Entscheidungsstichwort (Thema)

Erschwerniszulagen bei den Stationierungsstreitkräften

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 10.2.1988, 4 AZR 545/87 = nicht amtlich veröffentlicht.

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 21.05.1987; Aktenzeichen 5 Sa 161/87)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 08.01.1987; Aktenzeichen 6 Ca 612/86)

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei den amerikanischen Streitkräften als Baumaschinenführer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

Der Kläger erhielt für verschiedene Tätigkeiten Erschwerniszulagen in Höhe von 10 v.H. seines Grundlohns pro Stunde nach dem Anhang S Ziffer II 1 zum TVAL II. Ab August 1985 schränkten die amerikanischen Streitkräfte die Zahlung von Erschwerniszulagen ein. Dagegen wendete sich der Kläger unter Einhaltung der tariflichen Ausschlußfrist.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm weiterhin Erschwerniszulagen zu zahlen seien für Arbeiten beim Einbau von Heißasphalt und Heißbitumen, beim Fahren der Walze, beim Fahren der Kehrmaschine bei trockenem Straßenbelag und bei Reinigungsarbeiten an den Fahrzeugen.

Beim Einbau von Heißasphalt und Heißbitumen fahre er die Straßenwalze, um den Asphalt bzw. das Bitumen anzudrücken. Der Einbau erfolge bei etwa 180 bis 200 Grad. Dadurch, daß Wasser auf die Bandagen der Walze laufe, entstünden Teerdämpfe, denen er ständig ausgesetzt sei. Zwar sitze er in der Fahrerkabine, könne die Fenster jedoch nicht schließen, weil er mit dem Kopf aus der Kabine schauen müsse, um die Arbeiten ordnungsgemäß ausführen zu können.

Das Fahren der Walze sei mit erheblichem Lärm verbunden, der über 85 dB liege. Die Walze habe einen luftgekühlten 4-Zylinder-Dieselmotor, der nicht schallgeschützt sei. Das Tragen von Gehörschutzmitteln sei nicht möglich, weil er im fließenden Verkehr arbeite und die Vorgänge auf der Baustelle auch akustisch wahrnehmen müsse. Das Tragen von Gehörschutzmitteln sei außerdem selbst eine Arbeitserschwernis.

Beim Fahren der Kehrmaschine auf trockenem Straßenbelag sei er in besonderem Maße dem Lärm ausgesetzt, da die Kehrmaschine turbinengetrieben sei und eine Saugvorrichtung habe. Sie arbeite mit einer Leistung von 2.000 Umdrehungen pro Minute. Daneben trete in besonderem Maße Staub und Schmutz auf. Die Düsen der Kehrmaschine seien nicht in der Lage, den Schmutz zu fassen. Da sie verstopfen, trete durch die Löcher und Fugen in unerträglichem Umfange Staub auch in die Kabine der Kehrmaschine ein und führe zu erheblichen Verschmutzungen am Körper und an der Bekleidung.

Bei den Reinigungsarbeiten an den Fahrzeugen sei er in besonderem Maße Schmutz und Wasser ausgesetzt. Diese Arbeiten würden entweder mit dem Heißstrahlgerät oder auf dem Waschplatz mit dem Schlauch ausgeführt. Bei den Arbeiten mit dem Heißstrahlgerät habe er ein ca. 80 cm langes Stahlrohr in der Hand. Es bestehe keine Dosiermöglichkeit. Er müsse sehr nah an das zu reinigende Fahrzeug herangehen, damit der Strahl seine Wirkung entfalten könne. Der Höchstabstand betrage 1,5 m. Der Strahl pralle bei der Reinigung jeweils von dem Fahrzeug zurück und das Wasser treffe ihn zusammen mit dem abgelösten Schmutz. Körper und Kleidung würden in außerordentlichem Maße beeinträchtigt. Diese Verschmutzungen träten auch bei den Reinigungsarbeiten auf dem Waschplatz auf. Da der Wasserschlauch keine Düse habe, müsse an die zu reinigenden Fahrzeuge nahe herangegangen werden, um diese ordnungsgemäß reinigen zu können. Auch bei dieser Arbeit spritze das Wasser mit dem Schmutz zurück und führe zu den gleichen Verschmutzungen wie bei den Arbeiten mit dem Heißstrahlgerät.

Die Beklagte sei ferner verpflichtet, wie bisher für die Arbeiten im Freien bei Außentemperaturen von 0 Grad Celsius und darunter Erschwerniszulagen zu zahlen. Insoweit bestehe eine entsprechende Tarifübung.

Seinen Anspruch auf Zahlung der Erschwerniszulagen für 304 Arbeitsstunden in der Zeit von Juni 1986 bis September 1986 hat der Kläger auf 467,25 DM brutto beziffert.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 467,25 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden

Nettobetrag seit dem 5. November 1986 zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,

ihm Erschwerniszuschläge nach Anhang S des Tarifvertrages

für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften

im Gebiet der Bundesrepublik

Deutschland (TVAL II) zu zahlen

a) für den Einbau von Heißasphalt und Heißbitumen

von 1O %,

b) für Fahren der Walze in Höhe

von 1O %,

c) für Fahren der Kehrmaschine bei trockenem

Straßenbelag in Höhe von 1O %,

d) für Reinigungsarbeiten an den Fahrzeugen

in Höhe von 10 %,

e) für Arbeiten im Freien bei Außentemperaturen

von 0 Grad Celsius und darunter in Höhe von

10 %.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger für die genannten Tätigkeiten keine Ansprüche auf Erschwerniszulagen zustünden.

Die Arbeitserschwernisse beim Einbau von Heißasphalt und Heißbitumen gehörten zum normalen Berufsbild eines Baumaschinenführers und würden durch Schutzkleidung und Schutzgerät auf ein zumutbares Maß begrenzt. Für diese Tätigkeiten sei deshalb nur der tarifliche Grundlohn zu zahlen.

Eine Erschwerniszulage wegen Lärms beim Fahren der Walze sei nicht gerechtfertigt, da der Lärmpegel beim Tragen eines Gehörschutzes unter 85 dB liege. Es sei auch nicht einzusehen, weshalb dem Kläger das Tragen eines Gehörschutzes nicht möglich sein solle.

Das gleiche gelte hinsichtlich der Lärmentwicklung beim Fahren der Kehrmaschine auf trockenem Straßenbelag. Die auftretende Staubentwicklung könne durch Atemschutzgerät und Schutzkleidung auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Eine Erschwerniszulage für das Reinigen der Fahrzeuge komme nicht in Betracht. Der Kläger könne bei entsprechender Dosierung des Heißwasserstrahls und genügendem Abstand eine Verschmutzung weitgehend vermeiden. Außerdem ständen Schutzkleidung und Gummistiefel zur Verfügung.

Auch für Arbeiten im Freien bei Temperaturen von 0 Grad Celsius und darunter seien keine Erschwerniszulagen zu zahlen. Arbeiten, die üblicherweise im Freien verrichtet werden, seien erst dann in besonderem Maße der Kälte ausgesetzt, wenn die Temperatur minus 10 Grad und darunter betrage. Bei höheren Temperaturen sei der Schutz durch warme Kleidung ausreichend.

Allein das Tragen von Schutzkleidung sei keine Arbeitserschwernis im tariflichen Sinne.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, daß dem Kläger Ansprüche auf die geltend gemachten Erschwerniszulagen nach dem Anhang S II 1 zum TVAL II zustehen. Die Klage ist damit sowohl hinsichtlich des Feststellungsantrags als auch hinsichtlich des Leistungsantrages begründet.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften des TVAL II kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Danach sind für die Ansprüche des Klägers auf die begehrten Erschwerniszulagen folgende tariflichen Vorschriften heranzuziehen:

Anhang S

II. Zulagen für allgemeine Arbeitserschwernisse

1. Tätigkeiten, die in besonderem Maße den

Einflüssen von Schmutz, Schlamm, Hitze,

Kälte, Wasser, Rauch, Dämpfen, Gasen,

Säuren, Ätzstoffen, Giftstoffen, Erschütterungen

oder ähnlichem sowie Witterungseinflüssen

ausgesetzt sind.

2. Arbeiten, die die Körperkräfte außerordentlich

beanspruchen.

Ferner enthält die Vorschrift des § 21 Ziffer 4 TVAL II unter der Überschrift "Erschwerniszulagen" folgende Regelungen:

a) Arbeitserschwernisse - siehe Abschnitt b) sind

grundsätzlich mit dem tarifvertraglich

vereinbarten Lohn oder Gehalt abgegolten,

soweit für sie nicht Erschwerniszulagen im

Anhang S besonders vereinbart sind.

b) Arbeitserschwernisse liegen vor, wenn die

Arbeiten

(1) den Körper oder die eigene Arbeitskleidung

des Arbeitnehmers außerordentlich beschmutzen,

oder

(2) besonders gefährlich, ekelerregend oder gesundheitsschädlich

sind, oder

(3) die Körperkräfte außerordentlich beanspruchen,

oder

(4) unter besonders erschwerenden Umständen ausgeführt

werden müssen.

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Erschwerniszulagen allein der Anhang S zum TVAL II und nicht die tarifliche Bestimmung des § 21 Ziffer 4 b TVAL II sei. Dies folgt daraus, daß § 21 Ziffer 4 a TVAL II auf die besondere Vereinbarung von Erschwerniszulagen im Anhang S verweist. Zwar sind als Arbeitserschwernisse in § 21 Ziffer 4 b genannt die außerordentliche Beschmutzung des Körpers und der eigenen Arbeitskleidung (1), besonders gefährliche, ekelerregende oder gesundheitsschädliche Arbeiten (2), Arbeiten, die die Körperkräfte außerordentlich beanspruchen (3) und Arbeiten, die unter besonders erschwerenden Umständen ausgeführt werden müssen. Damit werden die Arbeitserschwernisse jedoch nur allgemein beschrieben. Ein Anspruch auf eine Erschwerniszulage besteht nur dann, wenn die Arbeitserschwernisse einem der Beispielsfälle im Anhang S Ziffer II 1 entsprechen, d.h. wenn die Tätigkeiten - bezogen auf eine Arbeitsstunde - in besonderem Maße den Einflüssen von Schmutz, Schlamm, Hitze, Kälte, Wasser, Rauch, Dämpfen, Gasen, Säuren, Ätzstoffen, Giftstoffen, Erschütterungen oder ähnlichem sowie Witterungseinflüssen ausgesetzt sind oder nach Anhang S II 2 die Körperkräfte außerordentlich beanspruchen. Dabei lassen sich diese Beispielsfälle den in § 21 Ziffer 4 b TVAL II allgemein umschriebenen Arbeitserschwernissen zuordnen, so daß insbesondere hinsichtlich der Frage, welche "ähnlichen" Einflüsse im Sinne des Anhangs S II 1 als erschwerniszulagepflichtig angesehen werden können, die tarifliche Bestimmung des § 21 Ziffer 4 b zur Auslegung herangezogen werden kann (vgl. BAG Urteil vom 3. September 1986 - 4 AZR 315/85 -, AP Nr. 3 zu § 21 TVAL II).

Das Landesarbeitsgericht nimmt ferner zutreffend an, daß es bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit "in besonderem Maße" den im Anhang S Ziffer II 1 genannten Einflüssen ausgesetzt ist, nicht darauf ankommt, ob die Tätigkeit nach dem Berufsbild des Arbeitnehmers in der Regel diesen Einflüssen ausgesetzt ist. Die Tarifvertragsparteien stellen bei den Voraussetzungen für die Zahlung einer Erschwerniszulage nämlich nicht darauf ab, ob die Tätigkeiten dem Berufsbild des Arbeitnehmers entsprechen oder darüber hinausgehende Anforderungen an ihn stellen. Vielmehr ist nach dem Wortlaut des Tarifvertrages allein maßgeblich, ob die konkret ausgeübte Tätigkeit - bezogen auf den Zeitraum einer Stunde - den im Anhang S Ziffer II 1 normierten Anforderungen entspricht (BAG Urteil vom 19. August 1987 - 4 AZR 149/87 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß eine Tätigkeit auch dann in besonderem Maße den im Anhang S Ziffer II 1 genannten Einflüssen ausgesetzt sein kann, wenn sie zu den üblichen Aufgaben des betreffenden Arbeitnehmers gehört. In aller Regel wird der Arbeitnehmer diejenigen Aufgaben wahrnehmen, die seinem Berufsbild entsprechen. Sind diese Tätigkeiten in besonderem Maße den im Anhang S Ziffer II 1 genannten Einflüssen ausgesetzt, bestünde nach Auffassung der Beklagten gleichwohl kein Anspruch auf eine Erschwerniszulage, wenn diese Arbeitserschwernis berufstypisch wäre. Die Erschwerniszulagenregelung liefe damit in den meisten Fällen leer. Diese Auslegung des Anhangs S Ziffer II 1 würde somit zu keiner vernünftigen, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führen (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II).

Das Landesarbeitsgericht nimmt insofern zu Recht auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang Bedacht, der bei der Tarifauslegung neben dem Tarifwortlaut gleichermaßen zu berücksichtigen ist (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Die Tarifvertragsparteien haben nämlich im Anhang S in den Ziffern III, IV und V Erschwerniszulagen für berufstypische Tätigkeiten vorgesehen und im Anhang S Ziffer I 4 (6) bestimmt, daß allein diese Erschwerniszulagen zu zahlen sind, wenn sie mit Arbeitserschwernissen nach Ziffer II 1 oder 2 identisch sind. Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß Arbeitserschwernisse nach Ziffer II 1 oder 2 auch bei der Ausübung berufstypischer Tätigkeiten auftreten können. Maßstab dafür, ob eine Tätigkeit in besonderem Maße den im Anhang S Ziffer II 1 genannten Einflüssen ausgesetzt ist, kann mithin nicht das Berufsbild des Arbeitnehmers sein, sondern nur das Maß der Arbeitserschwernisse, das durch die in Ziffer II 1 genannten Einflüsse hervorgerufen wird.

Das Landesarbeitsgericht geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ferner davon aus, daß Tätigkeiten den in Ziffer II 1 genannten Einflüssen auch dann in besonderem Maße ausgesetzt sein können, wenn das Maß der Arbeitserschwernisse durch Schutzkleidung gemindert und auf ein zumutbares Maß herabgesetzt wird (BAG Urteil vom 3. September 1986 - 4 AZR 315/85 -, AP Nr. 3 zu § 21 TVAL II; Urteil vom 19. August 1987 - 4 AZR 149/87 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Entgegen der Auffassung des Klägers ist allerdings das Tragen von Schutzkleidung in der Regel keine Arbeitserschwernis, die den Anspruch auf Zahlung einer Erschwerniszulage begründet. Dies folgt schon daraus, daß das Tragen von Schutzkleidung in Ziffer II 1 nicht ausdrücklich genannt ist. Ob im Einzelfalle das Tragen von Schutzkleidung eine "ähnliche" Arbeitserschwernis, wie sie durch die in Ziffer II 1 ausdrücklich genannten Einflüsse hervorgerufen wird, begründen kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Demgegenüber kann nicht der Auffassung der Beklagten gefolgt werden, daß eine Tätigkeit dann nicht mehr in besonderem Maße den in Ziffer II 1 genannten Einflüssen ausgesetzt sein kann, wenn durch die zur Verfügung stehende Schutzkleidung (Gummihandschuhe, Gummistiefel, Regenmantel, warme Kleidung) oder entsprechende Schutzgeräte (Gehörschutz, Atemschutzmaske) bewirkt wird, daß durch die Tätigkeit die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht gefährdet wird. Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht insoweit aus, daß dies nach den entsprechenden arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen überhaupt erst Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist. Mithin kann nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Bestimmung die Erfüllung dieser Voraussetzung einen Anspruch auf Erschwerniszulage nicht ausschließen. Ist der Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit den in Ziffer II 1 genannten Einflüssen unmittelbar ausgesetzt, so beurteilt sich das Maß der Arbeitserschwernis nicht danach, ob er auch mit Schutzkleidung in seiner Gesundheit beeinträchtigt wird; entscheidend ist vielmehr, wie sich die in Ziffer II 1 genannten Einflüsse auf die Tätigkeit als solche unmittelbar auswirken.

Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß der Kläger beim Einbau von Heißasphalt und Heißbitumen in besonderem Maße den Einflüssen von Hitze, Rauch, Dämpfen, Ätz- und Giftstoffen (Teer) und beim Fahren der Kehrmaschine auf trockenem Straßenbelag in besonderem Maße den Einflüssen von Staub und Schmutz ausgesetzt sei, so daß ihm für diese Tätigkeiten eine Erschwerniszulage nach Anhang S Ziffer II 1 zustehe. Die Beklagte bestreitet nicht, daß Tätigkeiten des Klägers den genannten Einflüssen ausgesetzt sind. Ob diese Einflüsse das im Anhang S Ziffer II 1 geforderte besondere Maß erreichen, liegt im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz, der vorliegend besonders groß ist, weil die Tarifvertragsparteien mit der Anforderung "in besonderem Maße" einen besonders weitgefaßten allgemeinen (unbestimmten) Rechtsbegriff verwenden (vgl. BAG Urteil vom 4. Oktober 1978 - 4 AZR 191/77 -, AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Wenn das Landesarbeitsgericht vorliegend aus den genannten, zwischen den Parteien unstreitigen Einflüssen auf die Tätigkeiten des Klägers folgert, daß das im Anhang S Ziffer II 1 geforderte Maß erreicht sei, so ist dies im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landesarbeitsgericht nimmt ferner an, daß dem Kläger bei Arbeiten im Freien bei Außentemperaturen von 0 Grad Celsius und darunter eine Erschwerniszulage zustehe, weil seine Tätigkeit in diesen Fällen in besonderem Maße der Kälte ausgesetzt sei. Dies folgert das Landesarbeitsgericht daraus, daß Kälte eine gegenüber den Normalbedingungen (stark) herabgesetzte Temperatur bedeute, während Temperaturen ab 0 Grad Celsius und darunter bereits als "Frost" bezeichnet würden. Tätigkeiten bei "Frost" seien deshalb in besonderem Maße der Kälte im Tarifsinne ausgesetzt. Das Landesarbeitsgericht stellt ferner fest, daß eine Tarifübung bestehe, wonach jahrzehntelang die tarifliche Bestimmung, daß eine Tätigkeit in besonderem Maße den Einflüssen von Kälte ausgesetzt sei, dahingehend ausgelegt werde, daß sie Arbeiten im Freien bei Außentemperaturen von 0 Grad Celsius und darunter erfasse.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Zwar hat der Senat allein aus dem Wortlaut der tariflichen Bestimmung nicht gefolgert, daß eine Tätigkeit im Freien bei Temperaturen von 0 Grad Celsius und darunter bereits "in besonderem Maße" der Kälte ausgesetzt sei, jedoch hat er in einem anderen Rechtsstreit festgestellt, daß eine Tarifübung bei den amerikanischen Streitkräften diese Auslegung der tariflichen Bestimmungen rechtfertige (BAG Urteil vom 22. April 1987 - 4 AZR 463/86 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das Landesarbeitsgericht hat eine entsprechende Tarifübung auch vorliegend festgestellt. Soweit die Beklagte mit der Revision diese Feststellung mit der Behauptung angreift, daß bei den amerikanischen Streitkräften insoweit keine einheitliche Handhabung bestehe, genügt diese Rüge nicht den formellen Anforderungen nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO.

Das Landesarbeitsgericht nimmt ferner an, daß die Tätigkeit des Klägers bei Reinigungsarbeiten an Fahrzeugen in besonderem Maße den Einflüssen von Schmutz und Wasser ausgesetzt sei, so daß insoweit die Anforderungen nach Anhang S Ziffer II 1 erfüllt seien. Dabei geht das Landesarbeitsgericht mit dem Arbeitsgericht davon aus, daß der Kläger seine Tätigkeit in der von ihm beschriebenen Art und Weise verrichten müsse, da die Beklagte seinen Sachvortrag nicht substantiiert bestritten habe. An diese tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der vom Kläger bei der Reinigung der Fahrzeuge auszuführenden Arbeiten und den dabei auftretenden Arbeitserschwernissen durch Schmutz und Wasser ist der Senat gebunden, da sie von der Beklagten mit der Revision nicht gerügt worden sind. Ausgehend von diesen Tatsachenfeststellungen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, daß die Voraussetzungen für die Erschwerniszulage nach Anhang S Ziffer II 1 aufgrund der besonderen Arbeitserschwernisse durch Schmutz und Wasser vorliegen, im Hinblick auf den besonders weiten Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz aus Rechtsgründen nicht angreifbar.

Das Landesarbeitsgericht geht letztlich auch im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes zutreffend davon aus, daß die Tätigkeit des Klägers beim Fahren der Walze in besonderem Maße dem Einfluß von "Lärm" ausgesetzt ist und damit einem "ähnlichen" Einfluß wie den im Anhang S Ziffer II 1 ausdrücklich genannten Einflüssen unterliege. Da der bei dieser Tätigkeit auftretende Lärm über 85 Dezibel liegt und seine Minderung durch Gehörschutzmittel die Voraussetzungen für den tariflichen Anspruch auch hier nicht beseitigt, steht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 3. September 1986 - 4 AZR 315/85 - AP Nr. 3 zu § 21 TVAL II), auf die insoweit verwiesen wird.

Insgesamt ergibt sich damit, daß die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages begründet ist. Soweit das Landesarbeitsgericht dem Leistungsantrag in bezug auf 304 Arbeitsstunden, in denen die genannten Erschwernisse vorlagen, für den Zeitraum von Juni 1986 bis September 1986 stattgegeben hat, werden von der Beklagten keine Einwendungen erhoben.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag

Schaible Koerner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439463

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