden. Dies sei auch durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Einräumung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts, geschehen. Eine unmittelbare Anwendung des § 613 a Abs. 1 BGB scheitere jedoch daran, daß die E/S durch den Werkrahmenvertrag nicht Inhaberin der Betriebsabteilung Rindfleischzerlegung geworden sei. Inhaber sei nur derjenige, der mit den ihm durch Rechtsgeschäft überlassenen Betriebsmitteln eigene unternehmerische Zwecke am Markt verfolgen könne. Dies setze im vorliegenden Fall voraus, daß die E/S die überlassenen Betriebsmittel nicht nur zur Erfüllung des Werkrahmenvertrages, sondern auch für Kundenbeziehungen mit Dritten einsetzen könnte, was nicht der Fall sei. § 613 a Abs. 1 BGB sei jedoch analog anzuwenden. Für die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Arbeitnehmer sei es unerheblich, ob die Arbeiten in der entsprechenden Betriebsabteilung unverändert fortgeführt würden allein mit dem Ziel, einen mit dem früheren Arbeitgeber abgeschlossenen Werkvertrag zu erfüllen, oder ob diese Arbeiten weiter ausgeführt würden, um mit den hergestellten Produkten selbst am Markt aufzutreten.
2. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist im Ergebnis zu folgen. Die Klage ist jedoch bereits deshalb begründet, weil die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten sozial ungerechtfertigt ist (§ 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG). Auf die Frage, ob sie auch nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung unwirksam ist, worauf das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung – allerdings unter rechtsfehlerhafter Zugrundelegung des streitigen Beklagtenvorbringens – gestützt hat, kommt es deshalb nicht mehr an.
a) § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB läßt eine Kündigung, die aus anderen Gründen als wegen Betriebsübergangs ausgesprochen wurde, unberührt. Wie der Senat mehrfach klargestellt hat (BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB; Urteil vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – AP Nr. 74 zu § 613 a BGB; Urteil vom 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung), gehört eine auf Betriebsstillegung gestützte Kündigung zu den Kündigungen aus anderen Gründen im Sinne dieser Vorschrift; liegt dieser Grund tatsächlich nicht vor, so ist die Kündigung bereits nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.
b) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung abgeben können, gehört die Stillegung des gesamten Betriebes oder eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks oder Teilzwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen. Eine Kündigung aus Anlaß einer geplanten Betriebsstillegung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse schon dann sozial gerechtfertigt, wenn die betrieblichen Umstände bereits greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, daß bis zum Auslaufen der Kündigungfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann. Eine Stillegungsabsicht des Arbeitgebers liegt dagegen nicht vor, wenn dieser beabsichtigt, seinen Betrieb zu veräußern. Die Veräußerung des Betriebes allein ist, wie sich aus der Wertung des § 613 a BGB ergibt, keine Betriebsstillegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet (BAGE 47, 13, 22 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 2 der Gründe; BAGE 54, 215, 228 = AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG Urteil vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – AP Nr. 74 zu § 613 a BGB).
c) Für die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stillegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn die geplante Maßnahme sich auch rechtlich als Betriebsstillegung und nicht etwa deshalb als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstillegung bewertet.
d) Die Darlegungsund Beweislast hängt in diesen Fällen davon ab, ob sich der Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darauf beruft, der Betrieb oder Betriebsteil sei von dem bisherigen Arbeitgeber nicht stillgelegt, sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden und ihm sei nur aus diesem Grund gekündigt worden oder ob er nur, etwa weil er die Klagefrist nach § 7 KSchG verpaßt hat, den Unwirksamkeitsgrund des § 613 a Abs. 4 BGB geltend machen kann. Im Rahmen des § 613 a Abs. 4 BGB hat der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, daß ihm wegen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs gekündigt worden ist. Im Kündigungsschutzverfahren nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG hat demgegenüber der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen und es ist seine Aufgabe vorzutragen und nachzuweisen, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Fehlt es daran, dann ist der Kündigungsschutzklage stattzugeben, ohne daß es der Feststellung bedarf, der tragende Beweggrund für die Kündigung sei ein Betriebsübergang (BAG Urteil vom 5. Dezember 1985 – 2 AZR 3/85 – AP Nr. 47 zu § 613 a BGB).
3. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vom Berufungsgericht im Streitfall festgestellten Sachverhalt ergibt, daß die Beklagte sich zur sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers nicht auf eine Teilbetriebsstillegung als dringendes betriebliches Erfordernis i.S. der §§ 2, 1 Abs. 2, 3 KSchG berufen kann. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte habe die Tatbestandsvoraussetzungen einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung nicht schlüssig vorgetragen; sie habe nach ihrem eigenen Vorbringen die Produktion in der Betriebsabteilung Rindfleischzerlegung nicht einstellen wollen, sondern lediglich beabsichtigt, die bisherigen Arbeiten anstatt durch eigene Arbeitnehmer durch solche der E/S aufgrund des Werkrahmenvertrages ausführen zu lassen. Das eigene Vorbringen der Beklagten spricht jedenfalls eher dafür, daß sie im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine Veräußerung des Betriebsteils „Rindfleischzerlegung” auf die E/S beabsichtigte, als für die Absicht einer Stillegung dieses Betriebsteils. Wegen des eingeschränkten Streitgegenstands der vorliegenden Änderungsschutzklage war dabei nur zu prüfen, ob der vorgetragene Kündigungsgrund einer beabsichtigten Teilstillegung die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial rechtfertigt (§ 4 Satz 2 KSchG). Auf eine abschließende Wertung, ob die spätere Durchführung des Werkrahmenvertrages als Betriebsübergang i.S.v. § 613 a Abs. 1 BGB bzw. – wie das Landesarbeitsgericht meint – als analog zu beurteilender Sachverhalt anzusehen ist, kommt es deshalb nicht an.
a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, die Rindfleischzerlegung im Betrieb der Beklagten in B – stelle einen selbständigen Betriebsteil dar. Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebs. Bei den übertragenen sachlichen und/oder immateriellen Betriebsmitteln muß es sich um eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebs handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich hierbei nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt (BAGE 48, 365, 371 f. = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 – 7 AZR 519/86 – AP Nr. 69 zu § 613 a BGB, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 4. März 1993 – 2 AZR 507/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 3 a der Gründe). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es handelt sich um eine abgrenzbare Betriebsabteilung des Schlachthofs, in der aus geschlachteten Rindern verkaufsfertig verpacktes Rindfleisch produziert wird. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Rindfleischzerlegung stelle einen selbständigen Betriebsteil i.S. des § 613 a BGB dar, erhebt die Revision auch keine Rügen, die Revisionsbegründung spricht im Gegenteil an mehreren Stellen selbst von einem Betriebsteil.
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, nach dem Vorbringen der Beklagten hätten die wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel des Betriebsteils Rindfleischzerlegung auf die E/S übergehen sollen, so daß diese in der Lage gewesen sei, den arbeitstechnischen Zweck dieses Betriebsteils, die Produktion verkaufsfertig verpackten Rindfleischs, weiterzuverfolgen. Nach dem Werkrahmenvertrag wurden der E/S die Räumlichkeiten und der Maschinenpark zur Verfügung gestellt, sie erhielt Strom und Wasser und durfte die Sozialräume und die Kantine der Beklagten mitbenutzen. Dies spricht für die Absicht der Beklagten, die wesentlichen sächlichen Betriebsmittel auf die E/S zu übertragen, so daß diese die Produktion nahtlos weiterführen konnte. Die Stellung der Arbeitsgeräte und Arbeitskleidung durch die Fremdzerleger ist demgegenüber unwesentlich und auch sonst im Arbeitsleben (z.B. bei Orchestermusikern) nicht unüblich. An immateriellen Betriebsmitteln sollte die E/S darüber hinaus den Auftrag der Firma N erhalten, auf dem die Produktion in dem Betriebsteil „Rindfleischzerlegung” basierte. Das Vorbringen der Beklagten spricht damit insgesamt eher dafür, daß nach ihren Vorstellungen das wesentliche Betriebssubstrat auf die E/S übergehen sollte.
c) Dieser Übergang sollte auch, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, durch Rechtsgeschäft erfolgen. Es ist dazu kein Rechtsgeschäft mit dem früheren Betriebsinhaber erforderlich. Der mit der N abgeschlossene Werkrahmenvertrag reicht aus. Abgesehen davon haben die Beklagte und ihre unter der gleichen Anschrift residierende Muttergesellschaft, die N den Betriebsübergang gemeinschaftlich betrieben, wie schon die Information des Betriebsrats der Beklagten durch die Muttergesellschaft zeigt. Unter diesen Umständen kann es keine Rolle spielen, daß die offenbar der Beklagten gehörenden sächlichen Betriebsmittel der E/S durch einen Vertrag mit der Muttergesellschaft überlassen wurden und die E/S in den Auftrag der Beklagten, für die Muttergesellschaft die Rindfleischzerlegung durchzuführen, eingetreten ist.
d) Zu Unrecht vergleicht die Revision den vorliegenden Sachverhalt mit dem Fall, daß ein Betrieb, der einzelne Aufgaben (z.B. Reinigungsarbeiten) bisher in eigener Regie erledigt hat, diese an eine Fremdfirma vergibt. § 613 a BGB setzt nach der Senatsrechtsprechung voraus, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebes bzw. Betriebsteils hatten. Es reicht für einen Betriebsübergang nicht aus, daß der Erwerber einzelner Betriebsmittel mit ihnen einen Betrieb oder einen Betriebsteil erst gründet (BAG Urteil vom 4. März 1993 – 2 AZR 507/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; ebenso RGRK-Ascheid, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 37). In den von der Beklagten herangezogenen Fällen scheidet eine Betriebsübernahme regelmäßig bereits deshalb aus, weil die Durchführung der Teilaufgaben (Reinigungstätigkeiten etc.) vor der Übertragung der Tätigkeiten auf einen anderen Unternehmer noch nicht in der Form eines Betriebsteils organisiert war.
e) Soweit das Landesarbeitsgericht die Absicht einer Betriebsveräußerung daran scheitern läßt, die E/S habe nicht „Inhaber” des Betriebsteils Rindfleischzerlegung werden können, weil sie dort keine Fremdaufträge anderer Firmen habe erledigen dürfen, kann dem nicht gefolgt werden. Damit wird eine Tatbestandsvoraussetzung des § 613 a Abs. 1 BGB angenommen, die im Gesetz nicht enthalten ist. Wer lediglich einen Betriebsteil übernimmt, führt mit den übertragenen Betriebsmitteln nur einen Teilbetriebszweck fort, der auch in einer Hilfsfunktion bestehen kann. Daher wird regelmäßig nur der frühere Betriebsinhaber, der einen Betriebsteil übertragen hat, ansonsten aber Betriebsinhaber geblieben ist, als selbständiger Unternehmer mit dem hergestellten Produkt am Markt auftreten. Wer in einem Automobilwerk lediglich einen Betriebsteil übernimmt, verkauft keine Autos, er beschränkt sich auf den übernommenen Teilbetriebszweck. Daß die Firma E/S nur im Betrieb der Beklagten aufgrund des Auftrages der Muttergesellschaft Rindfleisch zerlegen sollte, steht einer Teilbetriebsübernahme nicht entgegen. Auch nach dem Werkrahmenvertrag stand es der E/S frei, als Betrieb mit dem Betriebszweck „Ausbein- und Zerlegearbeiten” selbständig am Markt aufzutreten und etwa in anderen Schlachthöfen andere Zerlegearbeiten zu übernehmen. Wenn die Zerlegearbeiten in dem jeweiligen Schlachthof durchgeführt werden müssen, um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, und ein Schlachthofbetrieb es im Zweifel auch nicht dulden wird, daß in seinen Räumlichkeiten und mit seinen Maschinen Arbeiten für fremde fleischverarbeitende Betriebe vorgenommen werden, so schließt dies nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, in derartigen Fällen eine Teilbetriebsübernahme von vornherein aus.
f) Nach alledem ist die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten schon nach §§ 2 Satz 1, 1 Abs. 2 und 3 KSchG sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte die Stillegungsabsicht nicht schlüssig vorgetragen hat, ihr Vorbringen vielmehr eher für einen beabsichtigten Betriebsübergang spricht. Andere betriebsbedingte Gründe für die Änderungskündigung hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auf das Vorbringen des Klägers, der konkret darlegt, eine Stillegung der Rindfleischabteilung scheide schon deshalb aus, weil die Beklagte in Wahrheit Betriebsinhaberin auch des Betriebsteils Rindfleischzerlegung geblieben sei, kommt es damit nicht mehr an.
Unterschriften
Hillebrecht, Bröhl, Bitter, Rupprecht, Beckerle
Fundstellen