Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS (Polizist)
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2, Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 17.03.1993; Aktenzeichen 8 Sa 152/92) |
ArbG Berlin (Urteil vom 21.09.1992; Aktenzeichen 22 Ca 13544/92) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 17. März 1993 – 8 Sa 152/92 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 5 Ziff. 2 EV) gestützten außerordentlichen sowie einer vorsorglich nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I des Einigungsvertrages (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Der 1965 geborene Kläger war seit 1. November 1985 aufgrund eines mit dem Ministerium des Innern der ehemaligen DDR geschlossenen Dienstvertrages im Polizeidienst in Ost-Berlin tätig. Er wurde mit dem Dienstgrad Kriminal-Oberwachtmeister als Sachbearbeiter bei der Kriminalpolizei eingestellt und wurde in der Dienststelle … als Observant eingesetzt. Die Hauptaufgabe der Dienststelle bestand in der Unterstützung der Kriminalpolizei durch den Einsatz verdeckt arbeitender Beobachtungskräfte. Die Dienststelle unterstand dem Ministerium des Innern, hatte aber auch Observierungsaufträge des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) auszuführen. Nach der Vereinigung Berlins im Oktober 1990 wurde der Kläger in den Polizeidienst des Landes Berlin übernommen. Zuletzt war er bei einer kriminalpolizeilichen Sondergruppe tätig. In dem Fragebogen, der allen Mitarbeitern ausgehändigt wurde, gab er seine Zugehörigkeit zur Dienststelle an.
Am 2. Oktober 1991 ging bei dem Beklagten eine Auskunft des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Daten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes (im folgenden: Gauck-Bericht) vom 30. September 1991 ein. Aus dem Bericht ging hervor, daß der Kläger als verdeckt arbeitender Mitarbeiter der Dienststelle … im Finanzobjekt des MfS unter der Kennummer … erfaßt worden war.
Nach dem Gauck-Bericht war die Dienststelle … eine zentralgeführte und selbständig handelnde Struktureinheit des Arbeitsgebietes I der Kriminalpolizei. Sie war dem Stellvertreter des Leiters der Hauptabteilung Kriminalpolizei und dem Leiter der Abteilung I unterstellt. Der ehemalige Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei entschied direkt und unmittelbar über die Einsetzung und Abberufung des Leiters der Dienststelle. Die Dienststelle … war aufgrund des Befehls Nr. … des ehemaligen Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei tätig. Die Hauptaufgabe der Dienststelle … bestand in der Unterstützung der Struktureinheiten des Arbeitsgebietes I bei der Aufdeckung von Kriminalität. Das hatte durch den Einsatz verdeckt arbeitender Beobachtungskräfte zu erfolgen. Die Dienststelle war eine ausschließlich auf Beobachtungsaufgaben spezialisierte Diensteinheit des Arbeitsgebietes I der Kriminalpolizei. Die Tätigkeit der Dienststelle unterlag der strengsten Geheimhaltung. Im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern des Arbeitsgebietes I, die ihren Dienst in offiziellen Dienststellen der Volkspolizei versahen und innerhalb der Polizei allgemein bekannt waren, hatten die Mitarbeiter der Dienststelle … ihren Dienst in eigens dafür geschaffenen Objekten zu leisten, die mit einer Abdeckungslegende versehen waren. Außenstehende (einschließlich Polizei) konnten nicht erkennen, daß es sich bei den Mitarbeitern der Dienststelle … um Angehörige der Kriminalpolizei handelte. Die monatlichen Dienstbezüge der Mitarbeiter … wurden zur Wahrung der Konspiration von der Abteilung Finanzen des MfS auf der Grundlage der Besoldungsordnung des MdI errechnet und anschließend über den Leiter der Abteilung I Kriminalpolizei an den Leiter der Verwaltung Finanzen des MdI zur Zahlungsanweisung übergeben. Dieses Besoldungsobjekt lief in der Abteilung Finanzen des MfS unter der Schlüsselnummer …. Hierunter wurden alle Angehörigen der Dienststelle … einschließlich der hier befindlichen Offiziere im besonderen Einsatz des MfS erfaßt. Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter der Dienststelle … waren Angehörige des MdI und wurden von dort bezahlt. Eine Ausnahme davon bildeten die Leiter und ihre Stellvertreter der Dienststelle … und die der Operativgruppen … in den ehemaligen Bezirken, die grundsätzlich Offiziere im besonderen Einsatz des MfS waren. Die Zusammenarbeit zwischen dem MfS und der Dienststelle … wurde ausschließlich über diese Offiziere im besonderen Einsatz geführt.
Mit Schreiben des Polizeipräsidenten vom 16. April 1992, dem Kläger am 4. Mai 1992 zugegangen, kündigte der Beklagte das mit dem Ministerium des Innern der ehemaligen DDR geschlossene Dienstverhältnis fristlos wegen Tätigkeit für das MfS und vorsorglich ordentlich wegen fehlender persönlicher Eignung.
Mit seiner am 8. Mai 1992 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es könne ihm nicht wegen einer Tätigkeit für das MfS gekündigt werden, da er für dieses Ministerium nicht tätig geworden sei. Er sei Angehöriger der dem Ministerium des Innern unterstellten Deutschen Volkspolizei gewesen. Von dem Zusammenwirken zwischen dem MfS und dem Leiter der Dienststelle … sei ihm nichts bekannt gewesen. Der Befehl Nr. … sei ihm weder in die Hand noch vollständig bekanntgegeben worden. Er habe keine Anweisung durch das MfS erhalten, sondern Personen beobachtet, gegen die ein Anfangsverdacht bestanden habe. Er wisse nicht, wer diese Aufträge letztlich erteilt habe. Seine Aufgabe sei es gewesen, aufzuklären, ob ein Anfangsverdacht durch die Observation bestätigt werde oder nicht.
Im übrigen sei die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil das Kündigungsrecht verwirkt sei.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 16. April 1992 nicht aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht,
- den Beklagten zu verurteilen, ihn weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei für das MfS tätig gewesen. Die Dienststelle … sei nicht mit der herkömmlichen Kriminalpolizei zu vergleichen. Aufgabe der Dienststelle sei nicht nur die Aufklärung begangener Verbrechen gewesen, sondern auch die Beobachtung und Bespitzelung von Personen und Vereinigungen im Auftrag und für das MfS. Für die Aufgaben, die Mittel und Kräfte der Dienststelle …, sei der geheime Befehl … maßgebend gewesen. Nach Ziff. 3 des Befehls hätten auch Aufgaben, Tätigkeiten und Dienstkräfte dieser Einrichtung als Staatsgeheimnis behandelt werden müssen. Nach Ziff. 4 des Befehls habe die Abteilung … unmittelbar mit den zuständigen Diensteinheiten des MfS zusammenarbeiten müssen. Aus der Stellung der Dienststelle … habe der Kläger ohne weiteres erkennen können, daß die Dienststelle eine Hilfseinrichtung des geheimen Staatsapparates gewesen sei. Wegen seiner Tätigkeit im Polizeidienst in dieser Dienststelle erscheine die Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar.
Die ordentliche Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV wegen mangelnder persönlicher Eignung könne nicht nur aus dem Vorwurf abgeleitet werden, daß der Kläger für das MfS tätig gewesen sei. Selbständiger Kündigungsgrund sei auch die Tätigkeit des Klägers für die Dienststelle …. Wegen der geheimen, konspirativen, rechtsstaatswidrigen Tätigkeit sei der Kläger persönlich ungeeignet, weiterhin im Polizeidienst tätig zu sein.
Der Beklagte habe sein Kündigungsrecht auch nicht verwirkt. Die Erkenntnisse über die Dienststelle … seien erst nach Übermittlung des Schreibens vom 24. Juni 1991 an den Kläger gewonnen worden. Kurz darauf sei eine Liste aufgetaucht mit den Namen von Mitarbeitern, die vom MfS bezahlt worden seien. Hierunter hätten sich auch Mitarbeiter der Dienststelle befunden. Durch die Auskunft der Gauck-Behörde habe der Beklagte zum ersten Mal nähere Kenntnis über die Arbeitsweise der Abteilung … erhalten. Die Auskunft der Gauck-Behörde sei dann Veranlassung gewesen, sich mit dem Bereich … genauer zu befassen. Erst im Laufe dieser Recherchen sei man auf den Befehl … gestoßen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die außerordentliche Kündigung sei unwirksam, weil der Kläger nicht für das MfS tätig gewesen sei. Von einer Tätigkeit für das MfS im Sinne von Abs. 5 Ziff. 2 EV könne nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer eine bewußte, finale Mitarbeit entfaltet habe. Diese könne beim Kläger nicht festgestellt werden. Sowohl die Auskunft der Gauck-Behörde vom 30. September 1991 als auch der Befehl … belegten, daß die Dienststelle … gegenüber dem MfS zur Amtshilfe verpflichtet gewesen sei. Die Zusammenarbeit mit dem MfS sei nur über den Leiter und seinen Stellvertreter, beide zwingend Offiziere im besonderen Einsatz des MfS, erfolgt. Die Kontakte gegenüber den übrigen Mitarbeitern der Dienststelle hätten der Geheimhaltung unterlegen. Der Kläger habe auch vorgetragen, er habe den eigentlichen Auftraggeber nicht zu erkennen vermocht. Diesem Sachvortrag sei der Beklagte nicht konkret entgegengetreten. Auch die Gauck-Behörde gehe in ihrem Bericht davon aus, daß die Mitarbeiter oft nicht gewußt hätten, wer der Auftraggeber gewesen sei.
Die Kündigung sei auch als ordentliche wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers gem. Abs. 4 Ziff. 1 EV unwirksam. Der Beklagte habe die mangelnde persönliche Eignung des Klägers für eine weitere Tätigkeit in der Polizei aus dem Vorwurf abgeleitet, er sei für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen. Die Kündigung könne nicht auf Abs. 4 Nr. 1 EV gestützt werden, weil subjektiv nicht zu belegen sei, daß der Kläger für das MfS gearbeitet habe.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Der Feststellungsantrag des Klägers umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom … 16. April 1992 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrags ergibt daher, daß der Kläger nur eine Kündigungsschutzklage, jedoch keine weitergehende Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969).
II. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Hierfür bedarf es weiterer Sachaufklärung.
1. Nach Abs. 5 Ziff. 2 EV ist im Bereich des öffentlichen Dienstes ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint.
Die außerordentliche Kündigung nach Abs. 5 Ziff. 2 EV setzt zunächst eine Tätigkeit des Arbeitnehmers für das frühere MfS/AfNS voraus. Die Vorschrift verlangt nicht, daß ein Dienstvertrag oder eine andere vertragliche Beziehung zum MfS/AfNS bestanden haben muß. Die Verwendung der Präposition „für” anstelle der näherliegenden „beim” bedeutet, daß nur eine bewußte, finale Mitarbeit die Kündigung rechtfertigen kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 11. Juni 1992 – 8 AZR 537/91 – BAGE 70, 323 = AP Nr. 1 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Eine bewußte und finale Mitarbeit liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer willentlich für das MfS/AfNS tätig war. Eine besondere Absicht ist nicht erforderlich. Bedingter Vorsatz reicht aus. Der Arbeitnehmer muß keine positive Kenntnis davon gehabt haben, daß die Tätigkeit für das MfS/AfNS erfolgte. Es genügt, wenn er eine Tätigkeit für das MfS/AfNS billigend in Kauf genommen hat. An dem Erfordernis der bewußten, finalen Mitarbeit ist festzuhalten. Nur so ist gewährleistet, daß nur die Täter und nicht die Opfer in den Anwendungsbereich des Abs. 5 Ziff. 2 EV einbezogen werden. Eine ohne Wissen des Arbeitnehmers erfolgte „Abschöpfung” genügt nicht. Das Verhalten des Arbeitnehmers muß über eine passive und erzwungene Information hinausgehen. Erforderlich ist stets ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mit dem MfS/AfNS. Der kündigende Arbeitgeber trägt die volle Beweislast, daß der Arbeitnehmer für das MfS/AfNS gearbeitet hat (vgl. Urteil des Senats vom 26. August 1993 – 8 AZR 561/92 – BAGE 74, 120 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu B II 3 der Gründe).
2. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht im wesentlichen ausgegangen. Es durfte eine bewußte Tätigkeit des Klägers für das MfS allerdings nicht allein deswegen verneinen, weil dieser den Befehl … über die Zusammenarbeit zwischen der Dienststelle … und dem MfS nicht gekannt habe und weil ihm die eigentlichen Auftraggeber für seine Observierungsaufträge nicht genannt worden seien. Aus der Art der Observierungsaufträge und deren Durchführung können sich nämlich Rückschlüsse ergeben, ob der Kläger zumindest bedingt vorsätzlich für das MfS Aufträge erledigte. Bei der erforderlichen Sachaufklärung besteht eine Mitwirkungspflicht des Klägers.
a) Zwar gibt es keine generelle Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei (BGH Urteil vom 11. Juni 1990 – II ZR 159/89 – NJW 1990, 3151; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 138 Rz 22 f.). Keine Partei ist gehalten, dem Gegner für seinen Prozeßsieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt. Im Einzelfall kann jedoch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Mitwirkungspflicht zur Sachaufklärung bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn die beweispflichtige Partei selbst außerhalb des Geschehensablaufs steht und sie den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln kann, während die Gegenseite die erforderlichen Informationen hatte oder sich leicht beschaffen kann. Dem Gegner genügt dann einfaches Bestreiten nicht, sofern ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH Urteil vom 1. Dezember 1982 – VIII ZR 279/81 – BGHZ 86, 23, 29; BGH Urteil vom 20. Januar 1961 – I ZR 79/59 – NJW 1961, 826).
b) Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger verpflichtet, nähere Angaben über die von ihm durchgeführten Observierungsaufträge zu erteilen.
Im Streitfall liegen besondere Umstände vor, aus denen sich eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers bei der Sachverhaltsaufklärung ergibt. Da über die Observierungsaufträge des Klägers keine Akten vorhanden sind, steht der Beklagte außerhalb des Geschehensablaufs. Er ist nicht in der Lage substantiiert darzulegen, welche Aufträge der Kläger durchgeführt hat. Die Art der Observierungsaufträge ist aber von Bedeutung. Sie läßt Rückschlüsse zu, ob der Kläger bewußt für das MfS tätig geworden ist.
Für eine bewußte, finale Mitarbeit für das MfS reicht bedingter Vorsatz aus. Es genügt, daß der Kläger in Kauf genommen hat, für das MfS tätig geworden zu sein. Dies läßt sich nur feststellen, wenn bekannt ist, welche konkreten Observierungsaufträge der Kläger durchgeführt hat.
Der Kläger hat im einzelnen darzulegen, welche Aufträge er bei der Dienststelle … durchgeführt hat. Hierzu hat er auch seine früheren Vorgesetzten als Zeugen zu benennen und nähere Angaben über seine Tätigkeit zu machen. Neben dem Inhalt seiner Observationsberichte ist auch von Bedeutung, welchem Zweck die Berichte haben sollen (welcher konkrete Verdacht sollte überprüft werden?) und auf welche Art und Weise Erkundigungen eingeholt wurden. Da der Kläger die Observierung durchgeführt hat, verfügt er über die erforderliche Sachkenntnis.
Dem Kläger sind diese Angaben auch zuzumuten. Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie bei der Auskunftspflicht des Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes zu Fragen des Arbeitgebers nach einer Tätigkeit für das MfS (vgl. Urteil des Senats vom 7. September 1995 – 8 AZR 828/93 – AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag des Klägers über seine Observierungsaufträge vor, hat der Beklagte ggf. darzutun und zu beweisen, daß die behaupteten erheblichen, nachprüfbaren Tatsachen so nicht zutreffen oder ein bewußtes Tätigwerden des Klägers für das MfS sich aus anderen Umständen ergibt. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweis last des kündigenden Arbeitgebers findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – BAGE 76, 323, 332 = AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 3 b der Gründe).
III. Sollte das Landesarbeitsgericht nach weiterer Sachaufklärung erneut zu dem Ergebnis kommen, daß die außerordentliche Kündigung nach Abs. 5 Ziff. 2 EV unwirksam ist, so wird es zu prüfen haben, ob die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV wirksam ist. Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung nicht nur wegen einer Tätigkeit für das MfS erfolgt ist, sondern, wie sich bereits aus dem Kündigungsschreiben ergibt, wegen seiner dienstlichen Tätigkeit bei der Dienststelle …. Hierzu hat der Beklagte vorgetragen, die Dienststelle sei nicht nur auf der Grundlage strafverfahrensrechtlicher Vorschriften vorgegangen, sondern habe auch „im rechts freien Raum agiert”. Das Landesarbeitsgericht wird die ordentliche Kündigung deshalb auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfen haben, ob der Kläger als Polizist deshalb persönlich ungeeignet ist, weil er jahrelang für eine Dienststelle arbeitete, die grob rechtsstaatswidrig tätig geworden ist.
IV. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist im vollen Umfang aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat in Abhängigkeit von seiner erneuten Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag auch über die Weiterbeschäftigung neu zu befinden.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Schömburg, Hennecke
Fundstellen