Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Revision, weil Revisionsbeklagter nicht erkennbar
Orientierungssatz
1. Aus der Rechtsmittelschrift muß sich ergeben , gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, wobei es ausreicht, daß sich innerhalb der Rechtsmittelfrist die Person des Rechtsmittelbeklagten aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergibt.
2. Diese Anforderungen an die Rechtsmittelschrift sollen im Interesse des Rechtsmittelgerichts und der Parteien einem geeigneten Ablauf des Verfahrens, der Rechtssicherheit und den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten an alsbaldiger Zustellung der Rechtsmittelschrift dienen.
3. Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten in der Bezeichnung der Partei schaden nicht, wenn trotz dieser Mängel unzweideutig ersichtlich ist, gegen wen sich das Rechtsmittel richtet.
Normenkette
ZPO § 553 Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 5 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 21.05.1985; Aktenzeichen 11 Sa 12/85) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.11.1984; Aktenzeichen 38 Ca 196/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 4. Juni 1982 zum 2. Juli 1982, die der bisherige Beklagte zu 2) im Sinne des Tenors des Berufungsurteils als damaliger Sequester des Geschäftsbetriebes der späteren Gemeinschuldnerin ausgesprochen hat. Darüber hinaus besteht zwischen den Parteien Streit darüber, ob das Arbeitsverhältnis auf die bisherige Beklagte zu 1) im Sinne des Tenors des Berufungsurteils übergegangen ist und diese verpflichtet ist, den Kläger weiterzubeschäftigen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung beider Beklagter das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.
Am 25. Juli 1985 ging innerhalb der bis zum 29. Juli 1985 laufenden Rechtsmittelfrist folgende Revisionsschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers beim Bundesarbeitsgericht ein:
"Revision
des Maschinenarbeiters Ahmet B , F
straße 43, 1000 Berlin 36,
Klägers, Berufungsbeklagten und Revisionsklägers,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Georg W ,
Ulrich S und Hans-Joachim Sch , M
platz 12, 1000 Berlin 61,
g e g e n
die R GmbH, vertreten durch den
Geschäftsführer Egbert R , Mo Straße 8-16,
1000 Berlin 48,
Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigte II. Instanz: Rechtsanwälte Peter
L , N. E und W. Schr , K
damm 212, 1000 Berlin 15,
AZ II. Instanz:
LAG Berlin 11 Sa 12/85
Namens und in Vollmacht des Klägers, Berufungsbeklag-
ten und Revisionsklägers legen wir gegen das Urteil
des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 21.05.1985, zu-
gestellt am 28.06.1985 - 11 Sa 12/85 -
R e v i s i o n
ein.
Revisionsantrag und Revisionsbegründung reichen wir
durch gesonderten Schriftsatz ein.
2 beglaubigte und 5 einfache Abschriften anbei.
gez. W
Rechtsanwalt"
Eine Ausfertigung oder Fotokopie des Berufungsurteils lag der Revisionsschrift nicht bei; sonstige Unterlagen gelangten bis zum Ablauf der Revisionsfrist nicht zu den Akten. Die Revisionsschrift wurde aufgrund der Verfügung des Geschäftsstellenbeamten vom 25. Juli 1985 den Rechtsanwälten L und Kollegen zugestellt. In der am 6. August 1985 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Revisionsbegründungsschrift, der auch eine Ausfertigung des Berufungsurteils beigefügt war, stellte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers "richtig", daß sich die Revision gegen
"1. die R GmbH, Mo Straße 8-16,
1000 Berlin 48,
Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte
zu 1.,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Schm , Wi
straße 20, 1000 Berlin 30,
2. Rechtsanwalt Peter L , K damm 212,
1000 Berlin 15,
Beklagten, Berufungskläger und Revisionsbeklagten
zu 2.,
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Peter L ,
Norbert E und Wolfgang Schr , K damm
212, 1000 Berlin 15,"
richtet.
Nunmehr wurde aufgrund der Verfügung der Geschäftsstelle vom 9. August 1985 dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zu 1) die Revisionsschrift zugestellt. Mit seiner Revision hat der Kläger unter Aufhebung des Berufungsurteils die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils verfolgt, hilfsweise sollte die Beklagte zu 1) verurteilt werden, gegenüber dem Kläger ein Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen seines ursprünglichen Arbeitsvertrages bei der Gemeinschuldnerin abzugeben. Die Beklagten haben beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat das Verfahren über die Revision gegen die Beklagte zu 1) zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und sodann die Revision des Klägers gegen den bisherigen Beklagten zu 2) (Rechtsanwalt L) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision gegen den bisherigen Revisionsbeklagten zu 2) (Rechtsanwalt L) ist unzulässig.
I. Die Revision ist insoweit unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß eingelegt worden ist.
1. Nach § 553 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 72 Abs. 5 ArbGG muß die Revisionsschrift die Bezeichnung des angefochtenen Urteils sowie die Erklärung enthalten, daß gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird. Diesen Anforderungen genügt die Revisionsschrift. Darüber hinaus ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, daß in der Rechtsmittelschrift die Person des Rechtsmittelklägers - wie vorliegend auch geschehen - bezeichnet wird, da ein Rechtsmittel nur sinnvoll ist, wenn es angibt, wer es eingelegt hat (vgl. statt vieler BAG 21, 368, 369 f. = AP Nr. 1 zu § 553 ZPO, zu II 1 der Gründe und BAG Urteil vom 9. März 1978 - 3 AZR 421/77 - AP Nr. 41 zu § 518 ZPO, zu 1 der Gründe). Es reicht allerdings für die Zulässigkeit des Rechtsmittels aus, wenn die Person des Rechtsmittelklägers bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ausdrücklich genannt oder aus anderen Unterlagen, etwa aus Schriftsätzen, dem angefochtenen Urteil, der Vorakte oder aus anderen Umständen mit ausreichender Deutlichkeit zu erkennen ist (BAG Beschluß vom 18. Mai 1976 - 3 AZB 14/76 - AP Nr. 34 zu § 518 ZPO; BGH vom 22. September 1971 - IV ZR 106/69 - VersR 1971, 1145; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 518 Anm. 2 B d; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 138 I 4 b, S. 830 f.; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 518 Rz 9).
Ferner muß sich aus der Rechtsmittelschrift ergeben, gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, wobei es ausreicht, daß sich innerhalb der Rechtsmittelfrist die Person des Rechtsmittelbeklagten aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergibt (BAG 25, 255, 257 = AP Nr. 20 zu § 518 ZPO; BAG Urteil vom 28. Juni 1973 - 3 AZR 469/72 - AP Nr. 21 zu § 518 ZPO, zu II 1 a der Gründe; BAG 27, 351, 353 = AP Nr. 33 zu § 518 ZPO und BAG Beschluß vom 16. Februar 1981 - 3 AZB 21/80 - AP Nr. 44 zu § 518 ZPO, zu II 1 der Gründe sowie BGHZ 65, 114, 115 f. = AP Nr. 32 zu § 518 ZPO und BGH vom 6. Februar 1985 - I ZR 235/83 - VersR 1985, 570; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 518 Anm. 2 B d; Rosenberg/Schwab, aaO, § 138 I 4 b, S. 831; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 518 Rz 10; Zöller/Schneider, ZPO, 14. Aufl., § 518 Rz 32; Schneider, MDR 1979, 1, 3, 4).
Diese Anforderungen an die Rechtsmittelschrift sollen im Interesse des Rechtsmittelgerichts und der Parteien einem geeigneten Ablauf des Verfahrens, der Rechtssicherheit und den schutzwürdigen Belangen des Rechtsmittelbeklagten an alsbaldiger Zustellung der Rechtsmittelschrift dienen (vgl. BAG Urteil vom 5. August 1976 - 3 AZR 370/75 - AP Nr. 37 zu § 518 ZPO, zu 1 b der Gründe; BAG Beschluß vom 24. November 1977 - 5 AZB 48/77 - AP Nr. 40 zu § 518 ZPO; BAG Urteil vom 9. März 1978 - 3 AZR 421/77 - AP Nr. 41 zu § 518 ZPO, zu 2 der Gründe und BGHZ 21, 168, 172 sowie BGH vom 6. Februar 1985, aaO).
2. Vorliegend enthält die Revisionsschrift zwar die ausdrücklich in § 553 Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Angaben, ihr ist jedoch nicht zu entnehmen, daß sich die Revision auch gegen den Revisionsbeklagten Rechtsanwalt L richten soll. Der Kläger hat auch bis zum Ablauf der Revisionsfrist am 29. Juli 1985 nicht diese Partei als weitere Revisionsbeklagte dem Gericht angezeigt. Bis zu diesem Zeitpunkt war dem Senat auch nicht aus anderen Unterlagen erkennbar, daß der Kläger mit seiner Revision das Berufungsurteil auch insoweit angreifen wollte, als der Revisionsbeklagte L in der Vorinstanz obsiegt hatte. Der Kläger hatte das Berufungsurteil mit der Revisionsschrift nicht vorgelegt, und die "Richtigstellung des Rubrums" erfolgte erst mit der Revisionsbegründungsschrift, die am 6. August 1985, also nach Ablauf der Revisionsfrist beim Bundesarbeitsgericht einging. Ebenso sind die mit Verfügung der Geschäftsstelle vom 25. Juli 1985 vom Landesarbeitsgericht angeforderten Vorakten erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 6. August 1985 beim Revisionsgericht eingegangen.
a) Richtig ist, daß die Prozeßbevollmächtigten des Revisionsbeklagten von der Revisionsschrift innerhalb der Revisionsfrist durch Zustellung des Senats Kenntnis erlangt haben. Aber dadurch ist der bisherige Revisionsbeklagte zu 2) nicht Rechtsmittelbeklagter geworden, denn die seinem Prozeßbevollmächtigten am 29. Juli 1985 zugestellte Revisionsschrift vom 22. Juli 1985 richtete sich gegen die bisherige Revisionsbeklagte zu 1), die Firma R GmbH, und nicht gegen Rechtsanwalt L als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma M, GmbH.
b) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, daß es sich bei den Beklagten um - einfache - Streitgenossen handelt. Der Bundesgerichtshof hat im Beschluß vom 26. September 1961 (- V ZB 24/61 - NJW 1961, 2347) ausgeführt, es bleibe der Prüfung des Einzelfalles überlassen, ob in der Rechtsmittelschrift die am Streit beteiligten Personen in genügender Weise bezeichnet seien. Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten in der Bezeichnung der Partei schadeten nicht, wenn trotz dieser Mängel u n z w e i d e u t i g ersichtlich sei, g e g e n w e n sich das Rechtsmittel richte. Steht der Rechtsmittelkläger fest und ist auf jeder Seite nur eine Partei vorhanden, so ergibt sich der Rechtsmittelbeklagte aus dem angefochtenen Urteil. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67 - NJW 1969, 928 sowie Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81 - NJW 1984, 58) ausgeführt, für die Bezeichnung des Rechtsmittelbeklagten gälten keine so strengen Anforderungen wie beim Rechtsmittelkläger. Haben in der Vorinstanz mehrere Streitgenossen obsiegt, so richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen alle Streitgenossen (BGH Beschluß vom 26. September 1961 - V ZB 24/61 - NJW 1961, 2347; Urteil vom 19. März 1969, aaO, 929; Urteil vom 21. Juni 1983, aaO, S. 58 ff.), weil der Rechtsmittelführer durch die gesamte Entscheidung beschwert ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn eine Beschränkung des Rechtsmittels erkennbar ist. Von einer solchen Beschränkung ist dann auszugehen, wenn von mehreren obsiegenden Streitgenossen in der Rechtsmittelschrift nur einige angegeben werden. In diesem Fall soll die Entscheidung der Vorinstanz erkennbar nur hinsichtlich der in der Rechtsmittelschrift bezeichneten Streitgenossen angegriffen werden. Wird jedoch in der Rechtsmittelschrift nur einer von mehreren Gegnern genannt und handelt es sich dabei um die Partei, die im Rubrum des Urteils der Vorinstanz an erster Stelle genannt wird, so soll allerdings keine Beschränkung der Anfechtung vorliegen. Der Bundesgerichtshof spricht von einer Gepflogenheit der Praxis, Prozesse, an denen mehrere Streitgenossen beteiligt sind, zum Zwecke der Abkürzung nur nach dem "Spitzenreiter" zu bezeichnen (BGH Urteil vom 19. März 1969, aaO, 929). Eine Klarstellung durch den Zusatz "u.a." soll nicht erforderlich sein (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 518 Anm. 2 B d; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 518 Rz 10; Zöller/Schneider, aaO, § 518 Rz 32).
Vorliegend genügt die Revisionsschrift vom 22. Juli 1985 aber auch nicht den vom Bundesgerichtshof entwickelten Anforderungen einer Rechtsmittelschrift für die Anfechtung einer Entscheidung mit mehreren obsiegenden Streitgenossen. Der Kläger beruft sich zwar darauf, daß die bisherige Revisionsbeklagte zu 1) im Rubrum des Landesarbeitsgerichtsurteils an erster Stelle steht und meint, der Inhalt der Rechtsmittelschrift deute nicht auf eine Beschränkung der Revision hin. Der Kläger übersieht dabei aber, daß für die Auslegung der Rechtsmittelschrift ihr objektiver Inhalt maßgebend ist (RGZ 144, 314, 316; BGHZ 21, 168, 170; BGH vom 21. Juni 1983, aaO, S. 59), wobei die dem Rechtsmittelgericht bis zum Ende der Rechtsmittelfrist bekannten Umstände heranzuziehen sind (BGH vom 6. Februar 1985, aaO, 570). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum "Spitzenreiter" hätte sich daher zugunsten des Klägers nur auswirken können, wenn der Rechtsmittelschrift zu entnehmen gewesen wäre, daß der Kläger einen Rechtsstreit gegen mehrere Beklagte führte oder sich dies bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist aus dem beiliegenden Urteil zweiter Instanz bzw. anderen Urkunden ergeben hätte. Bis zum Ablauf der Revisionsfrist hat dem Senat aber lediglich die Revisionsschrift vorgelegen. In ihr ist lediglich die R GmbH (bisherige Revisionsbeklagte zu 1) und diese als Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte aufgeführt. Das ließ für den Senat gerade den Schluß zu, die R GmbH (bisherige Revisionsbeklagte zu 1) sei die einzige Beklagte im Revisionsverfahren. Dem Senat war keinesfalls erkennbar, daß auch der Konkursverwalter L in den Vorinstanzen ebenfalls Partei des Verfahrens war und auch gegen ihn Revision eingelegt werden sollte. Der Konkursverwalter L wurde vielmehr in der Revisionsschrift unzutreffenderweise nur als einer der Prozeßbevollmächtigten der bisherigen Revisionsbeklagten zu 1) in der zweiten Instanz aufgeführt. War also für den Senat nicht zu entnehmen, daß sich die Revision auch gegen Rechtsanwalt L als Konkursverwalter über das Vermögen der Firma M GmbH richten sollte, ist die Revision nicht ordnungsgemäß eingelegt, so daß sie als unzulässig zu verwerfen war.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Hillebrecht Ascheid Dr. Weller
Thieß Dr. Kirchner
Fundstellen