Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigter Lehrer
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 305, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT § 70; TVG § 1 Auslegung; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 02.08.1989; Aktenzeichen 5 Sa 1180/88) |
ArbG Köln (Urteil vom 27.07.1988; Aktenzeichen 9 Ca 9709/87) |
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 2. August 1989 – 5 Sa 1180/88 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27. Juli 1988 – 9 Ca 9709/87 – teilweise abgeändert.
Der Tenor wird wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Dezember 1987 im Umfang seiner tatsächlichen Beschäftigung anteilige Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT unter Anrechnung der ihm in diesem Zeitraum gewährten Vergütung zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen werden die Revision und die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.
3. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen, jedoch hat das beklagte Land die durch das Versäumnisurteil vom 22. Juni 1988 entstandenen Kosten allein zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 1. Mai 1985 anteilige Vergütung nach der VergGr. II a der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.
Der am 23. Juli 1953 geborene Kläger, der verheiratet und Vater zweier Kinder ist, hat im September 1982 das Zweite Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Physik und Geschichte abgelegt. Er wurde vom beklagten Land zunächst für die Zeit vom 4. Februar bis zum 14. Juni 1985 befristet als nebenberufliche Lehrkraft am Staatlichen Studienkolleg für ausländische Studierende der Universität K. im Fach Physik beschäftigt. Seit dem 6. August 1985 ist er in gleicher Eigenschaft auf unbestimmte Zeit für das beklagte Land tätig.
Der Kläger war zunächst mit fünf, dann mit sechs und später mit acht Unterrichtsstunden in der Woche gegen eine vereinbarte Stundenvergütung von zuletzt 34,20 DM beschäftigt. Ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Lehrer hat eine Pflichtstundenzahl von 19 Wochenstunden und bezieht ein Gehalt nach der VergGr. II a BAT (nach den Absenkungsrichtlinien nach VergGr. III BAT).
Der Kläger hält die Vergütungsvereinbarung der Parteien im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ab 1. Mai 1985 für unwirksam. Er hat zunächst Klage auf Zahlung der erstmals mit Schreiben vom 21. Oktober 1987 bezifferten Vergütungsdifferenz erhoben, eingegangen beim Arbeitsgericht am 30. Dezember 1987, und diese für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Dezember 1987 mit insgesamt 35.026,08 DM errechnet. Später hat er geltend gemacht, zur Vergütung gehörten auch sämtliche sonstigen Zuwendungen nach dem BAT und den ergänzenden Tarifverträgen (z.B. Zulagen, vermögenswirksame Leistungen, 13. Gehalt, Urlaubsgeld). Nachdem gegen das beklagte Land über den vorgenannten Betrag am 22. Juni 1988 Versäumnisurteil ergangen war, hat der Kläger seinen Zahlungsantrag auf einen Feststellungsantrag umgestellt. Mit der Erklärung, er verlange lediglich die Feststellung der Vergütungspflicht hinsichtlich Grundvergütung und Ortszuschlag eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Lehrers hat der Kläger zuletzt beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 22. Juni 1988 festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihn seit dem 1. Mai 1985 nach den Vorschriften des BAT zu vergüten.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Vergütungsvereinbarung der Parteien sei rechtswirksam. Das Beschäftigungsförderungsgesetz sei auf das Vertragsverhältnis nicht anzuwenden, es beziehe sich nur auf nach dem 1. Mai 1985 abgeschlossene Vertragsverhältnisse. Auch bei Anwendung des § 2 BeschFG 1985 könne der Kläger keine höhere Vergütung verlangen, weil die Vergütungsabrede der Parteien nicht „wegen der Teilzeitbeschäftigung” erfolgt sei. Die Vergütungsvereinbarung sei außerdem sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger eine anderweitige Haupttätigkeit ausübe. Er unterrichte seit dem 1. Februar 1983 mit 14 Wochenstunden am Tageskolleg bei der Volkshochschule K. in Fachschul-Lehrgängen. Jedenfalls sei aber der sogenannte Absenkungserlaß zu beachten, wonach die Vergütung des Klägers nach der VergGr. III BAT zu berechnen sei. Ferner sei zu berücksichtigen, daß der Ortszuschlag vorwiegend aus Alimentationsgründen gewährt werde. Dieser Gesichtspunkt könne aber bei Teilzeitbeschäftigten nicht angewandt werden. Schließlich seien mögliche Ansprüche des Klägers nach § 70 BAT verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 22. Juni 1988 festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet sei, den Kläger seit dem 1. Mai 1985 nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages zu vergüten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Der Kläger kann für die streitbefangene Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Dezember 1987 die Feststellung verlangen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihm anteilige Vergütung nach der VergGr. III der Anlage 1 a zum BAT, und zwar einschließlich des Ortszuschlages, zu zahlen. Im übrigen ist seine Klage unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vergütungsvereinbarung der Parteien sei im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 rechtsunwirksam. Die vom Kläger zu verlangende Vergütung müsse daher gemäß § 612 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung ermittelt werden. Diese errechne sich nach der Praxis des öffentlichen Dienstes auch im Bereich der Lehr er Vergütung nach den unmittelbar nicht anwendbaren Bestimmungen der Anlage 1 a zum BAT. Ob die anteilige Vergütung des Klägers sich nach der VergGr. II a oder der VergGr. III BAT errechnet, hat das Landesarbeitsgericht offengelassen. Jedenfalls seien die Ansprüche des Klägers nicht aufgrund der Vorschrift des § 70 BAT verfallen.
Das Landesarbeitsgericht hat auf den Streitfall die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. Insoweit ist ihm beizupflichten. Das gilt auch für die Frage, ob ein Anspruch des Klägers gemäß § 70 BAT verfallen ist. Dagegen kann dem Landesarbeitsgericht in seiner weiteren Begründung nicht gefolgt werden. Nach dem eingehenden tatsächlichen Vorbringen der Parteien hätte das Landesarbeitsgericht die Frage nicht offenlassen dürfen, ob der Kläger anteilige Vergütung nach der VergGr. II a oder der VergGr. III der Anlage 1 a zum BAT verlangen kann (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weiter hätte es den sogenannten Absenkungserlaß berücksichtigen müssen.
II.1. Der Kläger stand vom 4. Februar bis zum 14. Juni 1985 und dann erneut seit dem 6. August 1985 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land. Die Vergütungsvereinbarung der Parteien, die sich nach Jahreswochenstunden berechnete, wurde mit Wirkung vom 1. Mai 1985 im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 rechtsunwirksam. An die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung muß die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung treten. Das hat der Senat unter anderem im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP, a.a.O.) näher ausgeführt (vgl. besonders zu IV 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Hierauf kann verwiesen werden.
2. Bei angestellten Lehrern bestimmt sich die übliche Vergütung aufgrund ministerieller Erlasse mittelbar nach der (unmittelbar nicht geltenden) Anlage 1 a zum BAT. Lehrer des höheren Dienstes, wie der Kläger, werden danach üblicherweise in die VergGr. II a BAT eingestuft. Darüber herrscht zwischen den Parteien auch kein Streit. Allerdings ist im Streitfall der Runderlaß des Finanzministers des beklagten Landes vom 27. Dezember 1983 (MBl NW 1984, 60) – sogenannter Absenkungserlaß – zu berücksichtigen. Dieser Erlaß betrifft – nach der Kündigung der Anlagen 1 a und 1 b zum BAT – die Vertragsabschlüsse für Angestellte nach dem 31. Dezember 1983. Der Erlaß bezieht sich auch auf die mit Lehrern im Angestelltenverhältnis abgeschlossenen Verträge. Er besagt, daß Lehrkräfte, die an sich nach der VergGr. II a BAT einzustufen sind, für vier Jahre nur Bezüge nach der VergGr. III BAT erhalten sollen (Nr. 3, 6). Dagegen ist der Ortszuschlag nach der Vergütungsgruppe zu errechnen, die ohne den Absenkungserlaß maßgeblich gewesen wäre (Nr. 4).
Da die Parteien ihre Rechtsbeziehungen erst im Februar 1985 begründet haben, ist der Absenkungserlaß im Streitfall anzuwenden. Das bedeutet, daß der Kläger vom 1. Mai 1985 an anteilige Vergütung nur nach der VergGr. III BAT verlangen kann.
III. Die Tatsache, daß der Kläger neben seiner Tätigkeit für das beklagte Land noch eine Unterrichtstätigkeit bei der Volkshochschule ausübt, kann an dem bisherigen Ergebnis nichts ändern. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich ebenfalls um eine Teilzeitbeschäftigung. Eine anderweitige Teilzeitbeschäftigung bedeutet aber keinen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Der Senat hält es für zulässig, die soziale Lage eines teilzeitbeschäftigten Lehrers dann als sachlichen Grund im Sinne der genannten Vorschrift zu werten, wenn der Lehrer neben der Teilzeitbeschäftigung einer Haupttätigkeit nachgeht, aus der er für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage gewinnt (Urteil vom 22. August 1990 – 5 AZR 543/89 –, zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Unterricht des Klägers an der Volkshochschule mit 14 Wochenstunden bedeutet keine Haupttätigkeit, aus der eine Familie unterhalten werden kann. Es darf dem Kläger nicht zum Nachteil ausschlagen, daß er außer der Teilzeitbeschäftigung beim beklagten Land, um den Unterhalt für sich und seine Familie zu sichern, noch eine andere Teilzeitbeschäftigung aufgenommen hat. Im Grunde genommen blieb ihm aus wirtschaftlichen Gründen gar nichts anderes übrig, wenn er nicht auf Sozialhilfe zurückgreifen wollte. Daß er dies nicht getan hat, kann ihm vom beklagten Land nicht vorgeworfen werden.
IV. Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht nach § 70 BAT verfallen.
Der Bundes-Angestelltentarifvertrag ist auf die Rechtsbeziehungen der Parteien nicht anzuwenden. Selbst wenn bei beiden Parteien Tarifbindung vorläge, entfiele die Anwendbarkeit des BAT nach dessen ausdrücklicher Regelung in § 3 Buchst. q. Daß die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vereinbart hätten, ist nicht festgestellt worden. Der vertragliche Anspruch auf anteilige Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe des BAT, ermittelt auf der Grundlage von § 612 Abs. 2 BGB, unterfällt nicht automatisch der Ausschlußklausel des § 70 BAT. Das hat der Senat mit näherer Begründung in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 26. September 1990 (5 AZR 112/90) dargelegt (vgl. zu II 1 bis 5 der Gründe). Hierauf wird an dieser Stelle Bezug genommen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Pallas, Fischer
Fundstellen