Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Nah- von der Fernmontage

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ob ein Montagearbeiter nach einem Montagetarifvertrag Nah- oder Fernauslösung erhält, hängt davon ab, ob ihm die tägliche Rückkehr zu seiner Wohnung zumutbar ist. Dies ist u. a. der Fall, wenn bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel der Zeitaufwand für Hin- und Rückweg 3 1/2 Stunden nicht übersteigt.
  • Bei der Berechnung dieses Zeitaufwandes sind notwendige Wartezeiten an der Montagestelle bis zum Schichtbeginn und nach Schichtende bis zum Antritt des Rückweges nur mitzuberücksichtigen, wenn sie jeweils 30 Minuten übersteigen (teilweise Aufgabe von BAG Urteil vom 25. August 1982 – 4 AZR 1072/79 – BAGE 40, 86 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG Auslösung).
 

Normenkette

TVG § 1 Auslösung, § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues (BMTV) mit Anmerkungen vom 30. April 1980 §§ 6-7

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 20.10.1993; Aktenzeichen 2 Sa 691/92)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.03.1992; Aktenzeichen 5 Ca 420/91)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1993 – 2 Sa 691/92 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger für die Zeit vom 25. März bis zum 3. Mai 1991 einen Anspruch auf Fern- oder auf Nahauslösung nach dem Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues (BMTV) mit Anmerkungen vom 30. April 1980, gültig ab 1. Mai 1980, hat. Dieser Tarifvertrag ist von der Industriegewerkschaft Metall, deren Mitglied der Kläger ist, und den regionalen Verbänden der Metallindustrie abgeschlossen worden. Die Beklagte gehört dem für sie regional zuständigen Arbeitgeberverband an.

Der Kläger ist als Montagearbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Er wohnt in B…. Vom 25. März bis zum 3. Mai 1991 arbeitete er auf einer Montagestelle in Bochum-Wattenscheid. Dort war Arbeitsbeginn um 7.30 Uhr und Arbeitsende um 15.39 Uhr. Die Montagestelle erreichte der Kläger mit dem eigenen Pkw. Hätte er öffentliche Verkehrsmittel benutzt, hätte er nach den von ihm in der Revisionsinstanz nicht mehr in Frage gestellten Berechnungen der Beklagten seine Wohnung um 5.40 Uhr verlassen müssen. Die Arbeitsstelle hätte er dann um 7.05 Uhr erreicht. Nach Arbeitsende wäre er um 17.30 Uhr wieder zu Hause gewesen. Hierfür hätte er von der Montagestelle um 15.46 Uhr aufbrechen müssen.

Der Kläger vertritt den Standpunkt, er sei vom 25. März bis 3. Mai 1991 in Fernmontage eingesetzt worden. Er könne deshalb auch Fernauslösung verlangen. Die Beklagte bezahlte nur Nahauslösungen. Der rechnerisch unstreitige Differenzbetrag von 1.106,28 DM ist Gegenstand der Klage.

Der BMTV enthält u.a. die folgenden Bestimmungen:

“§ 6

Fernmontage

  • Begriff

    Fernmontage ist eine Montage, die ein auswärtiges Übernachten des Montagestammarbeiters erfordert, weil ihm die tägliche Rückkehr entweder an den Sitz des entsendenden Betriebes oder zu seiner Wohnung (1) nicht zumutbar ist.

    • Die tägliche Rückkehr ist zumutbar, wenn der Zeitaufwand außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für Hin- und Rückweg 3 1/2 Stunden nicht übersteigt. Übersteigt der Zeitaufwand 3 1/2 Stunden, sind die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden.
    • Für die Benutzer (2) von werksseitig gestellten oder privaten Fahrzeugen ist die tägliche Rückkehr zumutbar, wenn die kürzeste Entfernung in Straßenkilometern zwischen Ausgangspunkt und Montagestelle 65 km nicht übersteigt und diese Entfernung jeweils für Hin- und Rückweg außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit zurückgelegt wird. Übersteigt die Entfernung 65 km, sind die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden.

  • Entschädigung für Reisezeit

    • Die notwendige Reisezeit einschließlich der An- und Abmarschzeiten (8) wird unter Zugrundelegung der nach § 6.1.3 getroffenen betrieblichen Regelung bis zu 12 Stunden je Kalendertag bezahlt, und zwar

      falls sie außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit liegt, wie Arbeitszeit ohne Zuschläge (9),

      falls sie innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit liegt, zuzüglich eines Verdienstausgleiches in Höhe des Montagezuschlags.

  • Fernauslösung

    • Die Auslösung ist eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort (12).
    • Die Auslösungen werden in dem Tarifvertrag für Auslösungssätze und Erschwerniszulagen je Kalendertag während der ersten 60 Kalendertage und nach 60 Kalendertagen, gestaffelt für Entfernungen bis 150 km und über 150 km (13), festgelegt.

§ 7

Nahmontage

  • Begriff

    Nahmontage ist eine Montage, bei der dem Montagestammarbeiter die tägliche Rückkehr zum Ausgangspunkt zumutbar ist.

    Die Zumutbarkeit bestimmt sich nach § 6.1.1 und § 6.1.2.

  • Nahauslösung

    • Die Nahauslösung ist eine Pauschalerstattung (6), die den Mehraufwand bei auswärtigen Arbeiten abdecken soll (7).

      Die Höhe der Nahauslösung soll die Dauer der Abwesenheit berücksichtigen. Sie wird für Zeitzonen (§ 7.3.2), für Entfernungszonen (§ 7.3.5) und für Fahrer von werksseitig gestellten Fahrzeugen (§ 7.3.6) festgesetzt.

    • Für Montagestammarbeiter, für die der Zeitaufwand mit öffentlichen Verkehrsmitteln für Hin- und Rückweg zwischen dem gem. § 7.1.3 festgesetzten Ausgangspunkt und der Montagestelle zugrunde gelegt wird, beträgt die Nahauslösung in den sechs Zeitzonen

      1. 

       Zone

       0 bis 1

       Stunde

      15 %

      6. 

       Zone

       über 3 bis 3 1/2

       Stunden

      70 %

      der Fernauslösung für Montagen in Entfernungen bis 150 km während der ersten 60 Kalendertage.

    • Bei der Berechnung des Zeitaufwandes ist die kürzeste Strecke bei Benutzung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel maßgebend.
    • Fahrplanmäßig bedingte unvermeidbare Wartezeiten, die zwischen dem Zeitpunkt des Erreichens der Montagestelle und der Arbeitsaufnahme liegen, werden auf den Zeitaufwand für das Erreichen der Montagestelle in Ansatz gebracht, soweit sie 30 Minuten überschreiten. Das gleiche gilt für unvermeidbare Wartezeiten, die zwischen der Beendigung der Arbeit und dem Antritt des Rückweges liegen, soweit sie 30 Minuten übersteigen (8).

      Wartezeiten, die fahrplanmäßig durch ungünstige Anschlüsse zwischen zwei Verkehrsmitteln eintreten, werden ohne Rücksicht auf ihre Zeitdauer in vollem Umfang auf den Zeitaufwand für die Ermittlung der Nahauslösungszone in Anrechnung gebracht.

      Anmerkung 8:

      • Wartezeit im Sinne des § 7.3.4 ist:
      • beim Hinweg die Zeit zwischen der fahrplanmäßigen Ankunft an der der Montagestelle nächstgelegenen Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels und der Arbeitsaufnahme,
      • beim Rückweg die Zeit zwischen Arbeitsende und der fahrplanmäßigen Abfahrt des öffentlichen Verkehrsmittels.

      Zur Wartezeit gehören nicht Zeiten für Waschen und Umziehen sowie die Zeit für den Fußweg von und zur Haltestelle. Die Zeit für den Fußweg ist – außerhalb der Wartezeit – bei der Berechnung der Auslösung zu berücksichtigen. Auf die Berücksichtigung der Zeiten für Waschen und Umkleiden besteht kein tariflicher Anspruch; bereits bestehende betriebliche Regelungen werden hiervon nicht berührt.”

Der Kläger hat geltend gemacht, bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel hätte sich für ihn ein Zeitaufwand für Hin- und Rückweg von 3 Stunden 41 Minuten ergeben. Die Beklagte schulde deshalb die Zahlung von Fernauslösung. Zum Zeitaufwand i. S. von § 6.1.1 BMTV gehörten auch alle notwendigen Wartezeiten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.106,28 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. September 1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe für die Montagetätigkeit in Bochum-Wattenscheid nur die Bezahlung von Nahauslösung geschuldet. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Wartezeiten an der Montagestelle zwischen Ankunft und Arbeitsbeginn sowie Arbeitsende und Antritt des Rückweges seien bei der Abgrenzung von Nah- und Fernmontage nur zu berücksichtigen, wenn sie jeweils 30 Minuten überschritten. Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Es ergebe sich deshalb nur ein Gesamtaufwand für Hin- und Rückweg von 3 Stunden 9 Minuten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat in der Zeit vom 25. März bis zum 3. Mai 1991 keinen Anspruch auf Fernauslösungen nach § 6.4.2 BMTV erworben. Er hat in dieser Zeit nicht in Fern-, sondern in Nahmontage gearbeitet.

A. Der Bundes-Montagetarifvertrag ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Beide Parteien sind tarifgebunden (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Da der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bei der Beklagten als Montagearbeiter eingesetzt wird, fällt er auch in den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages (§ 1.1.3 BMTV).

B. Der Kläger kann für seinen Einsatz in Bochum-Wattenscheid keine Fernauslösung nach § 6.4.2 BMTV verlangen. Er war auf dieser Montagestelle nicht in Fernmontage tätig, weil ihm die tägliche Rückkehr zu seiner Wohnung zumutbar war. Der nach § 6.1.1 BMTV hierfür maßgebliche Zeitaufwand für den Hin- und Rückweg bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel belief sich nur auf 3 Stunden und 9 Minuten, überstieg also die tarifvertragliche Zeitgrenze von 3 1/2 Stunden nicht.

I. Im Falle des Klägers ist für die Abgrenzung der Fern- von der Nahmontage § 6.1.1 BMTV maßgeblich.

§ 6.1 und § 7.1.1 BMTV grenzen die beiden Begriffe danach voneinander ab, ob dem Montagearbeiter die tägliche Rückkehr zur Wohnung (§ 6 Fernmontage) oder zum Ausgangspunkt (§ 7 Nahmontage) zumutbar ist. Dabei erklärt sich die unterschiedliche Wortwahl Wohnung/Ausgangspunkt daraus, daß ein Montagearbeiter, der in Fernmontage arbeitet, zusätzlich einen Anspruch auf Nahauslösung haben kann, wenn er nicht in unmittelbarer Nähe der Montagestelle übernachten kann (§ 6.7 BMTV).

Wann die tägliche Rückkehr zur Wohnung unzumutbar ist, bestimmen § 6.1.1 und § 6.1.2 BMTV einheitlich für Fern- und Nahmontage (§ 7.1.1 BMTV). Für den Kläger ist § 6.1.1 BMTV einschlägig, obwohl er tatsächlich mit seinem privaten Kraftfahrzeug zur Montagestelle gefahren ist. Die Regelung über die Nutzung privater Kraftfahrzeuge ist nach der Anmerkung Nr. 2 zu § 6 BMTV, die Bestandteil des Tarifvertrages ist, nur anzuwenden, wenn über die Nutzung des Kraftfahrzeuges eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen worden ist. Dies war beim Kläger nicht der Fall.

II. Der für die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr nach § 6.1.1 BMTV maßgebliche Zeitaufwand außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für Hin- und Rückweg belief sich während des Einsatzes des Klägers in Bochum-Wattenscheid auf 189 Minuten, also weniger als 3 1/2 Stunden. Der Kläger war damit nicht in Fernmontage tätig.

1. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, ob die Wartezeiten eines Montagearbeiters nach Ankunft an der Montagestelle bis zum Schichtbeginn (beim Kläger: 25 Minuten) und nach Schichtende bis zum Antritt des Rückweges (beim Kläger: 7 Minuten) zum “Zeitaufwand für Hin- und Rückweg” zählen. Unstreitig benötigt der Kläger bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne diese Wartezeiten 3 Stunden und 9 Minuten, während er unter Einschluß der Wartezeiten mit 3 Stunden und 41 Minuten die Zeitgrenze des § 6.1.1 BMTV überschritte.

2. Die Auslegung des § 6.1.1 BMTV nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang ergibt, daß Wartezeiten an der Montagestelle beim Zeitaufwand für Hin- und Rückweg nur dann mitzuberücksichtigen sind, wenn sie jeweils 30 Minuten überschreiten. Da dies beim Kläger nicht der Fall war, bleibt es bei dem für die Annahme einer Fernmontage nicht ausreichenden Zeitaufwand von 3 Stunden und 9 Minuten.

a) Nach § 6.1.1 BMTV soll es bei der Abgrenzung der Fern- und der Nahmontage auf den “Zeitaufwand … für Hin- und Rückweg” ankommen.

Die Satzteile “Zeitaufwand” und “für Hin- und Rückweg” sind trotz ihrer Stellung im Satz miteinander verknüpft. Zwar befinden sich zwischen ihnen die Wörter “außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel”. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß sich die Wörter “für Hin- und Rückweg” nur auf “bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel” beziehen. Sprachlich wäre dies zwar möglich. Bei einem solchen Verständnis der Bestimmung bliebe offen, wofür die Zeit aufgewendet werden soll (im Ergebnis ebenso: BAG Urteil vom 25. August 1982 – 4 AZR 1072/79 – BAGE 40, 86, 90 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG Auslösung).

b) Wenn es auf den “Zeitaufwand für Hin- und Rückweg” ankommt, ist nur auf den Zeitaufwand abzustellen, der zur Überbrückung der Entfernungen zwischen Wohnung und Montagestelle erforderlich ist, und nicht zusätzlich auf Wartezeiten auf der Montagestelle. Dem steht nicht entgegen, daß es sich nach § 6.1.1 BMTV um Zeitaufwand “außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit” handeln soll. Damit ist nicht gemeint, es solle die gesamte Zeit außerhalb der täglichen Arbeitszeit berücksichtigt werden. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, geht es hier nur um die zeitliche Lage der Reisezeit. Wird der Weg zu und von der Montagestelle innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit zurückgelegt, handelt es sich um Arbeitszeit. Die jeweiligen Fahrten sind im vertraglichen Sinne Arbeit. Der Arbeitnehmer erbringt keinen zusätzlichen Aufwand über die Arbeit hinaus, der eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort erfordern würde (§ 6.4.1 BMTV). Nur bei diesem Verständnis ist, auch erklärbar, warum der Satzteil “außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit” auch im Zusammenhang mit der Nutzung privater Fahrzeuge für den Weg zur Montagestelle verwendet wird. Dort geht es nicht um die Bestimmung des erforderlichen Zeitaufwandes, sondern nur darum, wieviel Kilometer jeweils zurückzulegen sind.

c) Der Vergleich des § 6.1.1 mit § 6.3.1 BMTV unterstützt die Annahme, daß bei der Abgrenzung der Nah- von der Fernmontage Wartezeiten an der Montagestelle nicht mitzuberücksichtigen sind.

Nach § 6.3.1 BMTV erhalten die Montagearbeiter, die in Fernmontage sind, eine bestimmte Entschädigung für “die notwendige Reisezeit”. Dabei wird ausdrücklich festgestellt, daß zur notwendigen Reisezeit die An- und Abmarschzeiten zählen. Auch hier soll also die Wartezeit an der Montagestelle selbst keine Rolle spielen. Es liegt nahe, daß die Tarifvertragsparteien in § 6.3.1 BMTV nicht anders als in § 6.1.1 BMTV gewertet haben. Hier wie dort soll ein bestimmter Zeitaufwand dafür maßgeblich sein, daß ein näher festgelegter Aufwendungsersatz oder eine Entschädigung gezahlt wird.

d) Aus § 7.3.4 BMTV und der Anmerkung 8 der Tarifvertragsparteien hierzu ergibt sich die zeitliche Grenze von jeweils 30 Minuten, bis zu der Wartezeiten an der Montagestelle bei der Abgrenzung der Nah- von der Fernmontage ohne Bedeutung sind.

Diese Bestimmung kann herangezogen werden, wenn es um die Abgrenzung der Fernmontage von der Nahmontage geht. An sich enthält sie nur eine Regelung dazu, wie der Zeitaufwand für den Hin- und Rückweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von § 7.3.2 BMTV zu berechnen ist. Es geht darum, nach welcher Zone die Nahauslösung zu bezahlen ist, d. h. wie hoch der Nahauslösungsbetrag ist. Die in § 7.3.2 BMTV aufgeführten Nahauslösungszonen reichen jedoch bis zu der nach § 6.1.1 BMTV maßgeblichen Zeitgrenze von 3 1/2 Stunden zwischen Nah- und Fernmontage. Deshalb müssen, um widersprüchliche Zuordnungsergebnisse innerhalb desselben Tarifwerkes zu vermeiden, die für die Zuordnung zu den einzelnen Nahauslösungszonen aufgestellten Regeln auch gelten, wenn es um die Abgrenzung der Nah- von der Fernmontage geht. Nähme man abweichend von § 7.3.4 BMTV im Rahmen des § 6.1.1 BMTV an, daß alle Wartezeiten an der Montagestelle mitzählten, könnte sonst ein Arbeitnehmer Anspruch auf die höheren Fernauslösungssätze haben, auch wenn er nach den Berechnungsregeln des § 7.3.4 BMTV nicht einmal in der obersten Nahauslösungszone einzuordnen wäre. Ließe man umgekehrt jede Wartezeit an der Montagestelle unberücksichtigt, könnten Montagearbeiten der Nahmontage zuzuordnen sein, auch wenn der Zeitaufwand nach § 7.3.2 BMTV über dem höchsten Aufwand in der höchsten Nahauslösungszone läge.

Soweit der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 25. August 1982 (– 4 AZR 1072/79 – BAGE 40, 86 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG Auslösung) zu einer älteren Fassung des Bundes-Montagetarifvertrages eine teilweise abweichende Auffassung vertreten hat, hält der nunmehr allein zuständige erkennende Senat hieran nicht mehr fest.

3. Da die Wartezeiten des Klägers an der Montagestelle in Bochum-Wattenscheid bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel weder nach dem Hin- noch vor dem Rückweg 30 Minuten überschritten hätten, bleiben diese Wartezeiten bei der Bestimmung, ob Nah- oder Fernmontage vorgelegen hat, außer Ansatz. Der für den Kläger erforderliche Zeitaufwand blieb damit unterhalb von 3 1/2 Stunden, so daß er nur Anspruch auf Nahauslösung hatte. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Dr. Bächle, Schlaefke

 

Fundstellen

Haufe-Index 857029

NZA 1995, 1111

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