Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflich dynamisierte Betriebsrente. Tariflohnerhöhung. Parallelverfahren zu – 3 AZR 327/00 -
Normenkette
BetrAVG § 1 Berechnung, § 16; TVG § 1 Tarifauslegung; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; Ersatzkassentarifvertrag (EKT) Anlage 7a Nr. 14; Ergänzungstarifverträge Nrn. 3, 4 zum EKT
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifvertraglich geregelte Anpassung der Betriebsrente des Klägers.
Er war von 1975 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1995 beim Beklagten beschäftigt. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist für die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) maßgebend. Die Alters- und Hinterbliebenenversorgung ist in der Anlage 7a zum EKT geregelt. Nach Nr. 9 dieser Anlage steht den Arbeitnehmern nach erfüllter Wartezeit ein “Gesamtruhegeld” zu. Es beläuft sich je nach Beschäftigungszeit auf mindestens 35 % bis höchstens 75 % des ruhegeldfähigen Gehalts. Der Kläger hatte den höchstmöglichen Prozentsatz erreicht. Nach Nr. 10 Ziff. 1 der Anlage 7a zum EKT gilt das in § 11 EKT aufgeführte Bruttogehalt als ruhegeldfähiges Gehalt. Das monatliche Gehalt besteht nach § 11 Abs. 1 EKT aus der “Grundvergütung (§ 12)” und dem “Ortszuschlag (§ 13)”.
Auf das Gesamtruhegeld des Klägers sind nach Nr. 11 der Anlage 7a zum EKT sowohl die Sozialversicherungsrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als auch die VBL-Rente anzurechnen. Ändern sich die anzurechnenden Versorgungsbezüge, so ist nach Nr. 11 Ziff. 2 der Anlage 7a zum EKT die dem Kläger zustehende Betriebsrente neu zu berechnen. Außerdem enthält Nr. 14 der Anlage 7a zum EKT folgende Anpassungsbestimmung:
“Ändern sich die Grundvergütungen der Angestellten, ändert sich das ruhegeldfähige Gehalt (Nr. 10) entsprechend.
Ändern sich die Ortsklassen oder die Ortsklassenzuschläge des letzten dienstlichen Wohnsitzes durch Tarifvertrag, ändert sich das ruhegeldfähige Gehalt entsprechend.”
Seit dem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1995 erhält der Kläger im Rahmen der Gesamtversorgung ergänzend zu der Sozialversicherungsrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der VBL-Rente von der Beklagten die als Ruhegeldzuschuß bezeichnete Betriebsrente.
In dem am 26. August 1996 geschlossenen Ergänzungstarifvertrag Nr. 3 zum EKT (ErgTV Nr. 3 zum EKT) wurde folgendes vereinbart:
“A
Tarifvertrag über eine Einmalzahlung
Anspruchsvoraussetzungen
…Angestellte gem. § 1 EKT, die am 01.10.1996 nicht bis zum Eintritt des Versicherungs- oder Versorgungsfalles beurlaubt sind und deren Beschäftigungsverhältnis auch nicht ruht, erhalten eine weder ruhegehalts- noch gesamtversorgungsfähige Einmalzahlung.
Höhe
- …
- Die Einmalzahlung beträgt für Angestellte 1.170,00 DM.
- …
B
…
§ 1
Die Gehaltstabellen I und II werden mit Wirkung ab dem 01.01.1998 durch die entsprechenden Anlagen 1 und 2 dieses Ergänzungstarifvertrages ersetzt. Die Steigerungsbeträge werden ab 01.01.1998 auf die in der Anlage 2 aufgeführten Beträge erhöht. Die Aufrückungszulagen werden ebenfalls ab 01.01.1998 auf die in der Anlage 2 aufgeführten Beträge erhöht.
§ 2
Für Angestellte, die am 01.01.1998 im Dienst stehen und vor dem 01.01.1998 noch nicht das 20. Lebensjahr vollendet haben, ergeben sich mit Wirkung ab dem 01.01.1998 die Grundvergütungen aus der neuen Gehaltstabelle I (Anlage 1). Angestellte, die im Januar 1998 das 20. Lebensjahr vollenden, erhalten die Anfangsgrundvergütung der neuen Gehaltstabelle II (Anlage 2).
§ 3
Angestellte, die am 01.01.1998 im Dienst stehen und vor dem 01.01.1998 die Höchstgrundvergütung bereits erreicht haben, erhalten mit Wirkung ab dem 01.01.1998 die Höchstgrundvergütung der neuen Gehaltstabelle II (Anlage 2).
§ 4
Die vorstehenden Regelungen stellen keine (allgemeinen tariflichen) Änderungen der Grundvergütungen im Sinne des EKT und seiner Anlagen dar.
…”
Der am 1. Februar 1998 in Kraft getretene Ergänzungstarifvertrag Nr. 4 zum EKT (ErgTV Nr. 4 zum EKT) enthält folgende Vereinbarungen:
“I.
§ 1
- Für Angestellte, die am 1. Mai 1998 im Dienst stehen und vor dem 1. Mai 1998 das 20. Lebensjahr vollendet haben, werden ab 1. Mai 1998 die bisherigen Grundvergütungen um 1,5 v.H. erhöht (Angleichungsbeträge gem. Anlage 1), soweit in Absatz 2 nichts anderes bestimmt ist.
- Für Angestellte nach Absatz 1, deren Grundvergütungen sich in mindestens einem der Monate Januar 1998 bis April 1998 nach der bisherigen Gehaltstabelle II gerichtet haben, werden abweichend von Absatz 1 ab 1. Mai 1998 die bisherigen Grundvergütungen um 0,9 v.H. erhöht (Angleichungsbeträge gem. Anlage 1a).
- Für Angestellte, die am 1. Mai 1998 im Dienst stehen und vor dem 1. Mai 1998 noch nicht das 20. Lebensjahr vollendet haben, ergeben sich die neuen Grundvergütungen aus der Tabelle I (Anlage 2).
§ 2
Die Gehaltstabellen I und II werden durch die entsprechenden Anlagen 2 und 3 dieses Ergänzungstarifvertrages ersetzt.
…
§ 10
- Die Erhöhung der Grundvergütungen in § 1 Absatz 1 stellt die (allgemeinen tariflichen) Änderungen der Grundvergütungen im Sinne des EKT und seiner Anlagen dar.
- Für Anspruchsberechtigte der Anlage 7a zum EKT, deren Beschäftigungsverhältnis wegen Eintritts des Versorgungsfalles nach dem 31. Dezember 1997 und vor dem 1. Mai 1998 geendet hat und die als Angestellte die Höchstgrundvergütung bereits erreicht hatten, stellt abweichend von Absatz 1 die Erhöhung der Grundvergütungen in § 1 Absatz 2 die (allgemeinen tariflichen) Änderungen der Grundvergütungen für die Anpassung des Gesamtruhegeldes dar.
II.
§ 1
Angestellten in den neuen und alten Bundesländern, deren Grundvergütung sich von Januar bis April 1998 nicht nach den bisherigen Gehaltstabellen I und II gerichtet hat, wird für die Monate Februar, März und April 1998 ein nicht ruhegehalts bzw. gesamtversorgungsfähiger Pauschalbetrag von jeweils 50,00 DM gezahlt. Hat sich dagegen außer im Januar 1998 die Grundvergütung des Angestellten auch im Februar 1998 oder im Februar und März 1998 nicht nach den bisherigen Gehaltstabellen I und II gerichtet, steht der Pauschalbetrag nur für Februar 1998 oder Februar und März 1998 zu. …”
Bis zum 30. April 1998 erhielt der Kläger einen monatlichen Ruhegeldzuschuß in Höhe von 4.191,29 DM (= 7.729,50 DM abzüglich der anrechenbaren Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 3.538,21 DM). Eine Anpassung zum 1. Januar 1998 unterblieb. Zum 1. Mai 1998 erhöhte der Beklagte den monatlichen Ruhegeldzuschuß auf 4.306,04 DM. Da der Beklagte ausgehend von Teil I § 1 Abs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 ErgTV Nr. 4 zum EKT eine um 1,5 % höhere Grundvergütung zugrunde legte, stieg das monatliche Gesamtruhegeld auf 7.844,25 DM. Davon zog er die anderweitigen Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich insgesamt 3.538,21 DM ab. Seit dem 1. Juli 1998 erhielt der Kläger bei gleichbleibendem Gesamtruhegeld wegen des Anstiegs der anzurechnenden Sozialversicherungsrente einen monatlichen Ruhegeldzuschuß von 4.292,42 DM. Seit dem 1. Juli 1999 zahlte der Beklagte wegen der Anhebung der Grundvergütung um 3 % durch den ErgTV Nr. 9 zum EKT unter Berücksichtigung der Erhöhung der anrechenbaren Versorgungsbezüge einen monatlichen Rentenzuschuß von 4.484,91 DM.
Der Kläger hat eine Anhebung der für seine Gesamtversorgung maßgeblichen Grundvergütung um 1,3 % ab 1. Januar 1998 und um weitere 0,9 % ab 1. Mai 1998 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Erhöhung der Werte in der ab 1. Januar 1998 gültigen Gehaltstabelle durch den ErgTV Nr. 3 zum EKT sei eine Änderung der Grundvergütungen der Angestellten im Sinne der Nr. 14 Anlage 7a zum EKT. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der tarifvertraglichen Anpassungsvorschrift, dem Sinn und Zweck der neuen Gehaltstabellen und der Entstehungsgeschichte des ErgTV Nr. 3 zum EKT. Auf die davon abweichenden formalen Erklärungen in Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT und Teil I § 10 Abs. 1 ErgTV Nr. 4 zum EKT komme es nicht an. Im übrigen verstoße die Schlechterstellung der vor dem 1. Januar 1998 in Ruhestand getretenen Betriebsrentnern gegenüber den aktiven Arbeitnehmern und den nach dem 31. Dezember 1997 ausgeschiedenen Betriebsrentnern gegen den Gleichheitssatz. Sachliche Gründe für eine derartige Benachteiligung gebe es nicht. Der Kläger hat auf Grund der von ihm vertretenen Auslegung für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 30. April 1998 eine monatliche Gesamtversorgung von 7.829,25 DM errechnet. Da der Beklagte nur eine Gesamtversorgung von 7.729,50 DM zugrunde gelegt habe, müsse er für die Monate Januar bis April 1998 jeweils 99,75 DM nachzahlen. Ab 1. Mai 1998 habe sich die dem Kläger zustehende Gesamtversorgung auf 7.899,00 DM erhöht. Der Beklagte sei jedoch nur von einer Gesamtversorgung von 7.844,25 DM ausgegangen. Dies ergebe ab 1. Mai 1998 einen monatlichen Differenzbetrag von 54,75 DM.
Der Kläger hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
- an den Kläger für die Monate Januar 1998 bis einschließlich Juni 1999 1.165,50 DM brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen aus jeweils 99,75 DM zum 15. eines jeden Monats, beginnend mit dem 15. Februar 1998 bis zum 15. Mai 1998 und sodann jeweils zum 15. eines Monats 4 % aus 54,75 DM, beginnend mit dem 15. Mai 1998,
- an den Kläger jeweils monatlich, beginnend mit dem Monat Juli 1999, über den Ruhegehaltszuschuß von 4.484,91 DM brutto hinaus weitere 54,75 DM brutto monatlich zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, dem Kläger stehe nur die ihm gewährte Betriebsrente zu.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision möchte der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann keine höhere Betriebsrente verlangen. Der Beklagte hat die maßgeblichen tarifvertraglichen Vorschriften richtig angewandt.
1. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien sind die Vorschriften des EKT in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Im Betriebsrentenrecht sind dynamische Verweisungen die Regel (vgl. ua. BAG 16. August 1988 – 3 AZR 61/87 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 8 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 2, zu 2b der Gründe; 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3, zu B I der Gründe). Für eine statische Verweisung gibt es im vorliegenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch nicht auf Nr. 14 Anlage 7a zum EKT stützen. Nach dieser Regelung ist das ruhegeldfähige Gehalt nur dann anzupassen, wenn sich die “Grundvergütungen der Angestellten ändern”. Nach Teil A Nr. 1 und 2 ErgTV Nr. 3 zum EKT vom 26. August 1996 erhielten die Angestellten eine “weder ruhegehalts- noch gesamtversorgungsfähige Einmalzahlung” in Höhe von 1.170,00 DM. Außerdem wurden mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998 durch Teil B § 1 ErgTV Nr. 3 zum EKT die bisherigen Gehaltstabellen I und II durch neue ersetzt und sowohl die Steigerungsbeträge als auch die Aufrückungszulagen erhöht. Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT bestimmt, daß diese Regelungen “keine (allgemeinen tariflichen) Änderungen der Grundvergütungen im Sinne des EKT und seiner Anlagen” darstellen. Diese Vorschrift enthält eine Klarstellung zu Nr. 14 Anlage 7a zum EKT. Selbst wenn die bisher vorgesehene Betriebsrentenerhöhung eingeschränkt worden wäre, würde es sich um eine wirksame Änderung handeln.
a) Für eine authentische Interpretation tarifvertraglicher Regelungen durch spätere Tarifverträge reicht es aus, daß sich die Interpretation – wie im vorliegenden Fall – mit dem Wortlaut, der Systematik und dem sich daraus ergebenden Regelungszweck der angesprochenen Vorschriften in Einklang bringen läßt.
aa) Die Anpassungsvorschrift der Nr. 14 Satz 1 Anlage 7a zum EKT stellt auf die Entwicklung der “Grundvergütungen der Angestellten” ab. Die Verwendung der Mehrzahl und das Fehlen individueller Anknüpfungspunkte deuten darauf hin, daß es nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles, sondern auf eine Änderung der Grundvergütungen aller Angestellten ankommen soll. Für eine derartige Auslegung spricht auch, daß Nr. 14 Anlage 7a zum EKT nur bei den Ortsklassen eine individualisierte Betrachtung vorschreibt. Nach Satz 2 der Anpassungsvorschrift genügt es, daß sich “die Ortsklassenzuschläge des letzten dienstlichen Wohnsitzes durch Tarifvertrag ändern”. Dagegen stellt Satz 1 seinem Wortlaut nach nicht auf die individuellen Verhältnisse, sondern auf die generelle Entwicklung der Grundvergütungen ab. Für ein derartiges Anpassungsmodell gibt es auch einleuchtende Gründe. Eine vom Einzelfall losgelöste Anpassung der Betriebsrenten mit einem einheitlichen Anpassungssatz ist leichter zu handhaben und verringert den Verwaltungsaufwand. Praktikabilitätserwägungen können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterstützend zur Tarifauslegung herangezogen werden (vgl. ua. BAG 25. Oktober 1995 – 4 AZR 478/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 57 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 116, zu I 1c aa der Gründe; 16. Mai 1995 – 3 AZR 395/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 10 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 29, zu I 1 der Gründe jew. mwN).
bb) Der Sinn und Zweck der in Nr. 14 Anlage 7a zum EKT enthaltenen Anpassungsregelung steht der authentischen Interpretation des Teils B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT nicht entgegen. Ohne die tarifvertragliche Regelung wären die Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG anzupassen. Stattdessen haben sich die Tarifvertragsparteien für eine Dynamisierung der Gesamtversorgung entschieden, die sowohl der Entwicklung der anzurechnenden Versorgungsbezüge (vgl. Nr. 11 Anlage 7a zum EKT) als auch der tariflichen Gehaltsentwicklung Rechnung trägt. Ob sich die Tarifgehälter generell oder bezogen auf die konkrete, vom Versorgungsberechtigten zuletzt bezogene Vergütung verändern müssen, ist eine tarifpolitische Entscheidung, die dem Wortlaut und der Systematik des Tarifvertrages zu entnehmen ist. Nr. 14 Anlage 7a zum EKT enthält ausreichende Hinweise auf eine generalisierende Sichtweise. Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT hat durch eine klarstellende Regelung etwa bestehende Zweifel ausgeräumt und dabei berücksichtigt, daß die am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Änderung der Gehaltstabellen zu keiner allgemeinen Erhöhung der Grundgehälter ab 1. Januar 1998 führte.
cc) Die Tabellenwerte der Grundvergütungen wurden zwar ab 1. Januar 1998 um 1,3 % angehoben. Diese Erhöhung kam aber nur einem Teil der Angestellten in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 zugute. Bei der Beklagten waren es nur knapp 18 % der Angestellten. Für die übrigen Angestellten (82 %!) wirkten sich die neuen Gehaltstabellen zunächst nicht aus. Wenn sie nach dem 31. Dezember 1997 eine neue Altersstufe erreichten oder in eine höhere Vergütungsgruppe aufrückten, erhielten sie lediglich die erhöhten Steigerungs- oder Aufrückungsbeträge, nicht aber eine insgesamt um 1,3 % erhöhte Grundvergütung. Von einer allgemeinen prozentualen Erhöhung der Grundvergütung der Angestellten ab 1. Januar 1998 konnte demnach keine Rede sein.
b) Die Entstehungsgeschichte des die authentische Interpretation enthaltenden ErgTV Nr. 3 zum EKT führt entgegen der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts zu keinem anderen Ergebnis. Bei der Tarifauslegung ist die Entstehungsgeschichte nur insoweit von Bedeutung, als der daraus sich ergebende subjektive Wille der Tarifvertragsparteien im Vertragstext Ausdruck gefunden hat (vgl. ua. BAG 16. Mai 1995 – 3 AZR 395/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 10 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 29, zu I 1 der Gründe; 20. August 1996 – 9 AZR 22/95 – BAGE 84, 23, 27). Weder dem Text des ErgTV Nr. 3 zum EKT noch seiner Entstehungsgeschichte ist zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien eine Änderung der Grundvergütung im Sinne der Nr. 14 Anlage 7a zum EKT herbeiführen wollten.
In Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT haben die Tarifvertragsparteien ihr Regelungsziel ausdrücklich und unmißverständlich formuliert: Nr. 14 Anlage 7a zum EKT sollte nicht anwendbar sein. Damit haben sie der eingeschränkten Wirkung der neuen Gehaltstabellen Rechnung getragen. Unerheblich ist es, daß die Arbeitgeber ursprünglich nur zu Einmalzahlungen bereit waren, die auch nach der Auffassung des Klägers keine Änderung der Grundvergütung im Sinne der Nr. 14 Anlage 7a zum EKT darstellen. Die Neufassung der Grundvergütungstabellen ab 1. Januar 1998 stellt einen auf Veranlassung der Gewerkschaften zustande gekommenen Kompromiß dar und diente, wie der Kläger einräumt, vor allem dazu, eine Verschlechterung der Verhandlungsposition der Gewerkschaften bei den nächsten Tarifverhandlungen über Gehaltserhöhungen zu vermeiden. Die Bemessungsgrundlage für die künftigen Gehaltserhöhungen sollte durch “Umrechnung” des durchschnittlichen Wertes der Einmalzahlung angehoben werden. Die durch die verbesserte Verhandlungsposition erzielte Gehaltserhöhung im nachfolgenden ErgTV Nr. 4 zum EKT kommt jedoch auch dem Kläger zugute.
c) Teil I § 10 Abs. 1 ErgTV Nr. 4 zum EKT geht von der authentischen Interpretation der Nr. 14 Anlage 7a zum EKT durch Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT aus und wendet sie folgerichtig auf die ab 1. Mai 1998 gültigen Regelungen an. Für Angestellte, die vor dem 1. Mai 1998 das 20. Lebensjahr vollendet hatten und deren Grundvergütung sich nach der ab 1. Januar 1998 geltenden Gehaltstabelle II des ErgTV Nr. 3 zum EKT gerichtet hatte, wurde die Grundvergütung ab 1. Mai 1998 nur um 0,9 % erhöht (Teil I § 1 Abs. 2 ErgTV Nr. 4 zum EKT). Für die Angestellten, die am 1. Mai 1998 im Dienst des Beklagten standen, vor dem 1. Mai 1998 das 20. Lebensjahr vollendet hatten und die ab 1. Januar 1998 geltenden Grundvergütungen des ErgTV Nr. 3 zum EKT nicht beanspruchen konnten, wurden die Grundvergütungen ab 1. Mai 1998 um 1,5 % erhöht (Teil I § 1 Abs. 1 ErgTV Nr. 4 zum EKT). Teil I § 10 Abs. 1 ErgTV Nr. 4 zum EKT berücksichtigt, daß die 1,5 %ige Erhöhung nach Teil I § 1 Abs. 1 ErgTV Nr. 4 zum EKT der Regeltatbestand und die 0,9 %ige Erhöhung nach Teil I § 1 Abs. 2 ErgTV Nr. 4 zum EKT der Ausnahmetatbestand ist. Die Mehrheit der Angestellten erhielt in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. April 1998 noch nicht die erhöhten Grundvergütungen.
2. Selbst wenn der ErgTV Nr. 3 zum EKT die Grenzen einer authentischen Interpretation überschritten hätte, stünde dem Kläger der geltend gemachte Anpassungsanspruch nicht zu.
a) Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT ist nur dann als deklaratorische Regelung anzusehen, wenn dies für seine Anwendbarkeit genügt. Ansonsten ist dieser Vorschrift konstitutive Bedeutung beizumessen. Bereits die Überschrift “Ergänzungstarifvertrag” bringt zum Ausdruck, daß die Regelungen des ErgTV Nr. 3 zum EKT im Rahmen des rechtlich Möglichen zur Anwendung kommen sollen und der EKT, soweit erforderlich, modifiziert wird. Abgesehen davon, daß im Zweifel die Tarifvertragsparteien keine bedeutungslosen Vorschriften schaffen wollten, ist die Begrenzung der Arbeitgeberkosten durch Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT ein wesentlicher Teil der im Zuge der Tarifvertragsverhandlungen erzielten Kompromißlösung.
b) Selbst wenn Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT die Anpassungsregelung der Nr. 14 Anlage 7a zum EKT teilweise geändert hatte, war die damit verbundene Einschränkung der Versorgungsrechte wirksam. Grundsätzlich tritt der spätere Tarifvertrag an die Stelle des früheren (sog. Zeitkollisionsregel; vgl. ua. BAG 24. April 1990 – 3 AZR 259/88 – BAGE 64, 327, 333). Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen (vgl. ua. BAG 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 242; 18. August 1999 – 10 AZR 424/98 – BAGE 92, 218, 221). Ein derartiger Verstoß liegt nicht vor.
aa) Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob das vom Senat entwickelte dreistufige Prüfungsschema (ständige Rechtsprechung seit 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – BAGE 49, 57, 66 ff.) auf die Änderung tarifvertraglicher Versorgungsregelungen uneingeschränkt anzuwenden ist. Dieses Prüfungsschema ist für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften entwickelt worden und läßt sich nicht ohne weiteres auf eine Verschlechterung der Anpassung laufender Betriebsrenten übertragen (BAG 9. November 1999 – 3 AZR 432/98 – BAGE 92, 358, 365 mwN). Ist nicht die Höhe der Versorgungsanwartschaft, sondern eine andere Rechtsposition der Versorgungsberechtigten betroffen, wie die Dynamisierung laufender Betriebsrenten, so ist auf die hinter dem Prüfungsschema stehenden Prinzipien zurückzugreifen. Wie gewichtig die Änderungsgründe sein müssen, hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelungen entstehen.
bb) Selbst wenn Teil B § 4 ErgTV Nr. 3 zum EKT eine Änderung der Nr. 14 Anlage 7a zum EKT enthielte, wären die dadurch entstehenden Nachteile nicht so schwerwiegend, daß triftige oder sogar zwingende Gründe verlangt werden müßten. Lediglich eine einzelne, verhältnismäßig geringe Gehaltserhöhung blieb unberücksichtigt. Bereits nach vier Monaten erfolgte eine Dynamisierung, die diesen Nachteil zu einem erheblichen Teil kompensiert hat.
cc) Sachliche Gründe für einen derartigen Eingriff in die Dynamisierung der laufenden Betriebsrenten lagen vor. Sie ergaben sich aus der wirtschaftlichen Situation der Ersatzkassen bei Abschluß des ErgTV Nr. 3 vom 26. August 1996. Im Geschäftsjahr 1995/1996 hatten die Ersatzkassen ein beträchtliches Defizit erwirtschaftet. Die Lage im Gesundheitswesen war angespannt. Abgesehen davon, daß die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) eine diesem Grundrecht entsprechende Zurückhaltung bei der Inhaltskontrolle eines Tarifvertrages verlangt, haben die Tarifvertragsparteien eine sehr behutsame Lösung gewählt.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt es nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, daß die durch den ErgTV Nr. 3 zum EKT ab 1. Januar 1998 neu gefaßten Gehaltstabellen zu keiner Anpassung der laufenden Betriebsrenten führten.
a) Die Angestellten, die am 1. Januar 1998 im Dienst des Beklagten standen und vor dem 1. Januar 1998 die höchste Grundvergütung bereits erreicht hatten, waren nach der neu gefaßten Gehaltstabelle II zu entlohnen (Teil B § 3 ErgTV Nr. 3 zum EKT). Der Kläger war am 1. Januar 1998 nicht mehr beim Beklagten beschäftigt. Unerheblich ist es, daß der Kläger bereits bei Eintritt des Versorgungsfalles die Höchstgrundvergütung erreicht hatte. Der Gleichheitssatz gebietet es nicht, die Betriebsrentner an der Gehaltsentwicklung der noch aktiven Arbeitnehmer uneingeschränkt teilhaben zu lassen. Auch § 16 BetrAVG verlangt dies nicht. Der Versorgungsfall stellt betriebsrentenrechtlich eine Zäsur dar, die ein sachgerechtes Differenzierungsmerkmal bildet (vgl. BAG 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, 61; 22. Februar 2000 – 3 AZR 108/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 14 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 4, zu I 4a dd der Gründe).
Die jeweiligen Vertragspartner entscheiden darüber, ob sie in der Versorgungsordnung eine an die Erhöhung der Tarifgehälter anknüpfende Dynamisierung der laufenden Betriebsrenten vorsehen. Die Kriterien einer derartigen Dynamisierung unterliegen ebenfalls der Vertragsfreiheit, solange der Mindeststandard des § 16 BetrAVG nicht unterschritten wird. Den Tarifvertragsparteien ist es nach § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG sogar erlaubt, von § 16 BetrAVG abzuweichen.
b) Den Versorgungsberechtigten, die – wie der Kläger – während ihres Arbeitsverhältnisses die Höchstgrundvergütung erreicht hatten, bei denen jedoch – im Gegensatz zum Kläger – erst nach dem 31. Dezember 1997 der Versorgungsfall eintrat und deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Mai 1998 geendet hatte, wurde zwar die für die Betriebsrente maßgebliche Grundvergütung zunächst um 1,3 % und zum 1. Mai 1998 um 0,9 % erhöht (Teil I § 10 Abs. 2 ErgTV Nr. 4 zum EKT). Auch insoweit ist aber der Gleichheitssatz nicht verletzt.
Die tarifliche Regelung unterscheidet zwischen Versorgungsanwartschaften und laufenden Betriebsrenten. Die unter Teil I § 10 Abs. 2 ErgTV Nr. 4 zum EKT fallenden Versorgungsberechtigten hatten im Anwartschaftsstadium eine Erhöhung ihrer Grundvergütung erlangt. Die erhöhte Grundvergütung bildete die Berechnungsgrundlage für ihre spätere Betriebsrente (Nr. 10 Ziff. 1 Anlage 7a zum EKT). Die Berechnung der Betriebsrenten bei Eintritt des Versorgungsfalles und die Anpassung der laufenden Betriebsrenten müssen nicht übereinstimmen. Die Differenzierung zwischen Versorgungsanwartschaften und laufenden Betriebsrenten ist üblich und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Kaiser, Arntzen
Fundstellen