Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung überzahlter tariflicher vermögenswirksamer Leistungen
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 12.04.1989; Aktenzeichen 14 (9) Sa 1584/88) |
ArbG Detmold (Urteil vom 24.08.1988; Aktenzeichen 1 Ca 633/88) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. April 1989 – 14 (9) Sa 1584/88 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung vermögenswirksam angelegter Beträge.
Der Kläger betreibt ein Fliesenlegerunternehmen. Der Beklagte ist bei ihm seit längerer Zeit bis einschließlich September 1985 beschäftigt gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Baugewerbes auch kraft Tarifbindung beider Parteien Anwendung, so u.a. der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) vom 3. Februar 1981 i.d.F. vom 26. September 1984 und der Tarifvertrag über die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen zugunsten der gewerblichen Arbeitnehmer im Baugewerbe (TV-vL) vom 1. April 1971 i.d.F. vom 12. November 1984.
Der TV-vL bestimmt u.a.:
„§ 6
Der Anspruch auf die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers verjährt in zwei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluß des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers entstanden ist.
Die Bestimmungen des § 16 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe und des § 4 des Tarifvertrages über die Berufsbildung im Baugewerbe (Ausschluß fristen) gelten nicht für Ansprüche aus diesem Tarifvertrag.”
§ 16 BRTV-Bau lautet:
- „Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
- Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird …”
Der Kläger zahlte während der Beschäftigung des Beklagten monatlich 52,– DM auf ein Bausparvertragskonto des Beklagten bei der Landesbausparkasse Münster. Nachdem der Beklagte im September 1985 ausgeschieden war, vergaß der Kläger den eingerichteten Dauerauftrag zu stornieren. Seine die Konten bearbeitende Ehefrau war verstorben. So wurden auf das Bausparkonto des Beklagten weitere 27 Monate lang insgesamt 1.404,– DM eingezahlt. Der Kläger verlangte vom Beklagten die Rückzahlung dieses Betrages mit zwei Schreiben vom 31. Januar 1988 und vom 6. März 1988. Die IG Bau-Steine-Erden lehnte den Anspruch im Auftrag des Beklagten mit Schreiben vom 17. März 1988 ab.
Mit der am 15. Juni 1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger weiterhin die Rückzahlung des Betrages. Er hat gemeint, der Beklagte könne sich auf Verfall oder Verjährung des unstreitig bestehenden Anspruchs nicht berufen. Denn die Vorschriften des § 16 BRTV-Bau fänden keine Anwendung. Ein derartiges Verhalten sei im übrigen rechtsmißbräuchlich.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.404,– DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. Februar 1988 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich zur Begründung auf Verfall und Verjährung des Anspruchs berufen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag unter Zurückweisung des überhöhten Zinsanspruchs entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der aus ungerechtfertigter Bereicherung begründete Klageanspruch unterliege der allgemeinen Ausschlußfrist des § 16 BRTV-Bau. Dabei könne unentschieden bleiben, ob es sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis handele. Denn in jedem Fall stehe der Rückzahlungsanspruch mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung. Die Überzahlung des Beklagten und der daraus resultierende Rückzahlungsanspruch hätten ihren Grund in dem früheren Arbeitsverhältnis der Parteien. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 TV-vL finde keine Anwendung. Der Klageanspruch sei kein Anspruch aus dem Tarifvertrag über die Gewährung vermögenswirksamer Leistungen im Baugewerbe. Denn er könne sich nur auf das Gesetz stützen. Es könne dahinstehen, wann der Rückzahlungsanspruch fällig gewesen sei und zu welchem Zeitpunkt spätestens der Kläger seine Forderungen gegenüber dem Beklagten hätte schriftlich anmelden müssen. Die Klageforderung scheitere bereits an der versäumten Klagefrist. Der Beklagte könne sich auch auf den Verfall der Klageforderung berufen. Denn Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten lägen nicht vor. Es sei nicht einmal sicher, ob dem Beklagten bis zum Anspruchsschreiben des Klägers am 31. Januar 1988 überhaupt bewußt gewesen sei, daß er zu Unrecht vermögenswirksame Beträge des Klägers weiterbezogen habe. Zwar habe er mit Sicherheit von seinem Bausparkonto zumindest jährlich eine Aufstellung über die erbrachten Leistungen erhalten. Aus ihr dürfte aber kaum ersichtlich gewesen sein, daß die Überweisungen gerade vom Kläger stammten. Die in erster Instanz aufgestellte Behauptung des Klägers, der Beklagte habe es gerade darauf angelegt, vermögenswirksame Beiträge doppelt zu kassieren, sei durch einen näheren Sachvortrag nicht substantiiert worden.
II. Dieser Auffassung stimmt der Senat weitgehend zu. Der Anspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB ist gemäß § 16 Abs. 2 BRTV-Bau verfallen. Der Beklagte handelt nicht rechtsmißbräuchlich, wenn er darauf hinweist.
1. Der Kläger hat es nicht nur versäumt, den größten Teil seines Rückforderungsanspruchs rechtzeitig innerhalb der zweimonatigen Ausschlußfrist des § 16 Abs. 1 BRTV-Bau schriftlich geltend zu machen. Er hat es zusätzlich unterlassen, seinen Anspruch innerhalb weiterer zwei Monate nach der Ablehnung durch die vom Beklagten beauftragte IG Bau-Steine-Erden vom 17. März 1988 gemäß § 16 Abs. 2 BRTV-Bau gerichtlich geltend zu machen.
2. Der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch unterliegt den Ausschluß fristenbestimmungen des § 16 BRTV-Bau. Es handelt sich um Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Hierzu zählen alle Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen (BAGE 30, 347 = AP Nr. 3 zu § 113 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 3. August 1982 – 1 AZR 77/81 – AP Nr. 5 zu § 113 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 27. November 1984 – 3 AZR 596/82 – AP Nr. 89 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
Die Anwendung der Vorschriften wird nicht durch § 6 Abs. 2 TV-vL ausgeschlossen. Denn die Bereicherungsforderung zählt nicht zu den „Ansprüchen aus diesem Tarifvertrag” im Sinne des § 6 TVvL. Das folgt bereits aus dem Wortlaut. Ansprüche aus dem Tarifvertrag sind Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeber nach § 2 Nr. 1 und § 5 Nr. 1 und 4 TV-vL auf Erfüllung tarifvertraglicher Leistungen. Der Anspruch auf Rückzahlung von zu Unrecht gewährten tariflichen Leistungen ist kein Anspruch aus dem Tarifvertrag. Das ergibt auch der Zusammenhang der weiteren Regelungsmaterie des § 6 TV-vL. In dessen Abs. 1 ist allein die Verjährung des Anspruchs der Arbeitnehmer auf die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers geregelt. Über die Verjährung von Rückforderungsansprüchen verhält sich der Tarifvertrag in dieser Bestimmung nicht. Wenn für den Verfall des Anspruchs etwas anderes gelten soll, hätten die Tarifvertragsparteien eine andere Formulierung gewählt. Diese ist ihnen auch nicht ungeläufig, wie § 16 Abs. 1 BRTV-Bau zeigt. Der Satzteil „und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen” sorgt dafür, daß Rückabwicklungsansprüche von rechtsgrundlos gezahlter Vergütung erfaßt werden (BAG, a.a.O.). Ferner spricht der Zweck der Tarifbestimmungen für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Das Baugewerbe ist durch eine hohe Fluktuation gekennzeichnet. Arbeitnehmer verlieren oder wechseln häufig den Arbeitsplatz. Weiter wird im Baugewerbe regelmäßig nicht im Stundenlohn gearbeitet, sondern nach teilweise komplizierten Bestimmungen im Leistungslohn (das trifft insbesondere für das Fliesenlegergewerbe zu). Diese Tatsachen haben die Tarifvertragsparteien bewogen, strenge Ausschluß fristen zu vereinbaren. Sie haben gemeint, nur so ihre Betriebe und Arbeitnehmer vor endlosen Streitigkeiten zu schwierigen Lohn- und Überzahlungsansprüchen schützen zu können. Es soll eine rasche endgültige Befriedung eintreten (Gedanke der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit). Diese Gründe gelten bei den Ansprüchen der Arbeitnehmer auf vermögenswirksame Leistungen nicht gleichermaßen.
Dabei handelt es sich nämlich um einen einfachen, auch nach langer Zeit leicht überschaubaren Sachverhalt. Ob und wielange ein Arbeitgeber den Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen erfüllt hat, läßt sich für Parteien, Prozeßbevollmächtigte und Gerichte leicht nachprüfen. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sind auch ohne Ausschlußfrist gewährleistet. Für Rückabwicklungsansprüche gilt das nicht ohne weiteres. Hier kann es durchaus zu komplizierten Sachverhalten kommen (vgl. den Sachverhalt im Urteil des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 30. April 1975 – 5 AZR 187/74 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Vermögenswirksame Leistungen). So ist es verständlich, wenn die Tarifvertragsparteien dafür wieder die allgemeine Befriedungsregelung des § 16 BRTV-Bau eingreifen lassen wollen.
3. Dem Beklagten kann kein Rechtsmißbrauch entgegengehalten werden. Es ist nach dem Sachvortrag des Klägers nicht ersichtlich, daß eine Verhaltensweise des Beklagten dazu geführt hat, daß er nach dem Ablehnungsschreiben der IG Bau-Steine-Erden vom 17. März 1988 die Frist des § 16 Abs. 2 BRTV-Bau versäumt hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Kremhelmer, Dörner, Ramdohr, Wax
Fundstellen