Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Kündigungsschutzklage. verhaltensbedingte Kündigung und vorausgegangene Abmahnung
Orientierungssatz
1. Eine Kündigungsschutzklage muss als Feststellungsklage den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen und bedarf eines bestimmten Antrags.
2. Der Antrag einer Kündigungsschutzklage muss nach § 4 Satz 1 KSchG auf die Feststellung gerichtet sein, “dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist”.
3. Eine Klageschrift ist als Prozesshandlung auslegungsfähig. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird.
4. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Entscheidend ist, dass aus dem Antrag bzw. aus der Klageschrift der Wille des Klägers zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage hinreichend deutlich hervorgeht. Dementsprechend kann es auch bei Fehlen eines ausdrücklich formulierten Antrags genügen, wenn aus der Klageschrift ersichtlich wird, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennt.
5. Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch künftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.
6. Dabei ist es für eine negative Prognose ausreichend, wenn die jeweiligen Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnung und Kündigungsgrund in einem inneren Zusammenhang stehen.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2, §§ 4-6, 7 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2006 – 4 (9) Sa 927/05 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.
Der 1974 geborene ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. September 1995 beschäftigt und zuletzt als Firmenberater tätig.
Die Beklagte mahnte den Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2004 wegen der nicht rechtzeitigen Vorlage von Ergebnisprotokollen über sog. Jahresdurchsprachen bei Großkunden ab. Die vom Kläger hiergegen zunächst erhobene Klage nahm er vor einer gerichtlichen Entscheidung zurück. Mit Schreiben vom 16. November 2004 mahnte die Beklagte den Kläger erneut wegen verschiedener Pflichtverletzungen ua. wegen einer verspäteten Anmeldung zu einer Tagung, einer nicht umgehenden Terminsvereinbarung mit einem Kunden trotz entsprechender Weisung des Vorgesetzten, der verspäteten Vorlage einer Übersicht über die aktuellen Firmen-Jahresdurchsprachen der Agenturen sowie der Übersicht über die erledigten Durchsprachen bei Großkunden ab.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 11. Februar 2005 ordentlich zum 30. Juni 2005 mit der Begründung, der Kläger habe entgegen einer entsprechenden dienstlichen Anweisung sog. Jahresdurchsprachen mit Firmenkunden nicht persönlich durchgeführt.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23. Februar 2005 unter Beifügung des Arbeitsvertrags und des Kündigungsschreibens gegen diese Kündigung Klage “wegen Feststellung” erhoben. Der Schriftsatz enthält keinen konkreten Feststellungsantrag. In dem Schriftsatz führt der Kläger aus, die Beklagte habe mit Schreiben vom 11. Februar 2005 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 30. Juni 2005 erklärt. Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen würden, seien nicht gegeben. Der Betriebsrat habe der Kündigung widersprochen. Die Beklagte beschäftige regelmäßig mehr als fünf Mitarbeiter.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Klage genüge den prozessualen Anforderungen einer Kündigungsschutzklage, obwohl ein ausdrücklicher Sachantrag fehle. Sein Begehren sei zweifelsfrei aus dem Klageschriftsatz ersichtlich. Er bestreitet die Vorwürfe einer erneuten Pflichtverletzung nach Abmahnung.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11. Februar 2005 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags im Wesentlichen ausgeführt: Die Kündigung sei schon wegen nicht ordnungsgemäßer Klageerhebung innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG gemäß § 7 KSchG rechtswirksam. Die Kündigung sei auch aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe entgegen der Anweisung, die sog. Jahresdurchsprachen mit Großkunden persönlich durchzuführen und darüber zu berichten, sie überwiegend den Mitarbeitern der Agenturen überlassen. Es lägen auch ausreichende einschlägige Abmahnungen vor.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat sich rechtzeitig innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gegen die Kündigung vom 11. Februar 2005 gewandt. Da kein verhaltensbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung gegeben ist, ist diese Kündigung sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG und damit unwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine der Klage stattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigungsschutzklage sei trotz des zunächst fehlenden ausdrücklichen Sachantrags als ordnungsgemäß erhoben und damit als fristwahrend anzusehen. Aus dem Klageschriftsatz werde hinreichend deutlich, dass die Kündigung als unberechtigt angesehen und zu diesem Zweck eine Feststellungsklage erhoben werden sollte. Der gebotenen großzügigen Auslegung der Klageschrift stehe es nicht entgegen, dass die Klage nicht vom Kläger selbst, sondern durch einen Rechtsanwalt erhoben worden sei.
Ein hinreichender Kündigungsgrund liege nicht vor. Selbst wenn in der unterlassenen Durchführung persönlicher Gespräche mit Großkunden eine Pflichtverletzung liegen würde, fehle es insoweit an einer erforderlichen Abmahnung. Die mit den vorangegangenen Abmahnungen gerügten Verhaltensweisen bezögen sich auf andere Pflichtverletzungen. Im Übrigen falle auch die Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers aus.
B. Diesen Ausführungen folgt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung.
I. Der Kläger hat sich mit dem Schriftsatz vom 23. Februar 2005 rechtzeitig iSd. § 4 Satz 1, § 7 KSchG gegen die streitgegenständliche Kündigung vom 11. Februar 2005 gewandt. Entgegen der Auffassung der Revision erfüllt dieser Schriftsatz die notwendigen Mindestvoraussetzungen einer Kündigungsschutzklage iSd. § 4 Satz 1 KSchG. Deshalb gilt diese Kündigung nicht bereits nach § 7 1. Halbs. KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 Satz 1 KSchG). Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6 KSchG), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, § 7 1. Halbs. KSchG.
2. Wie jede andere Klage muss die Kündigungsschutzklage als Feststellungsklage den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügen. Deshalb bedarf es eines bestimmten Antrags (Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 253 Rn. 7 ff.).
a) Das Erfordernis eines bestimmten Antrags gilt als notwendige Prozessvoraussetzung auch für Feststellungsklagen (BGH 4. Oktober 2000 – VIII ZR 289/99 – NJW 2001, 445, zu II 3a der Gründe). Der Kläger muss bei einer Feststellungsklage in seinem Antrag das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnen, dass über dessen Identität und damit den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit bestehen kann. Ein Feststellungsantrag, der diesem Erfordernis nicht genügt, ist unzulässig. Er unterliegt, wenn der Kläger den Mangel – ggf. auch nach richterlichem Hinweis (§ 139 ZPO) – nicht behebt, der Abweisung durch Prozessurteil (BGH 22. September 1981 – VI ZR 257/80 – VersR 1982, 68, zu I 2a der Gründe; 4. Oktober 2000 – VIII ZR 289/99 – aaO).
Bei einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist – ebenso wie bei einer Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG – zu beachten, dass der Feststellungsantrag einem vom Gesetz vorgegebenen Inhalt entsprechen muss. Nach § 4 Satz 1 KSchG muss der Antrag einer Kündigungsschutzklage auf die Feststellung gerichtet sein, “dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist”. Der dem Gesetzeswortlaut entsprechende Klageantrag ist dann auch bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Arbeitsgericht hat nach § 139 Abs. 1 ZPO die Pflicht, auf die Stellung eines entsprechenden Antrags hinzuwirken.
b) Als Prozesshandlung ist eine Klageschrift aber ebenso wie eine private Willenserklärung auslegungsfähig (vgl. Senat 21. Mai 1981 – 2 AZR 133/79 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 7 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 19, zu B I 1 der Gründe mwN). Die Auslegung kann das Revisionsgericht selbst vornehmen (BAG 17. Juli 2007 – 9 AZR 819/06 – Rn. 14, EzA TzBfG § 8 Nr. 17, zu I 1 der Gründe; Senat 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – Rn. 16, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76, zu II 4 der Gründe). Der Wortlaut tritt hinter dem Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird (BAG 20. Dezember 1963 – 1 AZR 428/62 – BAGE 15, 174 = AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 32 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 7, zu A II 1 der Gründe). Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen. Insbesondere kann von einem rechtsunkundigen Kläger, der seinen Prozess selbst führt, nicht erwartet werden, dass er hinreichende Kenntnisse von den juristischen Fachbegriffen hat und die Bedeutung der entsprechenden Willensbetätigungen erkennt. Entscheidend ist, dass aus dem Antrag bzw. aus der Klageschrift der Wille des Klägers zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage hinreichend deutlich hervorgeht. Es genügt, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will (Senat 21. Mai 1981 – 2 AZR 133/79 – aaO; APS/Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 107; Bader/Bram/Dörner/Wenzel-Kriebel KSchG Stand Oktober 2007 § 4 Rn. 56; ErfK/Kiel 7. Aufl. § 4 KSchG Rn. 61; HaKo-Gallner KSchR 3. Aufl. § 4 KSchG Rn. 47; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 4 Rn. 25; HWK-Pods/Quecke 2. Aufl. § 4 KSchG Rn. 15; KDZ-Zwanziger KSchR 6. Aufl. § 4 KSchG Rn. 30; KR-Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 160 ff.; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 4 Rn. 15; Stahlhacke/Preis/Vossen – Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1780).
3. Gemessen an diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 23. Februar 2005 entgegen der Auffassung der Revision den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass der Kläger mit dem Schriftsatz vom 23. Februar 2005 eine ordnungsgemäße Kündigungsschutzklage erhoben hat. Dieser Auslegung der Klageschrift durch das Landesarbeitsgericht steht weder entgegen, dass die Klageschrift keinen ausdrücklichen, ausformulierten Klageantrag enthält noch dass sie von einem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht erstellt worden ist.
a) Dem Schriftsatz vom 23. Februar 2005 und dem beigefügten Anstellungsvertrag vom 21. Dezember 2000 war klar zu entnehmen, dass der Kläger bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als Direktionsbeauftragter innerhalb der Filialdirektion F… beschäftigt war. Weiter enthält das mit dem Schriftsatz beigefügte Schreiben vom 11. Februar 2005 den eindeutigen Hinweis, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2005 gekündigt hatte. Ferner hatte der Kläger geltend gemacht, dass Gründe, die eine Kündigung rechtfertigen könnten, nicht vorlägen. Die Beklagte wurde weiter aufgefordert, die Kündigungsgründe substantiiert darzulegen und die schriftliche Information des Betriebsrats, der der Kündigung widersprochen hatte, vorzulegen. Schließlich enthält der Schriftsatz die Behauptung, die Beklagte beschäftige regelmäßig mehr als fünf Mitarbeiter. Damit wird aus dem Klageschriftsatz hinreichend deutlich, dass der Kläger die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht hinnehmen und sich gegen diese Kündigung gerichtlich wenden wollte. Der klare Wille des Klägers, sich im Wege der Feststellung – wie im Betreff genannt – gegen die zum 30. Juni 2005 ausgesprochene Kündigung vom 11. Februar 2005 klageweise zur Wehr setzen zu wollen, kommt damit, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, hinreichend – auch für die Beklagte erkennbar – zum Ausdruck. Da die Klage somit ersichtlich alle Angaben enthält, die für eine Kündigungsschutzklage inhaltlich erforderlich sind, sprechen sämtliche Umstände eindeutig für eine Auslegung des Schriftsatzes als Kündigungsschutzklage.
b) Dem steht der fehlende, nicht ausdrücklich ausformulierte Antrag nicht entgegen.
aa) Die Revision meint unter Hinweis auf den Wortlaut des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, eine Klageschrift müsse einen ausdrücklichen, von der Begründung der Klage abgegrenzt formulierten Antrag enthalten. Nach Ansicht der Revision gelte dies umso mehr als die vom Landesarbeitsgericht angezogenen bisherigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung einer Kündigungsschutzklage (BAG 11. September 1956 – 3 AZR 163/54 – BAGE 3, 107; Senat 9. März 1961 – 2 AZR 502/59 – BAGE 11, 46; 21. Mai 1981 – 2 AZR 133/79 – AP KSchG 1969 § 4 Nr. 7 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 19) zumindest erkennbare rudimentäre Formulierungen enthalten hätten, die als auslegungsfähiger Antrag iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO aufgefasst werden konnten.
bb) Mit ihrem Ansatz überspannt die Revision die gesetzlichen Anforderungen an einen Antrag im Kündigungsschutzverfahren.
Zwar enthält die Klageschrift vom 23. Februar 2005 keinen ausschließlich formulierten, vom sonstigen Begründungstext abgesetzten Klageantrag. Dies ist hier unschädlich. Aus der Klageschrift einschließlich der beigefügten Unterlagen lässt sich hinreichend ein Antrag ableiten mit dem gesetzlich vorgegebenen Inhalt, nämlich “festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die Kündigung vom 11. Februar 2005 nicht aufgelöst ist”. Einer ausdrücklichen Wiedergabe in der Klageschrift bedurfte es hierfür nicht. Ausreichend ist es, wenn durch Auslegung der Klageschrift, wie im Entscheidungsfall, das Rechtsschutzziel des Klägers klar und eindeutig erkennbar wird. Das Erfordernis eines bestimmten Antrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dient nämlich in erster Linie dazu, die Grenzen der Rechtskraft eines im Verfahren ergehenden Urteils zu bestimmen und ist deshalb im Zusammenhang mit § 308 Abs. 1 ZPO und § 322 ZPO zu sehen.
Unter Berücksichtigung dieses und des sich aus § 4 Satz 1 KSchG ergebenen Sinn und Zwecks begegnet deshalb die Klageschrift vom 23. Februar 2005 im Ergebnis keinen entscheidungserheblichen Bedenken. Nach § 4 Satz 1 KSchG soll die Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, einer raschen Klärung zugeführt werden (BT-Drucks. 15/1204 S. 9, 13). Dem widerspricht es gerade nicht, den Schriftsatz vom 23. Februar 2005 als Kündigungsschutzklage zu verstehen. Er ist nicht nur innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG bei Gericht eingegangen, sondern macht auch für die Beklagte hinreichend deutlich, dass der Kläger die Kündigung vom 11. Februar 2005 nicht akzeptieren will.
cc) Auch vom Empfängerhorizont der Beklagten ist keine andere Auslegung gerechtfertigt. Für sie war durch den Schriftsatz vom 23. Februar 2005 eindeutig erkennbar, dass der Kläger nicht bereit war, die ausgesprochene Kündigung vom 11. Februar 2005 hinzunehmen, sondern er vielmehr hiergegen den Rechtsweg beschreiten wollte. Die Beklagte hat nach Zustellung der Klageschrift einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragt. Dieser hat unverzüglich zur Frage der örtlichen Zuständigkeit für den Rechtsstreit vorgetragen. Eine Unklarheit über das Begehren des Klägers kann für die Beklagte nicht entstanden sein.
c) Der vorstehenden Auslegung steht schließlich nicht entgegen, dass der Schriftsatz von einem Rechtsanwalt verfasst worden ist.
Der Revision ist zuzugeben, dass von einem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht eigentlich erwartet werden kann, dass er einen den Vorgaben des § 4 Satz 1 KSchG gerecht werdenden Antrag formuliert. Das bedeutet aber nicht, dass ein von ihm verfasster Klageschriftsatz nicht genauso ausgelegt werden kann und muss, wie der einer jeden anderen – nicht anwaltlich vertretenen – Partei. Dafür spricht schon, dass die gerichtliche Hinweispflicht auch dann besteht, wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist (vgl. BGH 12. Juli 2005 – VI ZR 83/04 – Rn. 54, BGHZ 163, 351, zu II B 6b der Gründe).
Der weitere Hinweis der Revision auf eine ausreichende Verwirklichung des Rechtsschutzes des gekündigten Arbeitnehmers über § 5 KSchG steht dem nicht entgegen. Einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage bedarf es gerade nicht, wenn die Kündigungsschutzklage rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist bei Gericht eingegangen und demnächst zugestellt wurde. Auch kann unabhängig von der in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur nach wie vor umstrittenen Frage der Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten (vgl. statt vieler nur Francken Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten an der Versäumung der Klagefristen des § 4 KSchG, § 1 Abs. 5 BeschFG und des § 113 Abs. 2 InsO einerseits und KR-Friedrich 8. Aufl. § 5 KSchG Rn. 69b ff. andererseits) die Auslegbarkeit und Auslegung eines Klageschriftsatzes nicht davon abhängen, ob ein Arbeitnehmer selbst, ein Rechtsanwalt oder ein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht den Schriftsatz gefertigt hat.
d) Soweit die Revision schließlich bemängelt, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht § 295 ZPO zur Begründung ihrer Entscheidung angezogen, kommt es hierauf nicht an. § 295 ZPO ist nur dann anzuwenden, wenn es um die Heilung einer mangelhaften Prozesshandlung geht. Daran fehlt es aber im Entscheidungsfall. Mit dem Schriftsatz vom 23. Februar 2005 lag bereits eine ordnungsgemäße Kündigungsschutzklage iSv. § 253 ZPO, § 4 Satz 1 KSchG vor.
II. Die Klage ist auch in der Sache begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Kündigung vom 11. Februar 2005 sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG) und damit unwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG) ist.
1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum hat, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des Senats, zuletzt etwa 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06 – Rn. 12, NZA 2007, 922, zu B I der Gründe).
2. Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand.
a) Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht – in der Regel schuldhaft – erheblich verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (Senat 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06 – Rn. 14, NZA 2007, 922, zu B II 1 der Gründe; 12. Januar 2006 – 2 AZR 21/05 – Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67, zu B II 1 der Gründe; 24. Juni 2004 – 2 AZR 63/03 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, zu B III 1 der Gründe).
b) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt dabei das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (Senat 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06 – Rn. 15, NZA 2007, 922, zu B II 1 der Gründe; 12. Januar 2006 – 2 AZR 179/05 – Rn. 55, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68, zu B III 2b aa der Gründe). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (ErfK/Ascheid/Oetker 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 297). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (ErfK/Ascheid/Oetker aaO Rn. 300).
c) Gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es lägen keine hinreichend konkreten Abmahnungen vor, bestehen zwar Bedenken. Allerdings rechtfertigen die möglichen Pflichtverletzungen eine verhaltensbedingte Kündigung noch nicht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Interessenabwägung ohne einen revisionsrechtlich beachtlichen Rechtsfehler durchgeführt und das Vorliegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes zu Recht auch aus diesem Grund verneint.
aa) Die Abmahnungen vom 26. Juli 2004 und 16. November 2004 rügen zwar nicht eine identische Pflichtverletzung wie sie der Kündigung zugrunde liegt. Aus beiden Abmahnungen ist aber für den Kläger deutlich geworden, dass die Beklagte einen Verstoß gegen ihre Anordnung, Durchsprachen mit den Firmenkunden ausschließlich persönlich durchzuführen, als vergleichbare, kündigungsrechtlich relevante Pflichtverletzung ansehen würde.
Die Revision rügt deshalb zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe den Begriff der Gleichartigkeit der Pflichtverletzungen verkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es für eine negative Prognose ausreichend, wenn die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnung und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (Senat 16. Januar 1992 – 2 AZR 412/91 – EzA BGB § 123 Nr. 36, zu B I 2b bb der Gründe).
Hiervon ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auszugehen. Der die Kündigung auslösende Vorwurf liegt darin, dass der Kläger nach seiner Auflistung lediglich in 5 von 26 Fällen Jahresdurchsprachen bei Großkunden persönlich durchgeführt hat. Damit ist der Vorwurf verbunden, es fehlten entsprechende persönliche Ergebnisberichte.
Diese Verstöße gegen die Berichts- und die Besuchspflicht weisen somit erhebliche Ähnlichkeiten bis hin zu Überschneidungen mit den in den Abmahnungen gerügten Vertragspflichtverletzungen auf.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings in seiner weiteren Begründung im Rahmen der Interessenabwägung vertretbar angenommen, die Pflichtenverstöße des Klägers seien nicht so gravierend, dass sie, angesichts der persönlichen Umstände des Klägers, insbesondere der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, geeignet wären, die streitgegenständliche Kündigung zu rechtfertigen.
Die Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Soweit sie ausführt, das Berufungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, der Kläger sei wegen insgesamt fünf gleichartiger Pflichtverstöße durch die Abmahnungen gewarnt gewesen, wird damit kein revisibler Fehler bei der Interessenabwägung geltend gemacht. Dies gilt auch für den weiteren Hinweis der Revision, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, der Kläger habe in seinem vergleichsweise jungen Alter und seiner eher kurzen Betriebszugehörigkeit gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, was auch durch eine Anschlussbeschäftigung belegt werde. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht die sozialen Daten des Klägers ausdrücklich behandelt, und zwar sowohl das Lebensalter als auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit und damit auch die Chancen des Klägers am Arbeitsmarkt berücksichtigt. Die Beklagte versucht nur, ihre Wertung an die Stelle des Berufungsgerichts zu setzen.
Auch der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis belastet und nunmehr ggf. gleichwohl fortzuführen ist, führt nicht zu einem Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Interessenabwägung. Dies ist eine Konsequenz des Kündigungsschutzes. Nicht jede Belastung des Arbeitsverhältnisses soll eine Kündigung rechtfertigen.
III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Rost, Schmitz-Scholemann, Eylert, K. Schierle, Th. Gans
Fundstellen
Haufe-Index 1992034 |
BB 2008, 1057 |
BB 2008, 1459 |
DB 2009, 1248 |