Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfall von Übergangsgeldansprüchen
Orientierungssatz
Der Ablauf tariflicher Ausschlußfristen ist von Amts wegen zu beachten, ohne daß sich eine Partei darauf zu berufen braucht. Ihr Ablauf bewirkt das Erlöschen des Rechts. An den Begriff des Geltendmachens sind dabei keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt jeder ernstliche Hinweis auf den Anspruch (Vergleiche zuletzt BAG Urteil vom 18.12.1986, 6 AZR 36/85 = nicht veröffentlicht).
Normenkette
BAT §§ 62, 70
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 15.08.1984; Aktenzeichen 2 Sa 166/84) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 01.12.1983; Aktenzeichen 1 Ca 1438/83) |
Tatbestand
Der am 5. September 1921 geborene schwerbehinderte Kläger war vom 1. Juli 1963 bis 31. Dezember 1981 als Angestellter in der Universitätsklinik M beim beklagten Land beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis waren die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung maßgebend. Mit Schreiben vom 19. August 1981 kündigte er zum 31. Dezember 1981 und beantragte gleichzeitig die Zahlung des Übergangsgeldes. Das volle Übergangsgeld gem. §§ 62-64 BAT hätte nach einer Berechnung des beklagten Landes vom 6. Januar 1982 12.840,24 DM betragen. Dem Kläger wurden jedoch nur 5.672,24 DM ausbezahlt, weil das beklagte Land der Auffassung war, aufgrund der Neufassung des § 42 SchwbG seien die Rentenbezüge des Klägers teilweise auf das Übergangsgeld anzurechnen.
Nachdem der Kläger von der anders lautenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Kenntnis erhalten hatte, begehrte er mit Schreiben vom 19. April 1983 die Zahlung des einbehaltenen Übergangsgeldes. Mit Schreiben vom 27. Juni 1983 wurde dem Kläger mitgeteilt, der Übergangsgeldanspruch sei wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 70 BAT erloschen.
Mit seiner am 18. Juli 1983 erhobenen Klage verlangt der Kläger Zahlung des einbehaltenen Betrages in Höhe von 7.168,-- DM.
Er hat vorgetragen, da er bereits im Kündigungsschreiben vom 19. August 1981 die Zahlung des Übergangsgeldes beantragt habe, sei die Ausschlußfrist des § 70 BAT eingehalten. Eine genaue Bezifferung des Anspruchs sei ihm nicht möglich gewesen und könne auch nicht gefordert werden. Nach Erhalt des Bescheides des beklagten Landes über die Höhe des Übergangsgeldes habe er sich wegen der Kürzung sofort an die Lohnstelle der Universität gewandt und dort mit dem Sachbearbeiter M gesprochen. Dieser habe ihm erklärt, die Angelegenheit sei aufgrund einer Gesetzesänderung in Ordnung. Erst im Frühjahr 1983 habe er von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Kenntnis erhalten und sich dann wegen der Auszahlung des Differenzbetrages sofort an das beklagte Land gewandt. Sein Anspruch könne daher nicht nach § 70 BAT erloschen sein.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, 7.168,-- DM
nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit an ihn
zu zahlen.
Das beklagte Land hat den Antrag gestellt,
den Kläger mit seiner Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, der Anspruch des Klägers sei wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 70 BAT untergegangen. Nach Erhalt des Bescheides über die Höhe des auszuzahlenden Übergangsgeldes hätte der Kläger den ihm nach seiner Meinung zustehenden Betrag sofort geltend machen müssen. Das sei nicht geschehen. Die erst mit Schreiben vom 19. April 1983 erfolgte Geltendmachung sei verspätet.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und Abweisung der Klage.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe ein Übergangsgeld in Höhe von 12.840,24 DM zu. Die erfolgte Kürzung des Übergangsgeldes um 7.168,-- DM durch Anrechnung der Rente aus der Angestelltenversicherung sei nicht zulässig, weil das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 1981 geendet habe, so daß § 42 SchwbG in der bis Ende des Jahres 1981 geltenden Fassung anzuwenden sei. Da das beklagte Land bisher erst 5.672,24 DM gezahlt habe, bestehe der Anspruch des Klägers somit noch in Höhe von 7.168,-- DM.
Dieser Anspruch des Klägers sei auch nicht wegen Versäumung der Ausschlußfrist gemäß § 70 BAT erloschen. Der Kläger habe seinen Anspruch auf Übergangsgeld rechtzeitig geltend gemacht, weil er im Kündigungsschreiben vom 19. August 1981 "Zahlung des Übergangsgeldes" beantragt habe. In dieser Erklärung sei eine schriftliche Geltendmachung des Übergangsgeldes zu sehen. Das beklagte Land habe den nach §§ 62 ff. BAT Anspruchsberechtigten, die unter den Geltungsbereich des § 42 SchwbG gefallen seien, das Übergangsgeld ohne Anrechnung von Renten gezahlt. Davon sei auch der Kläger bei seiner Geltendmachung im August ausgegangen. Die schriftliche Geltendmachung durch den Kläger umfasse somit das Übergangsgeld, so wie es nach der damals bestehenden Gesetzeslage und Verwaltungspraxis ausgezahlt worden sei. Das beklagte Land könne demgegenüber auch nicht geltend machen, der Kläger habe seinen Antrag auf Übergangsgeld in Kenntnis der Vorschrift des § 63 Abs. 5 BAT gestellt. Denn für die Anrechnung oder Nichtanrechnung von Renten komme es allein auf die Norm des § 42 SchwbG an. Diese sei aber erst mit Wirkung vom 1. Januar 1982 geändert worden. Das beklagte Land könne auch nicht einwenden, die Geltendmachung vom 19. August 1981 sei mit der teilweisen Zahlung des Übergangsgeldes verbraucht, so daß es einer erneuten Geltendmachung bedurft hätte. Durch die teilweise Zahlung sei kein neuer Sachverhalt geschaffen worden. Der Anspruch auf Übergangsgeld beruhe auf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Bezugs des vorgezogenen Altersruhegeldes aufgrund der Schwerbehinderung des Klägers. Im übrigen sei auch die Berufung auf die Ausschlußklausel des § 70 BAT rechtsmißbräuchlich. Das beklagte Land habe insofern einen Vertrauenstatbestand geschaffen, als es dem Kläger bei der Vorsprache in der Lohnstelle der Universität nach Erhalt des Bescheides über die Anrechnung der Rente auf das Übergangsgeld erklären ließ, die Kürzung erfolge aufgrund der Änderung von § 42 SchwbG. Damit habe sich der Kläger zu Recht vorerst zufrieden geben können, denn er habe der mit der Rechtsmaterie vertrauten Lohnstelle der Universität nicht zu mißtrauen brauchen. Das beklagte Land habe seine irrige Rechtsauffassung bis zum Bekanntwerden des BAG-Urteils vom 16. November 1982 (BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG) aufrecht erhalten.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß dem Kläger grundsätzlich das ungekürzte Übergangsgeld zusteht.
Der Kläger erfüllt nach Lebensalter und Beschäftigungsdauer die tariflichen Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld gem. § 62 Abs. 1 BAT. Er schied am 31. Dezember 1981 aus dem Arbeitsverhältnis aus, um als Schwerbehinderter vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Zwar sieht § 63 Abs. 5 Satz 1 BAT die Anrechnung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und laufenden Versorgungsbezügen auf das zu zahlende Übergangsgeld und dessen Auszahlung nur insoweit vor, als es die Summe der anrechenbaren Leistungen für den gleichen Zeitraum übersteigt. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 - nicht veröffentlicht, m.w.N.; Urteil vom 13. Juli 1982 - 3 AZR 576/80 - AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG) hat aber in ständiger Rechtsprechung die Vorschrift insoweit für rechtsunwirksam gehalten, als sie sich auf das vorgezogene Altersruhegeld von Schwerbehinderten bezieht.
Daran hat die durch Art. 6 des 2. Haushaltstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523) erfolgte Neufassung des § 42 SchwbG nichts geändert. Zwar gilt seit dem 1. Januar 1982 das Anrechnungsverbot nicht mehr (BAG Urteile vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 - und - 7 AZR 254/84 - nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - BAGE 40, 355 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG; Urteil vom 21. August 1984 - 3 AZR 565/83 - BAGE 46, 245, 248 = AP Nr. 13 zu § 42 SchwbG; vgl. zuletzt erkennender Senat Urteil vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 - zur Veröffentlichung bestimmt). Die neue Regelung gilt aber noch nicht für Angestellte, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 1982 geendet hat (vgl. BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 177/82 - aa0; BAG Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 -; BAG Urteil vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 - zur Veröffentlichung bestimmt).
3. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der entstandene Anspruch des Klägers auf Zahlung des ungekürzten, anrechnungsfreien Übergangsgeldes aber gem. § 70 BAT verfallen.
a) Der Kläger hat seinen Anspruch nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 70 BAT schriftlich geltend gemacht. Danach sind alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten beginnend mit der Fälligkeit geltend zu machen.
b) Der Ablauf tariflicher Ausschlußfristen ist von Amts wegen zu beachten, ohne daß sich eine Partei darauf zu berufen braucht. Ihr Ablauf bewirkt das Erlöschen des Rechts. An den Begriff des Geltendmachens sind dabei keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt jeder ernstliche Hinweis auf den Anspruch (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 36/85 - nicht veröffentlicht).
c) Das Landesarbeitsgericht irrt, wenn es davon ausgeht, die Erklärung des Klägers vom 19. August 1981, mit der er die Zahlung des Übergangsgeldes beantragte, genüge den Anforderungen an eine Geltendmachung i.S. des § 70 BAT.
Abgesehen davon, daß sich bereits Bedenken ergeben, ob Ansprüche vor ihrem Entstehen im Sinne des Tarifvertrages geltend gemacht werden können (vgl. BAG Urteil vom 18. Januar 1969 - 3 AZR 451/67 - AP Nr. 41 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 805/76 - BAGE 30, 35 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen), kann die vom Kläger abgegebene Erklärung vom 19. August 1981 nicht als Geltendmachung gewertet werden. Die Beantragung der "Zahlung des Übergangsgeldes" im Kündigungsschreiben vom 19. August 1981 läßt lediglich erkennen, daß der Kläger von der Existenz und Berechtigung eines Anspruches auf Übergangsgeld und von der ordnungsgemäßen Abwicklung ausgegangen ist. Es handelt sich insoweit um einen Hinweis und damit um eine Wissenserklärung. Ein Erklärungsbewußtsein des Inhalts, damit zugleich im rechtserheblichen Sinn des § 70 BAT den vollen Anspruch auf Übergangsgeld geltend zu machen (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., Einl. zu § 104 - 185 Rz 18; BGB-RGRK-Krüger-Nieland, 12. Aufl., vor § 104 Rz 12), kann - wie die gesamten Begleitumstände zeigen - dieser Erklärung daher nicht entnommen werden. Der Kläger konnte entsprechende Vorstellungen, d.h. ein darauf gerichtetes und für die Beklagte erkennbares Erklärungsbewußtsein schon deswegen nicht entwickeln, weil er die ordnungsgemäße Abwicklung bzw. Auszahlung des Übergangsgeldes zum damaligen Zeitpunkt nicht in Zweifel gezogen hat und auch nicht in Zweifel ziehen konnte (vgl. dazu BAG Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 36/85 -).
d) Die schriftliche Geltendmachung des Anspruches war im Streitfalle auch nicht entbehrlich. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn nach den Erklärungen und Zusicherungen sowie dem sonstigen Verhalten der Partei, die sich auf die mangelnde Geltendmachung beruft, der Eindruck erzeugt worden wäre, als wolle sie auch ohne Einhaltung der schriftlichen Geltendmachung erfüllen oder von der Einhaltung der schriftlichen Geltendmachung überhaupt absehen (vgl. BAG Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 36/85 - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers, die Beklagte werde auch in Abänderung ihrer bisherigen Praxis ohne Geltendmachung das Übergangsgeld anrechnungsfrei auszahlen, ist nicht erkennbar. Selbst wenn dem Kläger bei seiner Vorsprache in der Lohnstelle der Universität nach Erhalt des Bescheides über die Anrechnung der Rente auf das Übergangsgeld gesagt worden sein sollte, die Kürzung erfolge aufgrund der Gesetzesänderung und sei in Ordnung, so vermag diese unzutreffende Auskunft den Vorwurf der Arglist oder des Rechtsmißbrauchs nicht zu begründen und hindert deshalb den Verfall des Anspruches nicht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Schneider Dörner
Hohnheit Dr. Steinhäuser
Fundstellen