Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Erhöhung der Stundenzahl einer Lehrerin
Orientierungssatz
Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann die Befristung einzelner Vertragsbedingungen den gesetzlichen Änderungskündigungsschutz objektiv umgehen. Sie bedarf dann, ebenso wie die Befristung des Arbeitsverhältnisses selbst, eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes.
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Bremen vom 5. Mai 1998 - 1 Sa 198/97 -
wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit einer Lehrerin.
Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 5. August 1991 als Lehrerin mit einer Dreiviertelstelle (20 Wochenstunden) an der Grundschule beschäftigt. Durch Änderungsvertrag vom 19. Dezember 1995 wurde die Arbeitszeit der Klägerin für die Zeit vom 10. Oktober 1995 bis zum 31. Juli 1996 "als Ersatz für den im Modellversuch ?Ökologisches Bauen in den neuen Bundesländern§ tätigen Lehrer P. M" um vier Wochenstunden erhöht. Der Lehrer P. M ist im Schulzentrum tätig und war in der Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Juli 1996 mit 13 Wochenstunden an die Universität Bremen für den genannten Modellversuch abgeordnet.
Mit ihrer am 20. August 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Befristung des Änderungsvertrages gewandt. Sie hat vorgetragen, sie sei seit Oktober 1995 deshalb mit der erhöhten Unterrichtsstundenzahl beschäftigt worden, weil zwei Kollegen der Grundschule eine sonderpädagogische Zusatzausbildung begonnen hätten und deshalb deren Stundendeputat zumindest im Umfang von vier Wochenstunden verringert worden sei. Sie sei daher nicht als Vertretung für den ihr unbekannten Lehrer P. M beschäftigt worden.
Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 31. Juli 1996
hinaus ein Arbeitsverhältnis mit 24 Pflichtstunden besteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den in Ziffer 1
genannten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat in erster Instanz vorgetragen, der Grund für die zusätzliche Beschäftigung der Klägerin sei nicht die sonderpädagogische Zusatzausbildung ihrer zwei Kollegen von der Grundschule, sondern die Vertretungstätigkeit für den Lehrer M gewesen. Durch dessen Abordnung zu dem Modellversuch sei ein zusätzlicher Unterrichtsbedarf entstanden, der durch die zusätzlichen Unterrichtsstunden der Klägerin abgedeckt werden sollte. In zweiter Instanz hat sich die Beklagte dann ausschließlich auf Haushaltsgründe berufen. Für die Zeit der Abordnung des Lehrers M zu dem Modellversuch seien ihr dessen Personalkosten aus dem Haushaltskapitel 3.239 - allgemeine Bewilligung für Schulen - erstattet worden. Die aus diesem Grunde vorübergehend frei gewordenen Haushaltsmittel seien vom zuständigen Haushaltsausschuß für die Einstellung einer Ersatzkraft freigegeben worden. Daher hätten vorübergehend Haushaltsmittel für die Aufstockung der Stundenzahl der Klägerin zur Verfügung gestanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgerichts zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Befristung der Erhöhung der Stundenzahl der Klägerin unwirksam ist, weil die Beklagte das Vorliegen eines sachlichen Grunds nicht hinreichend substantiiert und nachvollziehbar dargelegt hat.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Befristung der Erhöhung des Stundendeputats der Klägerin zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grunds bedurfte. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann die Befristung einzelner Vertragsbedingungen den gesetzlichen Änderungskündigungsschutz objektiv umgehen. Sie bedarf dann, ebenso wie die Befristung des Arbeitsverhältnisses selbst, eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrundes (BAG 21. April 1993 - 7 AZR 297/92 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 34, zu II 1 der Gründe mwN; BAG 15. April 1999 - 7 AZR 734/97 - AP BAT § 2 SR 2y Nr. 18 = EzA BGB § 620 Nr. 162; BAG 29. September 1999 - 7 AZR 205/98 - nv.). Das gilt nach der Senatsrechtsprechung jedenfalls für solche Vertragsbedingungen, die dem Änderungskündigungsschutz nach § 2 KSchG unterliegen, weil sie die Arbeitspflicht nach Inhalt und Umfang in einer Weise ändern, die sich unmittelbar auf die Vergütung auswirkt und damit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung maßgeblich beeinflußt. Diese Voraussetzungen sind bei der vorliegenden Erhöhung der Stundenzahl von 20 auf 24 Wochenstunden erfüllt.
II. Entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz hat das Landesarbeitsgericht die Befristung zunächst unter dem Gesichtspunkt der Vertretung geprüft. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dieser Sachgrund liege nicht vor, ist frei von tragenden Rechtsfehlern.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin den Lehrer P. M nicht direkt vertreten hat. Denn die Erhöhung der Stundenzahl ist nicht zur unmittelbaren Wahrnehmung von dessen Lehraufgaben erfolgt. Die Behauptung der Klägerin, einen ihrer Kollegen von der Grundschule, der wegen einer Zusatzausbildung zeitweilig verhindert war, vertreten zu haben, ist von der Beklagten aber gerade in Abrede gestellt worden. Auch insoweit scheidet der Sachgrund Vertretung aus.
2. Zutreffend ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei auch nicht mittelbar im Wege einer Umverteilung der Arbeitsaufgaben durch die Beklagte zur Abdeckung des durch den zeitweiligen Ausfalls des Lehrers M entstandenen Unterrichtsbedarfs beschäftigt worden. Insoweit fehlt es an einer schlüssigen Darlegung der Beklagten. Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen, an der Schule, an der Herr M tätig war, habe ein "Überhang" bestanden. Dies läßt sich nur dahin verstehen, an dieser Schule hätten über den tatsächlichen Bedarf hinaus Lehrkräfte zur Verfügung gestanden. Wenn dies aber richtig sein sollte, kann durch die Abordnung des Lehrers M ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf nicht entstanden und daher auch nicht mittelbar für die Aufstockung der Stundenzahl der Klägerin ursächlich geworden sein.
III. Lediglich im Ergebnis richtig ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte könne sich auch nicht auf einen anderen Befristungsgrund berufen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Formulierung im Änderungsvertrag vom 19. Dezember 1995 "als Ersatz für den im Modellversuch ... tätigen Lehrer P. M" rechtsfehlerfrei und nachvollziehbar dahin ausgelegt, damit sei die Befristungsgrundform der Nr. 1 c SR 2y BAT "Angestellte, die zur Vertretung oder zeitweiligen Aushilfe eingestellt werden (Aushilfsangestellte)" als vereinbart anzusehen.
2. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wegen dieses Auslegungsergebnisses dürfe sich die Beklagte gemäß Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT nicht auf Befristungsgründe berufen, die einer anderen Befristungsgrundform zugehörten; die Beklagte sei daher insbesondere damit ausgeschlossen, einen Gesamtvertretungsbedarf bzw. Haushaltsgründe zur Rechtfertigung der Befristung nachzuschieben.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BAG 15. April 1999 - 7 AZR 734/97 - AP BAT § 2 SR 2y Nr. 18 = EzA BGB § 620 Nr. 162), an der festzuhalten ist, gelten die Tarifvorschriften der SR 2y BAT nur für die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses (Einstellung bzw. Verlängerung des Arbeitsvertrags), nicht aber für die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen, also die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt insbesondere auch für die von der Nr. 2 SR 2y BAT geforderten Angaben über die Befristungsgrundform im Arbeitsvertrag (BAG 15. April 1999, aaO, zu 2 b der Gründe). Die Beklagte war daher nicht gehindert, sich auch auf Befristungsgründe zu berufen, die nicht der Grundform des Aushilfsangestellten, sondern - wie der Gesamtvertretungsbedarf bzw. Haushaltsgründe - der Grundform des Zeitangestellten zuzuordnen sind.
3. Allerdings beruht das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht auf diesem Rechtsfehler, denn das Landesarbeitsgericht hat sich vorsorglich auch mit den von der Beklagten nachgeschobenen Gründen selbst befaßt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, daß diese Gründe die vereinbarte Befristung nicht rechtfertigen, ist frei von tragenden Rechtsfehlern.
a) Im Ergebnis zutreffend ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts unter I 3 des Berufungsurteils, die vorliegende Befristung sei nicht nach den Regeln über die Gesamtvertretung zu rechtfertigen (grundlegend BAG 3. Dezember 1986 - 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 110 und jetzt BAG 20. Januar 1999 - 7 AZR 640/97 - BAGE 90, 335 = AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 138; vgl. auch BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 555/98 - nv.). Die Beklagte hat an keiner Stelle auch nur annähernd substantiiert vorgetragen, daß sie einen Gesamt- bzw. Gesamtvertretungsbedarf für einen ganzen Schulamtsbezirk ermittelt habe. Vielmehr hat sich die Beklagte stets nur auf den durch die vorübergehende Abordnung des Lehrers M entstandenen Bedarf berufen. Ferner ist nicht ersichtlich, wieso dieser vorübergehend gewesen sein soll, insbesondere warum mit einer Beendigung der Abordnung des Lehrers M zum Ende des Schuljahrs 1996 zu rechnen gewesen sei.
b) Im Ergebnis richtig ist auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts (Berufungsurteil I 4), daß die von der Beklagten zweitinstanzlich vorgetragenen haushaltsrechtlichen Gründe die Befristung nicht tragen. Zwar erscheint es rechtlich nicht als ausgeschlossen, daß die vorliegende Befristung haushaltsrechtlich gerechtfertigt sein könnte. An einem nachvollziehbaren Sachvortrag hat es jedoch in den Tatsacheninstanzen gefehlt. Der neue Sachvortrag in der Revisionsbegründung ist revisionsrechtlich unbeachtlich.
Nach inzwischen gefestigter Senatsrechtsprechung (vgl. zB BAG 7. Juli 1999 - 7 AZR 609/97 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 215 = EzA BGB § 620 Nr. 167) können haushaltsrechtliche Gründe die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, daß für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen.
Aus dem Vortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ergibt sich indessen nicht einmal, inwiefern durch die Abordnung des Lehrers M zusätzliche Mittel zur Verfügung standen, insbesondere also, ob der Lehrer M ohne Fortzahlung seiner Bezüge abgeordnet war. Auch ist nicht vorgetragen worden, daß die Beklagte überhaupt die Prognose erstellt hätte, die Mittel würden (etwa aufgrund einer abzusehenden Beendigung der Abordnung) nach dem Schuljahresende nicht mehr zur Verfügung stehen. Erst recht fehlt es an einer Darlegung der tatsächlichen Grundlage für eine solche Prognose.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner Steckhan Schmidt
Niehues Hökenschnieder
Fundstellen