Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich des BauRTV - Leitender Angestellter
Leitsatz (redaktionell)
Nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes sind leitende Angestellte im Sinne von § 5 BetrVG vom Geltungsbereich der Tarifverträge ausgenommen. Mit der Verweisung auf § 5 BetrVG wird nur der ausgenommene Personenkreis umschrieben. Nicht erforderlich ist, daß ein Kleinbetrieb auch betriebsratsfähig ist. § 1 BetrVG ist nicht in Bezug genommen.
Orientierungssatz
1. Auslegung des § 2 Abs 2 Nr 2 des Tarifvertrages über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes in der Fassung vom 17.12.1985.
2. Hinweise des Senats: "Alleinmeister in Baubetrieb der Ehefrau."
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 25.06.1990; Aktenzeichen 16 Sa 99/90) |
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 01.11.1989; Aktenzeichen 3 Ca 1195/89) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, Auskunft nach den Regelungen der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes an die Klägerin zu erteilen.
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Sie zieht nach näherer tariflicher Regelung die Beiträge der baugewerblichen Arbeitgeber zu den Sozialkassen des Baugewerbes ein.
Die Beklagte ist ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes Unternehmen des Bauhauptgewerbes. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin ist Frau Hannelore S . In dem Betrieb der Beklagten war im Klagezeitraum Mai 1985 bis Juni 1989 nur ein Beschäftigter tätig, nämlich der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten, Herr Siegfried S . Dieser ist Maurermeister. Daneben wurde lediglich ab 1. September 1988 ein Auszubildender, nämlich der Sohn der Geschäftsführerin und des Herrn S beschäftigt. Unter dem 28. Juni 1985 erteilte die Geschäftsführerin ihrem Ehemann "Generalvollmacht" mit folgendem Wortlaut:
"Generalvollmacht
Als alleinige Gesellschafterin und Geschäfts-
führerin der H -Bau GmbH erteile ich hiermit
meinem Ehemann, Herrn Siegfried S , G
, Generalvollmacht
für alle geschäftlichen Verhandlungen und Ver-
tragsvereinbarungen.
Herr Siegfried S ist weiterhin für alle
technischen Durchführungen der Bauaufträge zu-
ständig.
Hamburg, d. 28. Juni 1985 Hannelore S
G Straße 130 b
2100 Hamburg 90"
Auf entsprechende Anfragen der Klägerin teilte die Beklagte dieser unter dem 30. März 1989 folgendes mit:
"Betriebskonto-Nr. 353 737 04
Meldungen 05/85 - 01/89 - Ihr Schreiben vom
22.2.89
Sehr geehrte Damen und Herren]
Hierdurch teile ich Ihnen nochmals mit, daß ich
seit 05/85 bis auf weiteres keine gewerblichen
Arbeitnehmer beschäftige.
Eine Beitragspflicht für Angestellte seit 05/85
liegt auch nicht vor, da ich nur einen leitenden
Angestellten beschäftige im Sinne des § 5 Abs. 3
Nr. 3 BetrVG 1982.
Seit 1.9.88 beschäftige ich einen Auszubildenden,
welches Ihnen bekannt ist.
Ferner teile ich Ihnen nochmals mit, daß die
H BAU GMBH seit 10.4.85 besteht.
Alleinige Geschäftsführerin ist Frau Hannelore
S .
Für die Ausübung des Betriebes mußte der leitende
Angestellte Siegfried S eingestellt wer-
den.
Aus diesen Gründen gehe ich davon aus, daß sich
somit die Abgabe der Meldungen erübrigt."
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin in zunächst drei getrennten, durch das Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Beklagte nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für den Zeitraum Mai 1985 bis Juni 1989 auf Auskunftserteilung über die Zahl der insgesamt beschäftigten Angestellten, die Zahl der regelmäßig mit mindestens 20 Wochenstunden beschäftigten Angestellten, die Höhe der geschuldeten Vorruhestands- und Zusatzversorgungsbeiträge sowie ab 1. Januar 1989 über die Höhe der angefallenen Bruttolohnsumme und für den Fall der Nichterfüllung auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei zumindest bezüglich Herrn Siegfried S im Klagezeitraum zur Auskunft verpflichtet, weil dieser sich in dieser Zeit überwiegend mit "Angestelltentätigkeiten" befaßt habe, ohne andere Arbeitnehmer eingestellt oder entlassen zu haben. Herr S habe nämlich im Klagezeitraum die Verwaltung, die Planung und die Organisation des Betriebes, Terminsabsprachen und Vertragsverhandlungen geführt. Andere Arbeitnehmer habe er weder angeleitet noch beaufsichtigt. Er könne deshalb auch nicht als leitender Angestellter vom persönlichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge ausgenommen werden. Die Eigenschaft als leitender Angestellter fehle ihm nämlich schon deshalb, weil keine anderen Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt worden seien. Wenn in einem Unternehmen keine weiteren Arbeitnehmer beschäftigt seien, könne der einzige Angestellte niemals leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sein, weil betriebsverfassungsrechtliche Wirkungen in einem solchen Betrieb von vornherein nicht in Betracht kämen. Im übrigen führe Herr S als einziger Arbeitnehmer die erforderlichen Bauarbeiten aus und bilde den einzigen Lehrling aus. Auch das schließe eine Einordnung als leitender Angestellter aus.
Nachdem die Klägerin in dem Termin vor dem Arbeitsgericht vom 29. Mai und 3. Juli 1989 vor Verbindung der Rechtsstreite für den Zeitraum Mai 1985 bis Dezember 1987 mit einer Entschädigungssumme von 6.381,76 DM und für den Zeitraum Januar bis Dezember 1988, Januar und Februar 1989 mit einer Entschädigungssumme von 3.220,-- DM klagezusprechende Versäumnisurteile erwirkt hatte, hat sie nach fristgerechtem Einspruch der Beklagten gegen diese Versäumnisurteile und deren Aufhebung durch Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 1. November 1989 zuletzt beantragt:
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom
01.11.1989 - Az.: 3 Ca 1195/89 - abzuändern,
2. die Versäumnisurteile des Arbeitsgerichts
Wiesbaden vom 29.05.1989 (früher Az.: 3 Ca
1195/89) und vom 03.07.1989 (früher Az.: 3 Ca
788/89) werden aufrechterhalten,
3. die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Klä-
ger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft
darüber zu erteilen,
1.1 entfällt
1.2 wieviel Angestellte insgesamt und wieviel
Angestellte, deren regelmäßige wöchent-
liche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden
beträgt, in den Monaten
März, April, Mai, Juni 1989
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt
wurden, welche Bruttogehaltssumme (ab
01.01.1987) und in welcher Höhe Vorruhe-
standsbeiträge für die Zusatzversorgungs-
kasse des Baugewerbes VVaG in den genann-
ten Monaten angefallen sind.
2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur
Auskunftserteilung innerhalb einer Frist
von 2 Wochen nach Urteilszustellung nicht
erfüllt wird, an den Kläger folgende Ent-
schädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1entfällt
zu Nr. 1.2920,-- DM.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage insgesamt abzuweisen.
Sie hat die ordnungsgemäße Klageerhebung gerügt und vorgetragen, für Herrn Siegfried S sei sie nicht auskunftsverpflichtet, da dieser leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sei. Dies folge aus der Generalvollmacht und im übrigen daraus, daß Herr S bestimme, wann und an wen Ausschreibungsunterlagen zu versenden seien, allein zuständig sei für Auftragsvergabe und Abschluß der Ausschreibungen, die Verhandlungen mit Architekten und Bauherren allein führe, den Baustoff allein einkaufe, allein mit Kreditinstituten verhandele und gelegentlich auch Aushilfskräfte mit einem 450,-- DM nicht übersteigenden monatlichen Lohn eingestellt habe. Die Geschäftsführerin erledige daneben lediglich die Buchführung, den Zahlungsverkehr sowie überwiegend die Schreibarbeiten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Aufhebung der Versäumnisurteile abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten fällt als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG nicht unter den persönlichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge im Baugewerbe, so daß die Beklagte nicht zur Erteilung der begehrten Auskünfte verpflichtet ist.
I. Die Formalien der Klage und der Rechtsmittel sind gewahrt.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist insbesondere die Klage ordnungsgemäß erhoben worden. Denn § 253 ZPO verlangt für die Klageerhebung neben der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts zwingend nur die Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Diesen Anforderungen genügt das von der Klägerin für die Klageerhebung verwendete Formular. Denn durch die vor der Unterschrift befindliche Verweisung auf die "Rückseite I, Rubrik Auskunft", wird die dort niedergelegte Begründung für die einzelnen Klageanträge zum Gegenstand des Klageschriftsatzes gemacht. Die Tatsache, daß sich auf der Klageschrift gleichzeitig die Ladungsverfügung bzw. Terminsbestimmung befindet, ändert hieran nichts.
b) Die Klage ist auch am örtlich zuständigen Gericht erhoben worden. Denn nach § 48 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG können die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festlegen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern. Hiervon haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in den allgemeinverbindlichen Sozialkassentarifverträgen Gebrauch gemacht. Da die Beschränkungen des § 38 Abs. 2 und 3 ZPO keine Anwendung finden, kann sich die Zuständigkeitsvereinbarung auch auf zukünftige Rechtsstreitigkeiten beziehen.
II.1. Nach § 27 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 hat die Klägerin für die Zeit ab Januar 1987 bzw. für die davorliegende Zeit nach § 2 II Nr. 2 des Tarifvertrages über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes ( VTV-Angestellte ) vom 30. Oktober 1975 i.d.F. vom 19. Dezember 1983 bzw. 17. Dezember 1985 grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft über die Zahl und den Verdienst der bei der Beklagten beschäftigten Angestellten und für den Fall der Nichterfüllung des Auskunftsanspruches nach § 61 Abs. 2 ArbGG Anspruch auf eine Entschädigung (vgl. hierzu BAG Urteil vom 6. Mai 1987 - 4 AZR 641/86 - AP Nr. 7 zu § 61 ArbGG 1979).
2. Im vorliegenden Fall bestehen diese Ansprüche jedoch nicht, da der einzige Beschäftigte der Beklagten, Herr S , als leitender Angestellter im Sinne von § 2 II Nr. 2, § 1 Abs. 3 VTV-Angestellte , § 27, § 1 Abs. 3 VTV nicht unter den persönlichen Geltungsbereich der genannten Tarifverträge fällt. Nach diesen Vorschriften werden nämlich von den Verfahrenstarifverträgen Personen, "die unter § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 BetrVG fallen", nicht erfaßt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, der Ausschluß der leitenden Angestellten vom persönlichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Bei der Bestimmung des Geltungsbereichs sind die Tarifvertragsparteien innerhalb der Grenzen ihrer Tarifzuständigkeit frei (BAGE 3, 174, 177 = AP Nr. 1 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit, zu 1 der Gründe; BAGE 48, 307, 310 ff. = AP Nr. 4 zu § 3 BAT; A. Hueck, AR-Blattei, Tarifvertrag IV Geltungsbereich, unter B I; Däuble/Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz 137; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl. 1990, § 4 TVG Rz 14 ff.). Denn es gehört zu dem durch das Grundgesetz geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit, daß die Tarifvertragsparteien in freier Selbstbestimmung festlegen können, ob überhaupt und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten tarifliche Regelungen getroffen werden sollen oder nicht. Eine von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung in diesem Bereich ist durch das Grundgesetz als Ausfluß der Tarifautonomie jedenfalls dann anerkannt, wenn hierfür sachliche Gründe bestehen. Dies wird auch im Schrifttum angenommen (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 53 und 121 sowie Wiedemann, Anm. II zu AP Nr. 4 zu § 3 BAT). Für die Ausgrenzung der leitenden Angestellten aus den Regelungen der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes sind aber sachliche Gründe gegeben. Dies folgt zum einen daraus, daß auch der Gesetzgeber diese Angestelltengruppe besonders behandelt, zum anderen daraus, daß diese Angestellten aufgrund ihrer Stellung und regelmäßig auch ihres Einkommens nicht die gleiche Schutzbedürftigkeit besitzen, wie die übrigen Arbeitnehmer der Baubetriebe.
b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, die Verweisung der Verfahrenstarifverträge auf das Betriebsverfassungsgesetz hinsichtlich der von ihrem Geltungsbereich ausgenommenen Personengruppe sei rechtlich zulässig (vgl. hierzu BAG Urteil vom 8. Oktober 1959 - 2 AZR 503/56 - AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 103 und 115; BAGE 41, 47, 50 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT, zu II 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 16. November 1989 - 6 AZR 168/89 - zur Veröffentlichung bestimmt; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl., § 199 II 3). Denn die Verweisung läßt ihren Inhalt und Umfang deutlich erkennen (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 103).
III.1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Herrn S von der Geschäftsführerin der Beklagten privatschriftlich erteilte "Generalvollmacht" als Generalvollmacht im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG anzusehen ist.
Nach der fast einhelligen Meinung in der Literatur (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 5 Rz 153; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 5 Rz 50; Fabricius/Kraft/ Thiele, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 5 Rz 59 ff.) reicht die Erteilung einer Handlungsvollmacht nach § 54 HGB nicht aus; vielmehr ist erforderlich, daß eine Rechtsstellung zwischen Vorstandsmitglied und Prokurist eingeräumt wird. Im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG ist Generalvollmacht nur dann gegeben, wenn ihr Umfang wenigstens gleich weit geht wie die Prokura (Galperin/Löwisch, aaO; BAGE 26, 36 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972) und dem Bevollmächtigten unbeschränkte Vertretungsmacht in allen den Vollmachtgeber betreffenden Angelegenheiten verschaffen, ihn damit praktisch am unternehmerischen Entscheidungsprozeß beteiligen. Eine solche umfassende Vollmacht, die den Bevollmächtigten an die Stelle eines Geschäftsführers stellen würde, ohne ihm jedoch die entsprechende Organstellung einzuräumen, ist aber bei einer GmbH unwirksam (vgl. BGH Urteil vom 8. Mai 1978 - II ZR 209/76 - WM 1978, 1047, 1048; Scholz/Schneider, GmbHG, 7. Aufl. 1986, § 35 Rz 17; Rowedder/Fuhrmann/Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl. 1990, § 35 Rz 9).
2. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob Herr S leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ist. Zwar hat er nach dem aufgrund der Bezugnahmen in den Urteilen des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts festgestellten, im übrigen auch unstreitigen Sachverhalt, wiederholt Aushilfsarbeitskräfte eingestellt. Aus dem übrigen Vortrag ergibt sich, daß er hierzu auch selbständig berechtigt war. Doch sind zu den Einzelheiten und der Zahl der Eingestellten keinerlei Feststellungen getroffen worden, so daß nicht feststeht, ob es sich dabei um eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern gehandelt hat (vgl. hierzu BAG Urteil vom 11. März 1982 - 6 AZR 136/79 - AP Nr. 28 zu § 5 BetrVG 1972; Fabricius/Kraft, aaO, § 5 Rz 58).
3.a) Herr S ist jedoch entgegen der Auffassung der Revision leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Nach der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung dieser Vorschrift gehören zu den leitenden Angestellten solche Angestellte, die nach Dienststellung und Vertrag im wesentlichen Aufgaben wahrnehmen, die ihnen regelmäßig wegen deren Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung des Betriebes im Hinblick auf besondere Erfahrung und Kenntnisse übertragen werden.
Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei Herrn S spricht schon die Erteilung der Generalvollmacht (vgl. Fabricius/ Kraft, aaO, § 5 Rz 62, m.w.N.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 5 Rz 153). Darüber hinaus beschränkt sich die Tätigkeit der Geschäftsführerin der Beklagten unstreitig auf die Buchführung, Überweisungen und Schreibarbeiten, während Herr S alle anderen Tätigkeiten ausführt, die im Betrieb der Beklagten anfallen. Darunter fallen insbesondere die Auftragsvergabe an Fremdfirmen, Auftragsannahme, Verhandlungen mit Architekten, Einkauf, Kreditverhandlungen, Angebotsaufstellung- und -abgabe und schließlich die Einstellung von Aushilfskräften. Allein diese Aufzählung zeigt, daß alle für den Betrieb wesentlichen Aufgaben ausnahmslos von Herrn S wahrgenommen werden, während die Geschäftsführerin die mehr mechanisch zu erledigenden Nebentätigkeiten ausführt. Dies ergibt sich im übrigen auch aus der Tatsache, daß Herr S als Maurermeister und früherer Inhaber eines Bauunternehmens allein in der Lage ist, sämtliche für den Bestand der Beklagten und ihre Entwicklung wesentlichen Entscheidungen selbst und eigenverantwortlich zu treffen. Die Ehefrau und Geschäftsführerin wäre hierzu schon aufgrund mangelnder bautechnischer Kenntnisse überhaupt nicht fähig. Der gesamte unstreitige Vortrag zeigt, daß Herr S der eigentliche Unternehmer und Betriebsleiter ist und seine Ehefrau formalrechtlich die Funktion der Geschäftsführerin übernommen hat.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist Herr S damit von dem persönlichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge ausgenommen. Die Auffassung der Revision wegen des Tarifwortlauts "unter § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes fallenden Personen" seien leitende Angestellte nur dann von dem persönlichen Geltungsbereich ausgenommen, wenn der Betrieb auch im übrigen betriebsratsfähig sei, findet im Tarifvertrag keine Stütze. Wie bereits ausgeführt, haben die Tarifvertragsparteien lediglich zur Definition der von ihnen aus dem Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge ausgenommenen Personengruppen in zulässiger Weise auf einzelne Bestimmungen im Betriebsverfassungsgesetz verwiesen. Mit keinem Wort haben sie dabei auf andere Kriterien für die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes, insbesondere nicht auf § 1 BetrVG, Bezug genommen. Es würde deshalb schon gegen die "Klarheitenregel" verstoßen, wenn § 1 BetrVG für die Auslegung der Bestimmungen des Tarifvertrages herangezogen würde. Die tarifvertragliche Regelung ist vielmehr dahin zu verstehen, daß alle Personen, auf die die in den angezogenen Bestimmungen des BetrVG normierten Voraussetzungen zutreffen, vom Geltungsbereich ausgenommen sein sollen. Denn die in Bezug genommenen Kriterien stellen allein auf die Funktion des jeweiligen Angestellten in dem Betrieb, in dem er beschäftigt ist, ab.
Schließlich haben die Tatsachengerichte bei der Gesamtbewertung der für die Charakterisierung eines Angestellten als leitenden Angestellten maßgebenden Merkmale einen gewissen Beurteilungsspielraum. Der Senat kann deshalb nur überprüfen, ob die Bewertungsmaßstäbe im einzelnen zutreffend erkannt, eine vertretbare Gesamtwertung aller maßgeblichen Gesichtspunkte erfolgt ist und ob alles wesentliche Tatsachenmaterial ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verwertet worden ist (BAGE 26, 36, 59 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972, zu IV 2 der Gründe). Eine Verletzung dieser Grundsätze ist nicht erkennbar.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaub Dr. Freitag Schneider
Müller-Tessmann Kamm
Fundstellen
NZA 1991, 857-859 (LT1) |
AP § 1 TVG Tarifverträge Bau (LT1), Nr 141 |
AR-Blattei, Baugewerbe VIII Entsch 128 (LT1) |
AR-Blattei, ES 370.8 Nr 128 (LT1) |
EzA § 4 TVG Bauindustrie, Nr 59 (LT1) |