Entscheidungsstichwort (Thema)
Grabenlose Verlegung von Versorgungsleitungen als bauliche Leistung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu 10 AZR 721/95 vom selben Tag; hier: Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO auf tarifvertragliche Ausschlußfrist, die Geltendmachung durch Klage nicht vorschreibt.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Juni 1995 – 16 Sa 1759/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zu 1) im Klagezeitraum einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und die Beklagten daher zur Beitragszahlung an die Klägerin verpflichtet sind.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes WaG (im folgenden: ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagten nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge auf Zahlung der Sozialkassenbeiträge für den Zeitraum Dezember 1988 bis einschließlich November 1989 in Anspruch.
Die Beklagte zu 1) unterhält einen Betrieb, in dem die grabenlose Installation von Versorgungsleitungen, insbesondere Gasleitungen durchgeführt wird. Die Beklagte zu 2) ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1). Bei dem Verfahren der grabenlosen Installation von Versorgungsleitungen erfolgt die Verlegung der Rohrleitungen in der Weise, daß zunächst ein unterirdischer Bohrvortrieb mit scharfen, schneidenden Wasserstrahlen durchgeführt und sodann im Rückwärtseinzug durch den zuvor ausgeweiteten Bohrkanal die Rohrleitung verlegt wird. Dieses Verfahren, das mehrfach patentiert ist, ermöglicht es, unter Schonung der Erdoberfläche Versorgungsleitungen z.B. unter Gewässern, Straßen, Kanälen, Bahnlinien, Dämmen und Bauwerken zu verlegen.
Die Geschäftsführer der Beklagten zu 2) haben die Tätigkeiten der Beklagten zu 1) und die jeweiligen Zeitanteile zu Protokoll des Arbeitsgerichts wie folgt dargestellt:
Zu 25 % der gesamtbetrieblichen Tätigkeit:
Verlegen der Leitungen einschließlich des Erstellens des Bohrkanals (speziell: Verlegung von Gasleitungen);
zu 20 % der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit:
Transport der Rohrleitungen von fremden oder eigenen Lagerplätzen zu Baustellen;
etwa 20 % der transportierten Rohre werden nicht von der Beklagten zu 1), sondern von Subunternehmern auf konventionelle Weise verlegt;
zu 16 % der Gesamtarbeitszeit:
Werkstatt- und Lagerarbeiten, insbesondere das Lagern von Rohren, Werkstoffen, Betriebsstoffen sowie Hilfsstoffen, die später beim Verlegen der Versorgungsleitungen eingesetzt werden;
zu 10 % der gesamtbetrieblichen Tätigkeit:
Blech-, Schlosser- und Installationsarbeiten, insbesondere die Reparatur und Vorbereitung der Arbeitsgeräte, die beim Verlegen der Leitungen eingesetzt werden;
zu 9 % der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit:
Elektronische Ortung von Untergründen, bevor mit der grabenlosen Installation von Leitungen begonnen wird;
zu 14 % der gesamtbetrieblichen Tätigkeit:
Bodenuntersuchungen vor der eigentlichen Rohrverlegung, um festzustellen, ob der Untergrund für die grabenlose Installation von Versorgungsleitungen geeignet ist oder nicht;
zu 10 % dieser Tätigkeit umfaßt der Auftrag nicht gleichzeitig die Installation der Versorgungsleitungen;
zu 6 % der Arbeitszeit:
Herstellung von Gleit- und Schmiermitteln, die in der Regel von der Beklagten zu 1) bei der Rohrverlegung verwendet werden.
Zum betrieblichen Geltungsbereich heißt es im allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren in der maßgeblichen Fassung (VTV) – soweit hier von Interesse:
Geltungsbereich
(1) …
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
6. Bohrarbeiten
…
25. Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen;
…
Abschnitt VII
Nicht erfaßt werden Betriebe
…
12. des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaues, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden.
…”
Die ZVK, die sich den Vortrag der Beklagten hilfsweise zu eigen gemacht hat, ist der Auffassung, mit diesen Tätigkeiten sei der Betrieb der Beklagten zu 1) im Klagezeitraum ein baugewerblicher Betrieb im Sinne der Bautarifverträge. Die Beklagten seien daher zur Zahlung der tarifvertraglichen Beiträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten für den Zeitraum Dezember 1988 bis November 1989 verpflichtet.
Die ZVK hat zuletzt beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 201.543,53 DM zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sind der Auffassung, der Betrieb der Beklagten zu 1) sei kein baugewerblicher im tariflichen Sinne. Auf das Installieren der Rohrleitungen einschließlich etwaiger Zusammenhangstätigkeiten entfielen nicht mehr als 41 % der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit; die übrigen Tätigkeiten, die nicht unmittelbar auf die grabenlose Installation von Rohrleitungen entfielen, hingen mit der Rohrverlegung nicht zusammen und seien außerdem – wie die Rohrverlegung selbst – keine baulichen Tätigkeiten. Im übrigen sei die Klage der Höhe nach nicht schlüssig begründet und die Beitragsforderung für den Klagezeitraum verjährt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die ZVK ihren Zahlungsantrag weiter. Die Beklagten bitten, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der ZVK ist unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht erkannt, daß die Beitragsansprüche der ZVK für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 1988 bis einschließlich November 1989 verfallen sind und die an sich zulässige Klage daher abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der geltend gemachte Beitragsanspruch der ZVK gegenüber den Beklagten ergebe sich dem Grunde nach zwar aus den §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 und 2 VTV, weil die Beklagte zu 1) mit ihrem Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten VTV erfaßt werde. Die Beitragsansprüche seien jedoch nach § 31 VTV in der seit dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung verfallen. Die Verfallklausel des § 31 VTV in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung erfasse auch die Ansprüche aus der Zeit von Dezember 1988 bis November 1989. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes seien befugt gewesen, mit § 31 VTV in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung bereits vor diesem Zeitpunkt entstandene Beitragsansprüche nachträglich einer Ausschlußfrist zu unterwerfen. Darin sei weder ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen, noch werde dadurch in bereits entstandene Rechte oder Ansprüche Dritter eingegriffen. Da die Verfallfrist des § 31 VTV in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung für die streitigen Beitragsansprüche mit Ablauf des Kalenderjahres 1989 begonnen und damit am 31. Dezember 1993 geendet habe, habe die ZVK mit der beim Arbeitsgericht am 3. Dezember 1993 eingereichten Beitragsklage, die den Beklagten erst am 5. Januar 1994 zugestellt worden sei, die Beitragsansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht. Eine vorprozessuale Geltendmachung ihrer Beitragsansprüche habe die ZVK nicht vorgetragen. § 270 Abs. 3 ZPO greife nicht ein, da diese Vorschrift nicht für solche tarifvertraglichen Ausschlußfristen gelte, die ohne weiteres auch anders als durch Klageerhebung gewahrt werden könnten.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung.
II. Soweit der ZVK Beitragsansprüche für den Zeitraum von Dezember 1988 bis einschließlich November 1989 zustehen, sind diese nach § 31 VTV vom 12. November 1986 i.d.F. vom 6. März 1992, gültig ab 1. Januar 1992, verfallen. Zu Recht hat daher das Landesarbeitsgericht die Klage der ZVK abgewiesen.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig. Die Klageschrift genügt den Anforderungen des § 253 ZPO, der für die Klageerhebung neben der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts zwingend nur die Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag verlangt. Diesen Anforderungen genügt das von der ZVK für die Klageerhebung verwendete Formular (BAG Urteil vom 10. April 1991 – 4 AZR 479/90 – AP Nr. 141 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Durch die vor der Unterschrift befindliche Verweisung auf die Rückseite ist die dort niedergelegte Begründung für die einzelnen Klageanträge zum Gegenstand des Klageschriftsatzes gemacht worden. Daß für die Klage ein Formular verwandt worden ist, das auch andere, im konkreten Fall nicht einschlägige Begründungen umfaßt, ist unschädlich. Welche Anträge gestellt werden und auf welche Begründung verwiesen wird, ist unschwer erkennbar, zumindest für eine Partei, die – wie die Beklagte – im Geschäftsverkehr tätig ist und hier mit einer Vielzahl von Formularen aller Art konfrontiert wird, deren Inhalt zu erfassen, regelmäßig mehr Aufwand erfordert als das Lesen eines zusammenhängenden Textes.
Die Klage ist in dieser Form auch schlüssig. Sie enthält die Tatsachenbehauptung, daß die Beklagte ein Unternehmen betreibt, das „Bodendurchpressungen” ausführt. Unter diesem Begriff versteht die ZVK eine bestimmte Tätigkeit, von der sie – wie die Begründung ergibt – der Ansicht ist, daß sie eine baugewerbliche Tätigkeit ist, die den geltend gemachten Klageanspruch begründet. Die Beklagten können darauf bezogen konkret Stellung nehmen. Sie können, wie sie es auch getan haben, vortragen, daß sie „Bodendurchpressungen” – so wie sie diese Tätigkeit verstehen – nicht vornehmen. Ergibt sich daraus, daß beide Parteien unter diesem Begriff etwas anderes verstehen, ist es Sache der ZVK, die von ihr als „Bodendurchpressung” bezeichneten Tätigkeiten näher zu beschreiben und ggf. unter Beweis zu stellen, daß die Beklagte zu 1) diese so beschriebenen Arbeiten auch ausführt.
Den Beklagten ist zuzugeben, daß es die Führung des Rechtsstreits für die Parteien und die Gerichte wesentlich erleichtern würde, wenn die ZVK ihre tatsächlichen Behauptungen schon in der Klageschrift ausführlicher halten würde. Der ZVK ist aus ihren vorprozessualen Ermittlungen eine Vielzahl von tatsächlichen Umständen bekannt, die geeignet sind, die Tätigkeit des beklagten Unternehmens näher zu beschreiben, etwa die Firmenbezeichnung im Schriftverkehr, die Handelsregistereintragung oder die Eintragung in der Handwerksrolle; sie hat Auskünfte der Krankenkassen und der Arbeitsämter, sie wird die Tätigkeit des betroffenen Unternehmens auf Baustellen beobachtet haben und diese daher beschreiben können. Das alles kann schon bei entsprechender Gestaltung des Formulars in der Klageschrift vorgetragen werden. Der Umstand, daß die ZVK „Massenverfahren” betreiben muß, steht dem nicht entgegen. In dem Moment, in dem es zu einem Rechtsstreit über die Zugehörigkeit eines bestimmten Unternehmens zum Baugewerbe kommen muß, hebt sich das Verfahren aus dem Massenbetrieb heraus.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß der Betrieb der Beklagten zu 1) vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird. Wie der Senat am selben Tag in dem Verfahren zwischen denselben Parteien mit dem Aktenzeichen – 10 AZR 721/95 – entschieden und im einzelnen begründet hat, stellen die von der Beklagten zu 1) arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Tätigkeiten bauliche Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV dar. Der Senat hat angenommen, daß die grabenlose Verlegung von Versorgungsleitungen in einem speziellen Wasserdruckverfahren als Rohrleitungsbau vom betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV erfaßt wird. Weiter hat der Senat angenommen, daß unter Hinzurechnung derjenigen Tätigkeiten, die zur sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung „Rohrleitungsbau” notwendig sind, und daher mit dieser Tätigkeit im Zusammenhang stehen, im Betrieb der Beklagten zu 1) arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten durchgeführt werden (vgl. Urteil vom 13. März 1996 – 10 AZR 721/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dieselben Erwägungen gelten im vorliegenden Fall, da von denselben Tätigkeiten auszugehen ist und lediglich ein anderer Zeitraum im Streit steht.
Damit gilt der allgemeinverbindliche VTV nach § 5 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 TVG für den Betrieb der Beklagten zu 1) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung unabhängig davon, ob diese tarifgebunden ist.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der von der ZVK geltend gemachte Beitragsanspruch für die Zeit von Dezember 1988 bis einschließlich November 1989 dem Grunde nach gegeben ist.
c) Die von der ZVK mit der Klage geltend gemachten Beiträge für den Zeitraum Dezember 1988 bis einschließlich November 1989 sind jedoch nach § 31 VTV in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung verfallen, so daß die Klage der ZVK zu Recht abgewiesen worden ist.
§ 31 VTV in der ab 1. Januar 1992 gültigen Fassung hat folgenden Wortlaut:
„(1) Die Ansprüche der ZVK-Bau, der ULAK und der UKB gegen den Arbeitgeber verfallen unabhängig davon, wann sie entstanden sind, wenn sie nicht innerhalb von 4 Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Für den Beginn der Frist gilt § 201 BGB entsprechend.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Ansprüche aus unerlaubter Handlung.”
Die ZVK hat die Beiträge für den Zeitraum Dezember 1988 bis einschließlich November 1989 nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 31 VTV geltend gemacht. Die Ausschlußfrist des § 31 VTV in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung findet auf die streitigen Beitragsansprüche der ZVK Anwendung.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht im Wege der Auslegung anhand des Wortlauts sowie des Sinns und Zwecks dieser Tarifvorschrift (BAGE 46, 308 ff. = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) festgestellt, daß diese tarifvertragliche Bestimmung auch solche Ansprüche erfaßt, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Tarifvertrags entstanden waren. Durch die Formulierung „… verfallen unabhängig davon, wann sie entstanden sind …” haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, daß sämtliche Beitragsansprüche der Sozialkassen, soweit sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages noch nicht erledigt waren, nunmehr von der Ausschlußfrist des § 31 VTV erfaßt werden sollten.
Wie das Landesarbeitsgericht weiter zu Recht ausführt, ist es nicht zu beanstanden, daß die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes bereits vor dem 1. Januar 1992 entstandene Beitragsansprüche der Sozialkassen des Baugewerbes nachträglich einer Ausschlußfrist unterworfen haben. Die neue kollektiv-rechtliche – durch Tarifvertrag geschaffene – Ordnung kann vorschreiben, daß solche Ansprüche, die auf der Grundlage der bisherigen generellen Regelung entstanden sind, innerhalb einer Ausschlußfrist geltend gemacht werden müssen (BAG Urteil vom 30. Oktober 1962 – 3 AZR 405/61 – AP Nr. 1 zu § 4 TVG Ordnungsprinzip); es gilt das Ordnungsprinzip, das heißt, die spätere Regelung tritt an die Stelle der früheren. Unterwerfen die Tarifvertragsparteien bei der Regelung einer gemeinsamen Einrichtung nachträglich bereits entstandene Beitragsansprüche einer Ausschlußfrist, so regeln sie die Beitragspflicht, indem sie den Beitragsanspruch durch die Voraussetzung einer rechtzeitigen Geltendmachung in zeitlicher Hinsicht beschränken. Eine solche inhaltliche Gestaltung des Beitragsanspruchs liegt in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien und ist auch nicht willkürlich. Sie entspricht dem berechtigten Interesse der Tarifunterworfenen, möglichst schnell Klarheit darüber zu erlangen, ob noch Ansprüche bestehen und geltend gemacht werden.
Die Ansprüche der ZVK für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 1988 bis November 1989 sind nicht innerhalb der Ausschlußfrist von vier Jahren geltend gemacht worden. Die Ausschlußfrist ist am 31. Dezember 1993 abgelaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die ZVK ihre Beitragsansprüche bei den Beklagten nicht geltend gemacht.
Die am 3. Dezember 1993 beim Arbeitsgericht eingereichte und den Beklagten am 5. Januar 1994 zugestellte Klage der ZVK vom 26. November 1993 ist nicht geeignet, die tarifliche Ausschlußfrist zu wahren; die Zustellung der Klageschrift an die Beklagten liegt außerhalb der tariflichen Ausschlußfrist. Unstreitig hat die ZVK vorgerichtlich die streitigen Beitragsansprüche bei den Beklagten nicht eingefordert.
Die ZVK kann sich auch nicht auf § 270 Abs. 3 ZPO stützen. Diese Vorschrift bestimmt zwar, daß dann, wenn durch die Klagezustellung eine Frist gewahrt werden soll, diese Wirkung bereits mit der Einreichung der Klage eintritt, sofern die Zustellung demnächst erfolgt. Nach herrschender Meinung gilt dies jedoch nicht für tarifvertragliche Ausschlußfristen, die nicht nur durch Klageerhebung, sondern auch auf anderem Wege gewahrt werden können (BAG Urteile vom 8. März 1976 – 5 AZR 361/75 – AP Nr. 4 zu § 496 ZPO; vom 4. November 1969 – 1 AZR 141/69 – AP Nr. 3 zu § 496 ZPO; vom 18. Januar 1974 – 3 AZR 3/73 – AP Nr. 4 zu § 345 ZPO; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 270 Rz 12; Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 270 Rz 5, jeweils m.w.N.). Die herrschende Auffassung schließt dies aus dem Sinn und Zweck des § 270 Abs. 3 ZPO, wonach dem Kläger das Verzögerungsrisiko der außerhalb seiner Einflußsphäre liegenden Amtszustellung abgenommen werden soll. Ist der Gläubiger aber für die Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist nicht auf die Klageerhebung angewiesen, sondern kann er die tarifliche Ausschlußfrist auch auf anderem Wege, z.B. durch einfachen Brief, wahren, kommt ihm nach dieser Auffassung die Erleichterung des § 270 Abs. 3 ZPO nicht zugute. Hat der Gläubiger die Möglichkeit, die Ausschlußfrist auch in anderer Form, z.B. durch einfaches Schreiben, einzuhalten, wählt er aber dennoch die Form der Klage, so geht es zu seinen Lasten, wenn die Klage nicht innerhalb der Ausschlußfrist dem Schuldner zugestellt wird. Das gilt auch dann, wenn der Berechtigte die Klage so rechtzeitig bei Gericht eingereicht hat, daß er damit rechnen durfte, die Klage werde noch innerhalb der Ausschlußfrist zugestellt werden (BAG Urteil vom 8. März 1976 – 5 AZR 361/75 – AP Nr. 4 zu § 496 ZPO).
Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, hat die ZVK die Ausschlußfrist nicht gewahrt, da die Geltendmachung gegenüber den Beklagten erstmals durch die Zustellung der Klage am 5. Januar 1994 erfolgt ist. Da der § 31 VTV keine Form der Geltendmachung vorschreibt, geht es zu Lasten der ZVK, wenn sie die Form der Klageerhebung gewählt hat und ihre Klage erst nach Ablauf der Ausschlußfrist dem Beklagten zugestellt worden ist.
d) Dem steht auch nicht entgegen, daß die Beitragsansprüche der ZVK noch nicht verjährt sind. Die Verjährungsfrist für die Beitragsansprüche beträgt nach § 197 BGB vier Jahre (BAG Urteile vom 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – AP Nr. 180 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; vom 20. Oktober 1982 – 4 AZR 1211/79 – AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Somit lief zwar auch die Verjährungsfrist – wie die Ausschlußfrist nach § 31 VTV – für die Beitragsansprüche der ZVK des Zeitraums Dezember 1988 bis November 1989 am 31. Dezember 1993 ab. Die Verjährung ist jedoch nach § 209 BGB durch die gerichtliche Geltendmachung mit der am 3. Dezember 1993 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage unterbrochen. Da die Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB nur durch die Klageerhebung herbeigeführt werden kann, greift insoweit § 270 Abs. 3 ZPO ein, wonach mit der demnächst erfolgten Zustellung der Klage die fristwahrende Wirkung bereits mit der Einreichung der Klage eingetreten ist.
e) Die besonderen Umstände des Falles rechtfertigen entgegen der Auffassung der ZVK keine andere Beurteilung. Aus der rechtlichen Unterschiedlichkeit der Ausschlußfristen und der Verjährungsfristen folgt, daß § 270 Abs. 3 ZPO auch im vorliegenden Fall für den Ablauf der Ausschlußfrist keine Anwendung findet, obwohl die Ausschlußfrist und die Verjährungsfrist zeitlich übereinstimmen. Während der Ablauf der Ausschlußfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner lediglich eine Einrede. Auch wenn die ZVK auf jeden Fall zur Unterbrechung der Verjährungsfrist eine Klage einreichen muß und ihr insoweit § 270 Abs. 3 ZPO zugute kommt, muß sie im Hinblick auf deren besonderen Sinn und Zweck zur Wahrung der tariflichen Ausschlußfrist eine Geltendmachung des Anspruchs fristgerecht in geeigneter Form vornehmen. Bei einer vierjährigen tarifvertraglichen Ausschlußfrist – wie in § 31 VTV – hat der Gläubiger auch ausreichend Gelegenheit, die Forderungen während dieser Zeit in der richtigen Form fristgemäß geltend zu machen. Auch wenn – wie vorliegend – Ausschlußfrist und Verjährungsfrist zeitlich übereinstimmen, kann es entgegen der Auffassung der ZVK nicht als bloßer Formalismus angesehen werden, wenn neben der Klageerhebung zur Unterbrechung der Verjährungsfrist zur Wahrung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist eine gesonderte Geltendmachung gegenüber dem Schuldner verlangt wird.
f) Der Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist in § 31 VTV steht auch nicht der Einwand der Arglist entgegen. Auch wenn die ZVK schon vorher gegenüber den Beklagten die Auffassung geltend gemacht hat, daß der Betrieb der Beklagten zu 1) in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV falle und die Beklagten daher zur Auskunftserteilung verpflichtet seien, verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagten sich – wie hier bis zuletzt – auf den Standpunkt stellen, daß der VTV für den Betrieb der Beklagten zu 1) nicht gilt. Es kann den Beklagten daher nicht entgegengehalten werden, daß sie dennoch die von der ZVK begehrten Auskünfte bisher nicht erteilt haben. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagten mit erwägenswerten, aber letztlich nicht stichhaltigen Argumenten die Rechtsmeinung vertreten und bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Revisionsinstanz aufrechterhalten, daß der Betrieb der Beklagten zu 1) vom VTV nicht erfaßt wird.
Da der mit der Klage geltend gemachte Beitragsanspruch der ZVK verfallen ist, hat das Berufungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Darauf, ob die Klage der Höhe nach schlüssig begründet worden ist, kommt es nicht an. Die Revision der ZVK hat keinen Erfolg.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Staedtler, Großmann
Fundstellen