Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ausbleibezulage bei Abordnung
Leitsatz (redaktionell)
Bei einer Abordnung besteht kein Anspruch auf Ausbleibezulage nach Nr 16 Abs 1 Buchst a SR 2a MTB 2.
Normenkette
MTB 2 Anl SR; MTB § 38; MTB 2 § 38
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 18.11.1982; Aktenzeichen 3 Sa 342/82) |
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 05.05.1982; Aktenzeichen 1 Ca 378/82) |
Tatbestand
Der Kläger ist Arbeiter (Flugzeugmechaniker) bei der Standortverwaltung S und war beim Marinefliegergeschwader 1 in K beschäftigt. Durch Verfügung vom 10. November 1981 wurde er für die Zeit vom 9. November 1981 bis 30. April 1982 zum Marinefliegergeschwader 2 in E "zur Dienstleistung abgeordnet". Umzugskosten sagte die Beklagte nicht zu. Für die Zeit seiner Beschäftigung in E beantragte der Kläger die Zahlung einer Ausbleibezulage nach Nr. 16 Abschnitt 1 Buchst. a der Sonderregelungen für Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung (SR 2 a MTB II).
Diese Sonderregelungen lauten, soweit sie für diesen Rechtsstreit bedeutsam sind:
"Nr. 16
Zu § 38 - Entschädigung bei Dienstreisen, Abordnungen
und Dienstgängen
Zu § 39 - Lohn und besondere Entschädigungen bei
Dienstreisen
Für nachstehende Fälle treten bei einer Verwendung im
Inland an die Stelle der §§ 38 und 39 folgende Rege-
lungen:
(1) a) Der Arbeiter mit ständiger Arbeitsstelle er-
hält bei einer dienstlichen Verwendung auf einer Ar-
beitsstelle oder einem Arbeitsplatz, die mindestens
4 km Luftlinie oder 5 km Wegstrecke von der Grenze
seiner regelmäßigen Arbeitsstelle entfernt sind, ne-
ben den Fahrtkosten für jede angefangene Stunde der
gesamten Ausbleibezeit eine Ausbleibezulage als Auf-
wandsentschädigung. Die Ausbleibezulage beträgt für
jede angefangene Stunde der gesamten Ausbleibezeit
bei einer Ausbleibezeit von
bei einem Dienstgang bei einer
Dienstreise
im Sinne des Bundesreisekosten-
gesetzes
mindestens
3 bis 6 Stunden 0,40 DM 0,40 DM
über
6 bis 12 Stunden 0,95 DM 1,05 DM
über
12 Stunden 1,05 DM 1,15 DM
für die Stunde. Diese Sätze ermäßigen sich um 20 v.H.
für die weitere Zeit, wenn die Ausbleibezeit ohne Un-
terbrechung am gleichen Ort länger als einen Monat
dauert. Bei einer Ausbleibezeit von weniger als drei
Stunden wird die Zulage nicht gezahlt.
...
(2) a) Der Arbeiter, dessen Arbeitsplatz örtlich stän-
dig wechselt (z.B. Meßgehilfe oder Arbeiter einer land-
wirtschaftlichen Gruppe) und der regelmäßig oder in
kurzen Abständen wiederkehrende auswärtige Dienstge-
schäfte verrichtet, die nicht als Dienstreisen im
Sinne des § 2 Abs. 2 BRKG gelten, erhält eine monat-
liche Pauschvergütung von 49,50 DM. Die Pauschvergü-
tung ist zusammen mit dem Monatslohn zu zahlen.
..."
Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 17. Februar 1982 ab. Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung der Ausbleibezulage für die Zeit vom 9. Januar 1982 bis zum 31. März 1982. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 852,60 DM
nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zah-
len.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, dem Kläger stehe eine Ausbleibezulage nicht zu, da sich durch die Abordnung sein ständiger Arbeitsplatz geändert habe; dem Kläger stehe lediglich Trennungsgeld zu.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils, denn die Klage ist aus doppeltem Grunde unschlüssig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung die Bestimmung der Nr. 16 Absatz 1 Buchst. a SR 2 a MTB II zugrunde gelegt. Dieser Ausgangspunkt ist fehlerhaft. Denn das Landesarbeitsgericht hat weder eine Tarifbindung des Klägers (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) noch eine Inbezugnahme des MTB II im Arbeitsvertrag der Parteien festgestellt. Der MTB II ist auch nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden (vgl. § 5 Abs. 4 TVG).
Für eine Anwendung des Tarifvertrages reicht es nicht aus, daß sich die Beklagte sowohl in der vorgerichtlichen Korrespondenz wie auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur darauf berufen hat, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Tarifnorm lägen nicht vor, dagegen nie deren grundsätzliche Anwendbarkeit in Abrede gestellt hat. Denn es ist Sache des Klägers, der einen tariflichen Anspruch geltend macht, die Voraussetzungen für die (unmittelbare oder arbeitsvertraglich vereinbarte) Anwendbarkeit des Tarifvertrags darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Beklagte dem Kläger zuvor (3. bis 6. Dezember 1981) Ausbleibezulage für eine auswärtige Verwendung gewährt hat und ihn für die Zeit ab dem 9. November 1981 auf den Anspruch auf Trennungsgeld (der sich bei Anwendung von § 38 MTB II ergibt) verwiesen hat. Schon mangels Darlegung der Anwendbarkeit des MTB II ist mithin die Klage nicht schlüssig.
II. Die Klage ist aber auch deswegen unbegründet, weil der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen der Nr. 16 Absatz 1 Buchst. a SR 2 a MTB II nicht erfüllt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht ausgeführt, die Kostenerstattung habe auch im Falle einer Abordnung, wie sie vorliegend unstreitig mit Zustimmung des Personalrates rechtswirksam ausgesprochen worden sei, nach Nr. 16 der SR 2 a MTB II zu erfolgen, weil die Sonderregelung nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut die Kostenerstattungsvorschriften der §§ 38 und 39 des MTB II verdränge. Durch eine Abordnung zu auswärtiger Arbeitsleistung werde die ständige Arbeitsstelle im Sinne der Nr. 16 Absatz 1 Buchst. a SR 2 a MTB II nicht verändert, weil die Abordnung begrifflich die nur vorübergehende Zuweisung auswärtiger Beschäftigung sei. Da im übrigen die Voraussetzungen dieser Vorschrift unstreitig erfüllt seien, stehe dem Kläger die rechnerisch unstreitige Ausbleibezulage zu.
2. Dieser Würdigung kann sich der Senat nicht anschließen. Denn für die Zeit der im Rahmen einer Abordnung geleisteten Tätigkeit gilt Nr. 16 Absatz 1 Buchst. a SR 2 a MTB II nicht.
a) Zwar handelt es sich beim Kläger um einen "Arbeiter mit ständiger Arbeitsstelle" im Sinne dieser Tarifnorm. Der Begriff des "Arbeiters mit ständiger Arbeitsstelle" steht im Gegensatz zu dem des "Arbeiters, dessen Arbeitsplatz ständig wechselt" im Sinne des Absatzes 2 Buchst. a (vgl. im einzelnen BAG Urteil vom 21. Februar 1969 - 3 AZR 470/68 - AP Nr. 3 zu § 38 MTB II). Da der Kläger zu letzterem Personenkreis nicht gehört, ist er als "Arbeiter mit ständiger Arbeitsstelle" anzusehen.
b) Es mag sogar sein, daß der Kläger auch die weitere Voraussetzung der Tarifnorm, in der tariflich geforderten Entfernung von seiner "regelmäßigen Arbeitsstelle" beschäftigt worden zu sein, erfüllt. Dies wäre der Fall, wenn trotz der erfolgten Abordnung nach E die Dienststelle in K als "regelmäßige Arbeitsstelle" im Sinne der Tarifnorm anzusehen wäre.
c) Indessen kann diese Frage dahinstehen. Denn nach dem insoweit klaren Tarifwortlaut begründet Nr. 16 Absatz 1 Buchst. a SR 2 a MTB II für die Dauer der im Rahmen einer Abordnung am neuen Dienstort geleisteten Tätigkeit keine Ansprüche. Nach ihren Eingangsworten ("Für nachstehende Fälle ...") tritt die Nr. 16 der SR 2 a nicht vollständig, sondern nur für die in ihr geregelten Fälle an die Stelle der §§ 38 und 39 MTB II. Für den Fall der Abordnung aber sieht sie keine Leistungen vor, sondern, wie sich aus den Überschriften über den in ihr enthaltenen Betragsspalten ergibt, nur für "Dienstgänge" und "Dienstreisen" im Sinne des Bundesreisekostengesetzes. Hierzu gehört die Tätigkeit am neuen Dienstort während einer Abordnung schon deshalb nicht, weil eine Dienstreise bzw. ein Dienstgang im Sinne des § 2 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BRKG jedenfalls grundsätzlich der Erledigung von Dienstgeschäften der die Dienstreise anordnenden Behörde dient. Demgegenüber wird der abgeordnete Bedienstete in die neue Dienststelle eingegliedert, nimmt deren Dienstaufgaben wahr und wird dementsprechend dem Weisungsrecht der dort tätigen Vorgesetzten unterstellt (vgl. z.B. Battis, BBG, 1980, § 27 Anm. 1, 5; Plog/Wiedow, BBG, § 27 Rz 6).
Zwar kann eine Dienstreise auch "aus Anlaß einer Abordnung" anfallen (vgl. § 16 Abs. 1 BRKG), wenn der Bedienstete an einen anderen Ort abgeordnet wird. Auch in diesem Fall sind jedoch nur die Hin- und Rückreise zum bzw. vom Ort der Abordnung Dienstreisen; für die Zeit seiner Tätigkeit bei der Abordnungsbehörde erhält der Bedienstete lediglich Trennungsgeld nach Maßgabe der Trennungsgeldverordnung (vgl. auch § 38 Abs. 1 Buchst. b MTB II).
3. Im Entscheidungsfalle lag eine Abordnung vor. Der Kläger wurde durch die Verfügung vom 10. November 1981 "zur Dienstleistung" abgeordnet; konkrete Arbeitsaufgaben seiner eigenen Dienststelle wurden ihm durch die Verfügung nicht zugewiesen. Folglich sollten ihm seine Arbeitsaufgaben erst durch die neue Dienststelle zugewiesen werden, so daß es sich nicht nur der Bezeichnung nach, sondern auch im Rechtssinne um eine Abordnung handelte. Für die Zeit seiner Tätigkeit in E stehen dem Kläger deshalb lediglich Leistungen nach Maßgabe der Trennungsgeldverordnung zu; über diese wird im vorliegenden Rechtsstreit nicht gestritten.
Dr. Seidensticker Roeper Dr. Steckhan
Deckert Breier
Fundstellen
Haufe-Index 441443 |
AP § 38 MTB II (LT1), Nr 12 |