Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsanpassung nach Feststellung eines Arbeitsverhältnisses
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 9.7.1986 5 AZR 44/85.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.11.1984; Aktenzeichen 4 Sa 98/84) |
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 26.06.1984; Aktenzeichen 3 Ca 10/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, einen Teil der Vergütungen, die er als freier Mitarbeiter erhalten hat, zurückzuzahlen, nachdem nach Beendigung der Zusammenarbeit rechtskräftig festgestellt worden ist, daß der Beklagte Arbeitnehmer gewesen ist.
Der Kläger betreibt unter der Bezeichnung "Diplom-Ingenieur G Fahrlehrergemeinschaft selbständiger Fahrlehrer in H " eine Fahrschule, in der der Beklagte ab 8. Mai 1978 zunächst als Fahrlehrer im Angestelltenverhältnis tätig war. Daneben beschäftigte er Fahrlehrer in freier Mitarbeit aufgrund eines Gesellschaftsvertrages vom 23. Juni 1971. Durch Nachtrag vom 16. März 1979 trat der Beklagte ebenfalls in diese Gesellschaft ein; er hat seine Mitarbeit am 9. Februar 1981 fristlos beendet.
Danach hat er in einem Vorprozeß erfolgreich auf Feststellung geklagt, daß er vom 1. Oktober 1978 bis zum 9. Februar 1981 Arbeitnehmer und nicht selbständiger Fahrlehrer beim Kläger gewesen ist (Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 26. Januar 1983 - 4 Sa 125/82 -).
Daraufhin fordert der Kläger jetzt von dem Beklagten die Zahlung der Differenz zwischen dem von ihm tatsächlich gezahlten Verdienst für freie Mitarbeit und dem nach seiner Behauptung geringeren Arbeitsverdienst, den der Beklagte als angestellter Fahrlehrer erhalten hätte. Hiernach habe er insgesamt 91.494,98 DM zuviel gezahlt; hiervon verlange er für die Zeit der rechtskräftigen Feststellung eines Arbeitsverhältnisses (vom 1. Oktober 1978 bis zum 9. Februar 1981) abschließend einen Teilbetrag von 49.411,89 DM nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 31. Dezember 1983 von dem Beklagten. Er hat in der Vorinstanz einen dementsprechenden Klagantrag gestellt.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, er habe während seiner Beschäftigung als freier Mitarbeiter nicht mehr verdient als im Angestelltenverhältnis; sein Verdienst sei sogar geringer gewesen, weil der Kläger zusätzlich junge Fahrlehrer eingestellt habe und ihm dadurch weniger Fahrschüler zugewiesen habe als anderen Mitarbeitern. Außerdem hat der Beklagte sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, und das Landesarbeitsgericht hat die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderung aus den Vorinstanzen weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Kläger verlangt aus einer Gesamtforderung von 91.494,98 DM einen Teilbetrag von 49.411,89 DM. Wenn ein Teilbetrag eingeklagt wird, ist er von der Gesamtforderung klar abzugrenzen, denn nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muß die Klagschrift den Gegenstand und den Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen, sonst ist die Klage als unzulässig abzuweisen (BGHZ 11, 181, 184; 20, 219, 221). Allerdings kann eine bisher unvollkommene Abgrenzung des Teilbetrages von der Gesamtforderung in der Revisionsinstanz noch behoben werden, weil dieser Mangel nur die Zulässigkeit der Klage und nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels selbst betrifft (BGHZ 11, 181, 185). Jedoch kann die Abgrenzung in der Revisionsinstanz nicht mehr nachgeholt werden, wenn der Kläger in der Berufungsinstanz schon erfolglos darauf hingewiesen worden ist (BGH NJW 1958, 1590).
Auf den Hinweis des Berufungsgerichts hat der Kläger erklärt, der eingeklagte Teilbetrag sei seine "abschließende Forderung" für den gesamten Zeitraum vom 1. Oktober 1978 bis zum 9. Februar 1981. Damit hat er gleichzeitig klargestellt, daß er den darüber hinausgehenden Teil der Gesamtforderung nicht mehr geltend machen wird. Durch diese Einschränkung sind die Grenzen der Rechtskraft hier eindeutig zu bestimmen.
Außerdem setzt sich die eingeklagte Forderung nicht aus verschiedenen Streitgegenständen zusammen, sondern es handelt sich um einen einheitlichen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung, der sich aus verschiedenen Teilposten errechnet (unterschiedliche Stundensätze bzw. Stundenlöhne für die Vergütung einer Arbeitsleistung).
2. Das Arbeits- und das Landesarbeitsgericht haben die hiernach zulässige Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.
a) Der Kläger fordert die Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten Vergütung nach den für einen freien Mitarbeiter maßgebenden Sätzen und dem geringeren Stundenlohn, den der Beklagte als Arbeitnehmer von ihm erhalten hätte. Die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, daß der Beklagte freier Mitarbeiter gewesen sei, denn er hätte einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen. Erst nach Beendigung dieses Vertragsverhältnisses sei - entgegen der gemeinsamen Annahme der Parteien - rechtskräftig festgestellt worden, daß zwischen ihnen ein Arbeitsvertrag bestanden habe. Damit sei die Geschäftsgrundlage des Gesellschaftsvertrages entfallen.
b) Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts die bei Abschluß des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut (BGHZ 25, 390, 392 m. w. N. und ähnlich auch BAG Urteil vom 14. Februar 1956 - 1 AZR 279/54 - AP Nr. 1 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage; BAG 38, 194 = AP Nr. 33 zu § 612 BGB; BAG Urteil vom 5. April 1960 - 5 AZR 197/57 - AP Nr. 3 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage). Hierzu rechnet auch ein beiderseitiger Irrtum in der Beurteilung der Rechtslage bei Abschluß eines Vertrages, wenn ohne diesen beiderseitigen Rechtsirrtum der Vertrag nicht, wie geschehen, geschlossen worden wäre (BGHZ 25, 390, 392, m. w. N.). Eine Vertragspartei, die nach Aufklärung des Irrtums den Vorteil behalten will, der ihr im Widerspruch zu der wirklichen Rechtslage zufließen würde, handelt regelmäßig gegen Treu und Glauben (BGHZ 25, 390, 393). Insoweit spricht man im Anschluß an Larenz auch vom Wegfall der gemeinsamen "subjektiven Geschäftsgrundlage" des Vertrages (Larenz, Allgem. Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 6. Aufl., § 20 III, S. 380 ff., insbes. S. 382 und 385 sowie Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allgem. Teil, 13. Aufl., § 10 II d, S. 126; vgl. auch MünchKomm-Roth, § 242 Rz 626 und 651).
c) Zwar kann man mit der Revision davon ausgehen, daß die Parteien einem beiderseitigen Rechtsirrtum erlegen waren, als sie ihr Rechtsverhältnis als Gesellschaftsvertrag angesehen haben, obwohl es sich in Wirklichkeit um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hat. Ein solcher Wegfall der Geschäftsgrundlage führt aber nur dann zur Abänderung des Vertrages, wenn das Festhalten an ihm für den Schuldner zu einem unzumutbaren Opfer wird (BAG Urteil vom 14. Februar 1956 - 1 AZR 279/54 - AP Nr. 1 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage). Eine Störung der Geschäftsgrundlage ist rechtlich nur von Bedeutung, wenn das Festhalten am bisherigen Vertrag ein Verstoß gegen Treu und Glauben wäre (BGH, WIM 1969, 496, 499), wenn also dem Schuldner die Erfüllung des Vertrages auf der bisherigen Grundlage nicht mehr so zugemutet werden könnte (BAG 38, 194 = AP Nr. 33 zu § 612 BGB).
d) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, daß er dem Beklagten für seine Arbeitsleistung einen höheren Stundensatz gewährt haben sollte, als wenn er ihn weiter im Arbeitsverhältnis beschäftigt hätte. Es ist nämlich auf der anderen Seite zu berücksichtigen, daß der Beklagte - als die Parteien noch von einer freien Mitarbeit ausgegangen waren - einen eigenen Fahrschulwagen stellen und alle Fahrzeugunterhaltungs- und Betriebskosten einschließlich der Kraftfahrzeughaftpflicht und Kraftfahrzeugsteuer selbst tragen mußte. Im Arbeitsverhältnis hätte er diese Kosten nicht zu bezahlen. Außerdem ist der Vergleich zwischen einem höheren Stundensatz für einen freien Mitarbeiter und einem geringeren Stundenlohn für einen Arbeitnehmer allein nicht aussagekräftig, denn während ein Arbeitnehmer Bezahlung verlangen kann, wenn der Inhaber der Fahrschule ihn nicht einsetzen kann (§ 615 BGB), konnte der Beklagte nur Bezahlung für die tatsächlich durchgeführten Unterrichtsstunden beanspruchen.
Gerade hieraus hat der Beklagte Gegenansprüche hergeleitet, denn nach seiner Behauptung soll der Kläger in verstärktem Umfang junge Fahrlehrer im Angestelltenverhältnis eingesetzt und dadurch die Vergütung des Beklagten zwangsläufig verringert haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Behauptung zutrifft, jedoch hatte er die Möglichkeit hierzu. Daraus ergibt sich dann aber das eigene Verdienstrisiko des Beklagten, das er als Arbeitnehmer nicht gehabt hätte.
Soweit der Kläger geltend macht, er werde zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen, nachdem rückwirkend die Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten festgestellt worden sei, kann das in diesem Rechtsstreit nicht berücksichtigt werden, denn hier streiten sich die Parteien nur über eine nachträgliche Kürzung des Verdienstes und nicht über eine Beteiligung des Beklagten an dem Aufwand des Klägers für die Nachentrichtung von Beiträgen für den Beklagten.
e) Aber selbst wenn man unterstellt, daß die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage hier erfüllt sind und der Kläger dem Beklagten tatsächlich eine höhere Vergütung als im Arbeitsverhältnis gezahlt hat, so ergibt sich daraus für ihn noch kein Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage hat nämlich in erster Linie die Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse zur Folge (BGHZ 58, 355, 363). Eine Anpassung wird aber regelmäßig nur für noch nicht abgewickelte Vertragsverhältnisse in Frage kommen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen und dort auch nur regelmäßig für die Zukunft (BGHZ 58, 355, 363). In einem Dauerschuldverhältnis - also auch in einem Arbeitsverhältnis - werden bei Wegfall der Geschäftsgrundlage zugleich die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund gegeben sein (§ 626 BGB), wobei in zahlreichen Fallgestaltungen die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung das Recht der Geschäftsgrundlage verdrängt (BGHZ 24, 91, 96; BGH, DB 1980, 1163, 1164, m. w. N.).
Da die Parteien ihr Vertragsverhältnis aber schon am 9. Februar 1981 beendet haben, scheidet eine Anpassung des Vertrages an die Grundsätze eines Arbeitsverhältnisses oder eine Kündigung von vornherein aus. Dieser Fall gibt auch keine Veranlassung, ausnahmsweise von dem Grundsatz der nur zukünftigen Vertragsänderung- und anpassung abzuweichen. Anders könnte es sein, wenn das Vertragsverhältnis noch bestände und die Anpassung an veränderte Verhältnisse zwangsläufig auch in die Vergangenheit zurückwirkt. Aber hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
3. Der Kläger kann seine Rückforderung auch nicht aus § 812 BGB herleiten. Ein Rückgriff auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Nichterreichung des mit einer Leistung bezweckten Erfolgs (§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Fall BGB) - worauf der Kläger seine Forderung ebenfalls stützen will - kommt aber selbst dann nicht in Betracht, wenn die Geschäftsgrundlage eines Vertrages weggefallen ist, dies aber weder zu einer Lösung noch zu einer sonstigen Anpassung des Vertragsverhältnisses an veränderte Umstände führt (BGH Urteil vom 17. Januar 1975 - V ZR 105/73 - NJW 1975, 776). Vertragliche Ansprüche haben nämlich stets den Vorrang vor solchen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Dieser Vorrang der vertraglichen Ansprüche besteht unabhängig davon, welche Rechtsfolgen sich im konkreten Fall aus der Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ergeben. Ein Rückgriff auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Nichterreichens des mit einer Leistung bezweckten Erfolgs bleibt, wenn die Geschäftsgrundlage weggefallen ist, auch dann ausgeschlossen, wenn nach § 242 BGB keine Lösung des Vertragsverhältnisses mit entsprechenden Rückgewähransprüchen in Betracht kommt, sei es, daß lediglich eine anderweitige Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände vorzunehmen ist, oder sei es, daß sich die Parteien trotz der Veränderung der Umstände in vollem Umfang an dem Vertrag festhalten lassen müssen (BGH Urteil vom 17. Januar 1975 - V ZR 105/73 - NJW 1975, 776). Das trifft auch auf diesen Rechtsstreit zu, denn - wie schon dargelegt (vgl. 2 d der Gründe) - ist es trotz der Annahme einer freien Mitarbeit den Parteien zumutbar, an der auf dieser Grundlage vereinbarten Vergütung festzuhalten.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Scherer Dr. Schönherr
Fundstellen