Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiende Lebensversicherung im Vorruhestand

 

Orientierungssatz

1. Der auf die Vorruhestandsleistung anzurechnende Teil der anrechenbaren Leistungen ist zu ermitteln, indem von sämtlichen Versicherungszeiten diejenigen Versicherungszeiten abgezogen werden, die zu der vorzeitigen Versorgung durch eine befreiende Lebensversicherung führen. Der Versorgungsanspruch beruht auf der Gesamtversicherungszeit; dann muß auch diese zur Rentenberechnung herangezogen werden. Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung bleiben bei dieser Berechnung unberücksichtigt.

2. Auslegung des § 8 des Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe vom 26.9.1984.

 

Normenkette

TVG § 1; VRG § 5; BGB § 362; AFG § 118; GG Art. 3 Abs. 1; VRG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.07.1987; Aktenzeichen 12 Sa 1179/86)

ArbG Duisburg (Entscheidung vom 24.06.1986; Aktenzeichen 1 Ca 2341/85)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Vorruhestandsleistungen.

Der am 15. Dezember 1922 geborene Kläger trat im Jahre 1938 in das Erwerbsleben. Er war zunächst in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und seit dem 26. Januar 1950 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte pflichtversichert. Vom 5. März 1951 bis 15. April 1972 war er bei der S Bauunternehmung in D als Oberbauleiter und Prokurist beschäftigt. Bereits im Jahre 1961 überstiegen seine Bezüge die Pflichtversicherungsgrenze. Mit Wirkung vom 1. Januar 1968 wurde er auf seinen Antrag nach Art. 2 § 1 AnVNG von der Versicherungspflicht befreit. Er schloß darauf bei dem Gerling-Konzern eine Lebensversicherung ab. Gleichwohl erbrachte er auch in der Folgezeit noch freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Am 15. April 1972 trat er als Bauingenieur und Produktionsleiter in die Dienste der Beklagten. Er verdiente zuletzt 5.485,-- DM.

Am 27. September 1984 beantragte der Kläger seine Versetzung in den Vorruhestand mit Wirkung vom 1. Januar 1985. Diesem Antrag gab die Beklagte statt. Seit dem 1. Januar 1985 bezog der Kläger ein Vorruhestandsgeld in Höhe von 4.050,-- DM. Aus der befreienden Lebensversicherung hatte er bereits am 1. Januar 1983 einen Betrag in Höhe von 113.576,90 DM erhalten.

Die Beklagte beantragte im Januar 1985 bei der Streitverkündeten die Erstattung des Vorruhestandsgeldes. Mit einem Vorbescheid vom 20. März 1985 teilte die Streitverkündete der Beklagten zunächst mit, daß der Kläger die Voraussetzungen des Vorruhestands erfülle und sie im Rahmen der einschlägigen tariflichen Bestimmungen Vorruhestandsgeld zahlen könne. Dagegen lehnte die Streitverkündete mit einem Bescheid vom 30. Juli 1985 die Erstattung des Vorruhestandsgelds ab, weil der Kläger eine dem Altersruhegeld in der gesetzlichen Rentenversicherung gleichgestellte Versorgung in Anspruch genommen habe. Die Versorgung aus der befreienden Lebensversicherung stelle nach dem Dienstblatt-Runderlaß der Bundesanstalt für Arbeit Nr. 82/85 vom 14. Juni 1985 die Hauptversorgung dar. Der Kläger habe 133 Monate Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, 205 Monate Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung und 180 Monate Beiträge zur befreienden Lebensversicherung gezahlt. Darauf stellte die Beklagte die Zahlung von Vorruhestandsgeld ein. Nachdem der Kläger erfolglos seine Arbeitsleistung angeboten hatte, bezieht er seit dem 2. August 1985 ein wöchentliches Arbeitslosengeld von 512,40 DM. Die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit betrugen bis zum 31. Dezember 1985 insgesamt 11.102,-- DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, weiter Vorruhestandsgeld zu zahlen. Für die Zeit vom 1. August 1985 bis 31. Dezember 1985 verlange er 20.250,-- DM. Sofern dagegen die Beklagte nicht verpflichtet sei, ihm Vorruhestandsgeld zu zahlen, habe er sich noch in einem Arbeitsverhältnis befunden. Wegen des Annahmeverzugs müsse sie seine Gehaltsbezüge in Höhe von 27.425,-- DM zahlen. Auf die Zahlungsansprüche lasse er sich das gezahlte Arbeitslosengeld anrechnen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Vor-

ruhestandsgeld in Höhe von 20.250,-- DM

brutto abzüglich eines vom Arbeitsamt ge-

zahlten Betrags in Höhe von 11.102,- DM

zu zahlen;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger 27.425,-- DM brutto zu zah-

len.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, einen über die tariflichen Regelungen hinausgehenden Vorruhestandsvertrag mit dem Kläger geschlossen zu haben. Nach der bestehenden Tarifregelung sei jedoch der Anspruch des Klägers auf Vorruhestandsgeld erloschen. Mit der Versetzung in den Vorruhestand sei das Arbeitsverhältnis beendet worden, so daß der Kläger auch kein Gehalt beziehen könne.

Die Streitverkündete hat sich auf seiten der Beklagten dem Rechtsstreit angeschlossen. Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, daß dem Kläger kein Vorruhestandsgeld zustehe, weil er die Leistungen der befreienden Lebensversicherung in Anspruch genommen habe. Aufgrund des Vorbescheids sei die Beklagte nicht zur Leistung verpflichtet; insoweit könne der Kläger nicht einmal Schadenersatz verlangen, weil er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits im Vorruhestand gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag des Klägers abgewiesen und die Beklagte auf den hilfsweise gestellten Antrag zur Zahlung verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht auch den Hilfsantrag abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision, mit der er seinen Haupt- und Hilfsantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur zum Teil begründet. Der Kläger kann von der Beklagten anteilige Vorruhestandsleistungen für die Zeit vom 1. August 1985 bis 31. Dezember 1985 verlangen.

I. Die Klage, mit der der Kläger Zahlung von Vorruhestandsgeld begehrt, ist zulässig. Der Antrag ist bestimmt genug (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZP0). Ein Arbeitnehmer, der Lohnansprüche oder sonstige Ansprüche für einen Zeitraum geltend macht, für den er Arbeitslosengeld erhalten hat, muß in der Zahlungsklage die ihm zustehende Forderung beziffern. Es reicht aus, den Bruttobetrag zu fordern abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes, wenn auch diese Leistung beziffert wird. Denn dann ist die Klageforderung hinreichend bestimmt (BAG Urteil vom 15. November 1978 - 5 AZR 199/77 - AP Nr. 14 zu § 613 a BGB, zu I 1 der Gründe). Auch die Zeiträume, für die die einzelnen Beträge gefordert werden, müssen genannt werden. Sie ergeben sich im vorliegenden Fall zwar nicht unmittelbar aus dem Antrag selbst, wohl aber mit hinreichender Gewißheit aus der Begründung der Forderungen.

II. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vorruhestandsleistungen für die Zeit vom 1. August 1985 bis zum 31. Dezember 1985.

Ein Anspruch auf Vorruhestandsgeld entsteht, wenn der Arbeitnehmer 58 Jahre alt ist, persönlich bestimmte Wartezeiten erfüllt hat, innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens 1.080 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat und dem Betrieb unmittelbar vor Beginn des Vorruhestandes ununterbrochen mindestens 12 Monate als vom Geltungsbereich des Vorruhestandstarifvertrages erfaßter Arbeitnehmer angehört hat (§ 2 Abs. 2 VRTV-Bau).

Der am 15. Dezember 1922 geborene Kläger war am 1. Januar 1985 bereits 62 Jahre alt. Er war seit dem 15. April 1972 bei der Beklagten beschäftigt. Er hatte damit die 10jährige Wartezeit erfüllt. Während der Dauer seiner Beschäftigung war er zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig und gehörte seit mehr als einem Jahr als Bauingenieur und Produktionsleiter dem Unternehmen seines Arbeitgebers an.

III. Der Anspruch des Klägers auf Vorruhestandsleistungen ist nur zum Teil entstanden, da der Kläger ab 1. Januar 1983 bereits Versorgungsleistungen bezogen hat.

1. Der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen erlischt mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder eine andere der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Abs. 2 VRG genannten Leistungen beanspruchen kann (§ 8 Abs. 1 VRTV-Bau). Liegt der Tatbestand, der zum Erlöschen des Anspruchs führt, vor dem Beginn des Vorruhestandes, können Ansprüche nicht entstehen.

a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VRG erlischt der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen, wenn der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld, Knappschaftsausgleichsleistungen oder sonstige Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann. Aus der gesetzlichen Sozialversicherung kann der Kläger nach Auskunft der BfA vorgezogenes Altersruhegeld wegen Erreichens des 63. Lebensjahres beziehen. Er erfüllte die Rahmenfrist von 35 Jahren (§ 25 Abs. 1, 7 Satz 1 AVG; § 1248 RV0). Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlischt mithin vollständig am 31. Dezember 1985. Im Dezember 1985 wurde der Kläger 63 Jahre alt.

b) Den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VRG bezeichneten Leistungen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsleistungen führen, stehen vergleichbare Leistungen einer Versicherung oder Versorgungseinrichtung oder eines Versorgungsunternehmens gleich, wenn der Arbeitnehmer in der vorhergehenden Beschäftigung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit war (§ 2 Abs. 2 VRG).

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1968 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war, da sein Einkommen die Versicherungspflichtgrenze überschritt und er seine Freistellung beantragt hatte (Art. 2 § 1 AnVNG).

Der Kläger hat am 1. Januar 1983 eine dem vorgezogenen Altersruhegeld vergleichbare Leistung von einem privaten Versicherungsunternehmen bezogen. Die von dem Versicherungsunternehmen bezogenen Leistungen müssen den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VRG genannten vergleichbar sein. Es muß sich um Leistungen handeln, die nach ihrem Zweck bei Eintritt eines Versorgungsfalles wie die gesetzliche Rente zur Sicherung des Lebensunterhalts dient. Dagegen kommt es auf die Zahlungsform nicht an; es ist unerheblich, ob die Leistungen als Kapital oder Rente gezahlt werden.

Der Vergleichbarkeit der Leistung steht nicht entgegen, daß die Kapitallebensversicherung bereits mit dem 60. Lebensjahr ausgezahlt wurde. Zwar ist dieses Alter im Vergleich zur regelmäßigen Altersgrenze für Männer in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgezogen. Doch können auch in der gesetzlichen Rentenversicherung Arbeitslose und Schwerbehinderte Altersruhegeld mit 60 Jahren erhalten. Dann steht es aber einer Partei frei, bei ihrer Lebensplanung zumindest auf dieses Lebensalter abzustellen. Die Vergleichbarkeit kann auch nicht damit in Abrede gestellt werden, daß nach dem Zweck des Gesetzes eine ersetzende Lebensversicherung nur deswegen einer gesetzlichen Sozialversicherungsrente gleichgestellt ist, um die nach den verschiedenen Versorgungssystemen Versorgungsberechtigten nicht ungleich zu behandeln. Unterschiedliche Altersgrenzen in der Versorgungsplanung eines Versicherten stehen einem Vergleich der von den verschiedenen Versicherungsträgern gezahlten Leistungen nicht entgegen. Die Altersgrenze berührt nur die Entstehung des Anspruchs.

2. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld ist jedoch nur zum Teil erloschen.

a) Die gesamte Versorgung des Klägers besteht aus einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die er mit Erreichen des 63. Lebensjahres beanspruchen kann (§ 25 Abs. 1 AVG; § 1248 Abs. 1 RV0) und der Kapitalzahlung aus der ersetzenden Lebensversicherung, die er im Januar 1983 nach Erreichen des 60. Lebensjahres bezogen hat.

Aus dem Wortlaut von § 8 VRTV-Bau ergibt sich nicht unmittelbar, ob der Anspruch in vollem Umfang erlischt, wenn der Vorruheständler sowohl die eine als auch die andere Versorgungsleistung erhält. Dasselbe gilt auch für den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers auf Vorruhestandsgeld gegen die Bundesanstalt für Arbeit (§ 2 Abs. 1 VRG). Im Schrifttum wird zum Teil angenommen, daß § 2 Abs. 1 Nr. 1 b und § 5 VRG bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch erlöschen soll, eine Regelungslücke enthält (vgl. Schenke in Andresen/Barton/Kuhn/Schenke, VRG, Stand 1. Februar 1987, Teil 6 Rz 24; Grüner/Dalichau, VRG, Stand 1. September 1988, § 2 Anm. III 5). Jedenfalls sind zum Anspruch des Arbeitgebers gegen die Bundesanstalt für Arbeit auf Erstattung von Vorruhestandsgeld verschiedene Versuche unternommen werden, den Erlöschenstatbestand näher zu bestimmen.

b) Die Bundesanstalt für Arbeit hat in einem Dienstblatt-Runderlaß vom 14. Juni 1985 (82/85) den Erlöschenstatbestand eines Erstattungsanspruchs wie folgt bestimmt:

...

3.1 Ist ein sog. befreiender Lebensversicherungsver-

trag auf ein vor dem 65. Lebensjahr liegendes

Endalter abgeschlossen (z.B. 62. oder 63. Le-

bensjahr) oder wird ein solcher Versicherungs-

vertrag vor seiner Fälligkeit in Anspruch genom-

men, so endet der Anspruch auf Zuschuß zu den

Vorruhestandsleistungen und der auf Vog gem. § 9

mit der Fälligkeit des Versicherungsvertrages bzw.

der tatsächlichen Inanspruchnahme, wenn die Ver-

sicherung zugleich die Hauptversorgung darstellt.

Das ist der Fall, wenn die zeitliche Dauer des

Versicherungsvertrages bis zu der tatsächlichen

oder zumutbaren Inanspruchnahme länger ist als

die Zeit des Bestehens einer beitragspflichtigen

Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversi-

cherung (ohne Ausfall- und Ersatzzeiten). Der er-

ste Wert ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag,

der zweite aus der Auskunft des gesetzlichen Ver-

sicherungsträgers über die Rentenanwartschaft

(§ 104 AVG). Wird die Hauptversorgung durch die

Inanspruchnahme der Versicherung nicht gewährlei-

stet, besteht der Anspruch auf Zuschuß zu den Vor-

ruhestandsleistungen und der auf Vog längstens bis

zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

c) Dieser Rechtsauffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Der Erlaß hat als Verwaltungsanordnung keine die Gerichte oder die Bürger bindende Wirkung. Er ist nicht im Rahmen der der Bundesanstalt für Arbeit zugewiesenen Selbstverwaltungsaufgaben ergangen. Die Auslegung von Gesetzen und Tarifnormen ist jedenfalls für Dritte nicht verbindlich.

Aus dem VRG und dem VRTV-Bau lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte gewinnen, daß der gesamte Anspruch auf Vorruhestandsgeld bzw. der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Bundesanstalt für Arbeit erlischt, wenn der Vorruheständler nur einen Teil seiner Altersversorgung erhält. Es mag sein, daß § 8 VRTV-Bau (Erlöschen und Ruhen des Anspruchs eines Arbeitnehmers) in enger Anlehnung an § 5 VRG (Erlöschen und Unterbrechung des Anspruchs auf Erstattung der Arbeitgeberleistung gegen die Bundesanstalt für Arbeit) formuliert worden ist und daß § 5 VRG seinerseits an § 118 AFG (Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld) angelehnt worden ist. Das Bundessozialgericht mag auch bei ausländischen öffentlichen Teilrenten von einem Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ausgegangen sein (BSGE 43, 26). Hieraus ist aber nichts für die Auslegung von § 5 VRG und die sich daran anschließenden Tarifverträge abzuleiten. Die zu § 118 AFG ergangene Rechtsprechung hat ihren Rechtsgrund darin, daß Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht zum Ausgleich anderer Rentensysteme dienen sollen (BAG Urteil vom 17. Mai 1988 - 3 AZR 419/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 3 b der Gründe).

Die Aufteilung der Altersversorgung in eine Haupt- und Nebenversorgung mit der Wirkung, daß der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Vorruhestandsgeld im Falle der Hauptversorgung in vollem Umfang erlischt, verstößt gegen allgemeine Grundsätze des Zivil- und Arbeitsrechts und gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger erbracht wird. Wird nur eine Teilleistung erbracht, kann das Schuldverhältnis nur teilweise erlöschen. Dieser Grundgedanke ist auch auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung anzuwenden.

Der Gleichheitssatz gebietet eine Regelung, die Ungleiches ungleich, aber Gleiches im wesentlichen gleich behandelt (vgl. zur Bindung des Gesetzgebers BVerfGE 3, 58, 135; 42, 64, 72; 71, 255, 271).

Ob und in welchem Umfang ein Versorgungsberechtigter einen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einen Anspruch aus der befreienden Lebensversicherung - gemessen an den Versicherungszeiten - hat, hängt sehr von Zufälligkeiten ab, die nicht zum Maßstab einer Regelung genommen werden können.

Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlischt mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer Leistungen der vorgezogenen Altersversorgung bezieht oder beziehen kann. Durch § 8 Abs. 1 VRTV-Bau wird gewährleistet, daß der Arbeitgeber nur dann und nur insoweit und solange Vorruhestandsleistungen zu erbringen hat, wie der Lebensbedarf des Arbeitnehmers nicht durch Ruhestandsleistungen gedeckt wird. Werden die Leistungen der Altersversorgung erst zum Teil erbracht, erlöschen auch die Vorruhestandsleistungen nur zum Teil. Eine Teilaltersrente kann nicht mit einer Vollrente gleichgesetzt werden. Bei einer Gleichsetzung würden Arbeitnehmer benachteiligt, die längere Versicherungszeiten in dem Versorgungsteil aufweisen, der zuerst fällig wird. Die Arbeitnehmer mit kürzeren Versicherungszeiten würden dagegen ungerechtfertigt doppelt versorgt. Nur bei der Teilverrechnung der Versorgungs- und Vorruhestandsleistungen wird der von den Tarifvertragsparteien übernommene Zweck des Vorruhestandes gefördert, den Arbeits- und Stellenmarkt durch vorzeitige Pensionierung zu verbreitern, andererseits aber auch die Wirtschaft nicht unangemessen zu belasten. Nur bei einer teilweisen Verrechnung kann sich ein Gesamtausgleich der Aufwendungen ergeben.

Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt, wenn es dem Kläger Ansprüche auf Vorruhestandsgeld wegen des Bezuges der befreienden Lebensversicherung abgesprochen hat.

d) Der Einwand der Beklagten, nach dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften über das Vorruhestandsgeld und dem Erstattungsanspruch gegen die Bundesanstalt für Arbeit sei eine Aufteilung nach Teilleistungen ausgeschlossen, ist nicht begründet. Zwar kommt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 a VRG ein Anspruch auf Erstattung von Vorruhestandsgeld nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer mindestens 65 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne von § 3 Abs. 2 VRG zahlt. Doch verkennt die Beklagte, daß diese Bestimmung nur eine ausreichende Mindestversorgung des Arbeitnehmers sicherstellen will. Wenn im Falle von Teilleistungen der Anspruch auf Vorruhestandsgeld teilweise erfüllt wird, führt dies gleichzeitig dazu, daß der Erstattungsbetrag von dem Rest zu berechnen ist. Nichts anderes gilt auch für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 165 Abs. 2 RV0).

3. Zur Ermittlung des Umfanges, in dem Ruhegeldleistungen auf das Vorruhestandsgeld angerechnet werden, ist allein von den zurückgelegten Versicherungszeiten auszugehen. Das sind die Zeiten, für die der Arbeitnehmer Beiträge zu einer befreienden Lebensversicherung gezahlt hat.

a) Maßgebend sind die Zeiten, für die Beiträge zur befreienden Lebensversicherung gezahlt werden. Richtig ist allerdings, daß die Höhe einer Rente nicht allein von der Dauer der Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in einer befreienden Lebensversicherung abhängt. Für die Berechnung der Leistungen im Vorruhestand kann es aber nicht darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer eine zweckmäßige oder unzureichende Versicherung abgeschlossen hat.

b) Der auf die Vorruhestandsleistung anzurechnende Teil der anrechenbaren Leistungen ist zu ermitteln, indem von sämtlichen Versicherungszeiten diejenigen Versicherungszeiten abgezogen werden, die zu der vorzeitigen Versorgung durch eine befreiende Lebensversicherung führen. Der Versorgungsanspruch beruht auf der Gesamtversicherungszeit; dann muß auch diese zur Rentenberechnung herangezogen werden. Die Altersversorgung des Klägers beruht auf 43,339 Versicherungsjahren. Für 15 Jahre hat er Beiträge zur befreienden Lebensversicherung entrichtet, so daß die Vorruhestandsleistungen um 15/43,339 zu kürzen sind.

c) Der Umstand, daß der Kläger neben seinen Beitragszahlungen zur befreienden Lebensversicherung auch Beiträge zur Weiterversicherung erbracht hat, bleibt bei dieser Berechnung unberücksichtigt. Das rechtfertigt sich daraus, daß dieselben Versicherungszeiten nicht zweimal leistungsmindernd berücksichtigt werden dürfen.

d) Damit ergibt sich folgende Berechnung der Klageforderung: Das Vorruhestandsgeld beträgt für den Anspruchszeitraum 20.250,-- DM. Werden hiervon 15/43,339 = 0,346 % abgezogen, beträgt die Restforderung 13.243,50 DM. Davon ist das Arbeitslosengeld abzuziehen.

e) Dieser Anspruch ist nicht deswegen erloschen, weil der Kläger vertragswidrig Arbeitslosengeld bezogen hat. Insoweit hat die Beklagte keine Erklärungen zur Beendigung des Vorruhestandsvertrages abgegeben (BAG Urteil vom 17. Mai 1988 - 3 AZR 419/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III der Gründe).

IV. Die Beklagte braucht nicht deshalb höhere Leistungen zu erbringen, weil sie einen über den Tarifvertrag hinausgehenden Vorruhestandsvertrag abgeschlossen hat oder weil in einem Vorbescheid der Zusatzversorgungskasse die Voraussetzungen des Vorruhestandes bejaht worden sind.

1. Die Beklagte hat den Vorruhestandsvertrag mit dem Kläger auf den Mustern und entsprechend den Vordrucken der Zusatzversorgungskasse abgeschlossen. Es bestehen daher keine Anhaltspunkte für eine Auslegung, daß die Beklagte Verpflichtungen eingehen wollte, die über die tariflich und gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungen hinausgehen.

2. Der Vorbescheid enthält kein Schuldanerkenntnis gegenüber dem Kläger (§ 781 BGB). Nach § 6 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe (TV-Vorruhestandsverfahren) vom 12. Dezember 1984 hat die Beklagte dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, ob ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach besteht (Vorbescheid), wenn die Wartezeitvoraussetzungen bis zum Ablauf des Tages von dem beantragten Beginn des Vorruhestands erfüllt sein können. Der Vorbescheid ergeht unter dem Vorbehalt, daß die Wartezeiten des § 2 Abs. 2 VRTV-Bau bis zum Beginn des Vorruhestandes erfüllt werden. Von diesem Vorbescheid erhält der Arbeitnehmer eine Kopie (§ 6 Abs. 4 TV-Vorruhestandsverfahren). Da die Beklagte weder den Vorbescheid abgibt noch der Arbeitnehmer Adressat des Vorbescheids ist, kann ein Schuldanerkenntnis ihm gegenüber nicht angenommen werden. Überdies werden nach dem Wortlaut des Vorbescheids nur die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 VRTV-Bau geprüft, dagegen nicht die Erlöschensvoraussetzungen, so daß ein Schuldanerkenntnis in jedem Fall ausscheidet.

V. Über den Hilfsantrag des Klägers brauchte der Senat nicht zu entscheiden, da er nur für den Fall gestellt war, daß der Anspruch des Klägers auf Vorruhestandsgeld in vollem Umfang abgewiesen würde.

Dr. Heither Schaub Griebeling

Kunze Dr. Reinfeld

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438763

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