Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Gehaltsansprüche gegen Betriebserwerber
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 17.09.1993; Aktenzeichen 15 Sa 856/93) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 29.04.1993; Aktenzeichen 2 Ca 1467/93) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 17. September 1993 – 15 Sa 856/93 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war Arbeitnehmer der e productions Gesellschaft für Audiound Videoproduktfertigung mbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin), über deren Vermögen am 30. April 1992 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Zum Konkursverwalter wurde Rechtsanwalt S bestellt, der zuvor bereits als Sequester tätig war. Die Gemeinschuldnerin produzierte Videonachbearbeitungen. Die Gesellschaftsanteile der Gemeinschuldnerin hielt die A & V GmbH (im folgenden: AV), an der die beiden Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin W und We und Herr V mit je 16 % der Gesellschaftsanteile beteiligt waren. Geschäftsführer der AV waren die Herren V und We. Daneben bestand die Beklagte unter der Firma A & V Vertriebsgesellschaft mbH; deren Geschäftsführer waren im April 1992 die Herren W, We und V.
Noch vor Konkurseröffnung verkaufte die spätere Gemeinschuldnerin der Beklagten ihr gesamtes Warenlager und das mobile Anlagevermögen. In dem Kaufvertrag, an dem die Stadtsparkasse Wuppertal als Kreditgeberin und der Sequester beteiligt waren, heißt es auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Der Verkäufer überträgt an den Käufer das gesamte Warenlager, das sich am Tag der Vertragsunterzeichnung in dem Produktionsgebäude T Weg 10, R, befindet, welches der Kreditgeberin sicherungsübereignet ist mit Ausnahme der Liefergegenstände des Auftrages P IHP 6809 (120 + 38 Stück).
§ 2
Der Verkäufer überträgt an den Käufer weiterhin das gesamte mobile Anlagevermögen.
§ 3
Der Kaufpreis für die in § 1 und 2 genannten Gegenstände beträgt 300.000,00 DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer.
Von dem in Absatz 1 genannten Kaufpreis zahlt der Käufer 200.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an die Kreditgeberin sowie 100.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer an den Sequester des Verkäufers, Rechtsanwalt Helmut S, F – Straße 146, W.
§ 6
Der Käufer befreit den Verkäufer von folgenden laufenden Verbindlichkeiten:
- Mietzinsen ab 01.05.1992
- Strom und Telefon ab 15.04.1992
§ 7
Der Verkäufer weist den Käufer darauf hin, daß § 613 a BGB anwendbar sein könnte. Eventuelle Risiken aufgrund dieser Bestimmung trägt der Käufer, dies gilt nicht, soweit der Verkäufer die aus der Anlage ersichtlichen Abfindungsverträge mit den Arbeitnehmern abgeschlossen hat.
§ 8
Der Käufer befreit den Verkäufer von allen Abnahmeverpflichtungen gegenüber Lieferanten, die ab dem 25.02.1992 eingegangen sind.”
Die Geschäftsräume der Gemeinschuldnerin wurden zum 30. April 1992 geräumt. Es fand ein Umzug in von der Beklagten gemietete Räume in Ra statt. Ob dieser Umzug bis Anfang Mai 1992 gedauert hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger war bei der Durchführung des Umzugs beteiligt und ist nach Abschluß des Umzugs weder von der Gemeinschuldnerin noch von der Beklagten oder der AV beschäftigt worden. Mit Schreiben vom 13. Mai 1992 kündigte der Konkursverwalter rein vorsorglich ein eventuell noch zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin bestehendes Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1992 und stellte den Kläger unter Verrechnung von Urlaubsansprüchen von der Arbeit frei. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten gem. § 613 a BGB die Zahlung seines Gehalts für die Monate Mai und Juni 1992 in Höhe von 8.122,85 DM brutto monatlich. Zuvor hatte er den Konkursverwalter auf Zahlung der beiden Gehälter in Anspruch genommen. Diese Klage ist rechtskräftig abgewiesen worden mit der Begründung, der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei Ende April 1992 gemäß § 613 a BGB auf die jetzige Beklagte übergegangen (LAG Düsseldorf – 10 Sa 1545/92 – Urteil vom 25. Januar 1993).
Der Kläger hat geltend gemacht, ausweislich des Kaufvertrags vom 21. April 1992 seien sämtliche Betriebsmittel der Gemeinschulderin auf die Beklagte übergegangen. Er selbst habe den Umzug in die neuen Geschäftsräume der Beklagten geleitet und der Geschäftsführer der Beklagten W habe ihm dabei Weisungen erteilt. Nach Abschluß des Umzugs habe er seine Arbeitskraft angeboten und sei daraufhin vom Geschäftsführer angewiesen worden, seinen Jahresurlaub anzutreten.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.245,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen von dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 1. Juli 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, sie habe das Warenlager und die Maschinen der Gemeinschuldnerin lediglich übernommen, um sie weiterzuverkaufen. Dies entspreche auch ihrem Betriebszweck als Vertriebsgesellschaft. Alle Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin seien, soweit sie nicht von der AV hätten weiterbeschäftigt werden können, gegen Zahlung einer Abfindung bei der Gemeinschuldnerin ausgeschieden. Der Kläger sei dabei offenbar vom Konkursverwalter übersehen worden und man habe ihm keinen Aufhebungsvertrag angeboten. Die Produktion der Gemeinschuldnerin sei nicht durch sie, sondern durch die AV weitergeführt worden, die auch acht frühere Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin übernommen habe. Sie selbst wäre gar nicht in der Lage gewesen, diese Produktion weiterzuführen, da alle Rechte für die von der Gemeinschuldnerin hergestellten Produkte bei der AV gelegen hätten. Bei den von ihr angemieteten Räumlichkeiten in Ratingen habe es sich um ein Lager gehandelt, schließlich habe sie die am 21. April 1992 käuflich erworbenen Gegenstände bis zu ihrem Weiterverkauf irgendwo zwischenlagern müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte hafte dem Kläger für die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie den Betrieb der Gemeinschuldnerin spätestens zum 30. April 1992 durch Rechtsgeschäft übernommen habe. Durch die Übernahme der wesentlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel sei die Beklagte in der Lage gewesen, die Produktion der Gemeinschuldnerin unter Ausübung der Organisations- und Leitungsmacht wie bisher fortzusetzen. Die bei der AV liegenden Schutzrechte seien nicht als wesentliche Betriebsmittel anzusehen, insoweit sei die Beklagte genau in die Position der Gemeinschuldnerin eingerückt, die diese Schutzrechte auch nicht besessen habe. Ob die Beklagte später von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, den Betrieb so fortzuführen, wie es die Gemeinschuldnerin bisher getan habe, darauf komme es nicht an. Die Beklagte hafte als Betriebsübernehmerin für die geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers. Ein Annahmeverzug der Beklagten sei schon deshalb anzunehmen, weil die Beklagte den Kläger nicht zur Aufnahme der Arbeit aufgefordert habe.
Dem ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu folgen.
II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der Betrieb der Gemeinschuldnerin auf die Beklagte übergegangen ist.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAGE 35, 104, 106 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe; BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB) gehören zu einem Betrieb i.S.v. § 613 a Abs. 1 BGB nur die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, nicht auch die Arbeitnehmer. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses ist Rechtsfolge, nicht Tatbestandsvoraussetzung. Die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel machen einen Betrieb dann aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Dabei ist es nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter, die bisher zu dem Betrieb des alten Inhabers gehörten, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Unwesentliche Bestandteile des Betriebsvermögens bleiben außer Betracht. Die eingerichteten und bestehenden Arbeitsplätze sollen im Interesse und unter Aufrechterhaltung des vorhandenen Betriebes erhalten bleiben, wenn ein anderer das Betriebssubstrat erwirbt.
a) Für die Frage, welche Betriebsmittel für die Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke wesentlich sind, ist auf die Eigenart des Betriebes abzustellen. Bei Produktionsbetrieben wird regelmäßig die Übernahme der sächlichen Betriebsmittel entscheidend sein. Bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben werden demgegenüber meist die immateriellen Betriebsmittel wie Kundenstamm, Kundenlisten, die Geschäftsbeziehungen zu Dritten, das „know-how” und der „good will”, ebenso die Einführung des Unternehmens auf dem Markt im Vordergrund stehen (BAGE 49, 102, 105 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 29. September 1988 – 2 AZR 107/88 – AP Nr. 76 zu § 613 a BGB, zu A II 1 b der Gründe; Urteil vom 18. Oktober 1990 – 2 AZR 172/90 – AP Nr. 88 zu § 613 a BGB, zu B II 2 b aa der Gründe). Die Arbeitnehmer selbst gehören zwar nicht zum Betrieb i.S.v. § 613 a BGB, wohl können aber im Einzelfall Fachkenntnisse eingearbeiteter Mitarbeiter in ihrer Bedeutung für die Fortführung des alten Betriebes von Bedeutung sein (BAGE 49, 102, 105 f. = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 781/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
b) Bei der Feststellung des Zeitpunktes, zu dem ein Betrieb übergeht, kommt es entscheidend darauf an, ob für den Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise die Möglichkeit besteht, die bisherigen arbeitsorganisatorisch eigenständigen Leistungszwecke weiterzuverfolgen, die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt zu übernehmen. § 613 a Abs. 1 BGB setzt weder bei der Absicht des Erwerbers an, noch bei der tatsächlichen Realisierung der bisherigen oder der neuen Leistungszwecke des Betriebes. Entschließt sich der Übernehmer erst später, die Betriebsleitung zu übernehmen, so kann er sich damit nicht den Rechtsfolgen aus § 613 a BGB entziehen oder sie auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Es ist lediglich darauf abzustellen, ob der Erwerber objektiv die Möglichkeit zur weiteren Verfolgung der bisherigen arbeitsorganisatorisch eigenständigen Leistungszwecke besitzt, um das Tatbestandsmerkmal des Übergangs des Betriebs i.S.v. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zu bejahen, ohne daß es auf die tatsächliche Ausnutzung dieser Möglichkeit ankommt (BAGE 68, 160 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; BAG Urteil vom 16. Februar 1993 – 3 AZR 347/92 – AP Nr. 15, aaO, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Welchen weiteren Zweck der Erwerber mit dem übernommenen funktionsfähigen Betrieb verfolgen will, ist unerheblich; selbst ein Erwerb in der Absicht, den Betrieb umgehend stillzulegen, schließt die Rechtsfolgen des § 613 a BGB nicht aus (so schon BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613 a BGB; BAG Urteil vom 29. November 1988 – 3 AZR 250/87 – AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).
2. Nach diesen Grundsätzen stellt die Übernahme der Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin durch die Beklagte einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB dar.
a) Bei dem Betrieb der Gemeinschuldnerin handelte es sich um einen Produktionsbetrieb, in dem vor allem mit Hilfe sächlicher Betriebsmittel Videonachbearbeitungen hergestellt wurden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte insbesondere durch den Kaufvertrag vom 21. April 1992 alle erforderlichen Betriebsmittel übernommen, die sie in die Lage versetzten, die Produktion der Gemeinschuldnerin wie bisher fortzusetzen. Die Beklagte hat neben dem Warenlager der Gemeinschuldnerin das gesamte mobile Anlagevermögen des Betriebes, also die zur Fortführung der Produktion erforderlichen Geräte übernommen. Darüber hinaus hat die Beklagte die Gemeinschuldnerin von Abnahmeverpflichtungen gegenüber Lieferanten und weiteren Verbindlichkeiten befreit. Die Übernahme der Geschäftsräume der Gemeinschuldnerin war für die Weiterführung der Produktion offenbar nicht wesentlich, denn auch nach dem Umzug konnte die Produktion – wenn auch nach Darstellung der Beklagten durch die AV – weitergeführt werden. Auch was die Schutzrechte und den Vertrieb anbelangt, sind der Beklagten keine wesentlichen Betriebsmittel vorenthalten worden. Schon die Gemeinschuldnerin produzierte nach Darlegung der Beklagten im Auftrag der AV und unter Verwertung von deren Schutzrechten. Die Beklagte hat nichts dafür vorgetragen, daß eine Fortführung der Produktion der Gemeinschuldnerin daran hätte scheitern können, daß die Schutzrechte für die von der Gemeinschuldnerin hergestellten Produkte bei der AV lagen, die auch mit der Beklagten firmenrechtlich verflochten war. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 28. April 1992 geht außerdem hervor, daß die Beklagte auch die Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin, die nur geleast waren, übernehmen und ihren Firmensitz von K nach Raverlegen wollte, wohin die Warenvorräte und das Anlagevermögen der Gemeinschuldnerin geschafft wurden.
b) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht aus diesen Umständen den Schluß gezogen hat, die Beklagte habe alle wesentlichen Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin durch Rechtsgeschäft übernommen und den Produktionsbetrieb der Gemeinschuldnerin im bisherigen Umfang nahtlos fortführen können. Begründete Verfahrensrügen enthält die Revisionsbegründung nicht, der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist im wesentlichen unstreitig. Soweit die Beklagte rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht gewürdigt, daß die Beklagte die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin nicht übernommen habe, geht diese Rüge fehl. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse ist Rechtsfolge, nicht Anspruchsvoraussetzung des § 613 a BGB (ständige Senatsrechtsprechung vgl. zuletzt Urteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 781/93 –, aaO).
c) Wenn die Revision weiter darauf hinweist, der Tätigkeitsbereich der Gemeinschuldnerin sei von der AV übernommen worden, so ist dies unerheblich. Spätestens nach dem Umzug, der nach ihrer Darstellung schon vor Konkurseröffnung abgeschlossen war, hatte die Beklagte die Möglichkeit, die Produktion der Gemeinschuldnerin fortzusetzen. Was sie mit dem übernommenen Betrieb letztlich vorhatte, ob sie die Produktion selbst fortführen, den Betrieb an die AV oder eine dritte, eventuell neu zu gründende Firma verpachten oder gar später stillegen wollte, ist für die Anwendung des § 613 a BGB nicht wesentlich. Das Protokoll der Gesellschafterversammlung enthält darüber hinaus gewichtige Indizien dafür, daß sich die Beklagte nach der Übernahme der Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin die verschiedensten Möglichkeiten offenhalten wollte und überlegte, die erworbenen Sachen und Warenvorräte an die AV, einen beliebigen anderen Erwerber oder eine gemeinnützige Einrichtung zu veräußern bzw. selbst eine Aktiengesellschaft zu gründen. Insbesondere die Tatsache, daß die Produktion – egal durch wen – tatsächlich wieder aufgenommen worden ist, spricht dagegen, daß die Beklagte, die in Ra eigens Räumlichkeiten angemietet und ihren Firmensitz dorthin verlegt hat, von vornherein nur beabsichtigte, das Betriebssubstrat durch eine wahllose Veräußerung der Betriebsmittel an beliebige Erwerber zu zerschlagen.
3. Da die Beklagte spätestens am 30. April 1992 den Betrieb der Gemeinschuldnerin i.S. des § 613 a BGB übernommen hat, war der Kläger vom 1. Mai bis 30. Juni 1992 Arbeitnehmer der Beklagten.
a) Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, daß das Arbeitsverhältnis durch einen weiteren Betriebsübergang zwischen dem 1. Mai und dem 30. Juni 1992 auf die AV übergegangen wäre. Zwar beruft sich die Beklagte pauschal darauf, die AV habe von ihr für die Produktion erforderliche Betriebsmittel übernommen und auch selbst die Produktion aufgenommen. Welche Betriebsmittel dies aber waren und wann dies geschehen sein soll, ist nicht dargelegt. Ob es ggf. vor dem 30. Juni 1992 zu einem weiteren Betriebsübergang auf die AV gekommen ist, ist dem Vorbringen der Beklagten deshalb nicht schlüssig zu entnehmen. Dies ist auch eher fraglich, denn die Beklagte hat nicht einmal vorgetragen, wo anders als in den Geschäftsräumen in Ra die Produktion durch die AV aufgenommen worden sein soll.
b) Auch sonstige Beendigungstatbestände, die einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien bis zum 30. Juni 1992 entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Einen Aufhebungsvertrag hat der Kläger mit dem Konkursverwalter unstreitig nicht abgeschlossen. Auch die vorsorgliche Kündigung des Konkursverwalters ist erst zum 30. Juni 1992 ausgesprochen worden und ging darüber hinaus ins Leere, weil das Arbeitsverhältnis zur Gemeinschuldnerin nicht fortbestand, sondern im Zeitpunkt der Kündigung längst auf die Beklagte übergegangen war.
III. Ebenfalls zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte damit verpflichtet ist, an den Kläger die eingeklagten Gehälter für die Monate Mai und Juni 1992 nebst Zinsen zu zahlen.
1. Wurde der Umzug, wie der Kläger behauptet, noch nach dem Betriebsübergang, nunmehr auf Weisung der Beklagten fortgesetzt und hat die Beklagte nach beendetem Umzug dem Kläger keine Arbeit mehr zugewiesen bzw. ihn ausdrücklich von der Arbeit freigestellt, so ergibt sich der Zahlungsanspruch für die geleistete Tätigkeit aus § 611 BGB und für die Zeit danach aus § 615 BGB, denn die Beklagte geriet in Annahmeverzug, als sie es versäumte, dem leistungsbereiten Kläger für die Zeit nach beendetem Umzug einen Arbeitsplatz zuzuweisen.
2. Sollte der Umzug, wie die Beklagte es darzustellen versucht, schon unter Leitung der Gemeinschuldnerin vor der Betriebsübernahme beendet gewesen sein, so geriet bereits die Gemeinschuldnerin in Annahmeverzug, weil sie es versäumte, dem leistungsbereiten Kläger nach beendetem Umzug und Stillegung ihrer Produktion eine Arbeit zuzuweisen. Die Verzugsfolgen dauern im Fall einer nachfolgenden Betriebsveräußerung beim Erwerber fort (Senatsurteil vom 21. März 1991 – 2 AZR 577/90 – AP Nr. 49 zu § 615 BGB; RGRK-Ascheid, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 137). Da auch die Beklagte dem Kläger bis 30. Juni 1992 keine neue Arbeit zugewiesen hat, befand sie sich im gesamten Zeitraum, für den der Kläger sein Gehalt verlangt, in Annahmeverzug und ist nach § 615 BGB zur Zahlung verpflichtet.
3. Soweit die Beklagte mit der Revision geltend macht, sie habe nicht mit der Möglichkeit gerechnet, daß der Betrieb der Gemeinschuldnerin auf sie übergegangen sei, so ist eine solche fehlende Kenntnis von den Folgen eines tatsächlich vollzogenen Betriebsübergangs für die Haftung nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB unerheblich. Außerdem hat die Gemeinschuldnerin die Beklagte in dem Kaufvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen, daß § 613 a BGB anwendbar sein könnte und die Beklagte hat das entsprechende Risiko ausdrücklich übernommen.
4. Soweit sich die Beklagte ohne nähere Begründung auf Verwirkung der Zahlungsansprüche des Klägers beruft, fehlt es sowohl am erforderlichen Zeitmoment als auch am Umstandsmoment (vgl. dazu grundsätzlich Senatsurteil vom 20. Mai 1988 – 2 AZR 711/87 – AP Nr. 5 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung). Wenn der Kläger bei der unklaren Rechtslage zunächst gegen den Konkursverwalter vorging, durfte die Beklagte daraus nicht den Schluß ziehen, er werde seine berechtigten Gehaltsansprüche bis 30. Juni 1992 nicht mehr geltend machen.
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Dr. Fischermeier, Dr. Bartz, Nielebock
Fundstellen