Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung wegen Manipulation bei Gleitzeit
Orientierungssatz
1. Überträgt ein Arbeitgeber den Nachweis der täglich bzw monatlich geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst (Selbstaufzeichnung) und füllt der Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmißbrauch dar, der insbesondere, wenn damit ein persönlicher Vorteil angestrebt wird, nicht nur zur ordentlichen, sondern sogar zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen kann.
2. Der Kündigende muß die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung in vollem Umfange darlegen und beweisen. Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich jedoch danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einläßt. Das pauschale Bestreiten des Kündigungssachverhalts ohne nähere Substantiierung reicht nicht aus.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 03.06.1986; Aktenzeichen 10 Sa 8/86) |
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 11.12.1985; Aktenzeichen 8 Ca 548/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 5. Oktober 1981 als Systemanalytikerin beschäftigt. Ihr monatliches Gehalt betrug zuletzt 4.500,-- DM brutto.
Bei der Beklagten war seit längerem für die vollzeitbeschäftigten Angestellten Gleitzeit eingeführt. Die Einzelheiten sind durch Betriebsvereinbarung, zuletzt durch diejenige vom 28. Februar 1985 geregelt. Gemäß Ziffer 5 dieser Betriebsvereinbarung wird die tägliche Arbeitszeit von den Angestellten durch Selbstaufschreibung erfaßt. Dafür benutzen sie ein besonderes Formular, in das sie Beginn, Ende und Unterbrechungen der täglichen Arbeitszeit eintragen. Anhand dieser Eintragungen ("kommt/geht") ist arbeitstäglich im Zeiterfassungsformular aus der Gegenüberstellung von Soll-Arbeitszeit (7 Stunden und 42 Minuten) und Ist-Arbeitszeit der Zeitsaldo zu ziehen (Ziffer 3.1 der BV). Aus den täglichen Zeitsalden wird durch Aufrechnung der wöchentliche Zeitsaldo, aus den wöchentlichen Salden der monatliche Zeitsaldo gewonnen. Bei der Beklagten ist es üblich, daß die Angestellten nicht nur die "kommt/geht"-Zeiten in der Zeiterfassungskarte eintragen, sondern darüber hinaus auch den täglichen Zeitsaldo. Die jeweilige Minutenzahl (mit positivem/negativem Vorzeichen) wird aus einer Tabelle, der sogenannten "Gleitzeitliste" von den Angestellten abgelesen. Ziffer V Satz 3 der Betriebsvereinbarung sieht vor, daß die ausgefüllten Zeiterfassungslisten durch den Vorgesetzten kontrolliert werden, der die monatliche Auswertung durch Gegenzeichnung anerkennt.
Anläßlich einer Stichprobenkontrolle der Zeiterfassungskarte der Klägerin durch das Gehaltsbüro stellte die Beklagte für den Zeitraum vom 2. April bis 15. Juli 1985 bei den von der Klägerin gemachten Angaben eine Reihe von Unregelmäßigkeiten bzw. Falscheintragungen fest. Insgesamt handelt es sich um 18 Eintragungen, bei denen die Beklagte der Klägerin eine bewußt falsche Eintragung zu ihren Gunsten vorwirft.
Am 25. Juli 1985 stellte die Beklagte die Klägerin wegen der Unregelmäßigkeiten in ihren Zeiterfassungslisten zur Rede. Der Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem aus der Sicht der Beklagten die Klägerin bis zum 26. Juli 1985 nicht in der Lage war, ihre Angaben plausibel zu erläutern, leitete die Beklagte an diesem Tag das Anhörungsverfahren des Betriebsrates zur ordentlichen Kündigung ein. Der Betriebsrat nahm unter dem 30. Juli 1985 zur beabsichtigten Kündigung Stellung. Mit Schreiben vom 2. August 1985 sprach die Beklagte der Klägerin die ordentliche Kündigung zum 30. September 1985 aus. Hiergegen hat die Klägerin mit Eingang bei Gericht am 8. August 1985 Kündigungsschutzklage erhoben.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe nicht bewußt unrichtige Salden in die Zeiterfassungskarte eingetragen. Es seien auch bei anderen Arbeitnehmern häufig Fehler bei der Erstellung der Zeiterfassungskarte vorgekommen. Diese resultierten aus der Unübersichtlichkeit der Gleitzeitliste. Sie habe die Zeiterfassung auch oft während der Arbeitszeit durchführen müssen. Zudem habe sie während der Erkrankung ihres Vaters in der ersten Juniwoche unter einer besonderen nervlichen Belastung gestanden. Auch andere Mitarbeiter nähmen es nicht so genau mit der Zeiterfassung, teilweise werde z.B. die Anwesenheitszeit nur in 1/4-Stunden-Staffelung angegeben. Der Vorgesetzte P habe im Zusammenhang mit den Zeiterfassungslisten humorvoll von "Lügenzetteln" gesprochen. In diesem Sinne habe sie sich auch bei der Besprechung vom 25. Juli 1985 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben, daß gemäß Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung vom 28. Februar 1985 für die Abteilung der Klägerin (Z 0) Sonderregelungen im Gleitzeitverfahren gälten. Es fielen so umfangreiche Mehrarbeitszeiten in dieser Abteilung an, daß der in der Betriebsvereinbarung generell vorgesehene Freizeitausgleich nicht mehr hinreiche. Deshalb sei die Gutschriftenpraxis in dieser Abteilung insgesamt großzügiger gehandhabt worden. Von der Betriebsvereinbarung selbst habe sie im übrigen keine Kenntnis gehabt, an Betriebsversammlungen habe sie nicht teilgenommen. Sie sei von einer Kontrolle der Zeiterfassungskarte durch ihre Vorgesetzte A sowie durch Stichproben der Personalabteilung ausgegangen. Die Beklagte hätte zumindest zunächst einmal eine Abmahnung aussprechen müssen, da nicht nur der Vertrauens-, sondern auch der Leistungsbereich berührt sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß durch die Kündigung
der Beklagten das Arbeitsverhältnis nicht
aufgelöst worden ist, sondern über den
30. September 1985 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Klägerin habe an den Tagen des 2., 19., 29. April, 14. Mai und 20. Juni 1985, an denen sie vor Arbeitsbeginn einen Arzt aufgesucht habe, einen Arbeitsbeginn von 7.00 Uhr zugrundegelegt, obwohl nach Ziffer 3.1 b der Betriebsvereinbarung in diesen Fällen von einem Arbeitsbeginn von 8.00 Uhr auszugehen sei. Sie habe daher an diesen Tagen je 60 Minuten zuviel abgerechnet. Aufgrund des von ihr selbst angegebenen Arbeitsbeginns und Arbeitsendes habe sie am 9. April 10 Minuten, 16. April 25 Minuten, 3. Mai 55 Minuten, 6. Mai 60 Minuten, 9. Mai 5 Minuten, 10. Mai 5 Minuten, 21. Mai 55 Minuten, 30. Mai 10 Minuten, 25. Juni 30 Minuten und 15. Juli 10 Minuten zuviel zu ihren Gunsten abgerechnet. Außerdem habe die Klägerin für die ersten beiden Juniwochen für sich ein Gleitzeitguthaben von 800 Minuten eingetragen, obwohl sie bis dahin 232 Minuten zu wenig gearbeitet hatte. Ein Versehen scheide aus, da die Klägerin ursprünglich die Zahl - 232 eingetragen, diese Eintragung dann jedoch mit Tipp-Ex überstrichen und durch + 800 ersetzt habe. Schließlich habe sie am 8. Juli 1985 zunächst den falschen Saldowert von 12 Minusminuten eingetragen und dann erst nach Beanstandung durch die Vorgesetzte H durch Überschreiben in die zutreffende Angabe von 42 Minusminuten korrigiert. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, die Betriebsvereinbarung sei durch Aushang an den Schwarzen Brettern, die sich in jedem Stockwerk ihres Betriebsgebäudes befänden, über das ganze Jahr 1985 hinweg bekanntgemacht worden. Eine Kontrolle der Zeiterfassungskarten durch den Vorgesetzten sei nicht erfolgt. Lediglich das Gehaltsbüro habe Stichproben gemacht. Im Gespräch vom 25. Juli 1985 habe die Klägerin erklärt, sie nähme es mit dem Zeitaufschreiben nicht so ernst. Da ausschließlich der Vertrauensbereich angesprochen sei, sei eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich gewesen. Dies müsse um so mehr gelten, da die Klägerin im Gespräch vom 25. Juli 1985 und auch später keine plausiblen Erklärungen für die Falscheintragungen habe geben können.
Die Klägerin hat erwidert, bei Arztbesuchen vor Arbeitsaufnahme sei sie aufgrund von Angaben ihres Arbeitskollegen F von einem fiktiven Arbeitsbeginn von 7.00 Uhr ausgegangen. Die unrichtigen Salden vom 9., 16. April, 6., 10., 30. Mai und 15. Juli beruhten auf versehentlichen Ablesefehlern in der unübersichtlichen Gleitzeitliste. Ebenso habe sie sich am 26. April 1985 zu ihren Ungunsten vertan. Die Angabe vom 9. Mai 1985 sei korrekt. Der unrichtige Zwischensaldo nach der zweiten Juniwoche sei entstanden, weil sie versehentlich den negativen Saldo aus der ersten Juniwoche mit dem Gleitzeitguthaben aus der zweiten Woche addiert habe. Der Saldo vom 3. Mai sei korrekt. Sie habe als Arbeitsende 17.35 Uhr eingetragen. Daraus habe später jemand anderes 16.35 Uhr gemacht. Am 16. April 1985 habe sie als Arbeitsende nicht 16.35 Uhr, wie die Beklagte lese, sondern 16.55 Uhr eingetragen. Am 21. Mai und 25. Juni 1985 habe sie eine ganze bzw. eine halbe Stunde länger gearbeitet, als sie in der Zeiterfassungskarte eingetragen habe. Die Salden seien daher korrekt.
Mit Urteil vom 11. Dezember 1985 hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die Kündigung darauf gestützt, die Klägerin habe in der Zeiterfassungskarte bewußt unrichtige Angaben gemacht, um eine kürzere Arbeitszeit zu erreichen. Dieses Verhalten sei geeignet, eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat es auch als bewiesen angesehen, daß die Klägerin die Eintragungen in der Zeiterfassungskarte in Täuschungsabsicht falsch vorgenommen hat. Der Vortrag der Klägerin, ein Teil der Falscheintragungen beruhten auf einem Versehen beim Ablesen in der Gleitzeitliste, stelle einen untauglichen Erklärungsversuch dar, um die Täuschungsabsicht der Klägerin zu verdecken. Unglaubwürdig sei auch die Behauptung der Klägerin, sie habe am 16. April, 21. Mai und 25. Juni 1985 tatsächlich länger gearbeitet, als in der Zeiterfassungskarte angegeben. Zwar trage die Klägerin nicht die Beweislast für die von der Beklagten zur Stützung der Kündigung herangezogenen Tatsachen, doch hätte die Klägerin, nachdem die Beklagte die Falscheintragung dargelegt und bewiesen habe, ihrerseits beweisen müssen, daß sie tatsächlich länger als in der Zeiterfassungskarte vermerkt, gearbeitet habe. Dies sei der Klägerin nicht gelungen. Deshalb stehe fest, daß die Klägerin an den fraglichen Tagen zu Unrecht zu ihren Gunsten einen unrichtigen Saldo eingetragen habe. Auch der Vortrag der Klägerin, am 3. Mai 1985 sei von fremder Hand ihr Arbeitsende von 17.35 Uhr auf 16.35 Uhr abgeändert worden, sei unzutreffend. Aus der Zeiterfassungskarte ergebe sich eindeutig, daß die Korrektur von der Klägerin selbst stamme. Besonders schwerwiegend sei, daß die Klägerin bei der Zwischensaldierung Mitte Juni 1985 statt der korrekten Angabe von 232 Minusminuten eine Zeitgutschrift von 800 Minuten eingetragen habe. Dabei scheide ein Versehen aus, da auf der Originalzeiterfassungskarte die richtige Eintragung von - 232 noch erkennbar sei, die später mit Deckweiß übermalt und in + 800 geändert wurde. Sie könne weder mit einem Rechenfehler noch mit der besonderen nervlichen Belastung der Klägerin durch die Erkrankung ihres Vaters Anfang Juni 1985 erklärt werden.
Die unrichtige Saldierung im Zusammenhang mit den Arztbesuchen hat das Berufungsgericht für kündigungsrechtlich unerheblich gehalten, da der unstreitige Vortrag der Klägerin, ihr Kollege F habe ihr erklärt, insoweit von einem Arbeitsbeginn ab 7.00 Uhr auszugehen, eine Unkenntnis der Klägerin, wie bei einem Arztbesuch korrekt zu verfahren gewesen sei, nicht ausgeschlossen erscheinen lasse. Da sowohl Art und Zahl der Falscheintragungen wie auch das Verhalten der Klägerin nach deren Entdeckung den Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses stark beeinträchtigt hätten, habe es einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung nicht bedurft. Auch bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen am Fortbestand bzw. an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sprächen keine durchgreifenden Argumente zu Gunsten der Klägerin.
B. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung zwar nicht in allen Teilen der Begründung, aber im Ergebnis stand.
I. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar ist, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung: BAGE 42, 151, 153 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes hat der Senat den Ausführungen des Berufungsgerichts im Ergebnis folgen können.
II. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Ausgangsüberlegung des Berufungsgerichts, der von der Beklagten behauptete Kündigungssachverhalt, die Klägerin habe Eintragungen in der Zeiterfassungskarte in Täuschungsabsicht vorgenommen, um sich unberechtigte Vorteile zu erschleichen, sei grundsätzlich geeignet, eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen zu rechtfertigen. Überträgt ein Arbeitgeber den Nachweis der täglich bzw. monatlich geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst (Selbstaufzeichnung) und füllt der Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies einen schweren Vertrauensmißbrauch dar (vgl. LAG Düsseldorf Urteil vom 27. Juli 1966 - 3 Sa 161/66 - DB 1966, 1571), der insbesondere, wenn damit ein persönlicher Vorteil angestrebt wird, nicht nur zur ordentlichen, sondern sogar zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen kann (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1964 - 2 AZR 211/63 - AP Nr. 53 zu § 626 BGB; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 283; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 339).
III. Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" die Überzeugung gewonnen, die Klägerin habe die Falscheintragungen "in der Absicht der Täuschung und Vorteilsverschaffung" vorgenommen. Auch dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Zunächst setzt sich das Landesarbeitsgericht mit dem Vortrag der Klägerin auseinander, ein Teil ihrer Falscheintragungen in der Zeiterfassungskarte sei dadurch zu erklären, daß sie versehentlich die falschen Saldenwerte aus der Gleitzeittabelle abgelesen und in die Zeiterfassungskarte übertragen habe. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, daß die Klägerin am 9. April, 6. Mai, 10. Mai, 30. Mai und 15. Juli 1985 wissentlich zu ihren Gunsten ein überhöhtes Gleitzeitguthaben in die Zeiterfassungskarte eingetragen hat und ihre Behauptung, sie habe nur versehentlich die falschen Zahlenwerte aus der Gleitzeittabelle abgelesen, ein nicht glaubhafter Erklärungsversuch sei, um ihre Täuschungsabsicht zu verdecken. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, weil sie nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen worden ist. Die Klägerin hat zwar in der Revisionsbegründung allgemein beanstandet, das angefochtene Urteil habe den Vortrag der Beklagten einfach übernommen und daraus die Überzeugung gewonnen, die Klägerin habe in Täuschungsabsicht gehandelt. Das reicht aber für eine zulässige Verfahrensrüge nicht aus. Vielmehr hätte die Revision sich mit den Urteilsgründen des Landesarbeitsgerichts im einzelnen auseinandersetzen und das angeblich übergangene Parteivorbringen jeweils genau bezeichnen müssen (vgl. Grunsky, ArbGG, 5. Aufl., § 74 Rz 9, m.w.N.). Es liegt auch kein von Amts wegen zu berücksichtigender Fall eines im Tatbestand widersprüchlichen Berufungsurteils vor (vgl. dazu BAGE 19, 342, 350 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr zutreffend den unstreitigen wie streitigen Sachverhalt im Tatbestand dargestellt und insoweit auch nicht durch die in Bezug genommenen Schriftsätze bzw. den Akteninhalt einen Widerspruch begründet. Denkbar aber mangels Verfahrensrügen unerheblich ist insoweit lediglich, daß das Landesarbeitsgericht die Darstellungen der Klägerin unrichtig interpretiert hat.
2. Der Senat ist auch an die Feststellung des Landesarbeitsgerichts gebunden, die Klägerin habe am 3. Mai 1985 entgegen ihrer Behauptung die Beendigung der Arbeitszeit eigenhändig von 17.35 Uhr auf 16.35 Uhr in der Zeiterfassungskarte abgeändert und aus diesem Grunde an diesem Tage zu Unrecht ein Gleitzeitguthaben von 103 Minuten vermerkt.
3. Entsprechendes gilt für die Zwischensaldierung Mitte Juni 1985. Insoweit hatte die Klägerin auf einen versehentlichen Additionsfehler abgestellt, die Beklagte jedoch den Vorsatz der Klägerin aus dem Indiz abgeleitet, daß zunächst die korrekte Angabe von "- 232" geschrieben worden sei und später eine Korrektur auf die falsche Angabe von "+ 800" - die unstreitig von der Klägerin stammt - mittels Tipp-Ex-Übermalung erfolgt sei. Den Beweis für die von ihr behauptete Hilfstatsache hat die Beklagte durch Vorlage der Originalurkunde angetreten. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß ursprünglich die korrekte Zahl eingetragen und später mit Deckweiß übermalt worden sei. Ein Versehen scheidet deshalb aus. Auch diese Feststellung hat die Klägerin nicht mit einer Prozeßrüge angegriffen, so daß der Senat wiederum nach § 561 Abs. 2 ZPO gebunden ist.
4.a) Unstreitig hat die Klägerin am 16. April, 21. Mai und 25. Juni 1985 eigenhändig den Arbeitsbeginn und das Arbeitsende eingetragen und aufgrund dieser Eintragungen einen Saldo zu ihren Gunsten von 73, 133 und 108 Minuten vermerkt. Die Klägerin hat die Falscheintragungen vom 21. Mai und 25. Juni 1985 damit erklärt, sie habe entsprechend länger gearbeitet, so daß der Saldo zu ihren Gunsten jeweils zutreffe, das von ihr angegebene Arbeitsende aber nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die Auffassung vertreten, die Klägerin hätte nun ihrerseits beweisen müssen, daß sie tatsächlich länger als in der Zeiterfassungskarte vermerkt gearbeitet habe. Damit hat das Berufungsgericht allerdings die in § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG geregelte Beweislastverteilung verkannt und ist vom angezogenen Urteil des Senats vom 12. August 1976 (- 2 AZR 237/75 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969) abgewichen. In dem Urteil vom 24. November 1983 (- 2 AZR 327/82 - AP Nr. 76 zu § 626 BGB) hat der Senat auch für die außerordentliche Kündigung bestätigt, daß der Kündigende die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung in vollem Umfange darlegen und beweisen muß und die Darlegungs- und Beweislast nicht so aufzuteilen ist, daß der Kündigende nur die objektiven Merkmale für einen Kündigungsgrund und die bei der Interessenabwägung für den Gekündigten ungünstigen Umstände und der Gekündigte seinerseits Rechtfertigungsgründe und für ihn entlastende Umstände vorzutragen und zu beweisen habe. Der Senat hat aber darauf hingewiesen, hierbei müsse allerdings eine Überforderung der mit der Darlegungs- und Beweislast belegten Partei im Kündigungsschutzprozeß vermieden werden. Es wäre verfehlt, etwa im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung dem Arbeitgeber eine so weitgehende Beweislast aufzuerlegen, daß es für ihn unzumutbar und unmöglich wäre, den Beweis zu führen. Daher richte sich der Umfang der Darlegungs- und Beweislast danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einlasse. Es reiche daher nicht aus, wenn der Arbeitnehmer den Kündigungssachverhalt pauschal ohne nähere Substantiierung bestreite, ebensowenig wie es ausreiche, wenn der Arbeitnehmer sich ohne nähere Angaben auf einen Rechtfertigungsgrund berufe.
b) Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, daß die Klägerin sich nicht hätte mit dem Vortrag begnügen dürfen, sie habe länger gearbeitet als sie angegeben habe. Wer auf den Vorwurf des Arbeitgebers, er habe wissentlich zu seinen Gunsten zu Unrecht Zeitguthaben in die Zeiterfassungskarte eingetragen, sich allgemein mit der höchst ungewöhnlichen Behauptung begnügt, er habe länger gearbeitet, als er selbst aufgeschrieben habe, muß dies näher erklären. Nur dann wird der Arbeitgeber in die Lage versetzt, entsprechende Recherchen anzustellen und ggf. den Beweis zu führen, daß die Behauptung nicht zutrifft. Die Klägerin hätte z.B. vortragen müssen, ob sie die Eintragungen zum selben Zeitpunkt vorgenommen hat, oder ob sie zunächst das Arbeitsende angegeben und dann später noch einen Auftrag erhalten hat, dem sie sich nicht hat entziehen können. In diesem Zusammenhang hätte sie dann außerdem darlegen müssen, welchen Auftrag sie noch bekommen hatte bzw. welche Arbeit sie länger als vorgesehen im Betrieb festgehalten hatte. Bei dieser Substantiierung wäre es zumindest plausibel gewesen, wenn sie nach Erledigung der Zusatzarbeit vom wirklichen Arbeitsende ausgehend den Saldo gezogen und dabei möglicherweise vergessen hätte, das Arbeitsende abzuändern. Die Klägerin hätte weiter zur Substantiierung dieser ungewöhnlichen Behauptung, sie habe länger gearbeitet, als sich aus der Eintragung ergebe, darlegen müssen, ob sie die zusätzliche Zeit allein oder mit (welchen?) Kolleginnen/Kollegen zusammengearbeitet habe und von wem sie den Auftrag zur Nacharbeit oder aus welchen Umständen sich die Notwendigkeit einer nicht vorhersehbaren Weiterarbeit ergeben haben soll. All dies hat die Klägerin nicht getan. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, daß zwar die Beklagte die Tatsachen, die die Kündigung rechtfertigen sollen, zu beweisen hat, vorliegend aber wegen unsubstantiierten Eingehens auf die Behauptung der Beklagten (§ 138 Abs. 2 ZPO) davon auszugehen ist, daß die Klägerin an den beiden Tagen tatsächlich auch die Arbeit zu dem Zeitpunkt beendet hat, den sie in der Zeiterfassungskarte eingetragen hat und - da in diesen Fällen ein Versehen in der Tabelle nicht denkbar ist - von einer bewußt unrichtigen Eintragung eines Zeitguthabens zu ihren Gunsten auszugehen ist.
5. Steht damit fest, daß die Klägerin in zahlreichen Fällen bewußt unrichtige Angaben zu ihren Gunsten in der Zeiterfassungskarte gemacht hat, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht angenommen hat, die Verfehlungen der Klägerin beträfen den Vertrauensbereich und aus diesem Grunde sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.
6. Bei diesen erheblichen Verstößen kommt der Behauptung der Klägerin, der Vorgesetzte P habe die Zeiterfassungskarten als "Lügenzettel" bezeichnet, keine rechtliche Bedeutung zu. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich noch nicht einmal, daß - diese Behauptung als richtig unterstellt - die Klägerin mit einer Duldung ihres Verhaltens hätte rechnen können, da die Bezeichnung als "Lügenzettel" ebenso warnend gemeint sein kann. Das Landesarbeitsgericht hat daher entgegen der Auffassung der Klägerin den entsprechenden Beweisantritt übergehen dürfen.
Auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag und Beweisantritt der Klägerin, sie habe oftmals Mehrarbeit geleistet, ohne hierfür gesonderte Zeitgutschriften auf der Gleitzeitkarte zu vermerken, hat keinen Erfolg haben können. Der Vortrag ist nicht entscheidungserheblich. Auch wenn er als wahr unterstellt wird, ändert dies nichts an dem Gewicht des von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgrundes. In Täuschungsabsicht angestrebte unberechtigte Zeitvorteile werden nicht dadurch gerechtfertigt, daß andere Arbeitsleistungen zwar erbracht, aber nicht verbucht worden sind.
Auch der Vortrag und Beweisantritt im Schriftsatz vom 24. April 1986 ist nicht entscheidungserheblich und deswegen vom Landesarbeitsgericht zu Recht übergangen worden. Weder hat die Beklagte zur Begründung der Kündigung ausgeführt, die Klägerin habe in falschen Zeiteinheiten (Viertelstunden statt Minuten) ihre Eintragungen vorgenommen, noch hat sich die Klägerin ihrerseits zur Rechtsverteidigung auf eine solche vermeintlich erlaubte "großzügige" Methode berufen. Es ist nicht ersichtlich, was ein von der Klägerin erbrachter Beweis für eine möglicherweise unkorrekte, aber andersartige Handhabung durch einzelne ihrer Arbeitskollegen für eine Auswirkung auf den Kündigungssachverhalt haben sollte.
Kündigungsrechtlich unerheblich ist auch der Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe ihr noch sechs Wochen vor Ausspruch der Kündigung eine überdurchschnittliche Leistungsbeurteilung ausgesprochen. Diese Behauptung der Klägerin bezieht sich auf den Leistungsbereich des Arbeitsverhältnisses. Gerade dieser ist aber durch die ausgesprochene Kündigung nicht betroffen. Die Störung des Vertragsverhältnisses bewegt sich vielmehr im sogenannten Vertrauensbereich.
IV. Hat das Berufungsgericht im Ergebnis in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß die Klägerin in zahlreichen Fällen bewußt unrichtige Angaben in der Zeiterfassungskarte gemacht hat, um sich auf Kosten der Beklagten unrechtmäßig zu bereichern, läßt auch die abschließende Interessenabwägung keinen Rechtsfehler erkennen. Dementsprechend war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Hillebrecht Dr. Weller Dr. Steckhan
Michels Dr. Roeckl
Fundstellen