Entscheidungsstichwort (Thema)
Komplementärhaftung Ausschlußfristen und Verjährung im Konkurs. Komplementärhaftung Ausschlußfristen und Verjährung im Konkurs Insolvenz Ausschlußfristen
Orientierungssatz
- Hat eine Bank vor dem 31. Dezember 1987 Arbeitsentgeltansprüche in Höhe des Konkursausfallgeldes vorfinanziert und haben die Arbeitnehmer ihre Ansprüche an die Bank abgetreten, sind die Ansprüche mit der Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld gemäß § 141m Abs. 1 AFG an die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen. Erst § 141k Abs. 2a AFG in der ab dem 1. Januar 1988 geltenden Fassung enthält insoweit Einschränkungen hinsichtlich der Vorfinanzierung.
- Tarifliche Ausschlußfristen sind auf Masseforderungen anzuwenden, gleichgültig, ob diese vor oder nach der Konkurseröffnung entstanden sind.
- Sind die Arbeitsentgeltansprüche, die zunächst als Masseforderungen bestehen, von Gesetzes wegen gem. § 59 Abs. 2 KO in den Rang einer Konkursforderung zurückgestuft worden und werden sie in die Konkurstabelle eingetragen, verhindert die gem. § 145 Abs. 2 KO eintretende Rechtskraftwirkung eine Berufung auf tarifliche Auschlußfristen, die gegenüber den Masseforderungen möglich gewesen wäre.
- Die fünfjährige Sonderverjährung gem. § 159 Abs. 1 HGB von Ansprüchen gegen den Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft wird durch die Anmeldung zur Konkurstabelle unterbrochen (§ 209 Abs. 2 BGB aF). Dies folgt aus § 160 HGB (ab dem 26. März 1994: 159 Abs. 4).
Normenkette
AFG i.d.F vom 1. Juli 1983 § 141m; AFG i.d.F vom 1. Juli 1983 § 141k; AFG i.d.F vom 1. Juli 1983 § 141e; KO § 59 Abs. 1-2, § 145 Abs. 2, § 76 Abs. 1 S. 2; HGB §§ 128, 129 Abs. 1, § 159 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 160; BGB a.F. § 196 Abs. 1 Nrn. 8-9, § 214 Abs. 1, §§ 217, 209 Abs. 2 Nr. 2, §§ 404, 412; MTV für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie (für Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen sowie Teilen von Niedersachsen) vom 31. März 1979 § 16 Ziff. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die klagende Bundesanstalt für Arbeit nimmt den Beklagten nach der Gewährung von Konkursausfallgeld auf Zahlung übergegangener Arbeitsentgeltansprüche in Anspruch.
Der Beklagte war Komplementär der Firma J KG. Auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der Firma war der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie (für Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen sowie Teilen von Niedersachsen) vom 31. März 1979 anwendbar.
Am 12. November 1982 wurde zur Sicherung des Vermögens der Firma die Sequestration angeordnet und am 1. Februar 1983 über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Ab November 1982 stellte die Firma die Gehaltszahlungen ein. Die Arbeitnehmer der Firma traten für den Konkursausfallgeldzeitraum 1. November 1982 bis 31. Januar 1983 die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen die Gewährung eines entsprechenden Darlehens an die Landesbank Schleswig-Holstein ab. Die Landesbank beantragte gegenüber der Klägerin am 29. März 1983 die Zahlung von Konkursausfallgeld in Höhe von 884.992,65 DM. Mit Schreiben vom 2. November 1983 erhöhte sie ihren Erstattungsanspruch auf insgesamt 943.319,46 DM. Dieser Betrag entspricht den Arbeitsentgeltansprüchen im Konkursausfallgeldzeitraum. Die entsprechenden Verdienstbescheinigungen für Konkursausfallgeld nach § 141h AFG wurden vom Konkursverwalter zwischen August und November 1983 erstellt. Die Klägerin kehrte Konkursausfallgeld in der beantragten Höhe aus und meldete mit Schreiben vom 20. November 1983 beim Konkursgericht die übergeleiteten Ansprüche zur Konkurstabelle an. Der Konkursverwalter zahlte an die Klägerin auf die Forderung den sich aus der Konkursquote errechnenden Betrag von insgesamt 642.133,55 DM. Durch Beschluß des Konkursgerichts vom 16. Dezember 1996 wurde das Konkursverfahren aufgehoben.
Mit der am 21. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 1. Oktober 1998 zugestellten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten als Komplementär der Firma die Zahlung des Differenzbetrages, mit dem sie im Konkursverfahren ausgefallen ist. Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 301.185,91 DM zuzüglich 4 % Zinsen p.a. seit dem 2. Oktober 1998 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, die Ansprüche seien nach § 16 MTV verfallen, da sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht worden seien. Das in der Erteilung der Verdienstbescheinigungen des Konkursverwalters liegende Anerkenntnis der Forderungen sei erst zu einem Zeitpunkt abgegeben worden, als die Forderungen aus dem Anspruchszeitraum bereits verfallen gewesen seien. Der Antrag der Landesbank vom 29. März 1983 auf Gewährung von Konkursausfallgeld habe auf den Lauf der Ausschlußfristen keinen Einfluß gehabt. Bei einer Vorfinanzierung des Konkursausfallgeldes greife der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 141 m AFG nicht, so daß die Arbeitsentgeltforderungen nicht zu Konkursforderungen herabgestuft worden seien. Selbst wenn der Antrag der Landesbank nach § 141m AFG iVm. § 59 Abs. 2 KO die Herabstufung der Masseforderungen in den Rang einer Konkursforderung bewirkt und den Lauf der Ausschlußfrist unterbrochen habe, weil tarifliche Ausschlußfristen für Konkursforderungen nicht gelten, seien zu diesem Zeitpunkt jedenfalls Ansprüche aus November 1982 verfallen gewesen.
Die Forderungen seien zudem verjährt. Die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens zu Gunsten des Beklagten nach § 159 Abs. 1 HGB angelaufene fünfjährige Sonderverjährung sei nicht durch Anmeldung der Forderung durch die Klägerin zur Konkurstabelle mit Schreiben vom 20. November 1983 unterbrochen worden. Nach § 129 Abs. 1 HGB iVm. §§ 404, 412 BGB stehe ihm die Einrede der Verjährung aus § 159 Abs. 1 HGB in dem Umfang wie vor dem Forderungsübergang zu. Die Klägerin habe den Rechtsvorteil der erleichterten Verjährungsunterbrechung durch Anmeldung zur Konkurstabelle nur durch den Forderungsübergang erlangt, der die Herabstufung der Forderung in den Rang einer Konkursforderung bewirkt habe. Dieser verjährungsunterbrechende Tatbestand, welcher der bisherigen Gläubigerin – der Landesbank – nicht zur Verfügung gestanden habe, könne ohne gesetzliche Sonderregel nicht gegenüber dem Gesellschafter wirken.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Thiel, Tirre
Fundstellen
ARST 2003, 44 |
FA 2003, 88 |
KTS 2003, 315 |
NZA 2002, 1175 |
EzA |
ZInsO 2002, 1156 |
NJOZ 2003, 1506 |