Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung. Wegfall des Rentnerweihnachtsgeldes. Rentnerweihnachtsgeld. Begriff der betrieblichen Altersversorgung. Voraussetzungen und Aufhebung einer betrieblichen Übung. ablösende Betriebsvereinbarung. Regelungskompetenz. Betriebsvereinbarungsoffenheit. Inhaltskontrolle. Veränderungssperre. Auslegung eines Aufhebungsvertrages. Feststellungsinteresse. Vorrang der Leistungsklage
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Rentnerweihnachtsgeld kann sich aus einer betrieblichen Übung ergeben.
2. Ob eine betriebliche Übung zustande kam und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung.
3. Für eine betriebliche Übung ist entscheidend, ob die Begünstigten dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen können. Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers und damit auf die interne Entscheidungsfindung kommt es nicht an. Dementsprechend müssen auch sog. Freiwilligkeitsvorbehalte, die das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern sollen, gegenüber den Begünstigten hinreichend klar zum Ausdruck gebracht werden.
4. Im vorliegenden Fall konnte offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen im Betriebsrentenrecht eine betriebliche Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden kann.
5. In diesem Rechtsstreit spielte es auch keine Rolle, unter welchen Voraussetzungen betriebliche Übungen betriebsvereinbarungsoffen sind.
6. Eine Betriebsvereinbarungsoffenheit ändert am Erfordernis der Inhaltskontrolle nichts. Nach Eintritt des Versorgungsfalles sind in der Regel nur noch geringfügige Verschlechterungen der betrieblichen Altersversorgung gerechtfertigt.
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 2 Abs. 5; BGB §§ 133, 157, 242; BetrVG § 77; ZPO § 256 Abs. 1, §§ 257-259
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 27. Oktober 2005 – 3 Sa 286/05 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Weihnachtsgeld.
Der am 30. Januar 1941 geborene Kläger ist Betriebsrentner der Beklagten. Er war seit dem 1. August 1973 bei der B… AG beschäftigt. Sie gewährte seit den 50iger Jahren auch den Betriebsrentnern Weihnachtsgeld. Ihr Aufsichtsrat genehmigte mit Beschluss vom 31. März 1960 “eine Jahresvergütung an die Belegschaft in Höhe der Lohn- und Gehaltssumme vom November 1960, dazu rd. 60.000,00 DM für die Pensionisten” und betonte dabei, dass “kein Präjudiz für kommende Geschäftsjahre geschaffen werden” sollte. Auch in den folgenden Jahren bewilligte der Aufsichtsrat derartige Zahlungen. Zumeist wurden die Leistungen als “Weihnachtsgaben” bezeichnet. Teilweise war nicht mehr von “Pensionisten”, sondern von “Versorgungsempfängern” oder “Beihilfeempfängern” die Rede. Teilweise wurden die Betriebsrentner nicht mehr genannt, ihnen aber dennoch diese Leistungen gewährt. Das Rentnerweihnachtsgeld betrug zunächst 50 % und später 60 % der ungekürzten betrieblichen Gesamtversorgung.
Die Aushänge bis zum Jahr 1975 nannten die Betriebsrentner und enthielten den Hinweis, dass durch die Gewährung der Jahresvergütung kein Präjudiz für kommende Jahre geschaffen werde. Dieser Hinweis war auch in allen späteren Bekanntmachungen enthalten. In den Bekanntmachungen der Jahre 1976 bis einschließlich 1978 wurden jedoch nur die aktiven Mitarbeiter genannt und die Versorgungs- oder Beihilfeempfänger nicht mehr besonders erwähnt. Die Bekanntmachungen für die Jahre 1979 bis 1988, 1990 und 1991 nannten wieder sowohl die aktiven Mitarbeiter als auch die Versorgungsempfänger. Im Jahre 1992 und ab dem Jahre 1995 wurde das Rentnerweihnachtsgeld in den ausgehängten Bekanntmachungen nicht mehr angesprochen.
In einer im Jahre 1993 erschienen Broschüre “Hinweise für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand” hieß es:
“Diese Broschüre berücksichtigt die betrieblichen und gesetzlichen Bestimmungen nach dem Stand vom 1. Januar 1993.
Die Broschüre gibt nur Erläuterungen. Die Ansprüche der Betriebsangehörigen richten sich ausschließlich nach den gesetzlichen und betrieblichen Regelungen. …
2.3 Weihnachtsvergütung
Auch als Rentner erhalten Sie jeweils im November eines Jahres eine Weihnachtsvergütung, wenn sie der Aufsichtsrat genehmigt hat. …”
Im April 1996 trat die B… N… GmbH auf Grund eines Betriebsübergangs in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers ein. Mit Schreiben vom 11. April 1996 unterrichtete die B… AG als Betriebsveräußerin die betroffenen Arbeitnehmer über die Folgen des Betriebsübergangs wie folgt:
“…
Besitzstandswahrung
Das gilt selbstverständlich nicht nur für Ihren ganz persönlichen Arbeitsvertrag, der ja nur den kleineren Teil Ihrer Rechte und Pflichten regelt. In größerem Umfang bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nämlich nach Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, die den Charakter von ‘betrieblichen Gesetzen’ haben. …
In Betriebsvereinbarungen sind beispielsweise geregelt:
…
Die B… N… GmbH als neuer Arbeitgeber übernimmt auch solche Leistungen, die beim B… in betrieblichen Richtlinien geregelt sind, etwa Jahresvergütung und Beihilfen. Mit dem Betriebsübergang auf die B… N… GmbH wird ausdrücklich nicht das Ziel verfolgt, die derzeitigen Mitarbeiter von den Sozialleistungen des B… abzukoppeln. Dabei muß in Kauf genommen werden, daß die B… N… GmbH für ihre Mitarbeiter zum Teil unterschiedliche Regelungen haben wird.”
Nach dem Betriebsübergang erhielten die Betriebsrentner ebenso wie die aktiven Arbeitnehmer “Weihnachtsgaben”. Die mit Zustimmung des Vorstandes erlassenen Bekanntmachungen der B… AG enthielten nach wie vor den Vorbehalt, dass die Zahlungen ohne Präjudiz für die kommenden Jahre erfolgten. Im Jahre 1992 und ab dem Jahre 1995 wurden jedoch die Betriebsrentner in den Bekanntmachungen nicht erwähnt.
Durch Aufhebungsvertrag vom 27. Februar/12. März 1998 beendeten der Kläger und die B… N… GmbH das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 1998. Der Kläger verpflichtete sich in § 1 Nr. 3 des Aufhebungsvertrages, umgehend Arbeitslosengeld zu beantragen. Die Beklagte hatte ihm nach § 2 Nr. 2 des Aufhebungsvertrages “einen Aufstockungsbetrag in Höhe der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld des Arbeitsamtes und 100 % eines monatlichen Aktiv-Nettoeinkommens” zu zahlen. Zur betrieblichen Altersversorgung und zu den sonstigen Leistungen vereinbarten sie:
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Betriebliche Altersversorgung
1. Die versorgungsfähige Dienstzeit endet mit dem Beendigungstermin gem. § 1 Ziffer 2.
2. Das bei Eintritt in diese Vereinbarung ermittelte versorgungsfähige Einkommen (ohne Haushaltszulage) wird bis zum Eintritt des Versorgungsfalles um die während dieses Zeitraumes vereinbarten prozentualen tariflichen Vergütungsänderungen in der jeweiligen individuellen Vergütungsgruppe angepaßt.
3. Der Anspruch auf betriebliche Versorgung wird um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor vollendetem 63. Lebensjahr gekürzt.
4. Für die Ermittlung der betrieblichen Altersversorgung gemäß BV 100 wird die Sozialversicherungsrente zugrunde gelegt, die sich ohne den versicherungsmathematischen Abschlag in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben hätte.
5. Im übrigen gelten die Bestimmungen der BV 100 bzw. BV 110 der B… AG in der jeweils gültigen Fassung.
…
§ 7
Sonstige Leistungen
Herrn G… werden von der N… GmbH bei Inanspruchnahme dieser Regelung und während der Laufdauer dieses Vertrages folgende Leistungen gewährt:
⇒ anteilige Jahresvergütung bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens,
…
⇒ während der Laufzeit dieses Vertrages abweichend von den Richtlinien für Jahresvergütung im Monat November Weihnachtsgeld in Höhe von 450,00 DM, im Jahr des Übergangs und Ausscheidens aus dieser Regelung zeitanteilig,
…
Im übrigen gelten während des Vertragszeitraumes hinsichtlich der Gewährung von sozialen Leistungen die Regelungen wie für Versorgungsempfänger der B… AG. Ab Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält Herr G… soziale Leistungen entsprechend den für Versorgungsempfänger der B… AG jeweils geltenden Regelungen. Eventuell aus der Gewährung o.g. Leistungen resultierende Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge werden von Herrn G… übernommen.”
Nach der Verschmelzung mit der P… AG firmierte die B… AG zum 14. Juli 2000 in die E… AG um. Sie schloss mit dem Gesamtbetriebsrat am 21. Dezember 2000 die Betriebsvereinbarung zur Aufhebung bestehender Betriebsvereinbarungen (BV Aufhebung Aktive). Deren § 1 regelte den “Wegfall bisheriger betrieblicher Leistungen” wie folgt:
“E… und der Betriebsrat vereinbaren einvernehmlich, dass die folgenden Betriebsvereinbarungen ab dem 01.01.2001 für alle Arbeitnehmer/innen, die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis bei einer der im Rubrum genannten Gesellschaften stehen, entfallen.
…
Ehemaliger B…-Bereich
…
– Jahresvergütung: Begrenzung bzw. Kürzung auf max. 110 % einer Monatsvergütung ab 01.01.2001 (Tarifmitarbeiter)
Eine Nachwirkung der aufgehobenen Betriebsvereinbarungen ist ausgeschlossen.”
In den Jahren 1999 und 2000 erhielt der Kläger nach den Unterlagen der Beklagten kein Weihnachtsgeld, auch nicht den in § 7 des Aufhebungsvertrages genannten Betrag von 450,00 DM.
Seit dem 1. Februar 2001 bezieht er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und von der Beklagten, die damals noch als B… N… GmbH firmierte, eine betriebliche Altersversorgung. Die Arbeitgeberin teilte ihm mit Schreiben vom 27. November 2001 mit, dass ihm für das Jahr 2001 eine Weihnachtsvergütung gewährt werde. Sie betrug 1.644,00 DM. Die letzten beiden Sätze dieses Schreibens lauteten:
“Die Weihnachtsvergütung ist eine freiwillige, widerrufliche soziale Leistung. Hierdurch soll, wie schon bisher, kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werden.”
Am 10. Oktober 2002 schloss die E… AG mit dem Gesamtbetriebsrat die “Betriebsvereinbarung zur Neuregelung bzw. Aufhebung von betrieblichen Regelungen für Versorgungsempfänger aus dem Bereich des ehemaligen B…-Konzerns (Einmalzahlung anlässlich des Weihnachtsfestes, Beihilfen in Krankheitsfällen, Sterbegeld/Beihilfen im Todesfall)” (BV Aufhebung Versorgungsempfänger). In ihr hieß es auszugsweise:
“…
§ 2 Beendigung von Regelungen
E… und der Betriebsrat vereinbaren einvernehmlich für den unter § 1 genannten Personenkreis die Beendigung der nachstehend genannten betrieblichen Regelungen und freiwilligen Leistungen wie folgt:
1. Jährliche Einmalzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes
a) Beendigung
Ab 01.01.2002 werden keine freiwilligen Einmalzahlungen anlässlich des Weihnachtsfestes für Versorgungsempfänger mehr gewährt. Etwaige betriebliche Regelungen zur Gewährung einer freiwilligen Einmalzahlung anlässlich des Weihnachtsfestes werden daher ab 01.01.2002 durch diese Betriebsvereinbarung für Versorgungsempfänger beendet.
Eine Nachwirkung etwaiger betrieblicher Regelungen ist ausgeschlossen.
…
§ 3 Ausgleichszahlung
Für den Wegfall der unter § 2 genannten Leistungen werden folgende einmalige Ausgleichszahlungen gewährt:
Jährliche Einmalzahlung anlässlich des Weihnachtsfestes
Versorgungsempfänger … erhalten eine einmalige Ausgleichszahlung in folgender Höhe:
• |
Betriebsrentner |
€ 1.100,-- brutto, …” |
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde das geforderte Weihnachtsgeld. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus einer betrieblichen Übung. Ein ausreichender Widerrufsvorbehalt fehle. Der erworbene Besitzstand habe nicht durch Betriebsvereinbarung beseitigt werden können.
Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, beantragt
festzustellen, dass die Beklagte ihm auch weiterhin ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des monatsdurchschnittlichen Versorgungsbezuges bezahlen muss.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Weihnachtsgeld stehe dem Kläger nicht zu. Eine entsprechende betriebliche Übung habe nicht bestanden. Die Arbeitgeberin habe stets zum Ausdruck gebracht, dass es sich auch beim Rentnerweihnachtsgeld um eine freiwillige Leistung ohne Präjudiz für die Zukunft handele. Die Beklagte hat behauptet, im Jahr 1995 und durchgehend ab dem Jahr 1997 hätten sämtliche Anschreiben an die Betriebsrentner den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass die Leistung ohne Präjudiz für die Zukunft erfolge.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger das geforderte Weihnachtsgeld durch Teilurteil zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten diese Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass eine betriebliche Übung zustande kam und dem Kläger die geltend gemachte Forderung auf Rentnerweihnachtsgeld zusteht.
A. Der im Revisionsverfahren anhängige Feststellungsantrag ist zulässig. Ihm steht nicht der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage entgegen. Dieser Grundsatz gilt nicht für Klagen auf künftige Leistungen nach §§ 257 bis 259 ZPO. Auch eine Aufteilung in einen Leistungsantrag für die bereits fälligen und einen Feststellungsantrag für die noch nicht fälligen Ansprüche ist nicht erforderlich (vgl. ua. BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3, zu A der Gründe; 20. Januar 2004 – 9 AZR 43/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 5, zu A I und II der Gründe).
B. Der Anspruch des Klägers auf Rentnerweihnachtsgeld kann sich aus einer betrieblichen Übung ergeben. Zur Beantwortung der Frage, ob sie zustande kam, bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen. Eine sich daraus ergebende Verpflichtung der Beklagten wurde im Aufhebungsvertrag aufrechterhalten. Sie ist auch später nicht wirksam aufgehoben worden.
I. Nach § 7 Satz 3 des Aufhebungsvertrages erhält der Kläger “ab Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung … soziale Leistungen entsprechend den für Versorgungsempfänger … jeweils geltenden Regelungen”. Diese Vereinbarung erstreckt sich auf das Rentnerweihnachtsgeld. Übernommen wurde auch die Besitzstandswahrung, die dem Kläger anlässlich des Betriebsübergangs auf die B… N… GmbH zugesagt wurde.
1. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, unterscheidet § 7 des Aufhebungsvertrages bei den sozialen Leistungen zwischen der “Laufdauer dieses Vertrages” und der Zeit “ab Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung”. Mit “Laufdauer dieses Vertrages” ist die Zeit der Arbeitslosigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt in den Ruhestand gemeint. Während dieses Zeitraums richteten sich die dem Kläger zu gewährenden sozialen Leistungen nach § 7 Sätze 1 und 2 des Aufhebungsvertrages. Für diesen Zeitraum wurde das Weihnachtsgeld in § 7 Satz 1 des Aufhebungsvertrages “abweichend von den Richtlinien” eigenständig geregelt. Es wurde ein im Monat November zu zahlender Betrag von 450,00 DM vereinbart.
Weder diese Zusage noch die damit verbundenen Leistungseinschränkungen gelten ab Rentenbeginn. Ab diesem Zeitpunkt stehen dem Kläger nach § 7 Satz 3 des Aufhebungsvertrages “soziale Leistungen entsprechend den für Versorgungsempfänger … geltenden Regelungen” zu. Der Begriff “soziale Leistungen” wird in § 7 des Aufhebungsvertrages einheitlich verwandt. Er umfasst das Rentnerweihnachtsgeld. Daran ändert nichts, dass es sich beim Rentnerweihnachtsgeld um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes handelt. Entscheidend ist die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Terminologie. Die Arbeitgeberin rechnete das Rentnerweihnachtsgeld nicht zur betrieblichen Altersversorgung, sondern sah darin eine zusätzliche soziale Leistung. An diese Unterscheidung knüpfte auch die BV Aufhebung Versorgungsempfänger an. In der Versorgungsordnung wurde das Rentnerweihnachtsgeld nicht angesprochen.
2. Die dynamische Verweisung in § 7 Satz 3 des Aufhebungsvertrages ist umfassend. Die durch den Betriebsübergang auf die B… N… GmbH ausgelöste Besitzstandswahrung wurde nicht ausgeklammert. Im Gegenteil: Die Vertragspartner haben die bisherige Besitzstandswahrung vorausgesetzt und an sie angeknüpft. Dies zeigt insbesondere § 5 Nr. 5 des Aufhebungsvertrages, wonach “die Bestimmungen der BV 100 bzw. BV 110 der B… AG in der jeweils gültigen Fassung” gelten. Auf Grund der Übernahmevereinbarung iVm. der arbeitsvertraglichen Jeweiligkeitsklausel kommt es auf die Rechtsentwicklung bei der B… AG und ihrer Rechtsnachfolgerin an.
Die Besitzstandswahrung besteht darin, dass die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis auf die B… N… GmbH übergangen ist, die gleichen sozialen Leistungen erhalten wie die ehemaligen Mitarbeiter der B… AG, deren Rechtsnachfolger die E… AG ist. Dies entspricht der insoweit übereinstimmenden Vorstellung der Parteien. Dementsprechend betonte die B… AG in ihrem Schreiben vom 11. April 1996, dass der Betriebsübergang auf die B… N… GmbH nicht dazu führen sollte, “die derzeitigen Mitarbeiter von den Sozialleistungen des B… abzukoppeln”.
II. Das Landesarbeitsgericht hat aufzuklären, ob es bei der B… AG eine betriebliche Übung gab, den Betriebsrentnern das vom Kläger geforderte Weihnachtsgeld zu zahlen.
1. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist die betriebliche Übung vom Gesetzgeber ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt (§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Ob eine betriebliche Übung zustande kam und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (BAG 28. Juni 2006 – 10 AZR 385/05 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 74 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 7, zu II 2d aa der Gründe mwN unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung). Diese Auffassung teilt der Dritte Senat. Eine betriebliche Übung wirkt auf alle Arbeitsverhältnisse ein; individuelle Einzelheiten werden nicht verhandelt. Sie führt ähnlich wie ein Formulararbeitsvertrag zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und damit zu einer Typisierung (vgl. dazu BAG 25. Juni 2002 – 3 AZR 360/01 – AP BetrAVG § 16 Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 3, zu B II 1 der Gründe).
2. Eine betriebliche Übung kann auch dadurch entstehen, dass im Versorgungsfall an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen erbracht werden. Die Arbeitnehmer, die unter ihrer Geltung im Betrieb gearbeitet haben, können darauf vertrauen, dass diese Übung nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt wird (vgl. ua. BAG 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 – AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 1, zu B I der Gründe). Aus betrieblicher Übung können sich auch Ansprüche auf ein 13. Ruhegehalt ergeben. Es ist unschädlich, wenn diese Leistung in der Ruhegeldordnung nicht vorgesehen ist (vgl. ua. BAG 30. Oktober 1984 – 3 AZR 236/82 – BAGE 47, 130, zu I 2a der Gründe).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entsteht eine betriebliche Übung durch ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse oder der Rechtsverhältnisse mit Betriebsrentnern gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn und soweit Arbeitnehmer oder Betriebsrentner aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde eine entsprechende Leistung auch künftig gewährt (vgl. ua. 25. Juni 2002 – 3 AZR 360/01 – AP BetrAVG § 16 Nr. 50 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 3, zu B I 1 der Gründe). Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers und damit auf die interne Entscheidungsfindung kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen kann (vgl. ua. BAG 19. Mai 2005 – 3 AZR 660/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 71 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 6, zu II 4a der Gründe mwN).
a) Bei der B… AG erhielten mindestens seit 1960 deren Versorgungsempfänger jährlich “Weihnachtsvergütungen”, “Weihnachtsgaben” oder gleichartige Leistungen. Sie gewährte auf Grund der Beschlüsse ihres Vorstandes auch in den Jahren nach 1996 ihren Versorgungsempfängern ein Weihnachtsgeld. Dies hat die Beklagte nicht bestritten, sondern wegen der Vorbehalte in den Bekanntmachungen für unerheblich gehalten. Ebenso wenig ist die Berechnung des Weihnachtsgeldes im Streit.
b) Es ist nicht auszuschließen, dass die Arbeitgeberin durch ihr seit 1995 zu verzeichnendes Verhalten den Eindruck erweckte, beim Rentnerweihnachtsgeld bestehe eine dauerhafte Bindung. Das Fehlen jedes Rechtsbindungswillens muss klar zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BAG 19. Mai 2005 – 3 AZR 660/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 71 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 6). Wenn sich das Zahlungsversprechen erkennbar auf das jeweilige Jahr beschränkt, sind Ansprüche der Leistungsempfänger für die zukünftigen Jahre ausgeschlossen. Dies ist nur dann hinreichend deutlich geschehen, wenn die Beklagte – wie sie behauptet hat – im Jahr 1995 und durchgehend ab dem Jahr 1997 in sämtlichen Anschreiben an die Betriebsrentner ausdrücklich darauf hinwies, dass die Leistung ohne Präjudiz für die Zukunft erfolge.
aa) In den Jahren 1969 bis einschließlich 1991 – ausgenommen die Jahre 1976 bis 1978 – befassten sich die im Unternehmen ausgehängten Bekanntmachungen der B… AG auch mit den an die Versorgungsempfänger zu zahlenden Weihnachtsgeldern. Außerdem wurde darauf aufmerksam gemacht, dass “durch die Gewährung der Jahresvergütung kein Präjudiz für kommende Jahre geschaffen” werde. Dabei handelte es sich um einen sog. Freiwilligkeitsvorbehalt, der das Entstehen einer betrieblichen Übung verhinderte (vgl. dazu ua. BAG 28. April 2004 – 10 AZR 481/03 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 175 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 172, zu II 1 der Gründe mwN).
bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlte in den Bekanntmachungen für das Jahr 1992 und ab dem Jahr 1995 ein Hinweis auf das Rentnerweihnachtsgeld. Unerheblich ist es, dass diese Feststellung in den Entscheidungsgründen enthalten ist. Die Bindungswirkung für das Revisionsgericht entfällt hierdurch nicht (BAG 18. September 2003 – 2 AZR 498/02 – AP ZPO § 314 Nr. 4 = EzA ZPO 2002 § 314 Nr. 1, zu B I 1 der Gründe mwN). Eine betriebliche Übung entsteht nach dreimaliger Zahlung ohne hinreichend deutlichen Ausschluss eines Rechtsbindungswillens (vgl. ua. BAG 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38, zu II 1 der Gründe). Demnach kommt es auf das seit dem Jahre 1995 zu verzeichnende Verhalten der B… AG und ihrer Rechtsnachfolgerin an.
cc) Solange die Bekanntmachungen das Rentnerweihnachtsgeld erwähnten, enthielten sie einen ausreichenden Freiwilligkeitsvorbehalt. Nach der Behauptung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erfolgte die Zahlung des Rentnerweihnachtsgeldes nach 1994 auf Grund von Schreiben, in die – abgesehen vom Jahr 1996 – der gleiche Vorbehalt aufgenommen wurde wie in die Bekanntmachungen für das Weihnachtsgeld der aktiven Arbeitnehmer. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aushänge für aktive Arbeitnehmer bestimmt und zur Information der Betriebsrentner nur sehr begrenzt geeignet sind. Deshalb lag es nicht fern, die für die Betriebsrentner bestimmten Vorbehalte in die an sie gerichteten Schreiben aufzunehmen. Der Ausgangspunkt einer betrieblichen Übung – die mehrfache Zahlung des Rentnerweihnachtsgeldes – und deren Grundlage – die Anschreiben an die Betriebsrentner – können nicht von der Erklärung des Vorbehalts getrennt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Versorgungsanwärter von der Zahlung eines Rentnerweihnachtsgeldes erfahren. Für den mit der Zahlung verbundenen Vorbehalt gilt nichts anderes.
dd) Entscheidend ist, ob seit dem Jahre 1995 in die Anschreiben an die Betriebsrentner ein ausreichender Freiwilligkeitsvorbehalt aufgenommen wurde. Ein derartiger Vorbehalt ist den in der Broschüre der B… AG enthaltenen “Hinweisen für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand” (Stand: 1. Januar 1993) nicht genügend deutlich zu entnehmen. Deshalb kommt es nicht darauf an, inwieweit diese Broschüre unter den Mitarbeitern vor Eintritt in den Ruhestand verteilt wurde und ob sie der Kläger erhielt.
Eine Verknüpfung des Rentnerweihnachtsgeldes mit der Jahresvergütung der aktiven Mitarbeiter ist in dieser Broschüre im Gegensatz zur früheren nicht mehr vorgesehen. Nach Nr. 2.3 der Broschüre (Stand: 1. Juli 1979) erhielten die Betriebsrentner “eine Weihnachtsvergütung, wenn der Aufsichtsrat die Zahlung einer Jahresvergütung an die aktiv tätigen Mitarbeiter genehmigt hat”. Nach Nr. 2.3 dieser Broschüre (Stand: 1. Januar 1993) erhielten die Betriebsrentner “eine Weihnachtsvergütung, wenn sie der Aufsichtsrat genehmigt hat”. Damit ist das Rentnerweihnachtsgeld, für das besondere Berechnungsgrundsätze gelten, nicht nur der Höhe nach, sondern auch dem Grunde nach verselbständigt.
Nr. 2.3 der Broschüre (Stand: 1. Januar 1993) ging allerdings nach den damaligen Verhältnissen davon aus, dass auch über das Rentnerweihnachtsgeld jährlich neu zu entscheiden war. Damit war nicht gesagt, dass dies künftig so bleiben werde. Im Vorspann der Broschüre wurde hervorgehoben, dass nur Erläuterungen gegeben würden. Die Ansprüche der Betriebsangehörigen richteten sich ausschließlich nach den gesetzlichen und betrieblichen Regelungen. Die künftige Rechtsentwicklung blieb dementsprechend unberührt. Am 1. Januar 1993 bestand die für die Klageforderung maßgebliche betriebliche Übung noch nicht.
3. Wenn eine betriebliche Übung zustande kam, ist sie nicht einvernehmlich geändert und nicht durch einen späteren Freiwilligkeitsvorbehalt eingeschränkt worden.
Der Zehnte Senat hat angenommen, dass ein Anspruch auf Gratifikationszahlung aus betrieblicher Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden kann, wenn der Arbeitgeber erklärt, die jährliche Zahlung der Gratifikation sei (nunmehr) eine “freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die – auch zukünftig – kein Rechtsanspruch besteht” und die Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprechen (24. November 2004 – 10 AZR 202/04 –, BAGE 113, 29, zu II 3c bb (3) der Gründe). Selbst wenn unter diesen Voraussetzungen ein stillschweigender Änderungsvertrag über betriebsrentenrechtliche Ansprüche zustande käme, wären sie im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Im Schreiben vom 27. November 2001 wies die B… AG zwar darauf hin, dass es sich beim Rentnerweihnachtsgeld um eine “freiwillige, widerrufliche soziale Leistung” handle, durch die “kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werden” soll. Der Kläger nahm diese Einschränkung aber nicht dreimal hin. Als er im Jahr 2002 nur noch die Ausgleichszahlung erhielt, wehrte er sich gegen die Einstellung der Zahlungen.
III. Der auf einer betrieblichen Übung beruhende einzelvertragliche Anspruch des Klägers ist durch § 2 Nr. 1 Buchst. a BV Aufhebung Versorgungsempfänger nicht abgelöst worden.
Ob der auf einer betrieblichen Übung beruhende Rechtsanspruch auf Rentnerweihnachtsgeld als “freiwillige Einmalzahlung” iSd. § 2 Nr. 1 Buchst. a BV Aufhebung Versorgungsempfänger anzusehen ist und damit von dieser Betriebsvereinbarung erfasst wird, kann offenbleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob bereits die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG zur Unwirksamkeit der Neuregelung führt. Betriebsvereinbarungen sind nicht ohne Weiteres das geeignete Gestaltungsmittel für die Ablösung individualrechtlicher Regelungen mit kollektivem Bezug, zu denen auch betriebliche Übungen gehören. Entweder müssen die Neuregelungen einem kollektiven Günstigkeitsvergleich standhalten – diese Voraussetzung ist nicht erfüllt – oder die bisherigen Regelungen müssen betriebsvereinbarungsoffen sein. Unter welchen Voraussetzungen betriebliche Übungen betriebsvereinbarungsoffen sind, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Selbst wenn die Betriebsvereinbarungsoffenheit zu bejahen ist, hat noch eine Inhaltskontrolle stattzufinden. Die Beklagte hat keine tragfähigen Gründe für die Streichung des Rentnerweihnachtsgeldes dargelegt, das zur betrieblichen Altersversorgung zählt (vgl. BAG 18. Februar 2003 – 3 AZR 81/02 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 38 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 35, zu I 1c aa der Gründe; 29. April 2003 – 3 AZR 247/02 – EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4, zu II der Gründe). Das Harmonisierungsinteresse reicht hierfür nicht aus, zumal nach Eintritt des Versorgungsfalles in der Regel nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein können (vgl. BAG 12. Oktober 2004 – 3 AZR 557/03 – BAGE 112, 155, zu I 2a der Gründe). Sonstige Gründe für die Einschränkung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Zwanziger, D. Offergeld, H. Frehse
Fundstellen
Haufe-Index 1775730 |
DB 2007, 2435 |
JR 2008, 527 |
AP, 0 |
EzA-SD 2007, 11 |