Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagslohnzahlung bei dienstplanmäßiger Freistellung des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Parallelverfahren zu 5 AZR 345/95, Urteil vom 9. Oktober 1996, zur Veröffentlichung vorgesehen
Normenkette
Feiertagslohnzahlungsgesetz § 1 Abs. 1; Entgeltfortzahlungsgesetz § 2 Abs. 1; DRK-TV vom 31. Januar 1984 § 18 Abs. 6; BAT § 17 Abs. 3; ArbGG § 64 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 1995 – 1 Sa 972/94 – aufgehoben, soweit es die Klage abgewiesen hat.
2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 4. August 1994 – 5 Ca 923/94 – wird insgesamt zurückgewiesen.
3. Die Revision der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz wird zurückgewiesen.
4. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Feiertagslohn und Überstundenzuschläge.
Der Kläger ist seit 1976 als Rettungssanitäter in der Rettungswache der Beklagten in B. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) Anwendung.
Der Beklagte stellt in der Rettungswache B. Rettungstransportwagen (RTW) sowie Krankentransportwagen (KTW) bereit. Die Arbeitnehmer werden durch Dienstpläne eingeteilt. Sie arbeiten jeweils im Wechsel 42 Kalendertage auf Rettungstransportwagen und 14 Kalendertage auf Krankentransportwagen. Im sog. RTW-Block wird dienstplanmäßig jeden zweiten Tag, auch an Sonn- und Feiertagen, im sog. KTW-Block nur an den Werktagen außer Sonnabend gearbeitet. An Wochenenden und an Wochenfeiertagen sind Krankentransportwagen nicht im Einsatz. Nach dem gem. § 5 Abs. 2 des Landesrettungsdienstgesetzes (i.d.F. vom 22. April 1991 – GVBl. S. 217) zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und den Hilfsorganisationen abgeschlossenen Übertragungsvertrag ist der Beklagte nicht verpflichtet, an Wochenenden und Feiertagen Krankentransportwagen vorzuhalten.
Der Kläger arbeitete vom 11. bis zum 24. November 1993 im „KTW-Block”, Für den 17. November 1993, Buß- und Bettag, war er nicht zum Dienst eingeteilt. Er arbeitete in dieser Woche nur an vier Wochentagen, erreichte aber in diesem Monat ohne Anrechnung von Feiertagsstunden die tarifliche Sollarbeitszeit und erhielt dafür die normale Vergütung.
Der Kläger verlangt Feiertagslohn für den 17. November 1993 und Mehrarbeitszuschläge für die zehn Stunden, die er im November 1993 zusätzlich zur tarifvertraglich geschuldeten Arbeitszeit geleistet habe. Die gesetzlich verordnete Feiertagsruhe sei die nicht hinwegzudenkende Ursache dafür, daß er an diesem Tag nicht gearbeitet habe. Auch die Regelung im Übertragungsvertrag und die Dienstplangestaltung beruhten auf den Feiertagen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 262,90 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15. Februar 1994 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen: Die Arbeit des Klägers sei am 17. November 1993 nicht infolge des Feiertages ausgefallen, sondern wegen der Dienstplangestaltung und der Regelung im Übertragungsvertrag. Da er seine Sollarbeitszeit geleistet habe, sei er nicht mehr verpflichtet gewesen, an diesem Tag zu arbeiten. Da der KTW-Block an jedem Kalendertag, auch einem Wochenfeiertag, beginnen könne, könnten die Feiertage für den Arbeitsausfall nicht ursächlich gewesen sein. Mehrarbeitszuschläge stünden dem Kläger auch deshalb nicht zu, weil ein Anspruch darauf nur für geleistete Arbeitsstunden bestehe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie hinsichtlich der Mehrarbeitsvergütung abgewiesen und im übrigen die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgen beide Parteien ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet, die des Beklagten dagegen nicht. Der Kläger hat Anspruch auf Feiertagslohn für den 17. November 1993 und auf Überstundenzuschläge.
I. Die Revision ist zulässig. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen.
Da der Wert des Streitgegenstandes 800,00 DM nicht übersteigt, war die Berufung nach § 64 Abs. 2 ArbGG nur zulässig, wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden war. Das ist hier der Fall. Allerdings ist die Zulassung der Berufung nicht mit verkündet worden, sondern nur in den Entscheidungsgründen enthalten.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Zulassung eines Rechtsmittels auch dann wirksam sein, wenn es nicht im Urteil verkündet wurde, sondern nur in den nicht verkündeten Entscheidungsgründen enthalten ist (BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 528/92 – AP Nr. 27 zu § 72 ArbGG 1979, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BAG Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 AZR 372/95 – AP Nr. 29 zu § 72 ArbGG 1979; BAG Urteil vom 26. April 1995 – 7 AZR 984/93 – AP Nr. 6 zu § 41 SGB VI; BAG Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen), Allerdings werden unterschiedliche Anforderungen gestellt.
Der Vierte Senat und ihm folgend der Siebte Senat (beide a.a.O.) halten an dem Grundsatz fest, daß die Zulassung der Revision zu ihrer Wirksamkeit der Verkündung im Urteil bedarf; sie machen davon nur eine Ausnahme, wenn die Revisionszulassung zwar vom Gericht beschlossen, aber versehentlich nicht mit verkündet wurde. Dagegen hat der Erste Senat (a.a.O.) entschieden, die Zulassung der Revision nur in den Entscheidungsgründen sei zwar unsachgemäß, aber wirksam, und zwar unabhängig davon, ob die Verkündung nur versehentlich unterblieben ist. Es bedarf hier keiner abschließenden Stellungnahme des Senats, da die Zulassung der Berufung auch dann wirksam ist, wenn man der Auffassung des Vierten und Siebten Senats folgt. Denn die Verkündung ist nur versehentlich unterblieben. Das ergibt sich aus dem handschriftlich niedergelegten von den Beisitzern unterschriebenen Urteilstenor, der unter 4. lautet: „Die Berufung wird zugelassen”. In den Entscheidungsgründen heißt es dann, wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits sei die Berufung zuzulassen.
II. Die Revision des Klägers ist begründet, die des Beklagten unbegründet.
1. Nach § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG (ab 1. Juni 1994: § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG – EFZG) hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsverdienst für die Zeit fortzuzahlen, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt. Der Anspruch besteht nur, wenn der Feiertag die einzige Ursache für den Arbeitsausfall ist (BAG in ständiger Rechtsprechung; vgl. statt vieler: Urteil vom 2. Dezember 1987 – 5 AZR 471/86 – BAGE 56, 375, 379 = AP Nr. 52 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG).
a) Für die Feststellung, ob ein feiertagsbedingter Arbeitsanfall vorliegt, kommt es allein darauf an, welche Arbeitszeit für den Arbeitnehmer gegolten hätte, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre (BAG Urteil vom 2. Dezember 1987 – 5 AZR 471/86 – BAGE 56, 375, 378 = AP Nr. 52 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAG Urteil vom 16. März 1988 – 4 AZR 626/87 – AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG Urteil vom 18. März 1992 – 4 AZR 387/91 – AP Nr. 64 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 10. Juli 1996 – 5 AZR 113/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.). Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer für diesen Tag das Entgelt, wenn dieser ohne den Feiertag gearbeitet hätte (BAG Urteil vom 26. März 1985 – 3 AZR 239/83 – AP Nr. 47 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAG Urteil vom 18. März 1992, a.a.O.).
Allerdings kann auch eine dienstplanmäßige Freistellung des Arbeitnehmers am Feiertag dessen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für diesen Feiertag ausschließen; das gilt jedoch nur dann, wenn sich die Arbeitsbefreiung aus einem Schema ergibt, das von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig ist (BAG Urteil vom 27. September 1983 – 3 AZR 159/81 – BAGE 44, 160, 162 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAG Urteil vom 10. Juli 1996, a.a.O.).
b) Im Streitfall ist die Arbeit am 17. November 1993 infolge des gesetzlichen Feiertages ausgefallen. Er war die alleinige Ursache dafür, daß der Kläger nicht gearbeitet hat. Dienstplan und Übertragungsvertrag ändern daran nichts. Das hat das Landesarbeitsgericht richtig erkannt.
Zu Unrecht meint die Revision, die Dienstpläne seien von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig. Es trifft zwar zu, daß Dauer und zeitliche Lage der sich abwechselnden „KTW”- und „RTW-Blöcke” von Feiertagen unabhängig sind. Entscheidend ist aber, daß die Dienstplangestaltung innerhalb der „KTW-Blöcke” von den Feiertagen abhängt. Wenn dieser Tag kein Feiertag gewesen wäre, hätte der Beklagte nach dem Übertragungsvertrag Krankentransportwagen bereitzustellen gehabt. Dementsprechend hätte der Beklagte die erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern zum Dienst eingeteilt, auch den Kläger, der sich gerade im „KTW-Block” befand. Übertragungsvertrag und Dienstplan richten sich, soweit sie den Einsatz auf Krankentransportwagen betreffen, gerade an der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen aus.
c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht weiter ausgeführt, der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß der Kläger an diesem Tag nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei, da er die Soll-Arbeitszeit bereits erreicht habe. Das Gesetz verlangt weder ausdrücklich noch nach seinem Sinn und Zweck, daß die Arbeitnehmer zur Leistung der ausgefallenen Arbeit ohne die gesetzlich angeordnete Feiertagsruhe verpflichtet wären. Das Feiertagslohnzahlungsgesetz verfolgt das Ziel, dem Arbeitnehmer für den ausgefallenen Arbeitstag die Vergütung zu sichern, ohne die Gegenleistung erbringen zu müssen. Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, ob eine Lohneinbuße schon dadurch vermieden wird, daß der Arbeitnehmer an anderen Tagen mehr arbeitet (BAGE 42, 324 = AP Nr. 39 zu § 1 FeiertagslohnzahlungG, zu I 2 der Gründe). Auf die Frage, ob der Beklagte an anderen Orten des Landes Rheinland-Pfalz an Feiertagen Krankentransportwagen vorzuhalten hat, kommt es daher nicht an.
Unerheblich ist auch der Einwand der Revision, die Zubilligung von Feiertagslohn an diejenigen, die sich gerade im „KTW-Block” befänden, führe zu deren Besserstellung gegenüber den Kollegen im „RTW-Block”. Denn für letztere fällt die Arbeit gerade nicht infolge eines Feiertags aus.
2. Dem Kläger steht auch – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – ein Anspruch auf einen 25 %igen Zuschlag für Ableistung von zehn Überstunden im Monat November 1993 zu. Das ergibt sich aus § 39 Abs. 1, § 18 Abs. 2 des Tarifvertrages über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes vom 31. Januar 1984 (im folgenden: DRK-TV) in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag.
a) Nach § 18 Abs. 2 Unterabs. 1 DRK-TV sind „Überstunden … die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen”. Der Kläger hat in den genannten Monaten jeweils zehn Stunden über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus gearbeitet. Die Anordnung erfolgte durch die Dienstpläne.
Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob die zusätzlichen zehn Stunden in der Woche geleistet wurden, in die der Feiertag fiel oder in einer anderen Woche. Denn nach § 18 Abs. 6 Satz 1 DRK-TV sind bei der Überstundenberechnung die Stunden eines Wochenfeiertages mitzuzählen. Aus § 18 Abs. 6 Satz 2 DRK-TV ergibt sich nichts anderes. § 18 Abs. 6 DRK-TV lautet:
„Bei der Überstundenberechnung sind für jeden im Berechnungszeitraum liegenden Urlaubstag, Krankheitstag sowie für jeden sonstigen Tag einschließlich eines Wochenfeiertages, an dem der Mitarbeiter von der Arbeit freigestellt war, die Stunden mitzuzählen, die der Mitarbeiter ohne diese Ausfallgründe innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleistet hätte. Vor- oder nachgeleistete Arbeitsstunden bleiben unberücksichtigt.”
b) Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch mit folgender Begründung verneint: Der Kläger habe nach seinem eigenen Vortrag die an den fraglichen Wochenfeiertagen ausgefallene Arbeitszeit an anderen Tagen im November 1993 nachgeholt. Diese Stunden könnten keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung begründen, weil sie nach § 18 Abs. 6 Satz 2 DRK-TV unberücksichtigt blieben.
Das trifft nicht zu. Arbeitszeit, die infolge eines Feiertages ausfällt, fällt von vornherein nicht unter § 18 Abs. 6 Satz 2 DRK-TV, und zwar unabhängig davon, ob „nachgearbeitet” wird oder nicht. § 18 Abs. 6 DRK-TV ist dem – gleichlautenden – § 17 Abs. 3 BAT nachgebildet. Um vor- oder nachgeleistete Arbeitsstunden im Sinne beider Vorschriften handelt es sich dann, wenn Arbeitszeit aus besonderen Gründen, etwa wegen eines Volksfestes oder wegen einer kurzfristigen Dienstbefreiung aus besonderen nicht in § 52 BAT, § 50 DRK-TV genannten Gründen verschoben wird (Crisolli/Tiedke, Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand Juli 1996, § 17 Anm. 28).
§ 17 Abs. 3 Satz 2 BAT und § 18 Abs. 6 Satz 2 DRK-TV sollen nur eine Begünstigung des ohne entsprechende Verpflichtung freigestellten Arbeitnehmers vermeiden. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BAT, § 18 Abs. 6 Satz 1 DRK-TV sind die Stunden der Freistellung bei der Überstundenberechnung zu berücksichtigen. Satz 2 bestimmt folgerichtig, daß die vor- oder nachgeleisteten Arbeitsstunden nicht zu berücksichtigen sind; sonst käme es zu einer doppelten Anrechnung. § 17 Abs. 3 Satz 2 BAT und § 18 Abs. 6 Satz 2 DRK-TV sind also nur dann anwendbar, wenn der Arbeitnehmer von vornherein zur Vor- oder Nachleistung verpflichtet ist; sie sind nicht anwendbar, wenn der Arbeitnehmer – wie hier der Kläger – unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freizustellen war.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Kahler, Heel
Fundstellen