Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Stewards in der Seeschiffahrt
Leitsatz (redaktionell)
1. In der Seeschiffahrt bestimmt sich die Vergütung der Besatzungsmitglieder nach den tariflichen "Dienstgraden", dh nach der Innehabung von Funktionen.
2. Der Heuertarifvertrag für die deutsche Seeschiffahrt vom 17.4.1986 (HTV-See) gestattet eine Heranziehung vergleichbarer "Dienstgrade" nur dann, wenn neue Ausbildungsvorschriften sie vorsehen. Ansonsten ist die entsprechende Anwendung von "Dienstgraden" ausgeschlossen.
3. Den Begriff des "Stewards" verwenden die Tarifvertragsparteien im HTV-See in seiner spezifischen Bedeutung im Bereiche der Seeschiffahrt. Von diesem Begriff werden auch die Aufgaben eines "Aufklarers" mitumfaßt.
4. Es ist ausschließliche Angelegenheit der Tarifvertragsparteien, eine tarifliche Regelung veränderten tatsächlichen Umständen - etwa Änderungen in der Arbeitsorganisation oder der Inbetriebnahme neuer Schiffstypen - anzupassen (in Übereinstimmung mit dem Urteil des Senats vom 10. Februar 1988 - 4 AZR 538/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Orientierungssatz
keine gerichtliche Überprüfung der Zweckmäßigkeit tariflicher Regelungen - Beziehung zwischen § 24 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SeemG und den tariflichen Bestimmungen für die Seeschiffahrt.
Normenkette
TVG § 1; SeemG § 24
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 02.06.1988; Aktenzeichen 2 Sa 9/88) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 15.10.1987; Aktenzeichen S 15 Ca 28/87) |
Tatbestand
Der der Gewerkschaft ÖTV angehörende Kläger steht seit dem 23. April 1983 in einem Heuerverhältnis zur Beklagten, die den Verkehr von Fährschiffen zwischen den Niederlanden und Großbritannien betreibt und dem Verband Deutscher Reeder e.V. angeschlossen ist. Nachdem er schon vor Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten drei Jahre in der Bordbedienung tätig gewesen war, wurde der Kläger von der Beklagten nach dem Inhalt des Heuerscheins als "Aufklarer Gastronomie (Heuer: Steward ungelernt ab 5. Jahr)" für das Schiff "M/S O" oder jedes andere Schiff der Reederei eingestellt.
Der Tätigkeitsbereich des Klägers in der Cafeteria, einem Selbstbedienungsrestaurant, umfaßt die volle Verantwortlichkeit für die Reinhaltung und die Sauberkeit. Im einzelnen obliegen ihm das Abräumen und Säubern der Tische, die Reinhaltung und Pflege des Teppichbodens, das Fensterputzen, das Abwaschen der Schotten sowie die Pflege der Blumen und Pflanzen. In den Wintermonaten wird der Kläger auch als Kammersteward im Kabinendeck eingesetzt. In dieser Funktion obliegen ihm die Betreuung und Sauberhaltung der Fahrgastkabinen.
Nachdem er diese seine Forderungen erfolglos mit Schreiben vom 4. November 1986 geltend gemacht hatte, hat der Kläger mit seiner am 6. Februar 1987 erhobenen Klage die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihn ab 1. Juni 1986 als "Steward 1. bis 3. Jahr" und ab 1. Juli 1987 als "Steward 4. bis 6. Jahr" der Heuertafel V 3 des HTV-See zu vergüten. Außerdem hat er Zahlung des Differenzbetrages zwischen den Vergütungen eines "Steward ungelernt" und eines "Steward 1. bis 3. Jahr" für den Zeitraum vom 1. Juni 1986 bis 31. Januar 1987 in unstreitiger Höhe von 3.128,89 DM verlangt. Dazu hat der Kläger vorgetragen, er sei als "Steward" im Sinne der einschlägigen tariflichen Bestimmungen anzusehen. Da er unstreitig die dreijährige Beschäftigungszeit in der Bordbedienung absolviert habe, sei er wie ein als Kellner ausgebildeter, gelernter Steward zu vergüten. Auch sei seine Tätigkeit die eines Stewards. Zumindest entspreche sie ihren Anforderungen nach der eines Kammerstewards. Auf die unmittelbare Berührung mit den Fahrgästen komme es nicht entscheidend an. Demgemäß hat der Kläger beantragt
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
den Kläger ab 1. Juni 1986 nach der Vergütungs-
gruppe "Steward 1. bis 3. Jahr" der Heuertafel
V 3 des HTV-See und ab 1. Juli 1987 nach der Ver-
gütungsgruppe "Steward 4. bis 6. Jahr" dieser Heu-
ertafel zu vergüten,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
3.128,89 DM brutto nebst 4 v.H. Zinsen aus dem
sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 6. Feb-
ruar 1987 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für das Klagebegehren gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Kläger übe nicht die Tätigkeit eines Stewards aus. Charakteristisch für die Tätigkeit eines Stewards sei die unmittelbare Bedienung der Fahrgäste oder anderer Besatzungsmitglieder. Dazu gehöre insbesondere die Beratung über die Auswahl von Speisen und Getränken. Die Tätigkeit des Klägers sei als die eines "Aufwäschers" im tariflichen Sinne anzusehen. Nur eine solche Tarifauslegung führe zu einer vernünftigen, gerechten Heuerstruktur, die die Tarifvertragsparteien beabsichtigten.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger, der in der Revisionsinstanz seinen Feststellungsantrag auf den Anspruchszeitraum ab 1. Februar 1987 beschränkt hat, beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, daß der Kläger ab 1. Juni 1986 Vergütung als "Steward 1. bis 3. Jahr" und ab 1. Juli 1987 solche als "Steward 4. bis 6. Jahr" der Heuertafel zum Heuertarifvertrag für die deutsche Seeschiffahrt vom 17. April 1986 (HTV-See) beanspruchen kann. Nachdem der Kläger jedoch in der Revisionsinstanz seinen Feststellungsantrag, der sich bis zu diesem Zeitpunkt mit seinem Leistungsbegehren überschnitt, auf den Anspruchszeitraum ab 1. Februar 1987 beschränkt hat, war vom Senat der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils dementsprechend klarzustellen.
Soweit der Kläger seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt, handelt es sich nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die nach gefestigter Senatsrechtsprechung auch im Bereiche der Privatwirtschaft möglich ist (vgl. die Urteile des Senats vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 202/82 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel und 20. April 1988 - 4 AZR 678/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) und nicht etwa, wie das Arbeitsgericht ohne nähere Begründung und ohne jeden Anhaltspunkt im Parteivorbringen des Klägers annimmt, um eine Inzidentfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen gehören die Parteien den Verbänden an, die die Tarifverträge für den Bereich der Seeschiffahrt abgeschlossen haben. Demgemäß gelten zwischen den Parteien gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend der Manteltarifvertrag für die deutsche Seeschiffahrt vom 17. April 1986 (MTV-See) und der Heuertarifvertrag für die deutsche Seeschiffahrt vom gleichen Tage (HTV-See).
Auszugehen ist mit dem Landesarbeitsgericht von § 11 Abs. 2 MTV-See, worin die Tarifvertragsparteien bestimmen:
Besatzungsmitglieder sind nach den im HTV-See vorge-
sehenen Dienstgraden einzugruppieren. Sollten neue
Ausbildungsvorschriften weitere als im HTV-See ge-
nannte Dienstgrade vorsehen, hat die Eingruppierung
nach vergleichbaren Dienstgraden zu erfolgen.
Hierzu führt das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht aus, zwar sehe die Tarifnorm die Eingruppierung der Besatzungsmitglieder nach dem jeweiligen Dienstgrad vor. Satz 2 der Tarifbestimmung sei jedoch über seinen Wortlaut hinaus erweiternd auszulegen und sei demgemäß auch dann entsprechend anzuwenden, wenn neue Dienstgrade nicht durch eine Änderung von Ausbildungsvorschriften geschaffen würden, sondern - wie vorliegend - die bisherige Arbeitsorganisation verändert werde.
Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß diese Tarifauslegung der Vorinstanzen fehlerhaft ist. Sie ist mit dem Tarifwortlaut, dem Sinn und Zweck der Tarifnorm und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die zur Auslegung von Tarifverträgen mit gleichem Gewicht und gleicher Bedeutung heranzuziehen sind (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), unvereinbar. Nach diesen Auslegungsgrundsätzen kommt eine Heranziehung vergleichbarer Dienstgrade überhaupt nur in einem genau von den Tarifvertragsparteien umschriebenen Sonderfall und sonst überhaupt nicht in Betracht.
Mit einer zwar ungewöhnlichen, aber gleichwohl eindeutigen und jedenfalls rechtlich möglichen Regelung macht § 11 Abs. 2 Satz 1 MTV-See die Vergütung der Besatzungsmitglieder von den im HTV-See detailliert zusammengestellten "Dienstgraden" und damit der Übung und den Verhältnissen in der Seeschiffahrt entsprechend von der Innehabung einer Funktion abhängig, wobei die Tarifvertragsparteien ersichtlich auch davon ausgehen, daß die Zusammenstellung von "Dienstgraden" (Funktionen) im HTV-See vollständig ist.
Deutlich wird diese Absicht der Tarifvertragsparteien auch in § 11 Abs. 2 Satz 2 MTV-See bestätigt, wenn dort bestimmt wird, daß die Eingruppierung nach "vergleichbaren Dienstgraden" nur dann erfolgen darf, wenn Ausbildungsvorschriften neue Dienstgrade vorsehen. Nur in diesem Ausnahmefall soll es also nach dem Willen der Tarifvertragsparteien zulässig sein, für die Bestimmung der Vergütung eines Besatzungsmitgliedes bereits bestehende und vergleichbare "Dienstgrade" heranzuziehen und entsprechend anzuwenden. An diese eindeutige Regelung der Tarifvertragsparteien sind die staatlichen Gerichte für Arbeitssachen gebunden. Sie haben sie auch nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. die Urteile des Senats BAGE 48, 65, 73 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie sowie vom 20. August 1986 - 4 AZR 265/85 - AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, 11. März 1987 - 4 AZR 229/86 - AP Nr. 134 zu §§ 22, 23 BAT 1975, 2. Mai 1988 - 4 AZR 600/87 - und 25. Mai 1988 - 4 AZR 782/87 - beide zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Da die Tätigkeit des Klägers unstreitig nicht als Folge neuer Ausbildungsvorschriften entstanden ist, scheidet damit vorliegend jede entsprechende Anwendung von "Dienstgraden" des HTV-See zugunsten des Klägers entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen aus.
Der Rechtsfehler der Vorinstanzen ist jedoch für die angefochtene Entscheidung nicht tragend. Sie erweist sich vielmehr aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Zutreffend sehen nämlich die Vorinstanzen den Kläger als "Steward" im Sinne des HTV-See an.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SeemG ist in den Heuerschein die "Art des vom Besatzungsmitglied zu leistenden Schiffsdienstes" aufzunehmen, womit unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Seeschiffahrt der jeweilige Arbeitsbereich an Bord gemeint und demgemäß auch an die in der Seeschiffahrt üblichen "Dienstgrade" (Funktionen), wie sie der HTV-See vorsieht, anzuknüpfen ist (vgl. Bemm/Lindemann, SeemG, 2. Aufl., § 24 Rz 9). Demgemäß wird der Kläger im Heuerschein als "Aufklarer Gastronomie" bezeichnet. Während der Begriff des "Aufklarers" im allgemeinen Sprachgebrauch und auch im sonstigen Arbeitsleben unbekannt ist, hat er im Bereiche der Seeschiffahrt eine allgemein anerkannte, auf dem Herkommen beruhende Bedeutung. Man versteht ihn dort im Sinne von "Aufräumen" und "in Ordnung bringen" (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Deutsches Wörterbuch, Band 30, S. 216). Um so auffälliger ist, daß dieser in der Seeschiffahrt vorgegebene, allgemein bekannte und auch keineswegs neue Begriff des "Aufklarers" sich im HTV-See nicht findet und dort an keiner Stelle als "Dienstgrad" erscheint. Schon dieser Umstand legt den Schluß nahe, daß die Tarifvertragsparteien die Aufgaben des "Aufklarers" einem anderen "Dienstgrad" zuordnen, etwa dem des "Stewards".
Das bestätigen auch die entsprechenden Bestimmungen im HTV- See. Dieser enthält im vorliegend heranzuziehenden Teil A V 3 drei Unterabschnitte, nämlich den für das Personal an Deck (a), den für das Personal in der Küche (c) und den für das Bedienungspersonal (b). Da der Kläger eigentliche seemännische Aufgaben nicht zu erledigen hat und auch nicht in der Küche eingesetzt wird, kommt für ihn, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, nur der Unterabschnitt b für das Bedienungspersonal in Betracht. Darin differenzieren die Tarifvertragsparteien zwischen dem
Steward
1. bis 3. Jahr
4. bis 6. Jahr
ab 7. Jahr und dem
Steward (ungelernt)
1. Jahr
2. bis 4. Jahr
ab 5. Jahr
Zum Merkmal des "Steward" gibt es die Protokollnotiz Nr. 3, worin bestimmt wird:
Gelernter Kellner bzw. nach drei Jahren Be-
schäftigungszeit in der Bordbedienung.
Nach den Feststellungen beider Vorinstanzen hat der Kläger vor seiner Einstellung bei der Beklagten bereits eine dreijährige Zeit als Bordbedienung absolviert. Er erfüllt damit die Anforderungen der Protokollnotiz Nr. 3, auch ohne gelernter Kellner zu sein. Damit kommt es nur noch darauf an, ob der Kläger "Steward" im tariflichen Sinne ist.
Das ist nach den mit prozessualen Rügen nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen, die den Senat gemäß § 561 ZPO binden, zu bejahen. Die Tarifvertragsparteien der Seeschiffahrt haben ihrerseits den Begriff des "Steward" nicht definiert, setzen ihn also als vorgegeben und bekannt voraus, wobei sie an die besonderen Verhältnisse und Arbeitsbedingungen in der Seeschiffahrt anknüpfen. Damit verwenden sie den Begriff des "Stewards" in seiner spezifischen Bedeutung im Bereiche der Seeschiffahrt (vgl. die Urteile des Senats BAGE 44, 323, 334 = AP Nr. 82 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie vom 9. Oktober 1963 - 4 AZR 374/62 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: BAVAV, 18. Februar 1981 - 4 AZR 993/78 - AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT Sparkassen, 12. März 1986 - 4 AZR 547/84 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, nochmals 12. März 1986 - 4 AZR 534/84 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie und 2. März 1988 - 4 AZR 600/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
In der Seeschiffahrt gehören jedoch nach den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanzen zu den Aufgaben eines "Stewards" und damit zu der entsprechenden Funktion im tariflichen Sinne auch die Aufgaben eines "Aufklarers". In erster Instanz hat eine Fachkammer für Seeschiffahrt festgestellt, daß in der Seeschiffahrt zu den Aufgaben eines Stewards die Reinhaltung der Gänge, Messen, Gemeinschaftsräume und Sanitärräume, die Reinhaltung der Wohnräume, die Reinhaltung der Arbeitsräume, das Eindecken der Tische für die Mahlzeiten, das Abräumen der Tische, die Reinigung der Eßgeschirre, die Verwaltung der Schiffswäsche, die Instandhaltung der Arbeitsgeräte sowie der Verkauf von Kantinenwaren gehören. Demgemäß stellt schon das Arbeitsgericht folgerichtig fest, daß der Kläger ausschließlich mit Aufgaben eines "Stewards" beschäftigt wird bzw. die Funktion des Aufklarers von dieser Funktion ("Dienstgrad") mitumfaßt wird. Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungen des Arbeitsgerichts bestätigt und übernommen. Sie binden gemäß § 561 ZPO auch den erkennenden Senat, da ihnen gegenüber prozessuale Rügen mit der Revision nicht angebracht worden sind.
Ohne daß es darauf entscheidend ankommt, entspricht damit die Beurteilung der Vorinstanzen auch der Bedeutung des Wortes "Steward" im allgemeinen Sprachgebrauch, der darunter jemanden versteht, der an Bord von Schiffen und Flugzeugen in irgendeiner Weise Passagiere betreut (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, aaO, Band 32, S. 2498). In diesem allgemeinen, weitreichenden Sinn wird der Begriff des "Stewards" auch in der Luftfahrt verwendet (vgl. Blätter für Berufskunde 2 - VIII D 20 Teil I.1), neuerdings beispielsweise auch im Bereiche der Bundesbahn.
Mithin führen die Vorinstanzen auch zutreffend aus, daß der HTV-See für die Eingruppierung als Steward weder die unmittelbare Bedienung von Fahrgästen oder sonstiger Besatzungsmitglieder mit Speisen und Getränken noch auch nur unmittelbare Kommunikation bzw. unmittelbaren Kontakt mit anderen Personen fordert. Dessen ungeachtet bringt nach den Feststellungen insbesondere des Arbeitsgerichts die Tätigkeit des Klägers an vielen Stellen und in der verschiedensten Weise notwendigerweise Kontakte mit den Schiffspassagieren und der sonstigen Schiffsbesatzung mit sich, woraus mit Recht beide Vorinstanzen folgern, daß hinsichtlich der Umfangsformen und des äußeren Erscheinungsbildes beim Kläger dieselben Anforderungen zu stellen seien wie bei einem sonstigen Steward.
Die demgegenüber in der Revision erhobenen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertieften Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Aus den bereits dargelegten Rechtsgründen kann sich die Revision nicht erfolgreich darauf berufen, beim Kläger fehle es an dem für einen Kellner typischen "unmittelbaren Kontakt zum Gast". In diesem Zusammenhang übersieht die Revision außerdem, daß von beiden Vorinstanzen ein derartiger oder doch wenigstens vergleichbarer Kontakt des Klägers mit Schiffspassagieren festgestellt worden ist. Schließlich verkennt die Revision, daß sich weder im Bereiche der Seeschiffahrt noch sonst die Tätigkeit eines "Stewards" auf die Bedienung der Gäste mit Speisen und Getränken beschränkt.
Weiter kann die Revision nicht erfolgreich einwenden, der Kläger sei nicht als "Steward", sondern als "Aufwäscher" im Sinne des entsprechenden "Dienstgrades" in der Heuertabelle anzusehen. Vielmehr weist das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hin, daß der "Aufwäscher", der in der Küche das Geschirr abwäscht, sachlich nicht wie der Steward dem Bedienungspersonal, sondern dem Küchenpersonal zuzurechnen ist. Dabei übersieht der Senat nicht, daß trotz seiner Aufgabenstellung der "Aufwäscher" im Abschnitt V 3 b der Heuertafel aufgeführt ist, der die Dienstgrade des Bedienungspersonals enthält. Das hat jedoch, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, lediglich darin seinen Grund, daß die Tarifvertragsparteien zum eigentlichen Küchenpersonal des Unterabschnitts c von Abschnitt V 3 HTV-See nur solche Arbeitnehmer zählen, die mit der Verwaltung, Zubereitung und Verwahrung von Speisen oder Getränken zu tun haben. Abgesehen davon verrichtet der Kläger auch nicht Aufgaben eines "Aufwäschers".
Richtig weist die Revision darauf hin, daß nach gefestigter Senatsrechtsprechung derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben ist, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAGE 51, 282, 302 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie die weiteren Urteile des Senats vom 1. April 1987 - 4 AZR 397/86 - AP Nr. 136 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, 30. September 1987 - 4 AZR 233/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und 8. Juni 1988 - 4 AZR 798/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Bei diesem Hinweis übersieht jedoch die Revision, daß dieser Grundsatz der Senatsrechtsprechung nur eingreift, wenn nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen eine eindeutige Tarifauslegung nicht möglich ist und Zweifel verbleiben. Das ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr führen vorliegend Tarifwortlaut und tariflicher Gesamtzusammenhang zu einer eindeutigen Auslegung.
Die Beklagte kann sich im Sinne ihrer ergänzenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht erfolgreich darauf berufen, die im HTV-See aufgeführten "Dienstgrade" paßten nicht genau auf die Verhältnisse auf Fährschiffen, auf die auch im Verlaufe der Tarifentwicklung keine besondere Rücksicht genommen worden sei. Dazu führt schon das Landesarbeitsgericht richtig aus, daß es ausschließliche Angelegenheit der Tarifvertragsparteien ist, tarifliche Bestimmungen veränderten tatsächlichen Umständen - etwa Änderungen in der Arbeitsorganisation oder der Inbetriebnahme oder Übernahme neuer Schiffstypen wie Fährschiffen - anzupassen (vgl. das Urteil des Senats vom 10. Februar 1988 - 4 AZR 538/87 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das gilt vorliegend erst recht deswegen, weil sich die Tarifvertragsparteien der Seeschiffahrt in zulässiger Weise diese Befugnis in § 11 Abs. 2 Satz 2 MTV-See ausdrücklich vorbehalten haben.
Schon das Arbeitsgericht hat mit von der Beklagten nicht angegriffener Begründung die rechnerische Richtigkeit der Klageforderung festgestellt und mit näherer Begründung ausgeführt, daß der Kläger sie auch rechtzeitig nach den einschlägigen tariflichen Bestimmungen geltend gemacht hat.
Schließlich weisen klarstellend, ohne daß es darauf vorliegend entscheidend ankommt, zutreffend die Vorinstanzen auch noch darauf hin, daß im Hinblick auf den Inhalt der Protokollnotiz Nr. 3 sich die Regelungen für ungelernte Stewards ab dem dritten Beschäftigungsjahr im HTV-See als überflüssig erweisen und es sich insoweit um einen offenkundigen Irrtum der Tarifvertragsparteien handelt. Das ergeben eindeutig auch die vom Arbeitsgericht zu den Vorakten eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien.
Die Zinsforderung ist nach § 291, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet.
Die Kosten ihrer erfolglosen Revision trägt die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag
Polcyn Dr. Kiefer
Fundstellen
RdA 1989, 132 |
AP § 1 TVG, Nr 5 |