Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde persönliche Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Absch. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; ArbGG §§ 66, 64 Abs. 6; ZPO §§ 519b, 234, 236 Abs. 2; KSchG § 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 27.09.1994; Aktenzeichen 5 Sa 223/93) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 11.06.1993; Aktenzeichen 3 Ca 9508/92) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. September 1994 – 5 Sa 223/93 – aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11. Juni 1993 – 3 Sa 9508/92 – zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung im Sinne des Einigungsvertrages Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 1 EV) und die Verpflichtung des Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 17. Juni 1947 geborene, verheiratete, für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger war seit 1978 an der Technischen Hochschule Leipzig zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4.800,– DM als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt.
1981 trat der Kläger in die SED ein. Von 1985 bis 1987 war er als Vertreter der SED-Grundorganisation der Sektion … Mitglied der Hochschulparteileitung der SED an der Technischen Hochschule Leipzig. Von 1988 bis 1989 war der Kläger Mitglied der Grundorganisationsleitung der Sektion …. Desweiteren wirkte der Kläger ab 1986 an sogenannten internationalen Sommerschulen mit; hierbei handelte es sich um an der Sektion … der Technischen Hochschule Leipzig durchgeführte Veranstaltungen, an denen Vertreter sowohl aus sozialistischen als auch aus nichtsozialistischen Ländern teilnahmen.
Darüber hinaus hatte der Kläger folgende Funktionen inne:
- Stellvertretender Seminargruppensekretär der FDJ 1966 bis 1969 an der TH-…
- Seminargruppensekretär der FDJ 1968 an der TH-…
- Vorstand der Leitung der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft (DSF) an der Sektion Polygraphie an der TH Leipzig von 1979 bis 1982; teilweise daneben
- von 1980 bis 1983 Mitglied der Gewerkschaftsgruppenleitung (FDGB) an der TH Leipzig
- von 1983 bis 1985 stellvertretender Vorsitzender der Sektionsgewerkschaftsleitung des FDGB an der TH Leipzig
- von 1985 bis 1989 Mitglied der Zivilverteidigung und Truppenführeraufklärer
Von 1984 bis 1985 hatte der Kläger ferner die Betriebsschule für Marxismus/Leninismus besucht.
Mit Schreiben vom 22. September 1992 unterrichtete der Staatssekretär als ständiger Vertreter des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst den Hauptpersonalrat über die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Als Kündigungsgrund wurde darin die Tätigkeit des Klägers als Mitglied der Hochschulparteileitung und als Mitglied der Grundorganisationsleitung der Sektion … und die daraus folgende Mitverantwortung des Klägers für die Durchsetzung der SED-Kaderpolitik genannt, ferner die Verantwortung des Klägers für die Berichterstattung über Sommerlehrgangsteilnehmer aus dem sogenannten „Nicht Sozialistischen Wirtschaftsgebiet”. Der Hauptpersonalrat teilte mit Schreiben vom 3. November 1992 dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst mit, daß er gegen die Kündigung keine Einwendungen erhebe. Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 12. November 1992, dem Kläger zugegangen am 17. November 1992, das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1993.
Mit Schreiben vom 1. November 1993 sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger erneut eine Kündigung zum 31. März 1994 aus; diese ist Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits beim Arbeitsgericht Leipzig.
Mit seiner am 8. Dezember 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die hier streitige Kündigung gewandt. Er hat geltend gemacht, er sei stets ein kritischer Vertreter der SED-Politik gewesen und habe sich nicht in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert, was u.a. der Zeuge Dr. S., der sich mit einem Schreiben vom 6. Oktober 1992 schon vor der Kündigung für ihn eingesetzt habe, bestätigen könne. Soweit ihn der Zeuge Dr. B. in einem von dem Beklagten vorgelegten Schreiben belaste, seien diese Vorwürfe unbegründet und offenbar deshalb erfolgt, um ihn, den Kläger, als Konkurrenten bei der Stellenvergabe auszuschalten.
Die Grundorganisation an der Sektion … sei ohne weiteren Unterbau identisch gewesen mit der Parteigruppe, da nur 15 bis 20 SED-Mitglieder vorhanden gewesen seien. Infolge dessen habe jedes Parteimitglied eine Funktion übernehmen müssen. Nur so habe es dazu kommen können, daß er bereits nach vierjähriger Parteizugehörigkeit in die Hochschulparteileitung gewählt worden sei. Innerhalb dieses Gremiums, das ca. 25 Mitglieder gehabt habe, habe er keine hervorgehobenen Funktionen wahrgenommen, er habe lediglich alle zwei Wochen an einer ca. dreistündigen Beratung teilgenommen. Seine Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung habe wegen der Republikflucht seiner Schwester und deshalb, weil er deren Kind zu sich genommen habe, geendet. Ihm seien keinerlei Kontroll- und Anleitungsbefugnisse gegenüber Parteisekretären der Sektion zugekommen, dies sei vielmehr Aufgabe des Sekretärs der Hochschulparteileitung gewesen. Im übrigen habe er selbst niemandem Schaden zugefügt.
Was seine Teilnahme an den internationalen Sommerschulen anbelange, sei er aufgrund seines Anstellungsvertrages mit der Technischen Hochschule verpflichtet gewesen, die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen, mithin auch an diesen Veranstaltungen mitzuwirken. Ihm habe die Ausländerbetreuung oblegen. Eine Berichterstattung an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) durch ihn sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt.
Auch sei zu berücksichtigen, daß er ab 1990 aktiv an der Umgestaltung der Hochschule mitgewirkt habe, und zwar als Mitglied des Konzils der Technischen Hochschule irr, Jahre 1990, als Mitglied des wissenschaftlichen Rates von 1991 bis 1992, als Mitglied des Fachbereichsrates Naturwissenschaften von 1990 bis 1992, als Mitglied des Konzils 1991 und als Mitglied der Fachkommission des Fachbereichs, berufen durch den Minister, im Jahr 1992.
Im übrigen könne die Rechtsprechung zur Eignung von Lehrern nicht ohne weiteres auf Hochschullehrer übertragen werden.
Die Kündigung sei ferner wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Hauptpersonalrats unwirksam, da diesem u.a. mitgeteilt worden sei, der Kläger habe einen erheblichen Einfluß auf die Personalentwicklung der gesamten Sektion ausgeübt und sei an der Behandlung von Reisekaderanträgen und disziplinarischen Maßnahmen gegen Mitarbeiter, die Ausreiseanträge gestellt hatten, beteiligt gewesen, obgleich dies nicht zutreffe und von dem Beklagten zur Begründung der Kündigung auch nicht behauptet werde; selbst wenn die entsprechenden Passagen wirklich schon in dem dem Hauptpersonalrat übermittelten Schreiben durchgestrichen gewesen seien, seien sie geeignet gewesen, die Entscheidung des Hauptpersonalrats zu Lasten des Klägers zu beeinflussen.
In allen Gremien sei ferner den Unterlagen die unzutreffende Information beigefügt worden, der Kläger habe als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die NVA-Aufklärung gearbeitet, und im Prozeß habe sich der Beklagte immer wieder auf diese Beschuldigung gestützt. Nach Einschaltung des Petitionsausschusses des Landtags sei die Staatsregierung insoweit aber aufgefordert worden, den Kläger zu rehabilitieren.
Schließlich habe der Beklagte auch die Kündigungsfrist des § 53 Abs. 2 BAT-O von sechs Wochen zum Ende des Kalendervierteljahres nicht eingehalten. Über den 2. Oktober 1992 hinaus sei § 55 AGB-DDR nicht mehr anwendbar, weil § 53 Abs. 3 BAT-O eine statische Verweisung sei. Im übrigen sei die Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten nach dem Einigungsvertrag, verstanden als Sonderkündigungsrecht, durch das Verlängerungsgesetz verfassungswidrig.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 12.11.1992. dem Kläger zugegangen am 17.11.1992, nicht aufgelöst wurde, sondern über den 31.01.1993 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht,
- für den Fall des Obsiegens mit dem Klagantrag Ziff. 1 den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Arbeitsrechtsstreits als wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (FH) dort im Fachbereich … weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Hauptpersonalrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Staatssekretär sei als ständiger Vertreter des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst auch befugt gewesen, am 22. September 1992 das Mitwirkungsverfahren gegenüber dem Hauptpersonalrat einzuleiten, da der Staatsminister an diesem Tag verhindert gewesen sei. Die vom Kläger genannten Passagen im Anhörungsschreiben vom 22. September 1992 seien gestrichen gewesen, als es dem Hauptpersonalrat zugeleitet worden sei. Wenn der Personalvertretung ein Kündigungsgrund mitgeteilt werde, auf den später die Kündigung nicht gestützt werde, mache dies die Beteiligung der Personalvertretung nicht unwirksam. Dem Hauptpersonalrat habe ferner der von dem Kläger ausgefüllte Fragebogen und das Protokoll der Anhörung des Klägers vor der Personalkommission vom 13. April 1992 vorgelegen. Er sei auch über die Sozialdaten des Klägers, die letzte Dienststelle, an der der Kläger eingesetzt gewesen sei, die Art der Kündigung und den beabsichtigten Kündigungstermin unterrichtet gewesen.
Die Kündigung sei wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers gerechtfertigt. Dessen Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung als dem höchsten Parteigremium der SED an der Technischen Hochschule Leipzig im Rang einer Kreisleitung sowie seine Mitgliedschaft in der Grundorganisationsleitung der Sektion … als dem der Hochschulparteileitung nachgeordneten Gremium begründeten erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers. Die Hochschulparteileitung habe die Entscheidungen der staatlichen Leitungsorgane überwacht und die Grundorganisationen kontrolliert und angeleitet. Ihr hätten ein hauptamtlicher Parteisekretär sowie zwei aus dem Bereich der Hochschule stammende Parteisekretäre angehört. Auf Vorschlag des Parteisekretärs seien besonders verdiente und in der Vergangenheit sich durch einen festen Klassenstandpunkt auszeichnende Hochschulmitarbeiter in die Hochschulparteileitung gewählt worden. Die Mitglieder der Hochschulparteileitung hätten gegenüber den Parteisekretären der Sektionen Vorgesetztenfunktion gehabt. Die Hochschulparteileitung habe Berichte über die ideologische Situation in den Arbeitsgruppen entgegengenommen. Personalentscheidungen der Hochschule seien nicht ohne Zustimmung der Hochschulparteileitung getroffen worden. Dies betreffe staatliche Funktionen, gesellschaftliche Funktionen, Westreisen u.a. Die Hochschulparteileitung sei auch verpflichtet gewesen, mit den Sicherheitsorganen der ehemaligen DDR zusammenzuarbeiten. Die SED-Grundorganisation der Sektion … sei keineswegs mit der Parteigruppe identisch gewesen. Sie habe ca. 30 bis 40 SED-Mitglieder umfaßt und als Untergliederungen habe es zunächst noch Abteilungsparteiorganisationen (APO) und darunter Parteigruppen gegeben. Die Grundorganisationsleitung habe die APO-Sekretäre anzuleiten gehabt, zu personalpolitischen Entscheidungen Stellung genommen und – wie die Hochschulparteileitung für die Hochschule insgesamt – gegenüber der Sektion und Sektionsleitung die Durchsetzung der führenden Rolle der SED und die Gewährleistung eines politisch-ideologischen Klimas im Sinne der SED sicherzustellen gehabt. Die Verantwortung der Grundorganisation für die Kaderarbeit dokumentiere der Beschluß des Sekretariats des ZK vom 7. Juni 1977 wie folgt:
„Die ständige Erhöhung der Kampfkraft der Partei und ihre politisch-ideologische Arbeit finden im Leben der Grundorganisationen ihre immerwährende Aufmerksamkeit. Der Arbeit mit den Menschen und mit den Kadern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Ihre beharrliche politisch-ideologische Erziehung, die Qualifizierung und die Entwicklung zum sozialistischen Leiter sind eine erstrangige und ständige Aufgabe der Grundorganisation.
Für die Realisierung der im Kaderprogramm festgelegten Maßnahmen zur marxistisch-leninistischen Qualifizierung der leitenden Kader ist die Grundorganisation verantwortlich. Sie sichert rechtzeitig die Auswahl und Delegierung zu Lehrgängen an den Parteischulen und nutzt alle im Territorium bzw. in der Grundorganisation vorhandenen Möglichkeiten der politischen Bildung. Sie kontrolliert, wie die leitenden Kader auf ihrem Gebiet sachlich qualifiziert werden.
Die Leitungen der Grundorganisationen nehmen aktiv Einfluß auf die Ausarbeitung von Maßnahmen der langfristigen Kaderarbeit durch die verantwortlichen Leiter, kontrollieren deren Erfüllung und sichern, daß die Leiter darüber regelmäßig Rechenschaft ablegen. Die Leitungen der Grundorganisationen haben die Kader entsprechend den Leninschen Normen des Parteilebens zur konsequenten Durchführung der Parteibeschlüsse zu erziehen, ihre Arbeitsergebnisse laufend politisch einzuschätzen und höhere Anforderungen zu stellen.
Die leitenden Organe der Partei helfen den Grundorganisationen, die Lösung der politischen, ökonomischen und kulturellen Aufgaben stets mit den Kadertragen zu verbinden.”
Mit der Einflußnahme von Grundorganisationsleitung und Hochschulparteileitung auf Personalentscheidungen seien bedingungslos konforme Hochschulmitarbeiter, also linientreue Genossen, gefördert und nicht selten gegenüber Kollegen bevorzugt worden, die zwar leistungsfähiger, aber partei-ideologisch nicht auf Linie waren. Wer wie der Kläger in derart hochrangigen Gremien mitgewirkt habe, habe sich zwangsläufig in besonderer Weise mit den Zielen der SED identifiziert und sich für deren Verwirklichung eingesetzt.
Im Falle des Klägers komme hinzu, daß dieser vor der Personalkommission selbst angegeben habe, er sei aus Gründen des persönlichen Fortkommens in die SED eingetreten, und daß er fortan aktiv für unlogische, menschenunfreundliche und absolutistische Ziele und Beschlüsse der Partei agitiert und als vorbehaltloser Verfechter der verfehlten Parteiziele der SED dieser zur Durchsetzung ihrer führenden Rolle an der Hochschule verholfen habe. Bei den internationalen Sommerschulen habe der Kläger für die Partei eine Kontroll- und Instruktionstätigkeit übernommen, partei-ideologische Berichte zu erstatten gehabt und sei für die Partei-ideologisch einwandfreie Situation verantwortlich gewesen. Die Berichte des Klägers seien über die Hochschulparteileitung an das MfS weitergeleitet worden, was jedem bewußt gewesen sei, der solche Berichte verfaßte. Im übrigen sei die Anwerbung des Klägers als IM für das MfS 1974 nur deshalb fehlgeschlagen, weil der Kläger bereits als IM für die NVA-Aufklärung arbeitete.
Umstände, die die Zweifel an seiner Verfassungstreue beseitigen könnten, habe der Kläger nicht vorgetragen. Sein Entlastungsvorbringen sei unsubstantiiert. Wenn er, was zu bestreiten sei, nach der Republikflucht seiner Schwester deren Kind zu sich genommen habe, so sei dies eine menschliche und verwandtschaftliche Selbstverständlichkeit und kein Indiz für eine kritische Haltung zur SED.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Für die Begründung seiner am 19. August 1993 fristgerecht eingelegten Berufung hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. September 1993 Fristverlängerung um einen Monat beantragt. Der an das Landesarbeitsgericht adressierte Schriftsatz wurde per Fax am selben Tag, einem Montag, um 16.36 Uhr unter Anwählen der damaligen Telefaxnummer des Landesarbeitsgerichts übermittelt; das Fax ging jedoch, weil das Faxgerät des Landesarbeitsgerichts automatisch auf das Faxgerät des im selben Haus untergebrachten Verwaltungsgerichts umschaltete, beim Verwaltungsgericht ein und wurde von dort am 21. September 1993 an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet. Das Übertragungsprotokoll der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten enthielt den Vermerk „Sendung o.k.”. Nachdem die Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 24. September 1993 telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden waren, daß das Fristverlängerungsgesuch nach dem Eingangs Stempel erst am 21. September 1993 zum Landesarbeitsgericht gelangt sei, beantragte der Beklagte mit per Fax am 8. Oktober 1993 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vorsorglich für den Fall einer etwaigen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete zugleich seine Berufung.
Das Landesarbeitsgericht hat in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Klage insoweit abgewiesen, als der Kläger die Feststellung des unveränderten Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses und vorläufige Weiterbeschäftigung beantragt hatte. Im übrigen hat es die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit seiner Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung auch im Kündigungsschutzantrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Antrag des Beklagten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei als rechtzeitig beim Landesarbeitsgericht eingegangen anzusehen, weil mit der vorgesehenen automatischen Umschaltung das Faxgerät des Verwaltungsgerichts als empfangsberechtigt für das Landesarbeitsgericht bestimmt gewesen sei. Der Verlängerungsantrag sei begründet, wegen der zu gewährenden Fristverlängerung komme es auf den vorsorglichen Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten nicht mehr an. Die am 8. Oktober 1993 eingegangene Berufungsbegründung sei somit fristgerecht und die Berufung zulässig, begründet sei sie aber nur hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags und des Weiterbeschäftigungsantrags des Klägers. Der Kündigungsschutzklage habe das Arbeitsgericht demgegenüber mit Recht stattgegeben, weil der Kündigungsgrund der mangelnden persönlichen Eignung des Klägers nicht vorliege.
Berücksichtigt werden könne insoweit nur die Tätigkeit des Klägers in der Hochschulparteileitung und in der Grundorganisationsleitung der Sektion … sowie die Mitwirkung des Klägers an den internationalen Sommerschulen, weil die weiteren Funktionen des Klägers dem Hauptpersonalrat nicht als Kündigungsgründe mitgeteilt worden seien. Der Kläger sei lediglich Mitglied, nicht etwa Sekretär der Hochschulparteileitung gewesen; die bloße Mitgliedschaft könne mangelnde persönliche Eignung nicht indizieren. Gleiches gelte für die Mitgliedschaft des Klägers in der nachgeordneten Grundorganisationsleitung der Sektion …. Zudem habe der Kläger die Funktionen nicht über einen langen Zeitraum, sondern nur für insgesamt vier Jahre ausgeübt.
Auch die Betätigung des Klägers im Zusammenhang mit den internationalen Sommerschulen rechtfertige nicht die Annahme einer besonderen Identifikation des Klägers mit den Zielen des SED-Staates. Für ein „einwandfreies politisch-ideologisches Klima” in sämtlichen Bereichen der ehemaligen DDR habe jedes Parteimitglied einzutreten gehabt. Ob die vom Kläger zu fertigenden Berichte einen besonderen politischen oder denunziatorischen Inhalt hatten, könne nicht beurteilt werden, weil der Beklagte keinen Bericht vorgelegt oder inhaltlich referiert habe.
Auch sei bei der gebotenen Einzelfallprüfung zu berücksichtigen, daß der Kläger 1987 unstreitig das Kind seiner republikflüchtigen Schwester bei sich aufgenommen habe, wodurch er zumindest in Kauf habe nehmen müssen, Nachteile zu erleiden; deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger ein bedingungsloser Verfechter des damaligen Repressionsapparates gewesen sei. Von Bedeutung sei insoweit ferner die Mitwirkung des Klägers an der Hochschulerneuerung in verschiedenen Gremien der Hochschule seit 1990, welche gegen fortbestehende Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers noch im Kündigungszeitpunkt spreche. Die Kündigung sei deshalb nach Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gerechtfertigt.
II. Diesen Ausführungen ist nur teilweise und im Ergebnis nicht zu folgen.
1. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt (§§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 b ZPO). Das Landesarbeitsgericht und das Verwaltungsgericht hatten keine gemeinsame Posteingangsstelle, wie sich aus den unterschiedlichen Eingangs stempeln entnehmen läßt. Auch dazu, daß das Faxgerät des Verwaltungsgerichts rechtswirksam zum gemeinsamen Empfangsgerät bestimmt worden ist, hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Der Umstand, daß das Faxgerät des Landesarbeitsgerichts gelegentlich automatisch auf das Gerät des Verwaltungsgerichts umschaltete, kann auf technischen Fehlern oder Fehlern des Einrichtungs- oder Bedienungspersonals beruhen, begründet aber noch keine gemeinsame Empfangseinrichtung der Gerichte. Die rechtliche Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts, der Fristverlängerungsantrag des Beklagten vom 20. September 1993 sei rechtzeitig eingegangen, läßt sich aus den festgestellten Tatsachen nicht ableiten.
Kann demnach von einem fristgerechten Eingang des Fristverlängerungsantrags nicht ausgegangen werden, konnte die Berufungsbegründungsfrist durch das Landesarbeitsgericht auch nicht mehr wirksam verlängert werden (vgl. BGH Beschluß vom 17. Dezember 1991 – VI ZB 26/91 – NJW 1992, 842).
Dem Beklagten ist jedoch aufgrund seines glaubhaft gemachten Vorbringens gemäß seinem vorsorglichen Wiedereinsetzungsantrag vom 8. Oktober 1993 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist gemäß §§ 234 Abs. 1 und 2, 236 Abs. 2 ZPO fristgerecht gestellt und mit der Nachholung der versäumten Prozeßhandlung verbunden. Ihm kann auch noch durch das Revisionsgericht entsprochen werden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 19. Aufl., § 237 Rz 2, mit weiteren Nachweisen). Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist ohne sein Verschulden versäumt. Er durfte, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, auf die Gewährung einer fristgerecht beantragten Fristverlängerung vertrauen. Der verspätete Eingang des Antrags war für ihn vor der telefonischen Mitteilung am 24. September 1993 nicht erkennbar: Bei der glaubhaft gemachten Wahl der richtigen Faxnummer des Landesarbeitsgerichts durfte der Beklagte davon ausgehen, daß allenfalls eine behördeninterne Weiterleitung der Verbindung, d.h. ein Umschalten auf ein weiteres Empfangsgerät des Landesarbeitsgerichts erfolgt sei, wenn das Übertragungsprotokoll „Sendung o.k.” auswies. Die automatische Umschaltung auf das Faxgerät des Verwaltungsgerichts ist dem Beklagten, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zutreffend erkannt hat, nicht als Verschulden zuzurechnen. Die Berufung des Beklagten ist deshalb im Ergebnis zulässig.
2. Auch soweit das Landesarbeitsgericht mangelnde persönliche Eignung des Klägers im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV verneint hat, tragen seine bisherigen Feststellungen, wie die Revision mit Recht rügt, dieses Ergebnis nicht.
a) Zutreffend ist allerdings das Landesarbeitsgericht von der Anwendbarkeit der genannten Vorschrift ausgegangen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Hochschule Leipzig gehörte der Kläger dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern an (Art. 20 Abs. 1 EV). Die Geltung von Abs. 4 Ziff. 1 EV für solche Arbeitnehmer ist durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I, 1546) über den 2. Oktober 1992 hinaus bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden. Das Verlängerungsgesetz begegnet, wie der Senat bereits mit Urteil vom 11. Mai 1995 (– 2 AZR 683/94 – zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, jedenfalls insoweit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, als davon Fälle erfaßt werden, in denen der öffentliche Arbeitgeber rechtzeitig vor dem 2. Oktober 1992 das Kündigungsverfahren eingeleitet hat, dieses sich jedoch ohne sein Verschulden (z.B. durch gesetzliche Mitbestimmungstatbestände) bis nach dem 2. Oktober 1992 hinausgezögert hat. So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat das Kündigungsverfahren rechtzeitig vor dem 2. Oktober 1992 eingeleitet, so daß sich bei dem Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Erwerb des allgemeinen Kündigungsschutzes bilden konnte. Aufgrund der Beteiligung des Hauptpersonalrats verzögerte sich die Kündigung über den 2. Oktober 1992; die Kündigung wurde aber alsbald nach der abschließenden Stellungnahme des Hauptpersonalrats erklärt. Das Verlängerungsgesetz ermöglicht die Gleichbehandlung des Klägers mit solchen Arbeitnehmern, denen die Kündigungsabsicht des Beklagten zur gleichen Zeit bekannt wurde und bei denen die auf den Einigungsvertrag gestützte Kündigung noch vor dem 2. Oktober 1992 zuging. Davon abgesehen nähert sich der Prüfungsmaßstab des Abs. 4 Ziff. 1 EV mit zunehmendem Zeitablauf dem des § 1 KSchG weitgehend an (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1995 – 2 AZR 683/94 – zu III 2 f der Gründe).
b) Zum Kündigungsgrund der mangelnden persönlichen Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV aufgrund besonderer Identifikation mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. zu deren Widerlegung durch Entlastungstatsachen sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX. auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – EzBAT § 53 BAT Einigungsvertrag Nr. 16, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) und neuerdings auch des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – MDR 1995, 721) – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, auf die bei einem Mitarbeiter dann geschlossen werden kann, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Mit der Umsetzung der SED-Ideologie in besonderem Maße verbundene Positionen in Staat und Partei, die ein Mitarbeiter seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für seine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, a.a.O.). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Der Arbeitgeber hat zunächst Bedeutung und Aufgabenstellung der ausgeübten Funktionen in der gesellschaftlichen Realität der DDR näher darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sogenannten Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers aber überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb hierzu konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf gegebenenfalls des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
c) Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar weitgehend ausgegangen, es hat sie aber – auch unter Berücksichtigung eines § 1 KSchG angenäherten Prüfungsmaßstabs und der nur eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit durch die Revisionsinstanz (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 –, a.a.O., zu II 3 der Gründe) – nicht richtig angewandt.
aa) Nicht zu beanstanden ist zunächst, daß das Landesarbeitsgericht lediglich die Funktionen des Klägers in der Hochschulparteileitung und in der Grundorganisationsleitung sowie die Tätigkeit des Klägers in den internationalen Sommerschulen als möglicherweise kündigungsrelevant angesehen hat, weil die übrigen Funktionen des Klägers und seine angebliche IM-Tätigkeit für die NVA-Aufklärung dem Hauptpersonalrat nicht als Grundlage der Kündigungsentscheidung des Beklagten mitgeteilt worden waren (vgl. BAG Urteile vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag; vom 16. September 1993 – 2 AZR 267/93 – AP Nr. 62 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; vom 1. April 1981 – 7 AZR 1003/78 – BAGE 35, 190 = AP Nr. 23 zu § 102 BetrVG 1972). Es handelt sich dabei nämlich nicht nur um solche Tatsachen, die ohne wesentliche Veränderung des Kündigungssachverhalts lediglich der Erläuterung und Konkretisierung der der Personalvertretung mitgeteilten Kündigungsgründe dienen (vgl. Senatsurteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972); vielmehr würden sie, wenn die Tätigkeit des Klägers in der Hochschulparteileitung, der Grundorganisationsleitung und bei den internationalen Sommerschulen noch nicht den Schluß auf dessen mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV zuließe, dem Sachverhalt gegebenenfalls erst das Gewicht eines kündigungsrechtlich erheblichen Grundes geben. Die Nichtberücksichtigung dieser weiteren Funktionen und Tätigkeiten des Klägers durch das Landesarbeitsgericht wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Nicht auseinandergesetzt hat sich das Landesarbeitsgericht mit der Rüge des Klägers, dem Hauptpersonalrat sei durch die Mitteilung weiterer, nach der Behauptung des Beklagten im Anhörungsschreiben vom 22. September 1992 allerdings gestrichener Belastungsgesichtspunkte ein unzutreffendes Bild vermittelt worden. Insoweit hat der Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, allein die Mitteilung zusätzlicher Kündigungsgründe, auf die die Kündigung dann nicht mehr gestützt werde, mache die Beteiligung der Personalvertretung und in der Folge die Kündigung nicht unwirksam. Letzteres würde erst dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber der Personalvertretung bewußt ein unzutreffendes, den Arbeitnehmer stärker belastendes Bild des Kündigungssachverhalts vermittelt hätte (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dafür besteht jedoch vorliegend kein Anhaltspunkt und auch der Kläger hat dies nicht behauptet.
bb) Der Beklagte hat die Aufgaben der Hochschulparteileitung und der Grundorganisationsleitung und ihre Bedeutung in der Hochschulrealität des SED-Staates detailliert unter Angabe von Beweismitteln geschildert. Der Kläger hat demgegenüber nur die Größe der Grundorganisation der Sektion … und die tatsächliche Existenz grundsätzlich möglicher Untergliederungen bestritten, nicht dagegen – jedenfalls nicht substantiiert – die sonstige Funktions- und Bedeutungsdarstellung seitens des Beklagten. Danach ist davon auszugehen, daß beide Gremien, insbesondere die Hochschulparteileitung, die Geschicke der Hochschule und insbesondere Personalentscheidungen maßgeblich im Sinne der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED zu beeinflussen hatten und tatsächlich beeinflußten. Daß nach den Angaben des Klägers ausführend die Parteisekretäre tätig wurden, ändert daran nichts: Die Verantwortung für die Durchsetzung des Primats der SED an der Hochschule und der im eklatanten Widerspruch zur Wertordnung des Grundgesetzes stehenden Ziele der SED trugen die entsprechenden Parteileitungen. Wer, wie der Kläger, über etwa vier Jahre bis zur Wende in diesen über die bloße SED-Mitgliedschaft deutlich herausgehobenen Gremien mitwirkte, erweckt Zweifel, ob er künftig als Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und insbesondere als ein u.a. in der Lehre tätiger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubwürdig vertreten kann. Seine persönliche Eignung ist im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV nachhaltig in Frage gestellt, auch wenn man berücksichtigt, daß Studenten in der Regel weniger leicht zu beeinflussen sein dürften als etwa Schüler an allgemeinen Schulen.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß der Kläger bei den internationalen Sommerschulen eine leitende Funktion innehatte, in der er nicht nur die Betreuung der ausländischen Teilnehmer zu koordinieren, sondern darüber hinaus Berichte der Betreuer über diese Teilnehmer zu sammeln und – nach seinem eigenen Vorbringen an das Direktorat für internationale Beziehungen (DIB) – weiterzuleiten hatte; auch er selbst unterlag dieser Berichtspflicht, weil er nach den von ihm selbst vorgelegten Unterlagen über seine Koordinationsaufgaben hinaus als Betreuer ausländischer Teilnehmer eingesetzt war. Ob der Kläger für ein substantiiertes Bestreiten des Vorbringens des Beklagten zum Inhalt dieser Berichte gehalten gewesen wäre, die von ihm selbst gefertigten Berichte inhaltlich zu konkretisieren, mag dahinstehen. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß politisch-ideologische Betrachtungen in diesen personenbezogenen Berichten eine untergeordnete Rolle spielten, jedenfalls spielten sie aber – auch nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts – eine Rolle. Unbestritten blieb zudem der Sachvortrag des Beklagten, die Berichte seien bestimmungsgemäß, ob über das DIB oder auf anderen Wegen, auch an das MfS gelangt, was jedem „Berichterstatter” bekannt gewesen sei. Das Gegenteil wäre unter den Bedingungen des SED-Staates bei personenbezogenen Berichten über Wissenschaftler aus dem nichtsozialistischen Ausland auch lebensfremd, ein angebliches Nichtwissen müßte als bloße Schutzbehauptung angesehen werden. Es vermag den Kläger insoweit nicht zu entlasten, daß er die Tätigkeit bei den Sommerschulen als dienstliche Pflicht angesehen hat; er hat jedenfalls nicht vorgetragen, er habe in irgendeiner Weise versucht, sich dieser einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung widerstreitenden Pflicht zu entziehen.
cc) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist das bisherige Vorbringen des Klägers nicht geeignet, ihn entscheidend zu entlasten.
Ob die Aufnahme des Kindes seiner „republikflüchtigen” Schwester – die vom Landesarbeitsgericht übernommene Bezeichnung als Kind der „Schwägerin” beruht ersichtlich auf einem Versehen, welches von den Parteien bereits in den Schriftsätzen vom 11. November 1993 und vom 13. Mai 1994 korrigiert worden war – einen den Kläger entlastenden Umstand darstellt, läßt sich derzeit nicht feststellen. Zum einen ist das Vorbringen des Klägers entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht unstreitig. Es wird vom Landesarbeitsgericht nicht im unstreitigen, sondern im streitigen Teil des Tatbestands wiedergegeben und wurde in den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Schriftsätzen des Beklagten vom 6. Mai 1993 und vom 29. August 1994 ausdrücklich mit Nichtwissen bzw. als unsubstantiiert bestritten. Nicht auszuschließen ist auch, daß die Aufnahme des Kindes eventuell im Einvernehmen mit den zuständigen Entscheidungsträgern der SED erfolgte, etwa um dem Kind nunmehr eine konsequente sozialistische Erziehung angedeihen zu lassen. Der Kläger hat jedenfalls bislang keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß die Aufnahme des Kindes zu einem Konflikt mit der Partei geführt hat, der von ihm „durchgestanden” wurde. Seine weitere Funktion in der Grundorganisationsleitung der Sektion … spricht eher gegen einen solchen Konflikt.
Die Betätigung des Klägers als gewähltes Mitglied diverser Hochschulgremien im Rahmen der Erneuerung des Hochschulwesens ist vom Landesarbeitsgericht zwar im Ansatz zutreffend als potentiell entlastend gewertet worden vgl. auch BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – MDR 1995, 721). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß für die Wahl des Klägers in diese Gremien auch „alte Seilschaften” ursächlich gewesen sein könnten, die dem Kläger gerade wegen seiner SED-Vergangenheit Vertrauen entgegenbrachten. Der Kläger hat insoweit, bislang unbestritten, behauptet, an den Wahlen seien weniger als 30 % ehemaliger SED-Mitglieder beteiligt gewesen, gleichwohl habe er jeweils die zweithöchste Stimmenzahl erhalten; dies könnte für seine Glaubwürdigkeit im Sinne eines Eintretens für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sprechen, wird aber vom Landesarbeitsgericht lediglich als einer von allen Umständen in die Prüfung des Einzelfalles einzubeziehen sein.
Das Zeugnis des Gründungsrektors vom 4. März 1993 würdigt lediglich die fachlichen Leistungen und Fähigkeiten des Klägers; für seine persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist es ohne Aussagekraft.
Kein Entlastungsargument läßt sich aus dem Umstand ableiten, daß der Kläger kein Reisekader war. Dies kann vielfache Ursachen haben, etwa daß sich der Kläger darum nicht bemüht hat. Mit Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, daß ein aus diesem Umstand gefolgertes Mißtrauen der SED gegenüber dem Kläger zu dessen Mitgliedschaft in der Hochschulparteileitung und dann in der Grundorganisationsleitung in Widerspruch stünde.
Schließlich ist auch daraus, daß an den Kläger adressierte Post von der Staatssicherheit abgefangen wurde, nichts für den Kläger Entlastendes herzuleiten. Diese rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechende Behandlung widerfuhr zahlreichen Bürgern der ehemaligen DDR, ohne daß sie stets in deren „politischer Unzuverlässigkeit” begründet gewesen wäre. Der Grund des Abfangens der Post kann z.B. ebenso beim Absender gelegen oder der beabsichtigten Anwerbung des DDR-Bürgers als IM gedient haben.
dd) Da das Landesarbeitsgericht für die Frage eines Kündigungsgrundes wesentliche Feststellungen nicht getroffen hat, ist der Senat an einer eigenen Entscheidung gemäß § 565 Abs. 3 ZPO gehindert. Das Landesarbeitsgericht wird neben der streitigen Größe und Bedeutung der Grundorganisation der Sektion … die näheren Umstände der Aufnahme des Kindes der „republikflüchtigen” Schwester durch den Kläger und seines Engagements in den verschiedenen Gremien bei der Hochschulerneuerung aufzuklären haben. Den Parteien wird auch Gelegenheit zu geben sein, die bislang unsubstantiierten, auf den Schreiben von Dr. B. an die Personalkommission (ohne Datum) und von Dr. S. an das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst vom 6. Oktober 1992 fußenden Beschuldigungen und Entlastungsgesichtspunkte zu konkretisieren; gegebenenfalls werden dazu ergänzende Feststellungen zu treffen sein. Das Landesarbeitsgericht wird sodann die persönliche Eignung des Klägers im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV unter Beachtung der oben genannten Grundsätze und der vorstehenden Hinweise des erkennenden Senats neu zu bewerten haben. Hinsichtlich der anzuwendenden Kündigungsfrist wird gegebenenfalls die Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 26. Mai 1994 – 6 AZR 27/94 – AP Nr. 1 zu § 53 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) zu beachten sein.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Bensinger, Nielebock
Fundstellen