Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitnehmers. tarifliche Ausschlußfrist
Orientierungssatz
Sobald der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den ihm gegenüber dem Arbeitnehmer zustehenden Schadenersatzanspruch wenigstens in etwa zu beziffern, tritt die Fälligkeit ein.
Normenkette
BAT § 70 Fassung 1961-02-23
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Entscheidung vom 11.01.1984; Aktenzeichen 7 (6) Sa 65/83) |
ArbG Würzburg (Entscheidung vom 13.04.1983; Aktenzeichen 2 Ca 540/82) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadenersatz, weil er eingesparte Haushaltsmittel weisungswidrig verwendet habe.
Der Beklagte ist seit 1958 bei der Standortverwaltung der Bundeswehr in H als Küchenbuchhalter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Beklagte hat den Verpflegungsmittelbestand der Truppenküche des J bataillons zu verwalten. Seine Tätigkeit besteht u.a. darin, jeweils zum Monatsende Verpflegungsmittelbestands- und Wertabschlüsse anzufertigen, die in die monatlichen Vermögensberechnungen übernommen werden. Seit dem 1. Juni 1977 beträgt der bundeseinheitliche Regelsatz für die Truppenverpflegung 4,50 DM täglich pro Verpflegungsteilnehmer. Nach den vom Beklagten zu beachtenden dienstlichen Vorschriften dürfen Ersparnisse, die in der Truppenküche durch Nichtausschöpfung dieses Regelsatzes erwirtschaftet werden, soweit sie den Höchstbetrag von 7,-- DM monatlich pro Verpflegungsteilnehmer nicht übersteigen, als Rücklage angesammelt und bei besonderen Anlässen ausgegeben werden. Ersparnisse, die über diesen Höchstbetrag hinausgehen, sind dem Bundeshaushalt zuzuführen. In der Zeit vom 8. bis 12. Oktober 1979 führte die Standortverwaltung eine Wirtschaftsprüfung durch. Sie ergab, daß Ersparnisse in der Verpflegungsmittelbewirtschaftung, die den Höchstbetrag überstiegen, nicht dem Bundeshaushalt zugeführt worden waren. Die Standortverwaltung unterrichtete darüber mit Schadensbericht vom 15. Januar 1980 die Wehrbereichsverwaltung in M. Am 11. Juni 1980 teilte die Standortverwaltung dem Beklagten schriftlich mit:
"Sehr geehrter Herr P ]
Als Küchenbuchhalter beim J bataillon
haben Sie in den Monaten Februar 1978 und
März 1979 durch nicht korrekte Angaben in den
Bestands- und Wertabschlüssen verhindert, daß
Ersparnisse in der Verpflegungsmittelbewirt-
schaftung in Höhe von 4.940,25 DM dem Bundes-
haushalt zugeführt wurden.
Für den entstandenen Schaden haften Sie.
Die Angelegenheit wird durch die Wehrbereichs-
verwaltung nach den Schadensbestimmungen
bearbeitet."
Die zuständige Wehrbereichsverwaltung ermäßigte mit Schreiben vom 2. September 1981 den vom Beklagten zu erstattenden Betrag aus Fürsorgegründen auf 1.691,80 DM.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe seine Arbeitspflichten verletzt, indem er in den Monaten Februar 1978 und März 1979 die Verpflegungsmittelbestands- und Wertabschlüsse so manipuliert habe, daß die Ersparnisse pro Verpflegungsteilnehmer den Betrag von 7,-- DM monatlich nicht überschritten. Dadurch habe er verhindert, daß die überschießenden Beträge dem Bundeshaushalt zugeflossen seien. Den ihr durch dieses Verhalten entstandenen Schaden habe der Beklagte zu ersetzen. Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 1.691,80 DM
zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Schaden erlitten. Außerdem sei der Anspruch nach § 70 BAT verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der mit der Klage geltend gemachte Schadenersatzanspruch, falls er bestanden haben sollte, erloschen ist, weil die Klägerin ihn nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist nach § 70 BAT geltend gemacht hat. Das gilt auch dann, wenn man den Vorinstanzen folgend, nicht die dreimonatige Ausschlußfrist, die nach § 70 Abs. 2 BAT a.F. für Ansprüche der vorliegenden Art bis 31. Dezember 1979 galt, sondern die seit 1. Januar 1980 nach § 70 Abs. 1 BAT geltende sechsmonatige Ausschlußfrist zugrunde legt (so für Fälle wie diesen: Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, 3. Aufl., § 70 Anm. 13; BAG 17, 248 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: BAVAV).
2. Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 BAT sind erfüllt.
a) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Fälligkeit eintritt, sobald der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den ihm gegenüber dem Arbeitnehmer zustehenden Schadenersatzanspruch wenigstens in etwa zu beziffern (vgl. BAG 24, 125, 132 = AP Nr. 3 zu § 70 BAT; BAG Urteil vom 16. März 1966 - 1 AZR 446/65 - AP Nr. 33 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
b) Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen stand der von der Klägerin behauptete Schaden bei Beendigung der Wirtschaftsprüfung der Standortverwaltung, also am 12. Oktober 1979, der Höhe nach fest. Ein anderer Arbeitnehmer als der Beklagte kam als Schadensverursacher nicht in Betracht. Ob daraus folgt, daß der Klageanspruch bereits in diesem Zeitpunkt fällig wurde, bedarf keiner Entscheidung. Auch wenn mit den Vorinstanzen davon ausgegangen wird, daß die Fälligkeit erst einen Monat später, also am 12. November 1979, eintrat, war die sechsmonatige Ausschlußfrist im Zeitpunkt der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs, am 11. Juni 1980, abgelaufen.
c) Entgegen der Auffassung der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht und das Arbeitsgericht den Zeitraum zwischen Schadensfeststellung und Fälligkeit des Schadenersatzanspruchs auf nur einen Monat bemessen haben. Sie haben damit dem Umstand Rechnung getragen, daß in dem hier in Rede stehenden Verwaltungsbereich der Klägerin für die Feststellung des Schadens und für seine Geltendmachung verschiedene Behörden zuständig sind. Die Annahme, daß zwischen der Feststellung von Schadenshöhe und Person des Ersatzpflichtigen durch die insoweit zuständige Standortverwaltung und der Möglichkeit der Geltendmachung des Schadens durch die dafür zuständige Wehrbereichsverwaltung nicht mehr als einen Monat liegen durfte, läßt eine Verletzung der Grundsätze tatrichterlichen Ermessens nicht erkennen.
Nachdem der Standortverwaltung Schaden und Schädiger am 12. Oktober 1979 bekannt geworden waren, mußte sie unverzüglich an die Wehrbereichsverwaltung berichten, wobei sie mangels eigener Entscheidungszuständigkeit lediglich ihre Feststellungen hätte mitteilen müssen. Daß dafür ein Monat in jedem Falle ausreicht, bedarf keiner näheren Darlegung. Eine weitere Hinausschiebung des Fälligkeitszeitpunkts wäre im vorliegenden Fall mit der Fürsorgepflicht der Klägerin nicht vereinbar gewesen, die dieser eine unverzügliche Ermittlung und baldige Geltendmachung eines Schadens gebietet (vgl. BAG 24, 125, 132 = AP Nr. 3 zu § 70 BAT).
d) Dies verkennt auch die Revision offenbar nicht. Sie meint, immer dann, wenn eine andere Dienststelle für die Beurteilung des Schadenssachverhalts und zur Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche zuständig sei als diejenige, in deren Bereich sich der Schaden ereignet hat, gehöre es zum Begriff der Fälligkeit eines Schadenersatzanspruchs, daß die Schadensentstehung in den Erkenntnis- und Beurteilungsraum der zuständigen Dienststelle gelange. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie würde zu einer Verlängerung der tariflichen Ausschlußfrist in unbestimmtem und jeweils unterschiedlichem Umfang in den Fällen führen, in denen die Anstellungsbehörde der für die Bearbeitung des Schadensfalls zuständigen Behörde, aus welchen Gründen auch immer, nicht unverzüglich berichtet. Mit einer solchen Auslegung des § 70 Abs. 1 BAT würde dem Umstand Rechnung getragen, daß die Klägerin die tarifliche Ausschlußfrist offenbar als zu kurz empfindet, um Schäden feststellen und geltend machen zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, aaO; BAG Urteil vom 16. November 1965 - 1 AZR 160/65 - AP Nr. 30 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) ist jedoch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit tarifvertraglicher Bestimmungen einschließlich der Länge der Ausschlußfristen den Gerichten versagt, weil sie einen Eingriff in die Tarifautonomie darstellen würde.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Nehring Lappe
Fundstellen