Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsanspruch. Rechtsmißbrauch

 

Orientierungssatz

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts schließt sich der Auffassung des Sechsten Senats (zuletzt Urteil vom 7.11.1985 6 AZR 169/84 = BB 1986, 735) an, daß der Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber dem Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht darauf gestützt werden kann, der Arbeitnehmer habe im Urlaubsjahr wegen Krankheit nicht gearbeitet.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.11.1983; Aktenzeichen 8 Sa 1663/83)

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 14.09.1983; Aktenzeichen 6 Ca 2329/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit Mai 1981 als Buchhändlerin bei der Beklagten beschäftigt mit einem Gehalt von monatlich 1.500,-- DM. Auf das Arbeitsverhältnis waren die Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen anzuwenden.

Die Klägerin hat am 29. Januar 1983 ein Kind geboren. Wegen der Mutterschutzfristen war sie vom 29. Dezember 1982 bis zum 26. März 1983 nicht beschäftigt. Danach nahm sie bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses am 29. Juli 1983 Mutterschaftsurlaub in Anspruch.

Mit ihrer am 27. Juli 1983 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin Urlaubsabgeltung für die Monate Januar und Februar 1983 in Höhe von 346,15 DM und tarifliches Urlaubsgeld für sechs Monate in Höhe von 447,50 DM begehrt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 823,65 DM zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld für die Monate Januar und Februar 1983 in Höhe von 513,15 DM zu zahlen und hat im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte jedenfalls Anspruch auf den in der Höhe unstreitigen Betrag, zu dessen Zahlung das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hatte.

1. Der Senat hat nur noch darüber zu entscheiden, ob der Klägerin für die Monate Januar und Februar 1983 ein Urlaubsabgeltungs- und ein Urlaubsgeldanspruch zusteht.

Der Urlaubsanspruch ist unstreitig entstanden. Da der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden konnte, ist er nach § 13 Nr. 9 MTV, § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Nach § 1 Abs. 6 Tarifvertrag über Sonderzahlungen für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1980 ist das Urlaubsgeld anteilig zu gewähren. Damit steht der Klägerin der von ihr noch geforderte Betrag zu. 2. Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, dieser Anspruch sei wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen. Diese Rechtsauffassung steht mit der ständigen Rechtsprechung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht im Einklang.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat seit der Entscheidung vom 28. Januar 1982 (BAG 37, 382 = AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch) in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 169/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen) unter eingehender Auseinandersetzung mit der hiergegen erhobenen Kritik dargelegt, daß der Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber dem Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht darauf gestützt werden kann, der Arbeitnehmer habe im Urlaubsjahr wegen Krankheit nicht gearbeitet. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

Daß vorliegend die Klägerin wegen der Mutterschutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht beschäftigt worden ist, ändert an der Rechtslage nichts. In dieser Zeit war die Klägerin wegen der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz gehindert, ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit auszuüben. Für diese Zeit besteht im Gegensatz zu § 8 d MuSchG auch keine Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers für den Erholungsurlaub. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits in seiner Entscheidung vom 7. März 1985 (- 6 AZR 334/82 - zur Veröffentlichung bestimmt) darauf hingewiesen, daß nach Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahr 1970): BGBl. II 1975, 746, 748) u. a. die Mutterschutzzeit als Dienstzeit der Arbeitnehmerin anzurechnen ist. Damit steht die Rechtsprechung des Senats im Einklang.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Gossen Deckert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441718

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