Entscheidungsstichwort (Thema)

Parteifähigkeit einer im Handelsregister gelöschten GmbH

 

Orientierungssatz

1. Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob eine juristische Person während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreits ihre Parteifähigkeit einbüßen kann mit der Folge, daß die Klage unzulässig wird.

2. Es wird die Auffassung vertreten, daß eine Löschung nach § 2 LöschG zum Untergang der Gesellschaft, also zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit führe. Insoweit ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten, ob die Vermögenslosigkeit allein oder die Löschung oder erst beide Tatbestände zusammen zum Untergang der Gesellschaft führen.

 

Normenkette

KO § 107; ZPO §§ 50-51, 56; LöschG § 1 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 23.10.1987; Aktenzeichen 15/10 Sa 809/87)

ArbG Marburg (Entscheidung vom 11.05.1987; Aktenzeichen 1 Ca 338/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger das Gehalt für den Monat September 1984 in unstreitiger Höhe von 2.647,95 DM netto beanspruchen kann oder ob die Beklagte berechtigt ist, ihm diese Zahlung zu verweigern, weil er im selben Zeitraum nach ihrer Behauptung für Kunden der Beklagten auf eigene Rechnung Konstruktionszeichnungen angefertigt haben soll.

Der Kläger war seit dem 1. April 1977 als Konstrukteur bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien haben eine tarifliche Urlaubsregelung vereinbart. Der Kläger hat fristgerecht sein Arbeitsverhältnis zum 30. September 1984 gekündigt und sich danach mit einem eigenen Konstruktionsbüro selbständig gemacht. Er war zuvor im Monat September 1984 im Urlaub und hat sich währenddessen vom 11. bis zum 25. September krankgemeldet. Er fordert in diesem Rechtsstreit das Septembergehalt in unstreitiger Höhe von 2.647,95 DM netto und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.647,95 DM

netto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu behauptet, der Kläger habe während seines Urlaubs und seiner Krankmeldung im September 1984 Konstruktionszeichnungen auf eigene Rechnung für Kunden der Beklagten angefertigt.

Deswegen hat die Beklagte mit einer Widerklage Auskunft und Rechnungslegung und Herausgabe dessen verlangt, was sich nach Abrechnung durch den Kläger ergibt. Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 26. Februar 1985 dem Auskunftsverlangen der Beklagten entsprochen, und der Kläger hat dementsprechend Auskunft erteilt und ihre Richtigkeit an Eides statt versichert. Danach hat die Beklagte ihre Gegenforderung auf 122.760,13 DM beziffert und in dieser Höhe nebst 10 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1984 sowie auf Herausgabe bestimmter Konstruktionszeichnungen Widerklage erhoben und zugleich mit der Widerklageforderung aufgerechnet.

Der Kläger hat Grund und Höhe der Widerklageforderung bestritten und behauptet, er habe im September 1984 keine Konstruktionszeichnungen für Kunden der Beklagten auf eigene Rechnung angefertigt. Außerdem habe die Beklagte den der Widerklageforderung zugrundegelegten Zeitaufwand falsch berechnet. Hilfsweise hat er sich auf Verjährung der mit der Widerklage geltend gemachten Forderung berufen.

Das Arbeitsgericht hat durch Schlußurteil der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nur hinsichtlich der Klageforderung zugelassen. Die Beklagte will mit ihrer Revision die Abweisung der Klage erreichen. Das Amtsgericht Marburg hat mit Beschluß vom 3. Dezember 1987 den Antrag der Beklagten auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse abgelehnt und während des Revisionsverfahrens am 11. Januar 1988 im Handelsregister bekannt gemacht, daß die Beklagte deswegen gemäß § 107 K0 und § 1 Abs. 2 Satz 2 des Reichsgesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 (RGBl. I S. 914 - im folgenden LöschG) aufgelöst worden ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat sie nur zugelassen, soweit es über die Klageforderung entschieden hat. Nur darüber ist in dieser Instanz noch zu befinden.

I. Die Revision ist zulässig. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte noch rechtsfähig ist oder nicht. Ihre Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil war in der Vorinstanz erfolglos. Mit ihrer Revision ist zugleich die Rechtsfähigkeit der Beklagten und damit ihre Partei und Prozeßfähigkeit im Streit (§§ 50, 51 ZPO). Darüber kann nur entschieden werden, wenn die Beklagte als parteifähig behandelt wird (BGHZ 24, 91, 94; BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592; BGH Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80 - NJW 1982, 238).

II. Die Beklagte hat in der Revisionsinstanz ihre Partei- und Prozeßfähigkeit nicht verloren. Das ist von Amts wegen zu prüfen (§ 56 ZPO).

Zwar hat die Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt, der gemäß § 107 K0 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse abgelehnt worden ist. Daraufhin hat das Handelsregister die Auflösung der Beklagten von Amts wegen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 LöschG ins Handelsregister eingetragen. Dadurch hat die Beklagte aber ihre Rechts- und Parteifähigkeit nicht verloren.

1. Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob eine juristische Person während eines gegen sie anhängigen Rechtsstreits ihre Parteifähigkeit einbüßen kann mit der Folge, daß die Klage unzulässig wird (bejahend: BGH Urteil vom 5. April 1979 - II ZR 73/78 - BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592; a. A.: BAGE 36, 125 = AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; wohl auch BAG Urteil vom 9. Februar 1978 - 3 AZR 260/76 - AP Nr. 7 zu § 286 ZPO, zu I 2 der Gründe; BFH Urteil vom 26. März 1980 - 1 R 111/79 - AP Nr. 3 zu § 50 ZPO, zu 2 a der Gründe; aber wie das BAG wohl auch BGH Urteil vom 23. Oktober 1980 - IV a 79/80 - JZ 1981, 631; vgl. ferner Stumpf in Anm. zu AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; Theil, JZ 1979, 567; derselbe JZ 1981, 631; derselbe JZ 1982, 373 jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Streitfrage braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Klage ist selbst dann nicht unzulässig geworden, wenn man dies mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5. April 1979 für rechtlich möglich hält.

2. Die Beklagte hat ihre Rechts- und Parteifähigkeit behalten, obwohl ihr Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 LöschG zur Eintragung ihrer Auflösung im Handelsregister geführt hat. Diese Vorschrift ergänzt § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, wonach die Gesellschaft durch die Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst wird. Die Auflösung läßt aber die Parteifähigkeit und die Prozeßfähigkeit der Beklagten bestehen und hat nur die Abwicklung der Gesellschaft zur Folge. Nach § 66 GmbHG setzt der Geschäftsführer sein Amt als Liquidator fort. Die GmbH besteht insoweit als Abwicklungsgesellschaft weiter (vgl. BAG Urteil vom 22. März 1988 - 3 AZR 350/86 - NZA 1988, 841, zu B II 1 der Gründe m. w.N.). Die weitere Liquidation, die nach der Löschung stattfinden muß, erfordert es gerade, daß sie noch Rechte in Anspruch nimmt, die ihr nach ihrer Auffassung zustehen. Die Abwicklung ist schon deswegen nicht beendet, weil sie solange andauert, wie noch Liquidationsgeschäfte zu vollziehen und Prozesse zu Ende zu führen sind. Bis dahin bleibt sie parteifähig (BAG Urteil vom 9. Februar 1978, aa0, zu I 2 der Gründe m. w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn die Beklagte setzt sich in diesem Rechtsstreit gegen eine Forderung des Klägers zur Wehr, die - wenn sie nicht bestehen sollte - die Vermögensmasse der Beklagten nicht beansprucht.

Dem steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht entgegen, wonach die Parteifähigkeit endet, wenn die Liquidation abgeschlossen ist und sich herausstellt, daß kein Vermögen mehr vorhanden ist (BGHZ 74, 212, 213). Darauf kommt es schon deswegen nicht an, weil davon auszugehen ist, daß die Liquidation noch andauert.

3. Ebensowenig hat die Beklagte ihre Rechts- und Parteifähigkeit nach § 2 LöschG verloren.

Nach dieser Vorschrift kann eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die kein Vermögen besitzt, auf Antrag der amtlichen Berufsvertretung des Handelsstandes oder der Steuerbehörde oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Liquidation findet nicht statt. Das Gesetz geht in diesem Fall davon aus, das liquidationsfähige Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind. Deshalb wird die Auffassung vertreten, daß die Löschung nach § 2 LöschG zum Untergang der Gesellschaft, also zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit führe. Insoweit ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten, ob die Vermögenslosigkeit allein oder die Löschung oder erst beide Tatbestände zusammen zum Untergang der Gesellschaft führen (vgl. BAG Urteil vom 22. März 1988 - 3 AZR 350/86 - zu B II 2 der Gründe m. w.N.). Diese Streitfrage ist hier nicht zu entscheiden, weil eine Löschung gemäß § 2 LöschG nicht erfolgt ist.

III. Die Klage ist auch nicht deswegen unzulässig, weil der Kläger das Nettogehalt für September 1984 begehrt. Die Klage ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil sich die Abzüge für Lohnsteuern und Sozialversicherung nachträglich berechnen lassen (ebenso BAG Urteil vom 29. August 1984 - 7 AZR 34/83 - AP Nr. 27 zu § 123 BGB).

IV. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision dagegen, daß sie zur Zahlung des Septembergehalts 1984 an den Kläger verurteilt worden ist. Die Beklagte wiederholt mit ihrer Revision nur die selben Behauptungen, mit denen sie schon in der Vorinstanz unterlegen ist. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte noch nicht einmal schlüssig vorgetragen, daß der Kläger im September 1984 auf eigene Rechnung für Kunden der Beklagten Konstruktionszeichnungen angefertigt habe. Demgegenüber kann die Beklagte ihre Revision nicht damit begründen, daß sie an ihrem bisherigen Tatsachenvortrag festhält.

Allerdings beanstandet sie, daß die Vorinstanz kein Sachverständigengutachten dazu eingeholt habe, ob der Kläger nur im September 1984 während seines Urlaubs wegen des zeitlichen Umfangs der Arbeiten im Stande gewesen sei, in diesem Zeitraum die von ihr behaupteten wettbewerbswidrigen Tätigkeiten auszuführen. Abgesehen davon, daß der Sachvortrag, zu dem der Beweisantritt erfolgt ist, nicht schlüssig war, entspricht diese prozessuale Rüge auch nicht den Erfordernissen des § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO. Wenn die Beklagte damit geltend machen will, sie habe schon in der Vorinstanz ein Sachverständigengutachten angeboten, das Landesarbeitsgericht habe aber diesen Beweisantritt übergangen, so müßte sie genau die vorinstanzliche Fundstelle des Beweisantrages angeben (BAGE 12, 328 = AP Nr. 22 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Daran fehlt es bereits, so daß dahingestellt bleiben kann, ob sich die von der Beklagten behauptete wettbewerbswidrige Tätigkeit des Klägers mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens überhaupt zeitlich eingrenzen läßt.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Liebsch Blank-Abel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI439898

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