Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsverfassung. Freizeitausgleich für Wegezeiten
Leitsatz (redaktionell)
s. auch 7 AZR 206/89
Normenkette
BGB § 362 Abs. 1; BetrVG § 37 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 11.01.1989; Aktenzeichen 3 Sa 573/88) |
ArbG Hamm (Urteil vom 20.01.1988; Aktenzeichen 3 Ca 1566/87) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Januar 1989 – 3 Sa 573/88 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie der Klage stattgegeben worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 20. Januar 1988 – 3 Ca 1566/87 – wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Wegezeiten, die er aus Anlaß seiner Teilnahme an Betriebsratssitzungen außerhalb seiner Schichtzeiten aufgewendet hat, Freizeitausgleich zusteht.
Die Beklagte betreibt in H. ein Werk zur Herstellung chemischer Fasern, Garne und Thermoplaste. Der Kläger ist dort als Chemiearbeiter gegen einen Bruttomonatsverdienst von ca. 2.600,– DM zuzüglich Zulagen tätig. Seit Frühjahr 1987 ist er Mitglied des bei der Beklagten bestehenden fünfzehnköpfigen Betriebsrates.
Der Kläger ist im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb eingesetzt und arbeitet in der Schichtbesetzung „D”. Er nahm im April, Mai und Juni 1987 an Betriebsratssitzungen teil, die außerhalb der für ihn maßgeblichen Schichtzeiten lagen. Für die Teilnahme an diesen Betriebsratssitzungen sowie für Wegezeiten, die er aus Anlaß der Teilnahme an den Betriebsratssitzungen aufgewendet hat, hat der Kläger Freizeitausgleich geltend gemacht und erhalten.
Im Rahmen einer nachträglichen Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Freizeitausgleichs für Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner Arbeitszeit verglich die Beklagte die geltend gemachten Stunden mit den Eintragungen im Wachbuch des Betriebes. Sie stellte fest, daß der Kläger für den Zeitraum vom 28. April bis 23. Juni 1987 insgesamt 14,25 Stunden als Freizeitausgleich für Wegezeiten zwischen dem Betrieb und der Wohnung geltend gemacht hatte.
Mit ihrem Schreiben vom 30. Juli 1987 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm seien in den Monaten Mai bis Juni 1987 insgesamt 14,25 Stunden Freizeit als Ausgleich für Fahrzeiten gewährt worden, die ihm nach den Richtlinien der Beklagten nicht zuständen; sie habe den Betriebsratsvorsitzenden um entsprechende Stellungnahme gebeten. Der Betriebsrat antwortete mit seinem Schreiben vom 3. August 1987, der Freizeitausgleich für die 14,25 Stunden sei zu Recht vorgenommen worden, weil es sich um ausgleichspflichtige „Reisezeiten” des Klägers handele. Hierauf antwortete die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 21. August 1987, sie sei nicht bereit, die bisher geltend gemachten „Reisezeiten” des Klägers anzuerkennen, und erwarte vom Betriebsrat, künftig nicht mehr „Reisezeiten zu Betriebsratssitzungen” als „Betriebsratstätigkeit” zu bescheinigen. Dem Kläger teilte die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 2. September 1987 mit, sie habe sich entschlossen, die geltend gemachten Wegezeiten nicht anzuerkennen und den Vorgesetzten des Klägers angewiesen, die dem Kläger zu Unrecht gewährten Freistunden auf andere Freizeitansprüche anzurechnen. Dementsprechend ist die Beklagte verfahren. Der Kläger meint, ihm stehe ein Anspruch auf Freizeitausgleich für die Wegezeiten zu, und hat geltend gemacht: Die Betriebsratssitzungen hätten aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit stattgefunden. Hierfür stehe ihm nicht nur ein Freizeitausgleichsanspruch für die Dauer der Teilnahme an den Sitzungen zu, sondern auch für die erforderlichen Zeiten seiner Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb aus Anlaß der Sitzungen.
Der Kläger, der im ersten Rechtszug auch noch hilfsweise beantragt hat festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, die für die Fahrtzeiten anläßlich von Betriebsratssitzungen in den Monaten Mai und Juni 1987 gewährte Freizeit gegen andere Freizeitansprüche aufzurechnen, hat im zweiten Rechtszug nur noch beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 14,25 Stunden Freizeitausgleich für Wegezeiten anläßlich der Teilnahme an Betriebsratssitzungen im Mai und Juni 1987 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Sie meint, dem Kläger stehe für die Wegezeiten aus Anlaß seiner Teilnahme an den Betriebsratssitzungen kein Anspruch auf Freizeitausgleich zu, und hat entgegnet: Wegezeiten seien nicht Bestandteil der Betriebsratstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 3 BetrVG, sondern nur ein Freizeitaufwand für eine Vorbereitungshandlung. Es verstieße gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG, wenn dem Kläger ein Freizeitausgleichsanspruch für Wegezeiten zugebilligt würde, die er aus Anlaß seiner Teilnahme an Betriebsratssitzungen außerhalb seiner Arbeitszeit aufgewendet habe. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich mit der Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Hiernach könnten Wegezeiten für Teilnehmer an einer Betriebsversammlung einen Vergütungsanspruch begründen. Eine solche Regelung sei jedoch in § 37 Abs. 3 BetrVG gerade nicht aufgenommen worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage im Umfang von 13,25 Stunden stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht: zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel weiter, die Klage insgesamt abweisen zu lassen, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Sie hat die teilweise Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und die Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts insgesamt zur Folge. Die Klage ist zulässig, aber insgesamt nicht begründet.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Antrag des Klägers nicht unzulässig. Insbesondere ist er gemäß § 894 ZPO vollstreckbar und gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
Die Gewährung von Freizeitausgleich stellt rechtlich eine Willenserklärung des Arbeitgebers dar. Mit Eintritt der Rechtskraft des die Verpflichtung zum Freizeitausgleich aussprechenden Urteils gilt die Erteilung des Freizeitausgleichs als erfolgt. Dabei scheitert die Anwendung des § 894 ZPO nicht daran, daß der Titel auf Gewährung von Freizeitausgleich keinen Zeitpunkt enthält, zu dem der Ausgleich zu gewähren ist. Die Vollstreckung nach § 894 ZPO ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner noch weitere Handlungen vornehmen muß oder weil noch weitere Tatbestandsmerkmale hinzutreten müssen, um den endgültigen Rechtserfolg herbeizuführen (vgl. zur vergleichbaren Lage bei der Klage auf Gewährung von Urlaub: BAGE 11, 312, 314 f. = AP Nr. 83 zu § 611 BGB Urlaubsrecht, unter III der Gründe; siehe auch BAG Urteil vom 19. Januar 1962 – 5 AZR 195/61 – AP Nr. 86, a.a.O.).
Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Die Menge des zu gewährenden Ausgleichs ist genau bezeichnet. Ebenso ist hinreichend konkretisiert, aus welchen Anlässen der Anspruch auf Freizeitausgleich entstanden ist, dessen Erfüllung mit dem Antrag begehrt wird, nämlich für Wegezeiten aus Anlaß von Betriebsratssitzungen außerhalb der Arbeitszeit des Klägers im streitbefangenen Zeitraum. Die Erfüllung des Anspruchs liegt darin, daß die Beklagte eine Willenserklärung abgibt, die zur Folge hat, daß sie dem Kläger eben hierfür tatsächlich (bezahlten) Freizeitausgleich gewährt.
2. Die Klage ist aber auch insoweit, als das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat, nicht begründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger ein Anspruch auf Freizeitausgleich für die in Rede stehenden Wegezeiten aus Anlaß seiner Teilnahme an Betriebsratssitzungen außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit nach § 37 Abs. 3 BetrVG zugestanden hat. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist die Klage nicht begründet, weil ein etwaiger Anspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Die Beklagte hat dem Kläger, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, den ihm aus seiner Sicht zustehenden Freizeitausgleich gewährt. Das Landesarbeitsgericht hat indessen übersehen, daß der mit der Klage verfolgte Anspruch durch Gewährung des Freizeitausgleichs erloschen ist und dem Kläger im Ergebnis denselben Freizeitausgleich ein zweites Mal zuerkannt. Dieser Rechtsfehler hat die Aufhebung des Berufungsurteils zur Folge, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts war insgesamt zurückzuweisen, weil der Anspruch des Klägers auch nur im zuletzt verfolgten Umfang nicht oder nicht mehr besteht.
3. Es hatte auch keine Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers zu ergehen, mit dem dieser ursprünglich die Feststellung begehrt hat, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, die für Wegezeiten anläßlich von Betriebsratssitzungen im Streitzeitraum gewährte Freizelt gegen andere Ansprüche auf bezahlte Freizeit aufzurechnen. Dieser Hilfsantrag ist nicht in der Revision angefallen, sondern vom Kläger bereits mit seiner Berufung nicht weiterverfolgt worden. Nach Abweisung des auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Freizeitausgleich gerichteten Hauptantrags und des Hilfsantrags als unbegründet hat der Kläger in der Berufungsinstanz nur seinen Hauptantrag weiterverfolgt und die Abweisung seines Hilfsantrags hingenommen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Kleeschulte, Neumann
Fundstellen